Die Wahrheit schmeckt bitter

Die nächsten drei Tage verbrachte ich haarraufend damit Quittungen zu durchsuchen und meinen Kalender nach möglichen Alibis zu durchsuchen. Freunde konnte ich schlecht fragen, ob sie mir ein Alibi verschaffen könnten, denn dann müsste ich ihnen auch erklären, wofür ich dieses Alibi benötigte und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.

Im laufe der letzten zwei Jahre hatte ich gelernt mich in die Gesellschaft zu integrieren und da ich mit meinem Job nicht schlecht verdiente, konnte ich mir schnell eine gute Wohnung in einer besseren Gegend kaufen. Um meinen Alltag zu füllen meldete ich mich in vielen verschieden Clubs an, in denen die nobelsten Damen New Yorks ihre Kaffeekränzchen hielten. Eigentlich war das gar nicht meine Welt, und daher wusste ich anfangs nicht, wie ich mich benehmen sollte, doch schnell fand ich gefallen daran und spielte gerne die High Society Tussi. Ich war sogar in einem Golfclub Mitglied.

Wie dem auch sei. Für zwei der fünf Toten hatte ich auf jeden Fall schon Mal ein Alibi, weil ich Quittungen von der Bar in einem der Damenclubs hatte.

Mir stellte sich jedoch die ganze Zeit die Frage, warum ich eine der Hauptverdächtigen war und warum jemand die Kundschaft einer Gang erschießen sollte. Das ergab keinen Sinn.

Am Abend des dritten Tages klingelte es abermals an meiner Haustür und ich öffnete meinem spätabendlichen Besucher. Stan stand vor mir und wieder wartete er nicht darauf von mir herein gebeten zu werden. "Und? Hast du Beweise dafür, dass du nichts mit der ganzen Sache zu tun hattest?" Ich nickte leicht und bedeutete ihm mir zu folgen. Im Wohnzimmer angekommen, öffnete ich den Umschlag in den ich alle Quittungen, die ich gefunden hatte, hinein gelegt habe und übergab sie Stan. Er zog die Augenbrauen hoch und brummte leise. "Na sieh mal einer an. Da ist die unsere kleine Alexandra wohl ne Dame geworden was? Kein Wunder, dass ich nichts mehr von dir gehört habe. Bist jetzt wohl zu fein für mich was? Zu fein für uns alle..." Eine Welle des Bedauerns und der Trauer überflutete mich und ich wusste nicht wie ich jetzt reagieren sollte. "Stan... nein, ich... ich glaube nicht, dass ich etwas besseres bin als du. Das darfst du garnicht denken. Ich... ich brauchte bloß Abstand zu allem. Auch zu dir. Diese Zeit in meinem Leben war nicht leicht für mich und unser Job... es war schrecklich." Er sah mir tief in die Augen und ich sah nichts als Unglauben in ihnen. "Sieh nur an, was aus dir geworden ist. Du wart stark und mächtig, hast vor Stolz und Selbstsicherheit gestrotzt. Jetzt bist eine kleine Maus, die in Damenclubs Mitglied ist. Das ist doch so lächerlich. Sei ehrlich, dein Leben hat sich nur äußerlich verändert, du hast es schön verpackt, damit du morgens etwas besser in Spiegel gucken kannst. Ich habe dich miterlebt. Du hast unseren Job gemocht. Was du nicht mochtest, war dass du es mochtest. Jetzt führst du augenscheinlich ein normales Leben, aber du tötest immer noch. Du hättest aufhören können, aber das möchtest du nicht."

Er hatte recht. Ich schluckte schwer. "Niemand hätte mich eingestellt. Ich habe ja nicht mal einen Schulabschluss." Ich wollte der Erkenntnis einfach nicht nachgeben die sich schon vor langer Zeit in mir manifestiert hatte. Stan kam langsam auf mich zu. "Jetzt gib es doch zu. Rede dich nicht mit irgendwelchen Ausreden hinaus. Du hättest deinen Schulabschluss nachmachen können, doch du wolltest nicht, weil es dir die Möglichkeit dazu genommen hätte dich weiter zu belügen." Verdammte scheiße! Warum hielt er mir das so vor? Ich hatte ihm doch nie etwas getan. Ich schloss die Augen und unterdrückte die schwere Last die sich auf mein Herz legte. "Das hat nichts mit dem zu tun, weshalb du hier bist, also komm einfach zur Sache und sag mir ob meine Alibis ausreichen, um den Verdacht von mir zu lenken." Er sah mich verächtlich an, doch dann nickte er nur und sagte:" verstehe..., nun dann... ich werde dem Boss die Beweise vorlegen und dich dann telefonisch benachrichtigen." Ich nickte kurz und machte Anstalten den Raum zu verlassen um ihn zur Tür zu begleiten. "Alex..." sagte er entschlossen. Ich drehte mich noch Mal zu Stan um. "Ja?" er sah aus dem Fenster als er sagte: "Du musst dich nicht dafür schämen, dass du nunmal liebst was du liebst. Das Leben war nicht fair zu dir, aber es hat dich zu der Person gemacht die du heute bist. Verstecke dich nicht hinter einer Maske, nur um in das Bild der Gesellschaft zu passen. Das wäre eine Verschwendung deiner tollen Persönlichkeit." Mit diesen Worten verließ er mich, nachdem ich ihm noch meine Handynummer gab, und ich war alleine. Alleine mit meinen Selbstzweifeln und dem Gefühl in mir, dass etwas nicht mit mir stimmte.

Ich war vielleicht nicht in bester Gesellschaft aufgewachsen, doch wusste ich was Moral bedeutete und wusste ich auch, dass es unmoralisch war Menschen zu töten. Ich hatte jedoch kein Problem mehr damit, viel mehr hatte ich gefallen daran gefunden eine solche Macht zu besitzen. Ich entschied darüber, ob ein Mensch lebte oder starb, vielmehr konnte ich ihn leiden lassen, oder ihm einen schönen Tod bescheren. Es war als hätten all die toten Menschen die ich auf dem Gewissen hatte einen teil meiner Seele mit sich genommen und jetzt war nichts mehr da, was mich noch Trauer oder Schuld hätte fühlen lassen können.

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