Kapitel 15
Adrian
Am Montag konnte er endlich wieder zur Arbeit.
Diese Woche Urlaub hatte ihm so gar nichts gebracht.
Er wollte nicht undankbar sein, aber er wäre schon gerne gefragt worden!
Er saß in der Entwicklungsabteilung an seinem Computer, hatte einen neuen Antrieb im Sinn. Außerdem dachte er seit geraumer Zeit über eingebaute Solarzellen in einer Karosserie nach.
Das musste sich doch verwirklichen lassen!
Die Woche verging schnell, seine Ideen hatten ziemlich gute Formen angenommen.
Nur noch ganz selten hatten ihn Huskyaugen in seinem Kopf abgelenkt, immer seltener hatte er ihr „Danke" gehört, ihr Lächeln vor Augen gehabt.
Dass er entgegen seiner Gewohnheiten immer sehr früh schlafen ging, um sich ein wenig in dieses Bett eines Nachmittages zu träumen, wollte er nicht einmal sich selbst eingestehen.
„Du wirst alt!" zog Patrick ihn auf, aber es war ihm egal.
Am Freitagmorgen startete er sehr früh in Richtung Rheinland-Pfalz. Er hatte es abgelehnt, mit dem ganzen Tross zu fahren, blieb lieber unabhängig. Wenn das ganze Event ihn nervte, konnte er sich einfach abseilen.
Alina
Alina hatte kaum geschlafen.
Sie war froh, dass sie in dem riesigen Messe-Bus mitfahren konnte.
„Guten Morgen!" begrüßten ihr Chef und der der Mechanik-Abteilung sie. „Schön, dass Sie mit uns allen fahren. Herrn Dr. Gedack konnten wir leider nicht davon überzeugen!"
Es wurde eine lange Fahrt, sie konnten nicht schneller als 80 fahren.
Alina nickte immer wieder in dem bequemen Sessel ein.
Dann kamen sie am Hotel an, das direkt an der Rennstrecke lag.
Viele Pressevertreter waren schon angekommen.
Sie luden das preisgekrönte Fahrzeug vom Hänger, Fotos wurden gemacht, unzählige Fragen gestellt. Sie sah sich genervt um.
Wo war denn ihr Kollege?
Der nahm alles wohl ziemlich locker, ließ sie dabei aber vollkommen hängen. Von den ganzen technischen Details hatte sie zwar Ahnung, aber sie war keine Fachfrau.
Ihr Chef kam aufgeregt zu ihr und der Gruppe, die sie umringte. „Herr Dr. Gedack steckt im Stau!" verkündete er. „Wir ziehen die Probefahrten vor! Sind Sie bereit?"
Alina kribbelte es in den Fingern.
Klar!
Mit dem Baby über die Rennstrecke zu brettern, zeigen, was in ihm steckte!
Das war ihr Ding!
Sie lief schnell in ihr Zimmer, warf den Inhalt des Koffers aufs Bett. Sie hatte viel zu viel eingepackt, aber sie hatte sich bei den vielen neuen Sachen nicht entscheiden können. Und schließlich war sie eine Frau!
Sie zog eine knappe Yoga-Hose und ein bauchfreies Shirt heraus und schlüpfte hinein. Darüber konnte sie dann den Overall anziehen, der Vorschrift war.
Als sie zurückkam, wurde sie von den Herren angepfiffen und mit Beifall bedacht.
Grinsend zog sie an der Gruppe vorbei.
Das wird euch bald vergehen! dachte sie und lächelte die Herren süß an.
Es gab so viele Bewerber auf die Runden neben ihr auf dem Beifahrersitz, dass fünf Kandidaten ausgelost werden mussten.
Sie setzte den leichten Renn-Helm auf, wartete, bis die Männer ebenfalls angezogen waren.
Dann startete sie den fast unhörbaren Elektromotor, drückte aufs Gas und fuhr los.
Die erste Runde eher gemächlich, doch dann zeigte sie, was sie und das Auto drauf hatten.
Nach fünf Runden entließ sie ihr erstes Opfer, das etwas taumelig zu den anderen zurückwankte.
Sie stieg aus, wollte ihn stützen.
Da fiel ihr Blick auf einen jungen Mann, der gerade angekommen zu sein schien.
Ihr Herz setzte aus.
Raste los.
Setzte wieder aus.
Im Pulk der Journalisten stand – Adrian!
Und wie vom Blitz getroffen begriff sie.
Autohaus Gedack!
Dr. Gedack!
Adrian Gedack!
Beinahe hätte sie laut losgelacht.
Aber er schien die Dinge auch noch nicht realisiert zu haben, winkte ihr zu, lachte sie an.
Sie nahm ihren Helm nicht ab.
Sie wollte noch ein wenig spielen.
Sie fuhr ihre vier verbliebenen Kandidaten um die Kurven der Rennstrecke. Die einen hielten sich gut, die anderen weniger.
Aber sie hatte auf alle Fälle eine Menge Spaß.
Dann sah sie ihre Aufgabe als erfüllt an.
„Ich geh nach oben!" erklärte sie ihrem Chef. „Soll er jetzt die Meute unterhalten! Wir sehen uns beim Abendessen!"
Und weg war sie.
In ihrem Zimmer versuchte sie runterzukommen.
Sie war randvoll mit Adrenalin.
Betont langsam räumte sie die Klamotten in den überdimensionierten Schrank, versuchte immer wieder, ihr rasendes Herz zu beruhigen.
Da begriff sie urplötzlich, warum dieses verdammte Herz so hämmerte.
Adrian!
Sie sank aufs Bett.
Konnte es denn so viele fucking Zufälle geben?
Sie musste ein Bad nehmen, sie musste – sie musste – sie musste......
Eigentlich musste sie weg!
Fliehen!
Den Status Quo ihrer Arbeitsbeziehung aufrechterhalten!
Er hatte sie nicht erkannt, konnte noch immer nicht eins und eins zusammenzählen wie sie!
Fuck! Fuck! Fuck!
Von allen Männern auf dem Globus war er ihr Kollege, mit dem sie so wunderbar harmoniert hatte!
Den sie aber unbedingt in ihr Bett bekommen wollte!
Der verheiratet war!
Der ihr Sex.....!
Stop! rief sie sich zur Räson.
Das musste hier und heute außen vor bleiben.
Wenn er die Klappe hielt, würde niemand von diesem Nachmittag erfahren!
Und! Sie! Durfte! Nicht! An! Den! Sex! Mit! Ihm! Denken!
Nicht eine Sekunde lang!
Sie hatte einen Job, den sie über alles liebte!
Man hatte ihr eine unglaubliche Chance gegeben!
Sie würde damit umgehen können, dass sie mit ihm.....!
Stop!
Aufseufzend glitt sie in das warme Badewasser, schaltete die Düsen des Whirlpool an, atmete den Duft des Zusatzes ein.
Fuck!
Adrian!
Adrian war Dr. Gedack!
Sie hätte beinahe mit seinem Bruder gepennt!
Hätte sie?
Ihr Körper hatte keine Signale gesendet!
Hätte sie trotzdem.....?
Und plötzlich wusste sie, dass sie es nicht durchgezogen hätte!
Etwas hatte bei Patrick gefehlt!
Etwas, das bei Adrian im Übermaß vorhanden gewesen war!
Nein!
Sie hätte nicht mit Patrick geschlafen!
Sie hätte ihn weggeschickt, weil sie keine Frau war, die Sex nur wegen Sex wollte.
Wenn sie sich das auch eingeredet hatte.
Bei Adrian hatte sie etwas gefühlt, bei Patrick nicht!
Fuck! Hatte sie sich verliebt?
Das wäre der Worstcase!
Ihre Gedanken schlugen Purzelbäume, Loops, Doppelaxel!
Aber hatte Patrick nicht davon gesprochen, dass Adrian sich verliebt hätte, es sich aber nicht eingestehen wollte?
Sollte sie diejenige sein, welche?
Ein Mann wie er – verliebt in eine Frau wie sie?
Never!
Aber hatte Philip im Studio nicht angedeutet, dass ihre Antennen in Bezug auf Männer unterentwickelt waren?
Aber! Aber! Aber! schimpfte sie mit sich. Du gehst in einer Stunde da runter und tust, als wäre nichts gewesen!
Als ob du ihn zum ersten Mal siehst!
Er ist verheiratet, wahrscheinlich in eine andere verliebt und hatte die Gelegenheit, die du ihm angeboten hattest, genutzt!
Aus!
Sonst war nichts!
Sonst würde auch nichts geschehen!
Männer waren so!
Und sie würde auch so werden!
Mitnehmen, was sich ihr anbot!
Never! keifte die Stimme in ihrem Kopf.
Shut up! brüllte sie zurück.
Mittlerweile hatte sie ihre lange Mähne geföhnt, sich leicht geschminkt, war in ihr hautenges Kleid aus Glitzerstoff in der Farbe ihrer Augen gestiegen.
Sie griff nach dem Fläschchen mit dem sündteuren Parfüm, das sie sich bei ihrer Einkaufstour geleistet hatte, überlegte kurz, sprühte einen Hauch auf ihr Dekolleté, schlüpfte in die halbhohen Pumps, schnappte sich die passende Clutch, atmete noch einmal tief ein.
Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, dass sie schon eine Viertelstunde zu spät dran war.
Aber, so viel sie mitbekommen hatte, war sie die einzige Frau. Also durfte sie das!
Adrian
Adrian hatte wohl oder übel seinen dunkelgrauen Businessanzug angezogen, mit einem maßgeschneiderten weißenHemd und einer Krawatte im Grün seiner Augen.
Es würde zwar der Mühe nicht lohnen, das einzige weibliche Wesen war seine Kollegin – und da würde mit Sicherheit nichts laufen.
Sie schien eine Art von Mannweib zu sein, die heute ihre Beifahrer das Fürchten gelehrt hatte.
Aber fachlich war sie super, das war das Wichtigste.
Schöne Frauen gab es an allen Ecken und Enden.
Kurz fiel ihm eine Höllenfahrt ein, die er überlebt hatte – mit .....
Nein!
Er würde heute nicht wieder den ganzen Abend an sie denken!
Er würde sich amüsieren, würde Männergespräche führen, würde über die Zoten der anderen Vertreter seines Geschlechtes lachen, selber einige zum besten geben, würde sich langsam betrinken.
Er war einer der ersten, die den reservierten Nebenraum betraten.
Sein Chef winkte ihn zu seinem Tisch.„Na? Was sagen Sie zu unserer Frau Dr. Arnfeld?" fragte er grinsend.
„Flott unterwegs!" antwortete Adrian launig.
Der Chef der EDV-Abteilung hob den Kopf. „Das ist alles, was Ihnen zu ihr einfällt?"
Adrian sah Dr. Seinfeld verwundert an. „Ja, nun! Sie ist fachlich super drauf, wir arbeiten ausgesprochen gut zusammen!"
Doch der Ältere schien noch nicht zufrieden zu sein, wartete auf weitere Aussagen.
„Ich meine, gesehen habe ich sie ja noch nie. Heute nur im Overall mit Helm!" tat Adrian ihm den Gefallen.
„Ach so!" Dr. Simoneit lachte leise vor sich hin.
Adrian wunderte sich über das etwas seltsame Benehmen der beiden Bosse, sah sich suchend um. „Ist sie denn schon da?"
„Nein! Der einzigen Dame wollen wir schon etwas Überziehungszeit zugestehen!"erklärte sein Chef.
Langsam füllte sich der kleine Saal, die ersten Getränke wurden bestellt, der Lärmpegel stieg.
Adrian saß am Tisch der Vorgesetzten, ein Stuhl neben ihm war noch leer.
Die Türe lag hinter ihm.
„Ah! Da ist sie ja!" freute sich Dr. Simoneit offensichtlich und sprang auf.
Zeitgleich verstummten alle Gespräche, Gläser landeten unsanft auf dem Tisch, eines sogar auf dem Boden, ein Raunen ging durch den Raum.
Adrian drehte sich um – und erstarrte.
Am Arm seines Chefs glitt das schönste Wesen, das er je gesehen hatte, zwischenden Tischen auf seinen zu, und es war.....
Das konnte nicht sein!
Das konnte unmöglich Alina sein!
Sie sah ihr ähnlich!
Warum sollte denn die Schönheit heute hier, 500 Kilometer von zu Hause weg sein!
Und in Sekundenschnelle fielen alle Puzzleteile an den richtigen Platz.
Alina Arnheim!
Seine Kollegin!
Die kleine Schönheit, die sich sehr willig von ihm hatte anbaggern lassen, war seine Kollegin!
Hatte sie es gewusst?
Weiter kam er nicht in seinen Gedanken, denn Dr. Simoneit hatte den Tisch erreicht.
Adrian erhob sich höflich.
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