2, 1
Sie sah auf die Uhr und seufzte. „Ich will ja nicht drängeln, aber wir sollten weiter. Es ist schon fast 16 Uhr."
„Wann müssen Sie bei ihrer Schwester sein?"
„Um 16 Uhr."
Er setzte sich hin und rutschte von der Motorhaube. „Dann sollten wir weiter. Warten Sie, ich helfe Ihnen." Erik reichte ihr die Hand, um ihr zurück auf die Füße zu helfen. Ihre Hand sah so klein aus, wie sie sich mit seiner zu einem Knäuel verband. Sie stieß sich von dem Blech des Wagens ab und landete sicher auf beiden Beinen. Aber als sie hochsah, war ihr Gesicht dem von Erik gefährlich nahe. „Danke", flüsterte sie. So nahe, dass sie das Glitzern in seinen diamantblauen Augen sehen konnte. Eine leichte Note von Grau tanzte um seine Iris herum. Seine Hand löste sich von ihrer und rutschte auf ihre Hüften. Dahin, wo zwischen ihrem Top und der Hose nichts war. Ein kleiner Schauer huschte durch ihren Körper, als er sie berührte.
„Gern geschehen", raunte er und spielte mit einer Strähne ihrer Haare. Sie biss sich nervös auf die Unterlippe. Aus der Nähe war er noch viel attraktiver als ohnehin schon. Ganz kurz spielte sie mit dem Gedanken, seine Lippen zu berühren. Nein, Em, du kennst ihn gar nicht, schalt sie ihre innere Stimme. Mach nicht das, was du immer tust.
„Ähm..." Sie wich zurück. „Wir sollten weiterfahren."
Erik schüttelte den Kopf. „Sie haben Recht."
Der Rest der Fahrt verlief ebenfalls stumm, aber jetzt war es eine angespannte Stille, in der Beide sich immer wieder ansahen, wenn der Andere nicht hinschaute.
Es war 16:21 Uhr, als endlich das Ortsschild von Huffington an ihnen vorbeirauschte. Eriks Navi brachte sie direkt zum Haus ihrer Schwester, das etwas außerhalb auf der anderen Seite des Städtchens lag.
Bald tauchten die riesigen Weiden auf, die die Einfahrt zu dem Hof säumten, auf dem Lisa und ihr Verlobter wohnten. Das Auto rollte den langen Kiesweg entlang, die Steine knirschten unter den Reifen. Links auf der Wiese waren zwischen den blühenden Apfelbäumen Reihen von Tischen und Stühlen aufgestellt, an denen sich schon zahlreiche Menschen tummelten.
Sie stieß nervös die Luft aus und sank tiefer in den Sitz, als eine Person über die Wiese auf sie zuzulaufen begann. Im Näherkommen sah sie, dass sie einen spitzenbesetzten Hut und die riesige Handtasche trug, die sie immer bei sich trug. „Ohje, das ist meine Mutter. Wir sind viel zu spät. Das gibt Ärger."
Kaum, dass Erik den Wagen neben den anderen Autos geparkt hatte, riss ihre Mutter schon die Beifahrertür auf und zeterte. „Emilia van den Parks, wo ist dein Auto? Wieso kommst du mit dem Taxi? Und wie siehst du überhaupt aus? Du bist", ihre Mutter schnappte nach Luft, „viel zu spät!"
„Mutter...", sie verdrehte genervt die Augen und warf Erik einen entschuldigenden Blick zu. Dann stieg sie aus. „Mutter, mein Auto ist stehengeblieben." Sie drehte sich um und deutete auf ihren Chauffeur. Erik war inzwischen auch ausgestiegen und streckte sich kurz. Sie ergriff seinen Arm und klammerte sich wohl etwas zu fest daran, denn er verzog kurz das Gesicht. „Mutter, das ist Erik. Er hat mir geholfen und mich freundlicherweise hierhergefahren."
Ihre Mutter musterte Erik. „Und wo ist dein Auto?"
„Susi steht auf einem Rastplatz, etwa zwei Stunden entfernt. Wir müssen sie abholen lassen."
„Nun gut", seufzte ihre Mutter, „darum kümmern wir uns später. Jetzt sieh zu, dass du dich umziehst. Deine Schwester wartet schon. Und biete dem netten Herrn etwas zu Trinken an."
Mit diesen Worten schneite sie davon und ließ sie auf der Einfahrt zurück. Sie verzog genervt das Gesicht. „Ja, das ist meine Mutter."
„Könnten Sie meinen Arm wieder loslassen?"
„Oh, Verzeihung!" Schnell trat sie von ihm weg. „Wieso gehen Sie nicht zu den Anderen, während ich mich umziehe?"
„Oh, ich wollte eigentlich wieder los."
Ein Schatten der Traurigkeit huschte über ihr Gesicht. „Oh, achso. Können Sie nicht noch ein wenig bleiben und mich vor dem Zorn meiner Mutter retten? Lassen Sie mich Ihnen wenigstens alles zeigen, wenn Sie mir schon so nett geholfen haben. Meine Mutter wird Sie ohnehin nicht gleich fahren lassen."
„Also gut." Er nickte und wanderte über die Wiese hinüber zu ihrer Familie.
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