2.Kapitel

Alec schreckte auf, wie aus einem Albtraum. Er starrte an eine weiße Decke und spürte einen Fremdkörper in seiner Nase, der ihn daran hinderte seinen Kopf richtig zu drehen. Er versuchte sich zu bewegen, aber er konnte seinen Körper nicht richtig spüren. Hektisch atmete er ein und jetzt nahm er auch die leisen Piep-Geräusche wahr, die einen schnellen Rhythmus angenommen hatten. Er versuchte sich zu erinnern wo er sich befand und wie er hier hergekommen war. Dann durchzuckte auf einmal die Erinnerung an das wutverzerrte Gesicht seines Vaters sein Gehirn wie ein Blitz. Die Piep-Geräusche, bei denen er sich jetzt sicher war, dass es sich um seinen Herzschlag handelte, wurden wieder schneller. „Beruhigen sie sich, Mr.Lightwood.", hörte er plötzlich eine angenehme weibliche Stimme. Er versuchte die Person zu dieser Stimme zu finden, die ihn ein bisschen erschreckte, weil er bis jetzt davon ausgegangen war alleine zu sein. Dann beugte sich eine dunkelhaarige Frau über ihn, die ihn freundlich anlächelte. „Sie hatten einen Unfall mit ihrem Motorrad, Mr.Lightwood und befinden sich im Krankenhaus. Ich bin Schwester Dorothea und kümmere mich um sie.", erklärte sie ihm freundlich. „Sie haben ein paar schwere Verletzungen davongetragen, aber da wird Ihnen Dr. Garroway mehr zu sagen. Wir haben ihnen einige Schmerzmittel gegeben, weshalb sie sich wahrscheinlich müde fühlen werden. Schlafen sie, dann werden sie sich besser fühlen.", lächelte sie ihn wieder an und zog ihm die Decke zurecht. Alec versuchte ruhig zu atmen, was ihm aber nur schlecht gelang bei den Erinnerungen die gerade wieder auf ihn einprasselten. Wie es schien hatte er großes Glück noch am Leben zu sein. Die schrecklichen Erinnerungen an seinen Vater und den Unfall erschöpften ihn und schnell fielen ihm wieder die Augen zu. Die Medikamente taten ihre Wirkung.


Als Alec das nächste Mal erwachte, hörte er eine vertraute Stimme. „Alec? Kannst du mich hören?" Und dann kam seine Schwester Isabelle in sein Blickfeld. „Izzy.", versuchte er zu sagen, ihm kam aber nur ein Krächzen über die Lippen. Jetzt bemerkte er zum ersten Mal, wie trocken sein Mund eigentlich war. Er leckte sich über die Lippen um sie zu befeuchten, was aber nichts brachte, weil seine Zunge sich wie Schmirgelpapier anfühlte. Wie lange er wohl hier schon lag? Izzy schaltete sofort und hielt ihm einen Strohhalm an die Lippen. Dankbar nahm Alec einen Schluck Wasser und spürte jeden Zentimeter den es durch seine Speiseröhre bis in seinen Magen floss. Es war ein gutes Gefühl. Er nahm noch einen Schluck und räusperte sich dann. „Izzy.", sagte er nun mit leiser, aber verständlicher Stimme und versuchte ein Lächeln. Er freute sich wirklich sie zu sehen. Isabelle lächelte zurück, aber ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Stattdessen liefen ihr dicke Tränen aus den Augenwinkeln. „Was machst du denn für Sachen, Alec? Ich konnte es nicht glauben, als der Anruf kam. Wieso bist du nur so überstürzt abgehauen?" Jetzt weinte sie richtig und fing an zu schluchzen. Alec wollte ihre Hand drücken, es zerbrach ihm das Herz sie so zu sehen, aber er fühlte sich so unglaublich müde und schlapp, dass er nur eine halbherzige Bewegung hinbekam. „Nicht, Izzy. Nicht weinen.", krächzte er stattdessen und versuchte sich wieder an einem Lächeln. In dem Moment öffnete sich die Tür und ein großer, dunkelhäutiger Arzt betrat das Zimmer. Alec fiel sofort der Vollbart auf, der ihn sehr väterlich wirken ließ, obwohl er im mittleren Alter war. „Hallo, Mr.Lightwood. Ich bin Dr. Garroway, ihr behandelnder Arzt.", stellte er sich mit einer tiefen, angenehmen Stimme vor und lächelte ihn an. Dann begrüßte er auch Izzy freundlich, die sich wieder etwas beruhigen konnte, bevor er sich wieder Alec zuwandte. „Wie geht es Ihnen?", fragte er ihn und Alec hatte das Gefühl, dass es ihn wirklich interessierte und nicht nur so eine Floskel war. „Müde.", brachte er angestrengt hervor. „Das glaube ich Ihnen. Die Medikamente die sie bekommen sind sehr stark.", erwiderte Dr. Garroway und nahm sich Alecs Patientenakte, die am Fußende seines Bettes klemmte. „Sie haben großes Glück gehabt, Mr.Lightwood, aber dennoch haben sie einige schwere Verletzungen davongetragen. Bei dem Unfall sind sie gegen die Leitplanke geschleudert worden und haben sich einige Knochen gebrochen, unter anderem ein paar Rippen und ihr linkes Schulterblatt." Alec nickte als er dies hörte, das erklärte warum er sich so steif fühlte. Er versuchte trotzdem seinen Oberkörper zu bewegen. „Bitte bleiben sie ruhig liegen, Mr.Lightwood. Sie dürfen sich nicht bewegen.", ermahnte Dr. Garroway ihn und atmete einmal tief durch, bevor er weitersprach. „Außerdem haben sie sich bei dem Aufprall einen Wirbel gebrochen, der ihren Rückenmarkskanal beschädigt hat." Er machte eine Pause und sah Alec mitfühlend an. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sie eine Querschnittlähmung haben und wahrscheinlich nie wieder laufen können. Es tut mir sehr Leid, Mr.Lightwood." Alec sah Dr. Garroway an und versuchte zu begreifen, was er gerade gesagt hatte. Als die Worte endlich in seinem Gehirn ankamen, fühlte er sich, als ob jemand einen Eimer mit Eiswasser über ihn schütten würde. Wie versteinert lag er da und war so fassungslos über diese Nachricht, dass es sich wirklich einen Moment so anfühlte, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggerissen würde. Er verfiel in eine Art Schockstarre und bekam nur am Rande mit, dass Izzy seine Hand nahm und irgendetwas zu ihm sagte. Alec starrte jetzt an die Decke und tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
Er würde nie wieder laufen können. Er würde eine Belastung sein, ein Krüppel, der für alles Hilfe brauchte. Könnte er so überhaupt studieren? Wie sollte er jemanden kennenlernen? Mit einem Krüppel würde doch niemand zusammen sein wollen. Während ihm Dies und noch einiges Mehr durch den Kopf ging, spürte er auf einmal die Tränen die stetig seine Wangen hinabflossen. Und als dann noch das wutverzerrte Gesicht seines Vaters in seiner Erinnerung auftauchte, schloss er die Augen und wünschte sich zum ersten Mal bei diesem Unfall gestorben zu sein.


Er musste wieder eingeschlafen sein, denn als Alec erneut die Augen aufschlug war er wieder allein. Er horchte eine Weile dem Piepen seines Herzmonitors und versuchte an nichts zu denken, was ihm natürlich nicht gelang. Die Worte von Dr. Garroway gingen ihm die ganze Zeit durch den Kopf...Sie werden wahrscheinlich nie wieder laufen können. Es tut mir sehr Leid, Mr. Lightwood...Wie eine Endlosschleife kreisten seine Gedanken um diesen einen Satz. Sie werden wahrscheinlich nie wieder laufen können...
Wenn er nicht an unzählige Kabel und Schläuche angeschlossen wäre, würde er sich jetzt die Haare raufen, aber so lag er einfach nur da und dieser eine Satz spukte durch sein Gehirn. Dann ging auf einmal die Tür auf und Isabelle und Jace betraten vorsichtig das Zimmer. „Hey.", begrüßte Isabelle ihn leise und lächelte ihn durch ihre verschmierte Wimperntusche an. Alec musste unwillkürlich lächeln, weil sie wirklich ein bisschen wie ein Waschbär aussah.
„Hey, mein Großer, wie geht's dir?", fragte Jace überraschend einfühlsam und kam näher zu seinem Bett. „Beschissen.", presste Alec hervor, versuchte aber zu grinsen. „Du siehst auch beschissen aus, wenn ich das so sagen darf.", grinste Jace zurück, wurde dann aber unvermittelt ernst und fuhr sich unsicher durch seine halblangen Haare. „Jag' uns nie wieder so einen Schreck ein, Alec. Hast du verstanden?", flüsterte er fast und Alec konnte sehen, dass er feuchte Augen hatte. Er konnte nur nicken und spürte einen Kloß in seinem Hals. Er wollte sich gar nicht vorstellen wieviel Angst die beiden um ihn gehabt hatten. Und auch für sie musste die Diagnose niederschmetternd gewesen sein. Wer wollte schon mit einem schwulen Krüppel zusammenleben?
Isabelle trat jetzt zu ihm ans Bett und nahm seine Hand. „Es ist bestimmt gerade sehr schlimm für dich, Alec, aber wir schaffen das. Zusammen." Diesmal erreichte ihr Lächeln auch ihre Augen. Alec konnte das Lächeln nur halbherzig erwidern. Zu tief saß noch der Schock über die Diagnose. Am liebsten würde er sich keine Gedanken mehr machen. Einfach die Augen schließen und nie wieder aufwachen wäre schön. Er atmete tief ein und nickte nur. „Wo ist Mum?", fragte er, um vom Thema abzulenken. Isabelles Lächeln verschwand auf der Stelle und sie zog verlegen ihre Hand zurück. Dann räusperte sich Jace und Alec sah ihn an. „Dad hat ihr verboten dich zu besuchen. Ich soll dir liebe Grüße bestellen.", erklärte er etwas kleinlaut, was man sonst nicht von ihm kannte.
So etwas dachte Alec sich schon, aber es nun bestätigt zu bekommen verletzte ihn sehr. Er nickte erneut und versuchte eine gleichgültige Miene aufzusetzen. „Dad wird sich schon wieder beruhigen, Alec. Für ihn war es ein Schock, dass du schwul bist.", sagte Isabelle sanft. Alec schnaubte und spürte wieder die Wut, die in ihm hochkochte. „Ach ja? Er hat mich eine Missgeburt genannt und mich rausgeschmissen. Auch wenn er sich wieder beruhigt, weiß ich nicht, ob ich ihm je verzeihen kann.", presste er durch zusammengebissene Zähne hervor. Isabelles Augen weiteten sich ungläubig bei seinen Worten und sie schlug die Hände vor den Mund. „Dad hat was gesagt?", mischte sich jetzt Jace ein und schaute ihn ebenfalls ungläubig an. „Das hat er bestimmt nicht so gemeint, Alec.", versuchte Isabelle zu beschwichtigen. Alec knurrte vor Zorn. „Ach nein? Wenn du auf seiner Seite bist, Izzy, dann solltest du wohl lieber gehen.", bemerkte er kühl und schaute Isabelle wütend an. „Aber Alec..", setzte sie an, doch Alec unterbrach sie.
„Ich würde jetzt gerne alleine sein. Könnt ihr beide bitte gehen.", bat er sie ausdruckslos und schloss demonstrativ die Augen. Er spürte förmlich ihr Zögern, aber nach kurzer Zeit hörte er wie die Zimmertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Alec öffnete die Augen und als er sich überzeugt hatte alleine zu sein, ließ er seinen Tränen wieder freien Lauf.


Nachdem er sich wieder beruhigen konnte, tat es ihm auch schon wieder Leid Isabelle so behandelt zu haben. Alec wusste, dass sie auf seiner Seite war und es war unfair ihr etwas anderes zu unterstellen. Sie war wahrscheinlich auch nur geschockt darüber, was ihr Vater ihm an den Kopf geworfen hatte, genauso wie er. Er würde sich bei ihr entschuldigen müssen, ebenso wie bei Jace. Wie konnte er nur so blöd sein und seine Geschwister vor den Kopf stoßen? Während er so grübelte, klopfte es leise an der Tür und Jace streckte seinen Kopf herein. „Kann ich reinkommen?", fragte er fast schüchtern. Alec nickte. „Es tut mir Leid, Jace. Ich bin nur gerade etwas überfordert.", entschuldigte er sich direkt, nachdem Jace an sein Bett getreten war. „Ist schon okay. Ich mache dir keine Vorwürfe, Alec.", erwiderte Jace. „Und Izzy auch nicht."
„Wo ist sie?", fragte er. „Ich muss mich auch bei ihr entschuldigen." „Sie ist auf dem Weg nach Hause, um Dad ihre Meinung zu sagen.", grinste Jace.
„Sie macht was?" Fassungslos schaute Alec ihn an. Seine Gedanken überschlugen sich. „Was ist, wenn Dad sie auch rausschmeißt? Das könnte ich mir nie verzeihen.", sagte er fast verzweifelt. „Das wird schon nicht passieren, Alec. Sie ist schließlich Daddys kleines Mädchen." Jace verdrehte die Augen. Alec versuchte sich zu beruhigen. Isabelle konnte genauso aufbrausend sein wie ihr Vater und eigentlich war er heilfroh bei dieser Begegnung nicht anwesend zu sein.
„Es ist übrigens okay für mich, dass du schwul bist.", erklärte Jace auf einmal völlig unvermittelt. „Ich bin nur ein bisschen enttäuscht, dass du nicht schon viel früher etwas gesagt hast. Ich dachte wir sind Brüder?" Man konnte ihm seine Enttäuschung deutlich anhören. Alecs Herz begann zu rasen, was der Herzmonitor an den er angeschlossen war auch für Jace offensichtlich machte. Er wurde knallrot und wandte beschämt den Blick ab.
„Hey, das muss dir nicht peinlich sein, Alec." Jace wollte seine Hand nehmen, aber Alec ballte sie zur Faust und er zog sie wieder zurück. Die ganzen Gefühle für Jace kamen gerade wieder hoch und er ertrug seinen Körperkontakt jetzt nicht. „Ich will nicht darüber reden.", entgegnete er leise und sah Jace immer noch nicht an. „Okay, das musst du nicht, wenn du nicht willst. Ich will nur, dass du weißt, dass es okay für mich ist.", stellte Jace fest. Alec nickte. Er wusste nicht, was er sagen sollte und die Situation war ihm mehr als peinlich. „Hey, wenn du hier raus kommst hängst du uns alle mit deinem Rollstuhl ab. Und du kannst immer in der ersten Reihe parken.", bemerkte Jace auf einmal und wollte damit wohl die Stimmung auflockern. Alec sah ihn jetzt genervt an. „Entschuldige, dass ich mich darüber gerade nicht freuen kann.", erwiderte er trocken. Jace zuckte entschuldigend die Schultern. „Tut mir Leid. Ich weiß auch nicht, wie ich mit der ganzen Situation umgehen soll. Izzy ist diejenige von uns, die gut im Trösten ist." Alec lächelte. Jace gestand sich nur selten eine Schwäche ein und er wirkte wirklich zerknirscht. „Behandle mich einfach so wie immer, Jace. Da wäre ich dir sehr dankbar für." Jace grinste. „Das kriege ich hin, mein Großer. Und jetzt erzähl mal genau, was Dad gesagt hat.", verlangte er nun fröhlicher und setzte sich zu Alec ans Bett.


Nachdem Alec in allen Einzelheiten die Auseinandersetzung mit ihrem Vater geschildert hatte, fielen ihm vor Erschöpfung schon wieder die Augen zu und Jace ließ ihn allein. Wirre Träume von Motorrädern und Dampf ausschnaubenden Büffeln plagten ihn. Alec erwachte schweißgebadet. Es musste mitten in der Nacht sein, denn die Vorhänge waren zugezogen und sein Zimmer war nur schwach beleuchtet. Außer dem Piepen seines Herzmonitors war es komplett still um ihn herum. Auch sein Zeitgefühl hatte sich komplett verabschiedet. Er wusste weder wie lange er hier schon lag, noch hatte er eine Ahnung davon, wie lange es her sein mochte, dass Jace gegangen war. Alec versuchte ruhig zu atmen und seinen Körper zu spüren. Er konzentrierte sich auf seinen Kopf und bewegte ihn vorsichtig nach rechts und links und danach nach oben und unten. Dann probierte er sein rechtes Schultergelenk zu bewegen. Es war anstrengend, aber eine kleine Bewegung bekam er hin. Das gleiche probierte er mit der linken Schulter. Vor Schmerz zuckte er zusammen. Jetzt erinnerte er sich auch an Dr. Garroways Worte, dass sein linkes Schulterblatt gebrochen sei. Im Moment konnte er die Schulter wohl nicht bewegen, aber das Gefühl war definitiv vorhanden. Als nächstes konzentrierte er sich auf seinen rechten Arm. Auch diesen konnte er unter einiger Anstrengung ein wenig anheben und auch seine Finger waren alle funktionstüchtig. Der linke Arm schien jedoch eine größere Baustelle zu sein. Er spürte zwar seine Finger, aber als er sie bewegen wollte, durchzuckte ihn wieder der Schmerz.
Dann konzentrierte er sich auf seinen Oberkörper. Seinen Herzschlag nahm er auch ohne das nervige Piepen des Monitors wahr. Spürbar strömte die Luft in seine Lungen, auch wenn es ihn Anstrengung kostete zu atmen, aber weiter runter war da auf einmal nichts mehr. Er spürte weder seine Körpermitte, noch seine Beine.
Mit zusammengebissen Zähnen versuchte er seine Zehen zu bewegen. Nichts geschah. Langsam hob er seine rechte Hand und ließ sie seine Hüfte entlanggleiten. Alec fühlte den Stoff der dünnen Decke die über ihm lag und auch seinen Hüftknochen darunter, aber es fühlte sich eigenartig an. Er konnte nicht fühlen, dass er sich berührte. Alec schluckte schwer. Wieder versuchte er seine Beine irgendwie zu bewegen und fühlte auf einmal Wut in sich aufsteigen, weil sie ihm einfach nicht gehorchen wollten.
Er bemühte sich so sehr, dass ihm vor Anstrengung Tränen in die Augen traten, aber es passierte nichts. Wütend schlug er mit seiner rechten Hand auf die Bettdecke. Dann resignierte er und weinte sich hemmungslos wieder  in den Schlaf.


Alec schreckte wieder auf, als ihn jemand sanft an seiner Schulter rüttelte. Blinzelnd öffnete er seine Augen und sah in das Gesicht von Schwester Dorothea. „Guten morgen, Mr. Lightwood.", strahlte sie. „Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen." „Alec.", krächzte er und sah verschlafen zu ihr auf. „Ich verstehe nicht." Etwas hilflos schaute sie ihn an. „Nennen Sie mich Alec." Seine Stimme klang nun etwas wacher. Schwester Dorothea strahlte erneut. „Okay, aber nur, wenn du mich Dot nennst." Alec nickte und lächelte ebenfalls. „Ich bin hier, um dir beim Waschen zu helfen, Alec. Dafür muss ich erstmal dein Bett in eine etwas aufrechtere Position bringen, okay?" Während sie sprach, ging sie um sein Bett herum. Dann schnappte sie sich eine Fernbedienung und langsam begann das Kopfteil, auf dem Alec lag, sich zu heben.
Es war ihm etwas unangenehm, dass eine fremde Frau ihn anfasste, aber Dot war überaus professionell und nahm ihm schnell sein ungutes Gefühl. Sehr vorsichtig half sie ihm, um ihm so wenig Schmerzen wie möglich zu bereiten. Es war sehr anstrengend, aber im Nachhinein war Alec ihr sehr dankbar, denn er fühlte sich gleich besser. Seine Zähne waren geputzt, er war frisch rasiert und er roch nicht mehr nach Marathonläufer. Nachdem Dot ihn umgelagert hatte, damit er keine Druckstellen bekam, verließ sie sein Zimmer, um das Frühstück zu holen. Als sie mit dem Tablett auf den Händen zurückkam, war sie nicht allein. „Schau doch mal, wen ich dir mitgebracht habe, Alec." Hinter ihr lugte Isabelle vorsichtig herein und lächelte schüchtern. „Darf ich reinkommen?", fragte sie leise. Bevor Alec etwas sagen konnte, mischte Dot sich ein. „Natürlich dürfen Sie. Besuch von geliebten Menschen ist wichtig in seinem Zustand.", flötete sie und stellte das Tablett auf Alecs Beistelltisch. Dann strahlte sie Isabelle an, die langsam das Zimmer betreten hatte. Dot konnte wohl nicht anders, als ständig zu strahlen. „Und wo Sie schon mal da sind, können Sie ihrem Bruder auch beim frühstücken helfen.", fügte sie fröhlich hinzu und schloss grinsend die Tür hinter sich, als sie das Zimmer verließ. Beide sahen ihr verdutzt hinterher, bevor sie sich wieder ansahen.
„Es tut mir Leid...", entschuldigten sie sich gleichzeitig und grinsten sich dann an. Isabelle kam an sein Bett und nahm seine Hand. „Es tut mir wirklich Leid, Alec, aber ich konnte einfach nicht glauben, was Dad gesagt hat und..." Alec unterbrach sie. „Ist schon gut, Izzy. Ich war ganz schön unfair zu dir und habe meine Wut auf Dad an dir ausgelassen. Das hätte ich nicht tun sollen." Er klang zerknirscht und drückte leicht ihre Hand. Isabelle fing an zu grinsen. „Ist schon okay. Dafür hat Dad was zu hören bekommen.", ließ sie ihn wissen. „Du hast Recht. Es ist unverzeihlich was er zu dir gesagt hat und ich habe ihm gesagt, dass ich nicht mehr mit ihm rede, bevor er sich nicht bei dir entschuldigt hat." Ungläubig blickte Alec sie an. „Du hast was zu ihm gesagt?", fragte er mit großen Augen. „Und was hat er geantwortet?" Isabelle grinste jetzt nicht mehr und rollte mit den Augen. „Du kennst ihn ja. Er war wütend und er ist noch sturer als du. Er meinte, das würde er niemals tun." Jetzt grinste sie wieder. „Aber mal sehen, wer den längeren Atem hat.", fügte sie schelmisch hinzu. Fassungslos schloss Alec die Augen und schüttelte den Kopf. „Du bist unglaublich, Izzy.", war alles was ihm dazu einfiel.
Isabelle setzte sich zu ihm und beschwerte sich erst einmal über die karge Krankenhauskost. Dann begann sie schnatternd sein Brot zu schmieren.
„So, jetzt den Mund aufmachen.", ordnete sie an, als sie fertig war und hielt ihm ein Stück Leberwurstbrot vor den Mund. Widerwillig öffnete er diesen. Von seiner Schwester gefüttert zu werden fühlte sich für Alec ein wenig komisch an. Normalerweise kümmerte er sich immer um Isabelle und nicht umgekehrt, aber alleine bekam er das einfach nicht hin. Trotzdem genoss er ihr Zusammensein, denn sie plapperte ununterbrochen und lenkte ihn von seinen düsteren Gedanken ab. 
„Wie lange bin ich eigentlich schon im Krankenhaus?", fragte er, als Isabelle ihm gerade den Mund abgewischt hatte. Jetzt ging es ihm nochmal ein bisschen besser, obwohl auch das Kauen anstrengend war. „Du hast vier Tage im Koma gelegen, bevor du aufgewacht bist." Ihr Blick wurde traurig als sie sich daran erinnerte. Dann lächelte sie wieder. „Aber jetzt bist du wieder wach und musst nur noch gesund werden." Sie drückte seine Hand und sah erwartungsvoll in seine strahlend blauen Augen. Alec schüttelte resigniert den Kopf. „Ich werde nie wieder richtig gesund werden, Izzy. Ich bin ein Krüppel." Er senkte den Blick und Tränen traten in seine Augen. Es auszusprechen war noch qualvoller, als es nur zu denken. Isabelle setzte sich auf seine Bettkante und strich ihm sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. „Alexander Gideon Lightwood.", sagte sie ein wenig streng. „Wir sind Lightwoods. Wir brechen Nasen und leben mit den Konsequenzen. Wir kommen mit allem zurecht und lassen uns nicht unterkriegen." Alec blickte sie skeptisch an. „Auch wenn es sich vielleicht gerade so für dich anfühlt. Dein Leben ist nicht vorbei. Wir kriegen das zusammen hin. Du musst mir nur eins versprechen." Ihre Stimme wurde sanft und sie drückte erneut seine Hand. Jetzt musterte Alec sie neugierig. „Versprich mir, dass du nicht aufgibst. Egal, was passiert."
Alec wusste nicht, ob er dieses Versprechen halten konnte, aber als er Isabelles flehenden Blick aus ihren großen braunen Augen sah, nickte er stumm.

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