Prolog
Es herrschte tiefer Herbst im hohen Norden des großen Waldgebietes, das im Herzen Rhovanions lag. Bloß einen Tagesmarsch von den großen, heiligen Wasserfällen, und einige Tagesmärsche mehr von der Grenze zu den Grauen Bergen, entfernt, lag ein kleines, unscheinbares Dorf der Waldelben. Jeder kannte jeden, Nachrichten verbreiteten sich schnell und häufige Feste, wie es im Waldlandreich von König Thranduil üblich war, ließen die Einwohner zu einer großen Familie zusammenwachsen.
Die meisten von ihnen patrouillierten am nördlichen Waldrand, andere arbeiteten in der großen Schmiede, die von einem Elben namens Maruvan geführt wurde. Er war ein großer, geachteter Mann, dem niemand zu widersprechen wagte. Seine braunen gelockten Haare waren glanzlos und seine Schultern breit und trainiert von der harten Arbeit. Das Gesicht war über die vielen langen Jahre verhärtet und eiskalt geworden, fast so eiskalt wie seine dunkelbraunen – manche meinten gar schwarze – Augen. Die einzige Regung, die sich hin und wieder feststellen ließ, war, wenn er sich über etwas ärgerte, dann zogen sich seine buschigen Brauen so weit zusammen, dass sich eine tiefe Falte zwischen sie grub.
Doch das war nicht immer so gewesen. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, wie er zu dem Mann geworden war, der er heute war. Vor vielen Jahren noch hatte er Glück und Freude am Leben gefunden, hatte eine hübsche Elbin zur Frau genommen und war oft zu den mächtigen Hallen des Königs gereist. Diesen mühsamen und langen Weg nahm er zuweilen nur noch selten auf sich.
Seine Frau allerdings, Valanya war ihr Name, war noch genauso vergnügt und lebensfroh, wie sie es immer gewesen war. Damit stach sie zwar aus den Dorfbewohnern heraus, die seit unzähligen Jahren demselben Trott verfallen waren, doch das interessierte sie wenig. Sie war hier nicht aufgewachsen, kam von weit her, was von den einen als Erfrischung und von den anderen als Störung aufgegriffen wurde.
Eines Tages fügte es sich, dass diese beiden ein Kind auf die Welt brachten. Aus dem Gemurmel des Dorfes war deutlich herauszuhören, dass es wohl nur um einen Nachfolger für die Schmiede ging, um einen Sohn, dem Maruvan sein Handwerk lehren konnte, doch zu seiner Enttäuschung war es ein Mädchen, das an jenem Tage freudig quietschend in seinen Händen lag. Große runde blaue Augen glitzernden ihn an, doch in ihm regte sich kein Funken Liebe. Valanya, ihre Mutter, gab ihr den Namen Vilya, an ihren eigenen angelehnt, da sie wusste, dass sie nie die gebührende Anerkennung ihres Vater erhalten würde.
Auch als dieses Mädchen groß und außergewöhnlich schön, wie ihre Mutter wurde, mit dunkelbraunen Haaren und zarter blasser Haut, blieb sein kaltes Herz unberührt. Er verbrachte nur wenig Zeit mit ihr, verbot ihr die Schmiede zu betreten und ein Gerücht zog die Runde, dass er sie hart für jedwede Regelbrüche oder schlechte Leistungen in ihrer Ausbildung bestrafte. Wie viel davon der Wirklichkeit entsprach, wusste wohl nur die kleine Familie selbst, doch es war eindeutig, dass Vilya sich sehr anstrengte, um die Beste ihres Alters zu sein.
Und das war sie. Sie war niemals zu spät, hatte die besten Manieren, sog die alten Geschichten und die fremden Sprachen nur so in sich auf, und besiegte selbst Elben, die einige Jahre älter als sie waren. Sie bewegte sich flink und geschmeidig und wenngleich sie nie Zutritt zu der Schmiede ihres Vaters gehabt hatte, schien sie etwas von seinen Fähigkeiten geerbt zu haben. Sie liebte das Gefühl von Eisen in der Hand und das Geräusch eines sich dehnenden Bogens.
Sei es wegen den immer drohenden Bestrafungen ihres Vaters, oder ihres Ehrgeizes wegen, sie hatte immer irgendwo einen kleinen Dolch oder ein Messer in ihrer Kleidung versteckt, auch wenn es meistens bloß zum Schnitzen Verwendung fand.
Als Vilya etwa 20 Jahre alt war, wurde bekannt, dass Valanya abermals ein Kind in sich trug. Die Aufmerksamkeit Maruvans wurde von seiner Tochter abgelenkt, was ihr zum ersten Mal etwas Raum zum Atmen ließ. Ihr war sehr bewusst, dass diese Pause bloß zwölf Monate anhalten würde, doch auch sie hoffte auf einen kleinen Bruder, mit dem ihr Vater glücklich werden würde. Damit wäre etwas Druck von ihr genommen.
Doch das Schicksal will nicht immer so, wie man selber will. Es war abermals eine Tochter. Sie wurde Valaina genannt, was ihr Vater schon gar nicht mehr mitbekam, da er zu dem Zeitpunkt ihrer Taufe bereits den Raum verlassen hatte.
Diese Kleine hing sehr an ihrer Mutter als sie aufwuchs. Sie nutzte aus, dass ihre große Schwester die guten Leistungen erbrachte und so reif und vorbildlich war. Dadurch konnte sie machen, was sie wollte, bekam immer ihren Willen und stand allezeit unter dem Schutz ihrer Mutter. Diese glaubte, dass es bloß die Launen eines Kindes seien, während Vilya, die große Schwester, mit etwas mehr Misstrauen dieses Verhalten beobachtete. Das Mädchen war schlau, kannte genau ihre Grenzen, obwohl sie noch sehr jung war. Wenn sie wollte, hatte sie eine sehr hohe Auffassungsgabe und lernte schneller, als alle anderen in ihrem Alter – doch die meiste Zeit wollte sie nicht. Lieber hing sie am Zipfel ihrer Mutter und tat, als ob sie von nichts wüsste.
Doch wenngleich sich diese Geschichte einmal ihr und ihren Abenteuernwidmen wird, so sollte man zunächst mit denen ihrer größeren Schwesterbeginnen.
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