Kapitel 12

Alina

Der Club war für Alina absolutes Neuland, und sie fühlte sich am vollkommen falschen Ort.
Viele Pärchen drehten sich auf der Tanzfläche, an der Bar standen die von Mutter Natur Benachteiligten.
Ein schneller, abschätzender Blick über das Angebot an Männern ernüchterte sie.
Ben und Karen gingen sofort durch zur Tanzfläche, aus den Lautsprechern kam ihr Lieblings-Love-Song

Alina sah sich um, taxierte die Männer, fühlte sich ebenso von den Männern taxiert.
Ein langer dünner mit zotteligen Haaren und einem ebensolchen Bart bewegte sich auf sie zu. Am liebsten hätte sie sich in ein Mauseloch verkrochen.

Kurz überlegte sie, ob sie auf die Toilette flüchten sollte, aber da war es schon zu spät.
Der Typ legte seine Hände rechts und links von ihr am Tresen ab, sperrte sie praktisch ein.
„Hallo, Schönheit! Neu hier? Ich bin Gerald!" flüsterte er sehr nah an ihrem Ohr, zu nah für ihren Geschmack.

Vor allem zu nah an ihrer Nase, da sein Atem nach Knoblauch, Rauch und Bier stank.
Sie drehte den Kopf etwas weg, hoffte, er würde die Botschaft verstehen.
„Nicht so schüchtern, Süße!" Er zog sie näher an sich. „Verrätst du mir deinen Namen?"

„Alina!" flüsterte sie, versuchte einen Würgereiz zu unterdrücken.
„Komm tanzen!" befahl er.
In ihr verspannte sich alles gegen diesen Typen. Doch erstens hatte sie nie gelernt, wie man mit baggernden Männern umging, und zweitens war die Tanzfläche immer noch besser als seine Nähe hier.

Er fasste nach ihrem Hintern, quetschte ihn ziemlich brutal. Dann versuchte er, sie zu küssen, doch dagegen sperrte sie sich.
„Bist du öfter hier?" fragte sie.

Vielleicht würde ihn ein Gespräch von seinem Vorhaben abbringen.
„Ständig! Ist mein zweites Zuhause! Gibt die schönsten Mädels hier!" prahlte er.
Wie gewählt er sich doch ausdrückt! dachte sie ironisch. Was wäre gewesen, wenn Adrian so gesprochen hätte, so ausgesehen hätte, so gerochen hätte, sie so behandelt hätte?
Beinahe lachte sie laut auf.

Nichts!
Nicht das Geringste!
Wie schade das doch gewesen wäre.
Der Typ, der sie umklammerte, fühlte sich durch ihr Schmunzeln bestärkt in seinen Absichten, versuchte wieder, seine Lippen auf ihre zu pressen.

Doch ein anderer Kerl befreite sie gerade noch rechtzeitig aus den Armen Geralds.
Ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer.
Der Andere war ein Schrank von Mann, mit Muskeln wie ein Gewichtheber.

Sein ärmelloses Shirt präsentierte darüber hinaus jede Menge von Tattoos.
Als er zu sprechen begann, musste Alina dann doch lachen.
Eine helle Stimme, die so gar nicht zu dem finsteren Typen passte, meinte: „Ich bin Tommy! Freut mich, dich kennenzulernen!"

Er tanze locker einen Song mit ihr, Alina atmete auf.
Doch dann zog auch er sie nahe an sich. „Du machst mich ganz schön an!" piepste er. Zum Beweis presste er seinen Unterleib gegen ihren.
Sie spürte irgendetwas kleines, aber hartes.

Bin ich eigentlich in einer schlechten Komödie gelandet? fragte sie sich und sah sich nach ihrem Bruder und seiner Frau um.
Doch die Turteltäubchen waren nirgendwo zu sehen.

Aber schließlich meinte es das Schicksal doch noch gut mit ihr.
Ein wirklich gut aussehender Mann klatschte sie ab, und der Riese gab sie maulend frei.
„Manno, Patrick! Gönn mir doch auch einmal eine Hübsche. Ihr beiden habt doch die freie Auswahl!"

Der Mann, der Patrick hieß, drehte sich gekonnt mit ihr auf dem Parkett, bedrängte sie nicht, flirtete aber offen.
„Wieso hat Tommy von euch gesprochen?" fragte sie während einer Tanzpause, als er ihr an der Bar einen Drink spendierte.

Patrick lachte. „Mein Bruder und ich sind meistens zusammen unterwegs!"
„Ist er heute auch hier?" Sie sah sich suchend um.
„Er war! Aber dann ist er wie von der Tarantel gestochen abgedampft. Er ist zur Zeit nicht ganz zurechnungsfähig. Hat sich wohl verliebt, gesteht sich das aber nicht ein!" gab der Hübsche gutgelaunt Auskunft.

Von da an wagte niemand mehr, sie abzuklatschen. Er schien einen gewissen Ruf zu haben.
Ben und Karen lächelten sie zustimmend an, wenn sie sich auf der Tanzfläche trafen.

Na also!
Die Kleine hatte sich ja ein nettes Exemplar geangelt.
Sie kannten die Brüder vom Sehen, wussten, dass sie beide solo waren, wenn auch der eine einen Ehering trug.
Aber sie waren immer auf der Jagd, also genau das Richtige für Alina.
Dann konnten sie ja beruhigt ihren freien Abend als Liebespaar genießen.

Alina war zufrieden mit ihrer Eroberung.
Er behandelte sie wie ein Gentleman, brachte ihr einen neuen Drink, wenn der alte während einer Tanzrunde warm geworden war.

Er grapschte nicht, roch ausgesprochen gut, fühlte sich ebenso an.
Irgendwie erinnerten sie seine Augen unter dem dichten blonden Haaren an jemanden, den sie kannte, aber sie kam nicht drauf, an wen.
Sie sprachen nicht viel, aber seine Stimme klang angenehm.

Als der Discjockey die letzte Runde ankündigte, wurde sein Griff etwas fester, seine Hände wurden etwas mutiger.
Er küsste sie vorsichtig, und es fühlte sich richtig an.
Es fühlte sich gut an.
Mehr aber auch nicht!

Wahrscheinlich bin ich ein wenig beschwipst! dachte sie. Aber das wird schon klappen!
Vor der Türe wurden seine Lippen mutiger, sie erwiderte den Kuss, aber noch immer schwieg ihr Körper.
Verdammt! Was hatte Adrian gemacht, dass sie so vollkommen durchgedreht war?
Was machte Patrick falsch?
Oder anders?

„Darf ich dich nach Hause bringen?" fragte er leise und hoffnungsvoll.
Da wurde ihr erst bewusst, dass Ben und Karen verschwunden waren.
Es blieben ihr also nur zwei Möglichkeiten: Entweder ein Taxi zu rufen oder sein Angebot anzunehmen.

Sie entschied sich für die zweite Variante, schließlich war sie ja heute ausgezogen, um einen weiteren Mann in ihr Bett zu bekommen.
Schließlich war sie auf der Suche nach Erfahrungen.
Und doch fühlte es sich ein ganz kleines Bisschen falsch an, wenn sie auch keine Ahnung hatte, warum.

„Gerne!" erwiderte sie und versuchte ihre Stimme sehr cool klingen zu lassen. „Aber ich wohne in Alsberg!"
„Kein Problem!" versicherte Patrick und wunderte sich, warum in seinem Kopf ein klitzekleines Warnlämpchen anging.
Er ignorierte es einfach.

Die Kleine war zu süß, als dass er Bedenken seines Alter Egos zuließ.
Das Parkhaus war schnell erreicht, obwohl er sie unterwegs immer wieder küsste.
Schweigend fuhren sie durch den Wald, hatten schließlich ihre Straße erreicht.
Er sprang schnell aus seinem Wagen, um ihr die Türe zu öffnen, nahm sie fest in seine Arme. Langsam musste er ja deutlicher werden, welche Pläne er für den Rest der Nacht hatte.

Nach ein paar heißen Küssen, die sehr an seiner Beherrschung nagten, fragte er sie lächelnd: „Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten!"
„Alina!" antwortete sie, war etwas frustriert, dass sie so gar nichts empfand.
Keine Erregung, keinerlei Lust!

Aber sie würde das trotzdem durchziehen! Es musste sein! Wenn er gut war, würden die Gefühle schon kommen, das hatte sie schon oft gelesen!
Sie merkte vor lauter Grübeln nicht, wie er neben ihr erstarrte.

Patrick blieb die Luft weg, als er ihren Namen hörte.
Alina aus Alsberg!
Das konnte nicht sein!
Es musste hier noch eine Alina geben, wenn er auch ahnte, dass das in einem so kleinen Nest eher unwahrscheinlich war.

Ohne lange nachzudenken fragte er: „Was fährst du für ein Auto?"
Alina wunderte sich zwar über seine Frage, nannte aber brav Hersteller und Modell. „Ich habe ihn erst am Montag bekommen!"

Und Patrick konnte nichts anderes tun, als zu flüchten. Die Kleine war nur ein paar Schritte von ihrer Haustüre entfernt, es würde ihr also nichts passieren.
Er raste zu seinem Wagen, knallte den Gang rein und schoss mit einem Affenzahn davon.

Alina stand mit offenem Mund auf dem Weg zu ihrem Haus.
Was, bitte, war das jetzt? dachte sie vollkommen platt. Hatte der Kerl eine Autophobie bei einem bestimmten Modell? Denn die Marke fuhr er ja selbst!
Hatte er eine solche Aversion gegen Elektroautos, dass er lieber eine Nacht mit ihr sausen ließ, nachdem er sie stundenlang umworben hatte?

Als sie die Türe hinter sich geschlossen hatte, kämpfte sie eine Weile gegen einen Lachkrampf, doch sie verlor.
Erst kicherte sie, dann lachte sie, bis ihr die Tränen kamen.
Na! Dieser Abend hatte eine Menge an Erfahrungen gebracht!

Nicht die, die sie gesucht hatte, aber doch unbezahlbare.
Sie lachte, bis sie Bauchschmerzen hatte, schenkte sich ein Glas Wein ein, rauchte auf der Terrasse, kicherte noch immer.
Wie der Typ abgedampft war!
Als ob sie der Leibhaftige wäre!

Wenn sie die Story ihres ersten Abends in einem Club morgen Karen erzählen würde, würde die Freundin ihr wohl kein Wort glauben.

Das war alles so vollkommen crazy!
Nach einem weiteren Glas Wein hatte sie die nötige Bettschwere.


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