Kapitel 1

Seufzend stand ich vor dem Panoramafenster meiner Wohnung und blickte auf die atemberaubende Skyline von New York. Die Stadt war lebendig, laut und voll und schien nie zu ruhen, doch genau deshalb liebte ich sie. New York war mein Zuhause und mein Leben.

Hier hatte ich gutes und auch schlechtes erlebt. Im alter von fünf Jahren waren meine Eltern verstorben. Wir hatten einen schlimmen Autounfall gehabt, bei dem nur ich überlebte. Seit dem hatte ich in einem Heim gelebt und wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht. Ich war kein leichtes Kind gewesen. Ich war kompliziert und niemand wollte ein kompliziertes Kind haben, das noch traumatisiert von dem Tod seiner Eltern war. Immer wieder hatte ich Beziehungen aufgebaut und sie wieder verloren, Freunde gefunden und zurückgelassen.

Eines Tages kam ich zu einer Familie, der egal war ob ich nun kompliziert war oder nicht, ihnen war nur wichtig, dass ich die Klappe halten konnte. Da ich nicht viel redete, war ich wohl das perfekte Kind für sie. Meine Aufgabe wurde es Dinge für sie zu erledigen. Dinge, für die man sonst ins Gefängnis kommen könnte. Da ich noch ein Kind war, konnte ich nicht angeklagt werden, was mich wertvoll für sie machte. Ich raubte mal einen Juwelier aus und mal brach ich in Häuser ein. Ich tat es nicht gerne, doch wolle ich das Gefühl haben wertgeschätzt zu werden und deshalb dachte ich nicht weiter darüber nach. Ich wollte doch bloß geliebt werden.

Ich war nicht das einzige Kind dort und so gab es oft Konkurrenz zwischen uns. Es gab nur eine  klare Regel bei den Typen, die uns ein Dach über dem Kopf boten. "Wer am meisten Geld nach Hause brachte bekam ein Bett und genug zu essen für zwei, der Rest schlief im Keller und bekommt was vom Essen übrig war." Ich weiß, dass man sich jetzt fragen könnte, warum ich nicht einfach zurück ins Heim ging, doch auch dort war es nicht besser. Hier hatte ich zumindest die Chance meine Freunde auch zu behalten und nicht wieder umziehen zu müssen.

Bei der Familie blieb ich bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr. Danach war ich nicht mehr von Bedeutung für sie. Ich landete auf der Straße und von da an nahm das Schicksal seinen Lauf.

Ich hatte keinen Schulabschluss und war auch davor nur bis zur 4. Klasse in die Schule gegangen. Das heißt nicht, dass ich dumm war. Ich konnte lesen und schreiben und ich hatte auch gerne gelesen, wenn ich denn mal die Zeit dazu gefunden hatte, doch stellte mich so kein Unternehmen ein. Ich kam mit zwielichtigen Gestalten in Kontakt und die zeigten mir Wege, wie mann auch ohne einen Schulabschluss richtig Geld verdienen konnte. Anfangs vertickte ich Drogen, dann machte ich Botengänge für alles und jeden. Auf Umwegen gelangte ich dann in den Inneren Kreis einer Gang und dort lerne ich das Schießen und den Nahkampf. Man fand schnell heraus, dass ich sehr begabt war und so wurde ich für die Dreckarbeit angeheuert. Ich schaltete Verräter aus und trieb Schulden ein. Ich hasste diese Arbeit anfangs, doch ich brauchte Geld und ich wollte bei der Liebe meines Lebens bleiben. Irgendwann fand ich gefallen an meinem neuen Leben und ich hatte Nachts wieder richtig schlafen können, doch dann wurde mir alles genommen.

Nach einer Weile, sprachen mich auch Außenstehende darauf an, ob ich nicht jemanden für sie töten könne. Geblendet von dem vielen Geld und der Hoffnung auf ein entkommen aus der Gang, nahm ich immer wieder Aufträge an und kaufte mich nach kurzer Zeit aus der Gang frei.

Das ist jetzt zwei Jahre her. Jetzt bin ich sechsundzwanzig und meine Karriere hat gerade erst begonnen.

Es klingelte an der Tür, was mich aus meinen Erinnerungen riss. Ich lief zur Tür und fragte mich, wer denn mitten in der Nacht noch etwas von mir wollte. Als ich die die Tür öffnete blickte ich in ein mir bekanntes Gesicht. "Stan? Was machst du denn hier?" fragte ich verwirrt. Der bullige, leicht gruselig aussehende Typ vor mir ging wortlos an mir vorbei und steuerte auf mein Wohnzimmer zu. "Stan?! Ist alles in Ordnung?" Stan war mein Kamerad gewesen als ich in der Gang noch die Drecksarbeit verrichtete. Er hat mir alles beigebracht, was ich jetzt weiß. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich mich von der Gang distanziert hatte. Bei bestem Willen konnte ich mir nicht vorstellen, was er von mir wollen könnte. "Der Boss hat eine Nachricht für dich. Du sollst deine Pfoten aus seinen Angelegenheiten lassen, oder er bläst dir die Birne weg." Er ließ sich auf mein Sofa nieder als hätte er mir nicht grade gedroht und ich blickte ihn verwirrt an.

"Aus welchen Geschäften soll ich mich bitte raushalten? Ich habe seit zwei Jahren nichts mehr mit Drogen am Hut. Du kannst deinem Boss sagen, dass er sich um sein Heroin keine Sorgen zu machen braucht." Nun blickte Stan mich an und schüttelte leicht Kopf. "Alex, Alex, Alex... was mache ich bloß mit dir?" Enttäuscht verschränkte er seine Hände ineinander und legte den Kopf schräg. "Ich glaube du weißt ganz genau, dass es hier nicht um Drogen geht." Nun war ich vollkommen verwirrt. "Geht es nicht? Um was denn bitte sonst?" Ich dachte fieberhaft nach, mit was ich den Boss verärgert haben könnte, doch ich hatte echte keinen Kontakt mehr zu der Gang gehabt seitdem ich raus war. "Der Boss sagt, dass wenn du mir nicht versprichst, damit aufzuhören, seine Kunden abzuknallen, ich dir weh tun soll. Alex, ich will dir nicht weh tun müssen, also gib einfach zu, was du getan hast und ich kann hier weg gehen, ohne irgendwem weh zu tun." Bitte was soll ich getan haben?! "Was für Kunden? Ich habe in den letzten zwei Jahren nur drei Menschen in New York getötet, der Rest war gar nicht in dieser Stadt. Wieso kommt ihr überhaupt auf mich?" Er stand auf und kam auf mich zu. "Hör zu kleines. Meine Aufgabe ist es nicht nachzudenken, sondern Befehle zu befolgen." Ich schluckte schwer. Ich hatte früher mit ihm solche Befehle ausgeführt und Leute in meiner Lage sind nicht besonders gut dabei weggekommen.

"Hör zu, ich war das nicht. Ich kann das bestimmt auch irgendwie beweisen, ich brauche nur ein bisschen Zeit dazu." Er knurrte. "Na schön Alex... du hast drei Tage, dann musst du uns bewiesen haben, dass du das nicht warst." Erleichtert atmete ich aus. "Danke Stan. Das vergesse ich dir nicht." Er überreichte mir einen Zettel mit fünf Namen, Daten und Uhrzeiten. Nachdem ich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, ließ ich mich an der Tür hinunter gleiten und vergrub meinen Kopf in meinen Händen.

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