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Das „Anwesen" war wirklich groß. Er wanderte über die Wiese hinüber zu den Gästen der Feier und nahm sich ein Glas Champagner von einem der Stehtische, auf denen die schmalen Gläser so kunstvoll aufgestellt worden waren.
Er sah auf die Uhr. 16: 45 Uhr. Hoffentlich ließ Miss Emilia nicht zu lange auf sich warten, denn er kannte hier niemanden, logisch.
Sein Handy piepste. Eine Nachricht, von Leonora.
Hallo Erik,
WO bist du? Ich war bei dir Zuhause, es war niemand da. Hast du vergessen, dass wir heute verabredet sind? MELDE DICH!
Leo
Er verdrehte die Augen. Was für ein Glück, dass er nicht zuhause gewesen war. Er würde es sich von seinen Nachbarn wieder anhören müssen, was Leonora für einen Lärm veranstaltet hatte, wenn er nach Hause kam.
Er nahm einen Schluck von dem Champagner – Orangensaft – Gemisch, das einen Hauch zu viel Orangensaft hatte, und steckte das Smartphone wieder weg. Als er wieder hochschaute, stand eine junge Frau neben ihm.
„Hallo, Sie müssen Erik sein. Ich bin Lisa, Emilias Schwester." Sie reichte ihm die Hand zur Begrüßung und er schüttelte sie kurz. „Ich wollte Ihnen danken, dass Sie sie hergebracht haben. Das mit ihrem Wagen ist wirklich zu schade ... Sie hat Susi seit sie angefangen hat, fahren zu lernen. Ihr Herz hängt an dem Auto."
„Das habe ich gemerkt." Wenn er bedachte, wie Emilia ihrem Auto hinterher geschaut hatte, als sie es auf dem Rastplatz zurücklassen musste, glaubte er den Worten ihrer Schwester sofort.
„Ich hoffe, Sie haben viel Spaß auf der Feier. Nehmen Sie sich auch gerne etwas zu essen."
„Danke."
Lisa drehte sich um und ging hinüber zu den nächsten Gästen. Der Saum ihres vorne kurzen blauen Kleides wehte ihr hinterher im leichten Sommerwind, ihr hellbraunes Haar trug sie zu einem Zopf geflochten. Sie war sehr schlank, fast etwas zu schlank. So zart, als könnte sie jeder noch so kleine Windstoß auseinanderbrechen.
Er trank noch einmal von dem Champagner, dann schwamm nur noch der traurige Rest des Getränks auf dem Boden des Glases. Er stellte es zurück zu den Anderen und dann sah er sie.
Emilia schritt über die Wiese auf ihn zu. Sie trug ein tailliertes Kleid mit weit fallendem Rock in einem zarten Rosérot. Ihr Haar hatte sie, fast genauso wie ihre Schwester zu einem Zopf geflochten, aber sie hatte ein paar Strähnen heraus gezupft, die in Locken über ihre Schultern fielen. Je näher sie kam, desto schöner sah sie aus.
Dann war sie bei ihm angekommen und schaute ihn mit einem breiten Grinsen an. „Sie sind ja noch da! Ich hatte schon Angst, Sie wären weg. Gut, dass es nicht so ist."
Er nahm ihre Hand und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er vermochte es zunächst nicht. „Sie ... Sie sehen wunderschön aus."
Sie wurde rot und wandte den Kopf ab, aber er legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie so, ihn anzusehen. Sie knabberte an ihrer Unterlippe und versuchte, seinem Blick auszuweichen, sie schien nervös zu sein.
„Ähm ...", sie entzog ihm ihre Hand, „Wollen Sie etwas essen?"
„Sehr gern."
Sie wandte sich herum und führte ihn zu einem der Tische auf der anderen Seite der Sitzgelegenheiten, wo das Buffet aufgebaut war. Eine Band spielte und auf der Tanzfläche tummelten sich die Gäste, unter anderem Emilias Schwester und der Mann, der ihr Verlobter sein musste. Sie küssten sich zärtlich.
Die Zeit auf der Feier verging schnell. Beide hatten sich die Teller bis oben hin vollgeladen und setzten sich an einen der freien Tische. Bald hatten sie alles gegessen und unterhielten sich angeregt. Er mochte es, wie sie lachte, wenn sie mit ihm sprach. Sie schien eine so fröhliche Person zu sein und schlich sich mit jedem Lächeln mehr in sein Herz, obwohl er sie erst seit heute kannte.
Eine Stimme übertönte ihr Gespräch. Emilia drehte sich um, um die Bühne sehen zu können. „Das ist Luke, Lisas Verlobter", erklärte sie ihm. „Bestimmt werden jetzt diese albernen Hochzeitsspiele gespielt. Darauf habe ich keine Lust. Wollen wir spazieren gehen? Dann zeige ich Ihnen den Hof."
„Sehr gern." Er bot ihr seine Hand an und sie hakte sich bei ihm ein. Sie wanderten über die Wiese hinüber zum Haus, ein Weg führte am Haus vorbei nach hinten. Er wurde schmäler und schmäler, während sie ihm folgten, und plötzlich eröffnete sich eine Welt, wie er sie hier nicht für möglich gehalten hätte. Ein kleiner See breitete sich vor ihnen aus, auf dem die Glühwürmchen tanzten. Es sah aus als würden tausend kleine Sterne über dem Wasser leuchten.
„Das ist mein Lieblingsort." Emilia setzte sich auf eine alte Bank, die am Seeufer stand, und klopfte auf das Holz neben sich. „Setzen Sie sich, Erik. Setzen Sie sich und schauen Sie sich mit mir dieses wundervolle Spektakel an."
Er ließ sich links neben ihr nieder. Der Blick in ihren Augen war verträumt, als sie die Glühwürmchen beobachtete, und ihre Augen leuchten heller als jedes der kleinen Tierchen. Und er konnte nicht anders, als sie zu betrachten, egal wie schön die Umgebung war. Sie faszinierte ihn.
Aber sie ertappte ihn, wie er sie anstarrte. „Schauen Sie doch!" Sie stupste ihm auf die Wange und drehte seinen Kopf zum Wasser, auf dem die winzigen Käfer tanzten.
Emilia streckte eine Hand aus und ein paar der Tierchen landeten darauf. Sie beobachtete fasziniert ihr Spiel, bis sie wieder wegflogen. Es war so ruhig, nur ihr Atem durchbrach die Stille.
Er tastete in der Dämmerung nach ihrer Hand und verwob ihre Finger miteinander. Erschrocken sah sie ihn an. „Was machen Sie da?"
Er rückte näher an sie heran, dass ihre Schultern sich berührten. „Sie sind so wunderschön, Emilia. Ich bin froh, dass Sie mich überredet haben, zu bleiben." Er strich mit dem Finger über ihre Wange und zog sie näher zu sich heran. „Ich glaube, Sie zu treffen, ist das Beste, das mir seit langem passiert ist. Sie sind eine so zarte, schöne Frau..."
Ihre Hand berührte seine Brust und er erschauderte. Sie sah ihn mit großen Augen an und biss sich auf die Unterlippe, während ihre Gesichter sich näher kamen. „Erik ...", sie wisperte seinen Namen. Er konnte ihren Atem auf seinen Lippen spüren, das Kribbeln in seinem Bauch war zu einem Sturm geworden. Er wollte sie spüren, ihre zarten rosa Lippen mit Seinen berühren. Ihre Nase glitt an seiner vorbei, ihre Lippen touchierten seine und er zog sie näher zu sich heran.
„Entschuldigung!" Sie fuhren auseinander. „Tut uns leid, wir wussten nicht, dass hier schon besetzt ist!"
Emilia seufzte und stand auf. „Wir sollten wieder auf die Feier zurückgehen."
„Emilia, warten Sie!" Er griff nach ihrem Arm und drehte sie zu sich herum. „Ich würde gern da weiter machen, wo wir unterbrochen wurden."
„Nein, Erik. Das ist falsch. Ich habe mich schon viel zu oft auf so etwas eingelassen. Es ist nie etwas daraus geworden." Sie entzog sich ihm. „Ich möchte Sie nicht enttäuschen. Und mich auch nicht." Dann ging sie und ließ ihn in der Dämmerung stehen.
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