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Sie ging die breiten Stufen des alten Hauses hinauf und mied die vierte Stufe, die immer so laut knarzte. Was eine ziemliche Herausforderung war, auch wenn ihre Beine nicht so kurz waren. Aber sie musste hüpfen, um zu Stufe fünf zu gelangen. Sie schloss die schmale hellblaue Tür, von der schon an einigen Stellen die Farbe abbröckelte, auf und trat in den Flur der Wohnung. Es duftete herrlich nach frisch gebackenen Croissants.

Kaum, dass die Tür hinter ihr zugefallen war, tauchte schon der quirlige Wuschelkopf ihrer Mitbewohnerin und besten Freundin hinter der Tür zur Küche auf. „Und wie ist es gelaufen?"

Sie hängte ihren Mantel an die Garderobe gegenüber der Tür und trat in die Küche. Es duftete hier nicht nur nach Croissants, man konnte auch erkennen, wie sie gemacht wurden. Auf dem Tisch stand ein Teller der handgemachten, sehr individuell geformten Gebäckstücke, die Elisa liebevoll angeordnet hatte. Und die Küche war in Mitleidenschaft gezogen worden: Überall waren Teigspritzer, Teig war die Schränke hinuntergelaufen und ihre Freundin sah auch nicht anders aus. Ihre runde Brille war gesprenkelt mit gelben Punkten und die Schürze hatte auch nicht viel geholfen, ihre Kleidung war trotzdem schmutzig geworden. Sie grinste, aber das führte nur dazu, dass Elisa empört die Arme in die Seiten stemmte. „Was?", fauchte sie.

„Nichts!" Sie tauchte einen Finger in die Teigmasse, die noch unverarbeitet war, und leckte ihn genüsslich ab. „Ich hab dich lieb." Weil sie grinste, hatte das ganze einen leicht schelmischen Unterton, aber sie meinte es so. Sie schnappte sich eines der Croissants vom Teller und brach es auseinander. Sie steckte ihre Nase in das noch warme Gebäck und sog seinen Duft ein. Trotz dass sie in der Stadt schon gefrühstückt hatte, konnte sie dem hier nicht widerstehen.

Sie ging damit in ihr Zimmer und ließ sich auf ihr breites Himmelbett sinken. Aber sie blieb nicht lange allein. Es klopfte und Elisa kam herein.

„Du solltest mal öfter nach deiner Post sehen, Lady! Der Postkasten war randvoll!"

Sie griff nach dem bunt gemischten Stapel Post. „Danke, Elisa!" Sie machte die Tür hinter ihrer Mitbewohnerin zu, damit diese ihr nicht die Klinke mit Teig vollschmierte, und setzte sich mit dem Paket an Post zurück aufs Bett. Das Meiste war nur Werbung, die sie sich ohnehin nie anschaute. Sie warf den Stapel aufs Bett, dabei rutschte ein roséfarbener Umschlag heraus. Was ist denn das?

Sie zog die Karte, die zwischen dem duftenden Papier versteckt war heraus, und las. Und plötzlich wurde ihr heiß und kalt abwechselnd. Oh Gott. Sie sah auf den Kalender, der an der Wand über ihrem Schreibtisch hing, und dann auf ihre Uhr. Heute Abend war sie bei ihrer Schwester eingeladen, die in wenigen Tagen heiraten würde. Das hatte sie völlig vergessen.

Sie schrie: „Elisa!" und es dauerte nicht lange, da stand ihre beste Freundin bereit, um ihr zu helfen. 

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Tags: #romantik