Kapitel 42


Der Herbst und der Winter

Sie hatten die Sommertage genossen wie nie zuvor.
Sie waren oft joggen, wurden beide immer besser und lockerer.
Dann kauften sie sich Fahrräder – besser gesagt Rennräder.

Alina schnappte beinahe über vor Glück, als er ihr diesen Vorschlag machte.
Die Ratte hatte es immer weit von sich gewiesen, sich auf ein Zweirad zu setzen.
Er hatte eigentlich Sport an sich abgelehnt, was immer wieder zu schlimmen Diskussionen geführt hatte – auch schon ganz am Anfang.

Sie war ein Bewegungsjunkie, liebte es, sich auszupowern.
Er schaffte mit Mühe und Not den Weg vom Kühlschrank zum Sofa. Doch immer hatte sie Entschuldigungen dafür gefunden – oder zumindest für lange Zeit.

Adrian liebte wie sie Sport, was man natürlich seinem Körper auch ansah - so sehr wie ihrem.
Sie genossen es unendlich, mit den leichten Flitzern durch die Gegend zu fahren, genossen dann das Radler und die Brotzeit in einem der vielen Biergärten, genossen die eine oder andere heiße Pettingrunde in einem dichten Gebüsch an der Strecke, genossen es, lachend etwas wacklig und deutlich langsamer weiterzufahren.

Der Sommer verwöhnte sie mit einer Reihe an tropischen Nächten, die sie auf der Terrasse bei Kerzenschein verbrachten. Hin und wieder kamen Nachbarn dazu, erfreuten sich an dem verrückten Liebespaar, Erinnerungen an die Anfangszeiten ihrer eigenen Beziehungen stiegen hoch.
Waren sie nicht auch einmal so verliebt gewesen?

Adrian schmiss beinahe den gesamten Haushalt, er tat es gern, sie hielt ihn nicht davon ab.
Oder nur manchmal. Wenn er falsch Liebeslieder trällernd mit dem Staubsauger durchs Haus tobte, musste sie ihn das eine oder andere Mal küssen.
Da fand er dann ganz schnell, dass es Wichtigeres gab als eine staubfreie Wohnung.
Nämlich sein Baby zu verwöhnen, sich anheizen zu lassen, bis er Sterne sah.

Sie waren beide beim Arzt gewesen, sie nahm die Pille, die Gummis waren Vergangenheit – und sie genossen es unendlich, ohne mit etwas zwischen ihnen miteinander zu schlafen.
Noch immer hatten sie viel Sex miteinander, noch immer war der Sex fucking geil, phänomenal!
In der Arbeit verhielten sie sich hochprofisonell – meisten zumindest.

Hin und wieder kam es schon vor, dass er ihr eine heiße Textnachricht schickte oder sie ihm, dass sie sich so lange gegenseitig anheizten, dass er zu ihr oder sie zu ihm ins Büro musste, dass seine Assistentin und ihr Assistent lächelnd hörten, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.
So ein heißer Quickie auf ihrem oder seinem Schreibtisch musste schon ab und zu mal sein!
Da ging doch die Arbeit noch einmal so schnell von der Hand.

Als er das erste Mal die Wäsche machte, war es ihr doch etwas peinlich.
Doch er wischte ihre Bedenken weg. „Ob ich dir deine Wäsche ausziehe oder sie in die Waschmaschine stecke, macht doch keinen Unterschied!" erklärte er lachend und setzte sie auf seine Hüften.

Dann stockte er kurz. „Oder doch! Ausziehen macht ein bisschen mehr Spaß!"
Natürlich landeten sie nach dieser Aussage wieder im Bett.
Es brauchte immer nicht viel, um den Funken zwischen ihnen zu entzünden, um die Leidenschaft hochkommen zu lassen.
Er wunderte sich schon lange nicht mehr über seine Ausdauer, sie kannte sich ja mit Männern nicht aus!
Was sie oft lachend betonte - was er ziemlich zufrieden hörte.

Dann war es von einem zum anderen Tag kalt geworden. Sie mochten beide die Kälte nicht!

„Hast du eigentlich Holz für diesen tollen Kaminofen?" fragte er an einem Abend, als sie unter einer Wolldecke gekuschelt wieder einmal einen Liebesfilm angesehen hatten.
„Oh!" Sie schlug sich gegen den Kopf. „Ich muss in den Baumarkt!"
Er sah sie verständnislos an. „Was willst du im Baumarkt?"

„Holz kaufen!" erwiderte sie, wunderte sich über sein Unverständnis.
Adrian bekam einen Lachanfall. „Du kaufst das Holz im Baumarkt?"
Sie tat beleidigt. „Ja! Beim Metzger haben sie keins!"

Es tat ihm leid, dass er sich lustig über sie gemacht hatte.
Er wusste, dass sie den Ofen hatte einbauen lassen, nachdem die Ratte ausgezogen war.
Ihr EX war dagegen gewesen, es war ihr erster selbstständiger Schritt in die Zukunft gewesen.
Sie brauchte viel Wärme, und sie wollte dafür sorgen, dass sie sie bekam!

„Sorry, Baby!" Ein Kuss beschwichtigte sie schnell.
Erst eine ganze Weile später erklärte er: „Ein Onkel von mir hat einen Wald. Wir lassen uns ein paar Ster liefern!"

Sie störte sich nicht im Geringsten an dem „wir", freute sich nur über seine Initiative.
„Wow! Der Dr. Gedack ist ja echt zu etwas zu gebrauchen!" zog sie ihn auf.
„Merkst du das jetzt erst, du kleines Biest?" fragte er anzüglich.
Da wurde es wieder einmal höchste Zeit, ihr zu zeigen, wozu er sonst noch zu gebrauchen war.

Zum Beispiel, dass er ihre Klit so lange reizen konnte, bis sie um Gnade flehte und seinen Kopf dahin drückte, wo sie seine Zunge am liebsten hatte.
Oder, dass er ausgesprochen fachmännische mit ihren Nippeln spielen konnte, bis sie kam.

Er wusste, dass er sein Kenntnisse sehr verfeinert hatte, seit er mit ihr spielen durfte.
Keuchend vor Lust wollte sie nach seinem Schwanz greifen, doch er hielt ihre Hände fest.
„Erst musst du gestehen!" raunte er in ihr Ohr.
„Was denn?" keuchte sie ein wenig frustriert. Sie fasste ihn so fucking gerne an.
„Wozu ich zu gebrauchen bin!" erklärte er heiser.
Sie lachte laut los. „Ich glaube, das geht schneller, wenn ich gestehe, wozu du nicht gebrauchen bist!"

Gut!
Diese Antwort gefiel ihm durchaus, machte ihn auch neugierig. „Nämlich?"
Sie dachte kurz nach. „Also eindeutig zur Teilnahme an einer Castingshow für Sänger!"
Nun lachte er. „Das ist alles?"
„Mir fällt im Moment nichts andere ein!" beteuerte sie.

Er zog sie auf seinen Schoß. „Damit kann ich leben!"
„Ich auch!" versicherte sie.
Für diese süßen Worte belohnte er sie, in dem er ihre Hände frei gab.
Oder sich?

Eine Woche später rollte ein Hanomag mit Anhänger auf den Platz vor der Garage.
Sie schossen aus einer sehr intimen Haltung hoch.
„O Gott! Das Holz!" stöhnte Adrian, sprang aus dem Bett und in seine Klamotten. „Das habe ich total vergessen!"

Alina hielt sich den Bauch vor Lachen.
Es hatte zu komisch ausgesehen, wie blitzschnell er gewesen war.
Sie war sich keiner Schuld bewusst, er hatte ihr gar nichts erzählt davon!
Vielleicht sollten wir ein wenig mehr reden? fragte sie sich grinsend.

Sie lachte aber auch wegen der Beule in seiner Jeans.
„Willst du so da runter?" Sie brachte kaum einen Ton heraus.
Die Situation war Slapstick pur!
Er grinste zurück. „So renn ich den ganzen Tag rum!"
Er öffnete aber doch lieber das Schlafzimmerfenster und rief hinunter: „Komme gleich! Ihr könnt schon abladen!"

Dann zog er seinen Reißverschluss wieder nach unten. „Also mach!" meinte er wie nebenbei.
Sie griff sich geschickt das große Ding, das hervorschnellte.
Viel zu tun hatte sie nicht mehr.
Er stöhnte erleichtert auf, brauchte eine Weile, bis sich die Sterne vor seinen Augen wieder verflüchtigt hatten.

Nun sprang er die Stufen hinunter.
Natürlich war auch Tante Alma mitgekommen, angeblich um ihrem Mann zu helfen.
In Wahrheit war sie neugierig auf Alinas Haus, darauf, wie ihr Lieblingsneffe denn so wohnte.
„Haben wir dich geweckt?" fragte sie süffisant.

„Ah!" Er versuchte, aus seinem Haarschopf mit den Händen eine Frisur zu machen. „Alina hat Migräne! Ich hab mich mit ihr hingelegt, um ihren Kopf zu massieren!" erfand er auf die Schnelle.
Onkel Bernd schlug ihm augenzwinkernd auf die Schulter. „Oh du Armer! Frauen mit Migräne sind schwer zu verkraften!"

Mittlerweile war Alina trällernd vor Glück angekommen.
Tante Alma sah sie schmunzelnd an. „Na? Geht es wieder besser?"
Alina sah etwas verunsichert drein, Adrian zeigte verstohlen auf seinen Kopf. „Ach ja! Die Kopfschmerzen sind wie weggeblasen!"

Onkel Bernd konnte das Lachen kaum noch zurückhalten. „Hm! Was so eine Kopfmassage alles bewirken kann!"
Alma grinste breiter. „Kopfmassage! Migräne! So ein Quatsch! Die waren mit etwas ganz anderem beschäftigt!"

Zum Glück kam gerade ein Autokonvoi an. Patrick, Ben und drei Cousins von Adrian parkten vor dem Grundstück. Das Schlusslicht bildete Mike, der Sohn der Biergartenwirtin - alle steckten in Arbeitsklamotten.
Adrian begrüßte die Jungs mit der Siegerfaust, grinste übers ganze Gesicht.

Sein Onkel hatte die Arbeiterbrigade organisiert!
Wie umsichtig!
Zehn Ster Holz mussten schließlich geschlichtet werden, damit er und seine Süße es kuschelig warm hatten.
Alina umarmte alle herzlich, es gab eine Menge an Küsschen auf die Wangen – bis Adrian entnervt ausrief: „Seit ihr jetzt zum Arbeiten da oder zum Knutschen?"

Einer seiner Cousins, der noch solo war, sah ihn an. „Also, wenn ich die freie Auswahl habe....!"
Die Kopfnuss, die er einstecken musste, war nicht ohne.
Als Alina die riesige Ladung Holz wahrnahm, bekam sie einen riesigen Schrecken. „Wo soll das denn alles hin?"

Doch Mike grinste nur.
Er hatte Adrians telefonische Anweisungen perfekt in die Tat um gesetzt.
Wozu war er schließlich Schreinermeister mit einem sehr gut laufenden Betrieb – dank der Unterstützung des Kumpels in den Anfangszeiten der Betriebsgründung.

Er winkte die Männer zu seinem Lieferwagen, lud Bauteile für eine Holzlege aus.
Alina brachte den Mund kaum noch zu, als vor ihren Augen ein überdachter Anbau im Vorgarten neben der Haustüre entstand.

Adrian wurde es kurzzeitig etwas mulmig zumute.
Hoffentlich hatte er nicht zu übergriffig gehandelt!
Doch als alles fertig war, fiel sie ihm um den Hals und flüsterte ihm zu: „Noch eine Sache, für die du echt gut zu gebrauchen bist!"

Nach drei Stunden war das ganze Holz geschlichtet, es sah super aus! So nach warmen, gemütlichen Winterabenden.
Alina und Alma hatten die Männer mit Brotzeit, Kaffee, Bier und Wasser versorgt.
Die Tante hatte Berge von kalten Schnitzeln und Semmeln mitgebracht, Salat hatte Alina im Kühlschrank gefunden.

„Hat es sich schon rumgesprochen, dass ich nicht kochen kann?" fragte Alina die Ältere, deren Haarfarbe heute eher ins Orange ging.
„Unter anderem!" erklärte die kryptisch.
„Heißt was?" wollte Alina wissen.
Alma zog die Schönheit in ihre Arme, ihr war gerade so danach.
„Dass du ihm guttust? Dass er dich verdient hat? Dass er glücklich zu sein scheint? Sehr glücklich sogar?"

Alina schluckte die Tränen hinunter.
Der Ausbruch der Tante ging ihr zu Herzen.
Alma zog Alina neben sich aufs Sofa und begann zu erzählen.

„Wir haben eine Tochter, Selina. Sie war nicht auf der Geburtstagsfeier von Klaus, meinem Bruder, weil sie mit ihrem dritten Kind hochschwanger ist. Mit 16 ist sie uns irgendwie entglitten, waren wir uns zu sicher, gute Eltern zu sein. Wir haben die Anzeichen der Drogensucht nicht gesehen, nicht im geringsten! Bis die Polizei uns angerufen hat, dass sie einer alten Frau die Handtasche geraubt hat! Unsere Selina! Die alles immer im Überfluss gehabt hat! Da war sie knapp 18, und wir mussten erfahren, dass sie schwer drogenabhängig war. Nicht nur ein wenig Koks, eine paar Partydrogen – das harte Zeug: Heroin.

Sie hing an der Spritze! Hat geklaut, hat sich prostituiert, um an das Geld, das sie für den Stoff brauchte, zu kommen. Wir haben auf sie eingeredet, haben sie angebrüllt, haben sie eingesperrt. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen. Dann hat Adrian von allem erfahren, ist vorbeigekommen, hat angefangen, mit ihr zu reden, richtig zu reden – ohne zu brüllen, ohne zu fordern – und zuzuhören. Schließlich konnte er sie überzeugen, in eine Klinik zu gehen. Sie war durch seine Zuwendung so gefestigt, dass sie es beim ersten Mal geschafft hat. Einer der Pfleger hat sich in sie verliebt, als sie entlassen wurde, hat er sie umworben. Heute sind sie verheiratet – und wie gesagt, bekommt sie ihr gemeinsames drittes Wunschkind."

Alma wischte sich die Augen trocken.
Die Erzählung hatte sie ziemlich mitgenommen.
Doch die Frau neben sich, die so schnell die Herzen aller gewann, musste wissen, was für ein Goldstück ihr Neffe war.

Musste über seine Frauengeschichten hinweg sehen, musste den wahren Adrian erkennen.
Alina schluckte ebenfalls an den Tränen, die in ihr hochgestiegen waren.
Sie ergriff die Hand der älteren Frau, die sich ihr, der Fremden, so geöffnet hatte.
Und sie verstand auch, warum sie das getan hatte.

„Ich weiß schon zu schätzen, was ich an ihm habe!" sagte sie leise. „Ich habe schon bald hinter die Kulissen des Frauenhelden gesehen."
Dann erzählte sie der fast Fremden die Geschichte ihres verkorksten Lebens, bevor Adrian es vollkommen umgestülpt und ins Lot gebracht hatte.

Alma lächelte sie an. „Da seid ihr wohl beide gut füreinander!"
Eine verschwitzte staubige Männerhorde stürmte das Haus. Die harten Kerle schlugen sich ab, waren zufrieden mit ihrem Tagwerk.

Adrian wischte sich den Schweiß von den Lippen.
Er brauchte jetzt endlich einen ordentlichen Kuss!
„Nicht abwischen! Du weißt doch wie ich das Salz auf deiner Haut liebe!" erklärte sie anzüglich, als er sie in die im Moment verwaiste Diele gezogen hatte.

„Zu gefährlich mit dem Haus voller Leute!" murmelte er und holte sich sein Lebenselixier.
Wie hatte ich nur 30 Jahre alt werden könne, ohne sie zu küssen! schoss es ihm durch den Kopf.
Sein Cousin Lars kam aus dem Zimmer, klatschte und pfiff laut. „Hände aus der Wäsche der Dame!" warnte er, bevor er hinter der Toilettentüre verschwand.

Adrian seufzte entnervt auf. „Neidische Bande!" rief er.
„Das kannst du annehmen, Bro!" tönte es zurück.
Adrian war den ganzen Tag superstolz auf sein patentes Mädchen gewesen.
Wie ein schöner Schmetterling war sie zwischen den Typen herumgeflogen, hatte sich lächelnd Komplimente angehört, wortgewandt auf Anspielungen reagiert, für jeden einen Scherz oder ein nettes Wort gehabt.

Er ahnte, wie sehr sie es genossen hatte, einfach sie selbst sein zu können.
Er konnte sich nicht in die Ratte hineinversetzen, beim besten Willen nicht.
Wie konnte man eine solche Frau nicht voll und ganz akzeptieren und einfach nur lieben?

„Bist du Monika jetzt endlich mal los geworden?"fragte Mike etwas später vollkommen arglos.

Adrian runzelte die Stirne. „Stimmungskiller Nummer eins!" brummte er.
Er verstrubbelte sich seine dichten Haare noch mehr, als sie eh schon waren. „Ich habe sie eigentlich ganz vergessen!"

Alle sahen Alina fragend an. Drängte sie denn nicht auf eine Scheidung, darauf, dass die Frau aus der Wohnung auszog?

Sie hob die Handflächen nach oben. „Ich auch!"
Es stimmte.

Keiner von beiden hatte in den letzten wunderbaren Wochen auch nur einen Gedanken an die Frau verschwendet, die noch immer Adrians Namen und Ring trug.

Sie spielte keine Rolle in ihrem vollkommenen Leben.
„Soll sie in der Wohnung bleiben! Ich hoffe, ich brauche sie in der nächsten Zeit nicht!" erklärte er schließlich – und der Satz war nur halb so lustig gemeint, wie er rüberkam.
„Ich auch!" Ihre Zustimmung hatte nur er verstehen können.

Sollte das so etwas wie eine Liebeserklärung gewesen sein?

Nachfragen würde er nicht – das Schneckenhaus war noch nicht ganz Vergangenheit, in das sie sich sehr schnell zurückziehen konnte.
Aber an sich drücken konnte er sie, um ihr zu verstehen zu geben, was diese beiden kleinen Worte ihm bedeuteten.

Während das Stimmengewirr der anderen an ihm vorbeiplätscherte, erinnerte er sich an ein Gespräch, das sie vor ungefähr zwei Wochen nach einem wahnsinnigen Höllenritt, der aber auch überaus zärtliche Phasen gehabt hatte, geführt hatten.

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