28 Hear the World Foundation.

┊  ┊  ┊          ★ ISABELL

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Mit voller Wucht sprang etwas auf mich drauf und riss mich brutal aus dem Schlaf. Dieser hinterhältige Angriff brachte mein Herz zum Rasen. In einem Ruck saß ich aufrecht im Bett und versuchte mich zu orientieren. Müde blinzelte ich gegen den Schlaf und erkannte die Plage des Morgens.

Energisch kitzelte ich Arlo durch und er kreischte auf. Ich konnte ihn zwar nicht hören, aber ich konnte mir vorstellen, wie er klang. Japsend rutschte er in die Mitte des Bettes und von dort aus verschlang Harry ihn mit seiner Decke. Wir grinsten uns an und dann verschwand Harry, wie ein Monster, das kleine Kinder zum Frühstück fraß.

Ich nahm meine Cochlea-Implantate vom Nachttisch und schaltete sie ein. Dann hörte ich Arlo unter der Decke mit Harry kämpfen. Zerzaust und besiegt tauchte sein Kopf wieder auf. Seit gestern war er bei uns und Arlo liebte das neue Zimmer.

Ich hatte ihn gestern mit in den Tierpark genommen, wo ich auch die Bilder von Liam und seinen Sohn machte. Arlo war so lieb und benahm sich toll. Noch dazu verstand er sich gut mit Bear. Ich fand nicht, dass Bear viel Ähnlichkeit mit Liam hatte, aber er war ein süßer verpeilter Lockenkopf.

Es entstanden zahlreiche schöne Fotos und als Liam sie sich mit mir ansah, da bemerkte ich ein sehr zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht. Von Harry wusste ich, dass Liam sich schwer damit tat mit seinem Sohn richtig umzugehen, doch in Three little deers sah man davon nichts. Er war aufmerksam, überraschend albern und liebevoll.

„Ich habe Hunger!", verkündete Arlo und schob die Unterlippe vor. „Und wir wollten in den Garten und gucken!" Das galt Harry. Denn er hatte Arlo erzählt, dass sich dort immer öfter eine dicke, fette Katze herumtrieb. Jetzt wollte Arlo sie sehen. Dass der gesamte Garten eine riesige Baustelle war, das störte Arlo nicht.

Müde kämpfte Harry sich aus dem Bett, er sagte etwas, was ich nicht verstand, aber Arlo hopste sofort hinter ihm her. Ich hörte eine Tür auf und zu schlagen und zwang mich ebenfalls diesen kuscheligen Ort zu verlassen.

Gerädert tapste ich in das Ankleidezimmer und kratzte mich am Bauch. Seit ich für Cal und Helene arbeitete, waren die Tage anstrengend. Dazu kam noch das ganze Hörtraining. Mit Liams Hilfe hatte ich mir die App Shazam runtergeladen. Wenn ich also irgendwo einen Song hörte, der mir gefiel, konnte ich ihn mit Hilfe dieser App erkennen. In vielen Geschäften duddelte Musik und ich dachte, es könnte nicht schaden.

Bevor ich ein Kleid vom Ständer zog, hielt ich inne und sah zu jenem Fach wo sich die Mützen stapelten. Automatisch ging ich drauf zu und erschrak mich zu Tode, als Harry hinter mir sprach: „Was suchst du?"

Erschrocken fuhr ich herum und sah ihn an. Dann beschloss ich, dass ich mir das Geheimnis nicht mehr ein Loch in den Magen brennen ließ. Ich hatte mit keinem Menschen darüber gesprochen, aber es machte mich nervös, nur daran zu denken. Eiskalt griff ich in das Fach und zog das kleine Schächtelchen mit dem Ring hervor. Tief atmete ich durch und sprach: „Was soll das bedeuten?"

Harry blickte zuerst auf die Schachtel, dann direkt in mein Gesicht, er wirkte angespannt und seufzte schließlich: „Wie hast du ihn gefunden?"

„Ich habe eine Mütze gesucht und dann ist er mir irgendwie entgegengefallen."

„Verstehe." Er nahm mir die Schachtel aus der Hand und verstaute sie aus meinem Blickwinkel. Zögernd gab er zu: „Als wir in Paris in diesem Second-Hand-Shop waren, da habe ich ihn gekauft, weil seine Farbe mich an dein Haar erinnerte."

„Nur deshalb?", ich war überrascht und er lachte: „Nein. Ich wollte es damals einfach. Es hat sich richtig angefühlt."

Da ich mich immer noch nicht regte, gestand Harry schließlich: „Ich habe noch nie so gehandelt, weil ich noch nie mit jemanden so lange geplant habe. Meine Beziehungen waren früher oder später immer zu Ende. Ich wusste quasi, dass es nicht hält und zwar von Anfang an. Doch bei dir wollte ich, dass es anders läuft. Ich schätze, ich habe irgendetwas gebraucht, dass mir klar machte, dass ich das auch haben könnte."

„Verstehe", sprach ich langsam. „Also wolltest du nicht Nägel mit Köpfen machen."

„Doch, irgendwie schon, aber eher anders", gestand er. „Ich wollte dir viel mehr ein Versprechen geben, also... das ich an ein Uns glaube und das festhalten will."

„Und jetzt nicht mehr?", neckte ich ihn. Harry grinste: „Natürlich, aber dafür brauche ich keinen Ring, der das irgendwie symbolisiert. Ich sage dir das jetzt lieber direkt ins Gesicht und beweise es dir."

Ich konnte nicht anders und zog ihn zu mir, um ihn sanft zu küssen, dann meinte ich: „Das brauchst du nicht mehr, okay? Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann und das du dir Mühe gibst dich zu ändern. Aber ändere dich nicht so sehr, dass ich dich am Ende nicht mehr erkenne."

„Das-!"

„Onkel Harry! Was macht ihr da? Iiiiiieh, warum knutscht ihr?"

Arlo hatte ein wirklich fantastisches Timing. Entsetzt stand er in der Tür und hielt seine Zahnbürste in den Händen, wahrscheinlich war er nicht an die Zahnpasta gekommen. Harry rollte mit den Augen und verkündete dann wie ein dämonischer Ablatsch: „Wird Zeit um mit dir zu knutschen!"

Neiiiiiiiin!", kreischte Arlo und ich sah zu, wie flink Harry sein Patenkind einfing. Dieser brüllte sich die Seele aus dem Leib und ich konnte nicht anders als in schallendes Gelächter auszubrechen. 

Verzweifelt rief Arlo nach mir, damit ich ihn helfen konnte, doch ein Blickaustausch mit Harry machte alles klar. Nämlich, dass ich auf der dunklen Seite stand. Zu zweit drückten wir Arlo Küsschen auf die weichen speckigen Wangen und ließen ihn erst frei, als er uns schwor das artigste Kind unter der Sonne zu sein.

Harry musste nach dem Frühstück zu seinem Manager Jeff und einiges besprechen. Da Arlo sich dort langweilen würde, begleitete er mich lieber zum Fotostudio seines Vaters. Er war enttäuscht darüber, dass die fette Katze aus dem Garten warten musste, aber wir versprachen, dass er ganz bald wieder bei uns übernachten durfte.

Ich dachte viel an Harrys Worte als ich mit Arlo zur Tube ging und er an meiner Hand herumturnte. Unaufhörlich plapperte er vor sich hin und ich verstand nur die Hälfte, vor allem weil meine Gedanken ganz wo anders waren. Wer hätte gedacht, dass ein simpler Ring mir so einen Schrecken einjagen konnte.

Trotzdem sorgten Harrys Absichten für ein wunderschönes Gefühl, dass sich kontinuierlich in meinem Körper ausbreitete. Konnte man zu glücklich sein? 

Wahrscheinlich. 

Hoffentlich explodierte ich nicht bald vor lauter Zufriedenheit. Das einzige, was mich noch davon abhielt, war die Baustelle des Hörens.

„Kleiner, du redest zu schnell für mich", brachte ich es schließlich auf den Punkt und Arlo schnappte nach Luft: „'tschuldigung. Hassu Schokolade?"

Ich musste lachen: „Nein, und du hast gestern so viel davon gegessen, dass es für ein ganzes Jahr reicht."

„Man kann nich' genug Schoki essen. Das is' gesund!", behauptete er energisch. Ich liebte diese Art von Diskussionen mit Arlo und als wir Cals Laden erreichen, hatten wir uns immer noch nicht geeinigt. Dort sprang er der molligen Jean in die Arme. Meine selbsternannte Ausbilderin herzte den kleinen Prinzen und erklärte mir, dass Cal mich oben im Büro sehen wollte.

Allen vom Fuß der Treppe, bis nach oben schossen mir allerhand Zweifel durch den Kopf. Ob ich etwas falsch gemacht hatte oder ich eine Abmahnung kassierte. Mir fiel jedoch nichts ein, was das unterstützen würde. 

Als die Kindergartenkinder fotografiert wurden, hatte ich Jean geholfen und die Kleinen bei Laune gehalten, indem ich hinter Jean Faxen gemacht hatte. War das zu übergriffig gewesen? Hatte sich eine Mutter beschwert?

Höflich klopfte ich an Cals Büro, aber weil ich nichts hörte, schaute ich vorsichtig nach ein paar Herzschlägen hinein. Mein Boss saß entspannt an seinem Schreibtisch und winkte mich rein. Erst da sah ich, dass er nicht alleine war. 

Ein unscheinbarer schmaler älterer Mann in lässiger Kleidung hatte es sich in dem Besuchersessel gemütlich gemacht. Er hatte ein Allerweltsgesicht, denn ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen.

„Isabell, setzt dich bitte. Ich hoffe, Arlo war artig", begann Cal freundlich und ich setzte mich tatsächlich verwirrt in den anderen Besuchersessel. Nervös zwang ich mich zu einem Lächeln: „Sagen wir so, er hat Harry ordentlich auf Trapp gehalten."

Das schien Cal nur recht zu sein und er stellte mir seinen Gast vor: „Bryan ist ein alter Freund von mir und wir beide hätten gern deine Meinung."

Vor Cal lag eine schwere Mappe mit schwarzweiß Fotos und er drehte sie so, damit ich sie mir ansehen konnte. Doch ich kannte die Bilder bereits: „Die Hear the world – Kampagne."

Cal hob beide Augenbrauen und sprach langsam: „Du kennst sie?"

Ich schnaubte: „Jeder mit einer Hörschädigung kennt sie. Das sind alles Prominente, die ihre Hand ans Ohr halten, als würden sie versuchen richtig hinzuhören. Jedes Bild ist schwarzweiß, oder eben... grau. Viele Hörakustiker benutzen sie für ihre Räume."

„Was hältst du davon?"

Meine Hände hörten auf in der Mappe zu blättern und ich setzte mich wieder: „Du meinst den Fotos oder die Art und Weise? Die Fotos will ich nicht beurteilen, ich weiß zu wenig drüber. Aber die Kampagne ist langweilig."

„Warum?", wollte dieser Bryan von mir wissen und ich gab zu: „Weil sich rein gar kein Hörgeschädigter damit identifizieren kann. Das sind alles nur irgendwelche Prominente die ihre Hand ans Ohr legen. Wieso sind es nicht Künstler, die tatsächlich einen Hörverlust haben und Hörgeräte tragen? Und was soll dieses Schwarzweiß bedeuten? Das einem ohne Gehör etwas fehlt? Ich finde... die Kampagne so ziemlich deprimierend."

Cal lachte laut: „Ja, da hast du recht, und trotzdem sind die Fotos ausgezeichnet worden."

„Das verstehe ich, aber mir persönlich fehlt der Bezug zu ihnen und vielen meiner Freunde auch. Die meisten kennen diese ganzen Prominenten nicht einmal."

„Wer würde da besser hinpassen?", Bryan runzelte sichtlich die Stirn und ich überlegte, bis ich schließlich sprach: „Na Tasha Amber Ghouri zum Beispiel, sie ist ein Model mit Cochlea-Implantaten. Nyle DiMarco ein gehörloser Schauspieler, er hat bei Dancing with the stars mitgemacht. Marlee Matlin hat sogar einen Oscar bekommen und Halle Berry hat wohl auch einen Großteil ihres Gehörs verloren. Millie Bobby Brown ist auf einem Ohr taub, Jane Lynch auch. Sean Berdy und Katie Leclerc kennt man aus der Serie Switched at Birth, es gibt so viele Möglichkeiten."

Cal und Bryan tauschten einen Blick aus den ich nicht deuten konnte, schließlich seufzte Bryan und sprach: „Das sind alles Schauspieler."

Nun schnaubte Cal: „Na ich bin sicher, wenn Isabell ihren Freund fragt, dann fallen dem eine Menge Leute ein, die durch Musik hörgeschädigt wurden."

Während Bryan irritiert war, schob Cal gehässig hinterher: „Oh, habe ich vergessen zu erwähnen, dass sie die Freundin von Harry Styles ist?"

„Ja, das Detail hast du ausgelassen", antwortete Bryan trocken, dann wandte er sich mir zu. Er hatte so eine angenehme Stimme, dass ich kaum Probleme hatte ihm zu folgen. Mein Herz klopfte aus irgendeinem Grund aufgeregt und ich genoss diesen rauen Klang sehr.

Er räusperte sich: „Wie würdest du so eine Kampagne aufziehen?"

Das war ja mal eine spontane 0815-Frage. Sarkasmus off.

„Mit Farben", sprach ich langsam. „Weil... naja, man hört in verschiedenen Farbtönen, also in Blautönen, Grüntönen und so weiter. Für das komplette Bunt fehlt etwas. Das Hörgerät verstärkt ja eigentlich nur das was da ist. Gleichzeitig trennt einen das von... den ganzen anderen Farben, die ja für alle anderen... eben hörbar sind." Ich hielt inne. „Versteht man, was ich damit sagen will?"

Cal schwieg, aber Bryan neigte den Kopf und nickte: „Ja, durchaus. Es ist ein sehr interessanter Gedanke und lässt sich bestimmt vielfältig umsetzten."

„Das heißt, der Auftrag gehört uns?", horchte Cal und Bryan sah ihn gequält lächelnd an: „Ich hatte von Anfang an keine Chance, nicht wahr?"

„Nein, ich habe hier nämlich jemanden an der Quelle der Gehörlosenkultur sitzen, und Isabell kann dir ganz genau sagen, wie authentisch etwas ist", behauptete er. „Außerdem wäre das für sie eine große Chance von dir zu lernen und du von ihr."

Bryan streckte die Hand aus und Cal reichte ihm eine dünne Mappe, in der normalerweise Verträge drin sind. Damit erhob sich Bryan und sprach: „Danke für die Kritik. Ich werde darüber nachdenken." Mit einem Nicken in meine Richtung verabschiedete er sich und sobald die Tür zu fiel, schlich sich ein mega breites Grinsen auf Cals Gesicht.

„Ist... er nun... gekränkt?", fragte ich vorsichtig und Cal lachte: „Ja, aber so was von. Denn das, Isabell, war Bryan Adams, der Schöpfer dieser, wie sagtest du so schön? Langweiligen Bilder." Wieder lachte er, doch dieses Mal klang es wie ein Gackern.

Ich lief feuerrot an. „Oh Gott, ich wollte ihn nicht beleidigen."

„Ach, das hast du nicht. Die Kampagne hat wirklich mehrere Preise gewonnen, denn der Gedanke ist ja schließlich gut, genauso die Qualität. Nur das Thema ist für deine Community verfehlt. Authentizität ist für so eine Kampagne natürlich das nächste Level."

Sichtlich zufrieden schüttelte Cal für sich den Kopf und sah, wie sehr mich meine Unhöflichkeit beschämte. Erst als er sprach: „Nimm dir das nicht zu Herzen. Bryan hat Queen Elisabeth II fotografiert, da wird er sich von deiner Ehrlichkeit nicht umhauen lassen, aber ich glaube, sie war genau das, was er brauchte. Die Hear the World Foundation liegt ihm am Herzen, weil er zum ersten Mal als Fotograf ernst genommen wurde und die ihm eine Chance gaben. Dass das Ganze so erfolgreich wurde, das konnte ja keiner wissen."

Erleichtert holte ich tief Luft, denn einige Bedenken blieben: „Wird er den Vertrag wirklich für eine Zusammenarbeit unterschreiben?"

„Mein Gefühl sagt mir zu 99% ja", Cal klang optimistisch. „Und ich denke, dass du ganz bestimmt die Möglichkeit bekommst ihm über die Schulter zu gucken und zu lernen. Er ist viel zu Neugierig und ein kleiner Perfektionist."

Ich wünschte, ich wäre so zuversichtlich wie Cal. Denn als ich meine Arbeit antrat, da machte ich mir durchaus Gedanken. Erst als ich am späten Mittag auf dem Heimweg war, da machte ich mich in der Tube daran Bryan Adams zu googlen. Vielleicht kannte ich noch andere Fotografien von ihm. Aber zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass er eigentlich ein Musiker war.

Sehr interessant. 


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Hallo ihr Lieben!

Da sind wir wieder und ich habe euch direkt eine der bekanntesten Kampagnen Rund um das Thema Hören mitgebracht. Ins Leben wurde sie von der Sonova-Gruppe gerufen, diese besteht aus mehreren bekannten Firmen, zum Beispiel Geers :) Geers ist eine Hörakustik-Kette, sie macht oft noch mit Thomas Gottschalk Werbung. 

Phonak, ein bekannter Hörgeräte-Hersteller gehört dazu, aber auch Sennheiser, die machten Kopfhörer, die auch ein Normalhörender benutzen kann :)  Natürlich gehört auch ein Cochlea-Implantat-Hersteller dazu, Advanced Bionics, kurz AB.

So, genug Fachgeschwafel. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen. Wir maschieren in einem guten Tempo auf das Ende zu und ich freue mich sehr darüber. Vor allem, weil ich ja schon am Anfang des Buches angekündigt habe ein kleines Gewinnspiel zu machen. Die Sachen habe ich schon ewig hier und sie brennen mir ein Loch ins Herz xD

Bis nächsten Sonntag!


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