Kapitel 29
Nach einem ausgiebigen Frühstück – Patrick, der heilige Bruder - hatte tatsächlich Eier und Speck im Kühlschrank und Semmeln in der Gefriertruhe – erklärte sie: „Ich sollte nach Hause! Meine Nottasche reicht nur für einen Tag!"
Er stand auf, wollte so viel sagen, brachte aber kein Wort heraus.
Es war ihr gemeinsamer zweiter freier Tag.
Konnte er sie fragen, ob....?
„Komm doch mit!" schlug sie da locker vor. „Dann zeig ich dir mein Gaming-Zimmer!"
Vorsichtig nahm er sie in den Arm. „Mit Nottasche?"
„Logisch!" Sie musste sehr über ihren Schatten springen, um das kleine Wort herauszubringen.
Er fühlte das, war aber überglücklich, dass sie es ausgesprochen hatte.
„Das passt eh! Meine Gummis sind verbraucht!" Vielleicht konnte ein kleiner Scherz sie überzeugen, dass sie den nächsten Schritt ruhig wagen konnten.
Sie lachte befreit auf. „Das ist gut! Unsere Übernachtungsorte richten sich in Zukunft nach dem Vorrat an Kondomen!"
Plötzlich erschrak sie über das, was sie aus ihrem Mund gelassen hatte, ohne darüber nachzudenken. Zukunft!
Übernachtungsorte!
Das wollte sie doch gar nicht!
Oder doch?
Irgendwie konnte sie es sich nicht mehr vorstellen, alleine einzuschlafen und aufzuwachen – nicht zu vergessen, das, was dazwischen liegen konnte.
Lachen!
Heißer Sex!
Intelligente Gespräche!
Wohlfühlen!
Aber das alles wäre dann schon so etwas wie eine Beziehung – die sie noch immer vehement verhindern wollte.
Wieder ahnte er ihre Gedanken – und sie unterschieden sich von seinen während der letzten Tage gar nicht so sehr!
Doch er hatte sich mittlerweile eingestehen können, dass sich seine Meinung über das Thema Beziehung und Zusammenleben grundlegend geändert hatte.
Allerdings merkte er, dass sie noch nicht so weit war.
Deshalb musste er sehr vorsichtig mit ihr umgehen, um sie nicht zu verschrecken.
„Eine Nacht, Baby! Noch einen Tag und eine Nacht! Und dann entscheidest du!" schlug er leise vor, und sie wusste, dass er verstanden hatte.
Ja!
Das konnte sie riskieren!
Noch einen Tag und einen Nacht!
Dann würde sie weiter sehen.
„Okay! Dann pack mal!" Ihr Lächeln versprach ihm, dass sie überzeugt war von dem, was sie sagte.
Sicherheitshalber nahm er eine etwas größere Tasche, warf ein paar mehr Sachen hinein, als er für einen Tag und eine Nacht wirklich brauchte. Als er seine Kosmetiksachen aus dem Bad holte, bemerkte er, dass sie ihre nicht eingepackt hatte.
War es Absicht? Dann wäre er der glücklichste Mann der Welt!
War es Vergesslichkeit? Dann würde er den Teufel tun, sie darauf hinzuweisen!
Sie fuhren mit zwei Autos, was eine 30minütige Trennung bedeutete.
Sie küssten sich beim Abschied, als wären es 30 Tage.
Eine keifende Stimme riss sie aus der Leidenschaft unsanft ins Hier und Jetzt.
„Ach Gottchen! Wie süß!"
Alina erkannte seine Frau sofort.
Das war aber jetzt eine blöde Situation!
Lauerte die Kuh eigentlich den ganzen Tag Adrian vor dem Haus auf?
„Zwei Turteltäubchen!" machte die andere unbeirrt weiter. „Wie lange hast du ihn schon an der Angel? Einen Tag? Zwei Nächte?" Sie lachte kreischend. „Viel länger wirst du ihn auch nicht halten können! Wie all die anderen, die es versucht haben!"
Alina lächelte sie umwerfend an. „Das passt schon! Zwei Nächte mit ihm zählen so viel wie zwei Jahre mit einem anderen Mann!"
Dann stieg sie in ihren Flitzer, und zum ersten Mal bereute sie es, dass sie sich ein Elektroauto zugelegt hatte. Denn ein aufheulender Motor wäre jetzt der Situation durchaus angemessen gewesen.
Adrian stieg lachend in seinen Wagen, er konnte sich dieses Vergnügen gönnen!
Er musste sich ranhalten, dass die Süße ihn nicht abhängte!
Denn das ging ja gar nicht!
Dass eine Puppe einem Ex-Macho davon fuhr!
Lächelnd saß er im Auto, lächelnd fuhr er, lächelnd schaltete er, lächelnd kam er bei ihrem Haus an, lächelnd sah er ihr wieder bewundernd zu, wie sie das Auto in der Garage parkte, lächelnd stellte er seines am Straßenrand ab, lächelnd stieg er aus, lächelnd nahm er sie in die Arme.
„Was grinst du so?" fragte sie ihn lächelnd.
Er hob sie hoch und wirbelte sie durch die Luft. „Ich habe mich auf der ganzen Fahrt auf die zwanzig Kondome gefreut, die du gekauft hast!"
Sie runzelte theatralisch die Stirn. „Du denkst auch nur immer an das Eine!"
„Stihimmt nicht!" trällerte er. „Ich denke an ganz verschiedene Sachen! Wir haben noch lange nicht alles durch!"
Lachend befreite sie sich aus seinen Armen. Die Nachbarn mussten nicht allzu viel mitbekommen.
Sie ahnte ja nicht, dass es längst Gesprächsthema Nummer eins in ihrer Straße war, dass die hübsche und nette Alina einen Freund zu haben schien.
Man hatte so manches beobachtet!
Sie zeigte ihm erst einmal das Haus, damit er sich nicht so fremd fühlte.
Anfangs hatte sie sehr gehadert mit dem Protzbau, den die Ratte von ihrem Geld hingestellt hatte. Doch nachdem sie alles neu möbliert hatte, war ein Zuhause für sie draus geworden.
Natürlich vollkommen überdimensioniert für eine Person, aber sie genoss es auch, viel Platz für sich zu haben.
Und leisten konnte sie sich die Bude allemal.
Adrian war etwas geflasht nach der Führung.
Ein Fitnessraum vom Feinsten – er sah sie schon vor sich in einem knappen Sportdress auf dem Laufband.
Ein Gaming-Raum, der ein einziger Männertraum war.
Sauna mit Whirlpool – sein Freund meldete eine Menge an Ideen an.
Ein Gästetrakt mit zwei Schlafzimmern und einem großzügigen Bad.
Der Garten überraschte ihn. Keine Blumen, aber zahlreiche Töpfe und ein kleines Hochbeet mit Tomaten, Gurken, Salat, Kräutern.
„Kochst du gerne?" Diese Frage wollte er ihr gestern Abend eigentlich schon stellen, war aber nicht mehr dazu gekommen.
Die Antwort, die er erhofft hatte, kam sehr schnell. „Nein! Nicht im Geringsten!"
„Perfekt!" Er wollte mit ihr um nichts auf der Welt ein Bratkartoffelverhältnis, bei dem sie ihn betütelte und umsorgte.
„Ich koche leidenschaftlich gerne und auch ziemlich gut, wage ich zu behaupten!" erklärte er.
Dann entdeckte er den High-Tech-Grill, der auf der Terrasse stand.
„Wahnsinn! Da könnten wir heute grillen!" schlug er vor.
„Können wir nicht!" entgegnete sie, und der Schalk blitzte in ihren Augen. „Aber du kannst gern!"
„Dann müssen wir aber einkaufen!" wandte er ein.
„Nö! Müssen wir nicht! Mein Horoskop hat gesagt: Rechnen Sie mit dem Unberechenbaren! Da habe ich gedacht: Besorg ich mal ein bisschen von dem Zeug!"
Adrian verstand wieder, was ihre kryptischen Worte ihm sagen wollten.
Sie hatte darauf gehofft, dass er mit zu ihr käme, für sie grillen würde.
Er inspizierte den Kühlschrankinhalt: Rindersteaks, Salat, Tomaten, Kräuterbutter, ein Baguette zum Aufbacken, Barbecue-Soße.
Sie scheint ziemlich sicher gewesen zu sein, dass ich mitkomme! dachte er grinsend und freute sich wie ein Schneekönig.
Dann zog er sie wieder einmal in seine Arme.
„Perfekt!" murmelte er in ihr Haar. „Ich freue mich schon ..... aufs Essen!"
Doch er riss sich ernsthaft zusammen.
Sie schafften es, ein wenig zu zocken. Zuerst gewann sie – natürlich nur, weil er ein Gentleman war!
Das zweite Spiel entschied er für sich.
Weil sie seine noch immer etwas vorhandene Macho-Seele schonen wollte? überlegte er.
Die Entscheidung fiel nach einem heißen Fight zu ihrem Gunsten aus, obwohl er ganz und gar kein Gentleman mehr war!
„Das gibt Rache!" erklärte er und warf sie über seine Schulter. Doch die Wiedergutmachung, die er von ihr einforderte, war sehr nach ihrem Geschmack!
Das Abendessen wurde zum absoluten Hype. Adrian hatte einen erstklassigen Salat gezaubert und die Steaks perfekt gegrillt.
Er war nur halb zufrieden. „Die Kräuterbutter und die Steaksoße mache ich nächstes Mal selbst. Dieses künstliche Zeug muss echt nicht sein!"
Alina befiel zum ersten Mal keine Panik bei der Aussage: „beim nächsten Mal" und ihm wurde sie gar nicht bewusst.
Natürlich würden sie wieder grillen!
Es war Hochsommer
Was sprach denn dagegen?
Nachbarn gingen am Garten vorbei, grüßten, versuchten einen Blick auf den Mann neben Alina zu werfen.
Sie war versucht, die Menschen hereinzubitten, die ihr immer freundschaftlich verbunden gewesen wären, die aber die Ratte stets verbissen hatte.
„Das sind doch bloß Schmarotzer, die sich auf unsere Kosten den Bauch vollschlagen wollen!"
„Denen ist wohl der Wein ausgegangen! Jetzt hoffen sie, dass sie sich bei uns voll laufenlassen können!"
„Die Kulturbanausen! Wenn ich die schon sehe! Die können doch nur saufen und über Fußball quatschen!"
So und noch schlimmer hatte er immer gelästert.
Sie hatte so oft Sehnsucht nach Gesprächen, nach Freundschaften gehabt, aber er hatte alles abgewürgt.
Adrian fühlte auch dieses Mal, was in ihr vorging, etwas, das ihr schon langsam etwas unheimlich wurde.
„Kommt doch auf einen Schluck rein!" rief er dem Paar zu, das sie besonders zu mögen schien. Alina sah ihn erstaunt an, und er drückte sie an sich.
Max und Sabine ließen sich nicht lange bitten.
Sie hatten in den letzten Tagen immer wieder den Flitzer vor Alinas Haus stehen gesehen, hatten sich für sie gefreut.
Sie war ein so nettes, lustiges Mädchen, wenn ihr Mann nicht in der Nähe gewesen war.
Aber der Kerl war schrecklich gewesen!
„Ich bin Adrian! Ein Kollege von Alina!" stellte er sich vor.
Max lachte. „Baust du auch an den Computern auf vier Rädern, die sie Autos nennt?"
Es wurde ein für Alina so glücklicher Abend, dass sie beinahe Tränen in den Augen hatte.
Das war doch Leben!
Das war doch Glück!
Das war doch Glück, oder?
Keine Beziehung, keine Verpflichtung – nur einfach Glück!
Intelligente Gespräche mit jungen Menschen, Lachen, Spaß ohne böse Blicke.
Später kamen noch drei Paare dazu, die der Grillduft und das Lachen aus Alinas Garten angezogen hatte.
Adrian machte aus dem Baguette und der Kräuterbutter Schnittchen, neuen Salat, schenkte Wein ein, den er in ihrem Keller gefunden hatte, fühlte sich so sehr zu Hause wie noch nie in seinem Leben.
Um Mitternacht verabschiedeten sich die Gäste, er konnte seine Süße noch zärtlich lieben, bevor sie glücklich lächelnd einschlief.
Er räumte die Küche auf, reinigte den Grill, schenkte sich den Rest Rotwein aus einer Flasche ein und setzte sich mit einer Zigarette auf die Terrasse.
So eng musste man das mit dem Rauchverbot auch nicht nehmen! dachte er.
Er ließ den heutigen Tag mit den vielen Schritten an sich vorüberziehen.
Sie war glücklich gewesen!
Die vielen Menschen, das gemeinschaftliche Lachen, die guten Gespräche hatten ihr gut getan, hatte sie genossen!
Die Menschen in ihrer Umgebung mochten sie.
Natürlich mochten sie sie.
Aber sie hatte das nicht erleben dürfen mit der Ratte, die sie von allem ferngehalten hatte, was sie liebte, was sie brauchte, um glücklich zu sein.
Mit mir wirst du endlich leben können, Alina! dachte er. Du hast es so sehr verdient!
Er ging nach oben, kuschelte sich an sie, atmete ihren Veilchenduft ein, genoss ihre Nähe.
Irgendwann im Morgengrauen schlief er ein – und er hätte keine Sekunde der schlaflosen Stunden missen wollen.
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