27 Eine Richtung.

┊  ┊  ┊          ★ NIALL

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„Also dafür habe ich mich eigentlich nicht gemeldet", murrte ich und schnaufte. 

Ich befand mich mit Harry in Liams neuen Maisonettenwohnung. Gestrichen hatten wir die Bude schon und endlich waren auch Liams Möbel fast komplett. Insgesamt erstreckte sich die Wohnung über drei Etagen. Unten hatte Liam sein Bad und Schlafraum, mittig war die Küche samt offenem Wohnzimmer und Terrasse, oben richtete er sein Musikzimmer ein.

Jetzt kroch ich im Musikzimmer auf alle Vieren und strich die Leisten nach. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass Liam hier oben ein Zimmer für Bear einrichten würde, aber falsch gedacht. Die Couch, auf der Harry gerade hockte und Schallplatten durchging, konnte man zu einem super Gästebett transformieren und im Einbauschrank befand sich viel Spielzeug und Kinderkram.

„Stell dich nicht so an", sprach Liam. „Du hast mich so gehetzt, damit ich dir auf meiner Gitarre vorspiele, dass es nur fair ist mir jetzt zu helfen."

Harry grinste: „Das kommt davon, wenn man keine Geduld hat, Niall. Übrigens-", er deutete mit dem Plattenalbum von Sting nach rechts zu einem wuchtigen Schrank, „-dort ist Liams Schlagzeug drin. Wenn wir es noch aufgebaut kriegen, dann kann er dir etwas vorspielen."

Er kann sich aber auch entscheiden sich eine Pizza zu bestellen, sich auf die Couch zu pflanzen und sich den Bauch zu kraulen", sprach Liam sarkastisch. 

Ich schnaubte: „Du klingst schon wie Louis, fehlt nur noch das Bier."

Liam wuchtete die nächste Kiste mit Platten zu der großen Regalwand, wo er sie einsortieren wollte: „Hat jemand rausbekommen an was er arbeitet?"

„Nein", antworteten Harry und ich gleichzeitig. Knappt zuckte Harry mit den Schultern: „Er macht ein riesiges Geheimnis raus." 

Oder er durfte schlichst nichts sagen, weil er einen Vertrag unterschrieben hatte dies nicht zu tun.

Ich richtete mich auf und warf den Pinsel in die Dose. Müde dehnte ich die Beine und Harry ließ die Platte in den Händen sinken. Dann fragte er mich: „Wie war es beim Akustiker?"

„So lala", gab ich zu und erzählte, dass ich ein zweites Paar Hörgeräte ausprobiert hatte, doch der Klang gefiel mir irgendwie nicht. Mir hatten die ersten Geräte besser gefallen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich schon zu sehr dran gewöhnt hatte.

„Ich musste einen Hörtest machen, wo du Geräusche hattest, wie auf dem Bahnhof und dann wurden dir Wörter vorgesagt wie Maus, Tisch, Rad und so weiter", berichtete ich. „Es war verdammt anstrengend. Und als wir durch waren, war Mrs Kent und mir klar, dass die anderen Geräte besser für mich sind." Knapp zuckte ich mit den Schultern: „Ich werde sie wohl auch kaufen, aber Mrs Kent meinte, ich sollte noch welche ausprobieren und die habe ich gerade drin."

Liam neigte den Kopf: „Und wie sind die?"

„Ganz in Ordnung. Ich meine, ich bin zufrieden. Es ist schwer zu erklären", gab ich zu. „Musik gefällt mir mit keinem Hörgerät 100% gut, aber das wäre wohl normal. Musik wird immer schwer einzustellen sein." Ich war etwas frustriert, doch vielleicht erwartete ich auch einfach zu viel.

Liam musterte mich und warf kurz Harry einen Blick zu, dann sprach er: „Vielleicht solltest du mit jemanden reden, der Erfahrung damit hat. Zum Beispiel... Phil Collins, Chris Martin oder Bono. Man kann doch bestimmt Kontakt herstellen."

„Ach ich weiß nicht", wehrte ich ab. „Ich will nicht hören, wie viel furchtbarer das noch alles werden kann. Man kann sich da auch zu sehr reinsteigern und jeder geht anders mit um."

Dazu nickte Harry zustimmen: „Was sagt Noah dazu?"

„Das ich meinen Weg schon mache und mich nicht stressen soll." Ich würde das Ganze viel zu verkrampft angehen. „Er meint, dass ich mich zu sehr anstrenge und zu viel auf einmal will."

„Genau wie Isabell", Harry seufzte. „Ich bin schon ganz heiser vom vielen Vorlesen." Er stänkerte gegen Harry Potter und schloss mit: „Wir haben endlich das erste Schuljahr hinter uns und jetzt geht's um irgendein Monster aus einer Kammer, die es angeblich nicht gibt."

„Manchmal glaube ich, dass du der einzige Brite bist, der den Harry Potter – Hype komplett verpennt hat", lachte Liam und räumte weiter Schallplatten ein. 

Wir stritten darum, welche Bücher Harry stattdessen vorlesen könnte, aber keiner von uns war ein großer Leser. Entweder hatten wir keine Zeit, oder wie ich, einfach keine Lust.

Nachdem wir schließlich die Umzugskartons falteten, bestellte Liam uns etwas zu Essen und wir alle wollten uns mit Vitaminen vollpumpen. In der Küche hockten wir an der Theke und ließen uns von Liam bedienen. Dort holte Harry tief Luft und ließ buchstäblich eine Bombe platzen: „Ich habe vor ein Interview zu geben und dort darüber zu sprechen, dass ich diesen Wahnsinn an Einmischung nicht mehr ertrage."

Liam und ich starrten ihn an und er erzählte weiter, was ihm zu denken gab. Die Rücksichtslosigkeit, das unbändige Interesse und all die Anstrengungen wurden ihm zu viel. Vor allem jetzt, wo er verstand, wie toll es sein konnte ein Privatleben zu haben.

„Nur wem gebe ich das Interview? Ich bin kein Fan von Oprah, und James arbeitet nicht mehr", da schien sich schon jemand mächtig Gedanken gemacht zu haben. „Kimmel und Fallon passen wegen der fehlenden Ernsthaftigkeit nicht."

„Ich würde Ellen nehmen", sprach ich frei heraus. „Weil, ich denke, sie würde das Thema mit genug Empathie anpacken."

Mir gegenüber nickte Liam: „Ja, Ellen wäre eine gute Wahl." Harry schien drüber nachzudenken und würde eine Nacht drüber schlafen zu wollen. Aber richtig überzeugen tat ihn kein aktueller Talkmaster. Ich konnte das gut verstehen, denn es war ein ernstes Thema und die meisten unserer Kollegen waren zwar tolle Moderatoren, doch das Showkonzept passte nicht.

„Man soll mir am Ende möglichst nicht wieder irgendetwas in den Mund legen oder etwas interpretieren, was nicht da ist", sprach Harry. „Nicht, dass es heißt, mein Management hätte mich gezwungen."

„Oh Gott", stöhnte ich prompt und Liam lachte schallend auf: „Ja, ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir."

„Verkneif sie dir!", verlangte Harry. 

 Während ich mich entspannt zurücklehnte, wurde mir klar, dass ich so einen gemütlichen Abend lange nicht mehr gehabt hatte. Die Pause tat uns allen unendlich gut. Denn nachdem wir die erste lange Pause ab 2015 machten, merkten wir erst einmal, wie schön es war im eigenen Tempo zu leben und nicht mehr fremdbestimmt zu werden.

Unser Essen kam und wir stopften uns mit irgendwelchen fancy Bowls mit Reis, Lachs, Avocado und anderen Gedöns voll. „Schmeckt nicht schlecht", fand ich, „aber ich glaube nicht, das Nandos deshalb zumachen muss."

Harry gluckste und verschluckte sich prompt am Reis. Nachdem er mit Gurkenwasser nachgespült hatte, räusperte er sich und sprach: „Ich würde gern wieder schreiben, also arbeiten."

Überrascht sahen wir ihn an und er fuhr fort: „Das habe ich ewig nicht gemacht und mir ist danach, einen Song aufzunehmen, der nicht erst von gefühlt 10 Leuten abgewunken werden muss."

„Was hält dich auf?", fragte ich und er verzog schmerzvoll das Gesicht: „Ich muss mir jemanden fürs Tonstudio suchen, wenn es so weit ist und alle, die ich gut finde, arbeiten aktuell wo anders. Und ich kann kein... Mischpult und so bedienen."

„Hm", machte Liam, „ich aktuell auch nicht, aber Louis kann es." 

Wir starrten ihn an und er zuckte mit den Schultern: „Ja, der hat für sein Soloalbum nicht so lange gebraucht, weil er sich die Eier schaukelte, sondern weil er sich eine Menge hat zeigen lassen. Jeder Ton ist von ihm selbst nach seinen Vorstellungen bestimmt."

„Dieser Angeber", entwich es mir und ich grinste gleichzeitig. „Wir stellen bei seinem Management am besten direkt eine heimliche Anfrage."

Harry lachte: „Das würde verdammt gut kommen. Er müsste machen was wir ihm sagen." 

Sofort tauschten wir alle drei einen Blick aus und Liam verkündete: „Ich kümmere mich morgen früh direkt drum." Die Schadenfreude war uns allen anzusehen.

Seit wir die Pause hatten, hatte ich ebenfalls nicht mehr geschrieben. Ich war zu beschäftigt gewesen und die Idee, wieder damit anzufangen, machte mir etwas klar. Der nächste Song, der aus meiner Feder kam, der würde genau so sein, wie ich es wollte. 

Denn ich musste jetzt keine Angst mehr haben, dass auch nur irgendjemand aus meinem Umfeld merken würde, dass da etwas fehlte. Oder zumindest hatte ich immer Angst gehabt, das genau dies passieren könnte. Dabei war es Blödsinn.

Zum arbeiten brauchte ich Ruhe und Inspiration. Beides hatte ich die folgenden Tage nicht, denn ich begleitete Fizzy zu einem Deaf Studio-Dreh. Isabell bat mich darum sie zu unterstützen und da sagte ich nicht nein.

Was mich stutzig machte, war Fizzys merkwürdiges breites Grinsen, als ich sie mit dem Auto abholte. 

„Was genau soll ich eigentlich helfen?", fragte ich und Fizzy antwortete: „Du hältst einfach nur hier und da einen Reflektor hoch. Wir sind aktuell zu wenige." Gedreht wurde versteckt in einer Seitenstraße, wo sich noch eine alte rote Telefonzelle befand.

Ich traf Benny und Mozzie wieder, beide begrüßten mich und wollten wissen, ob ich weiter dabei war, wenn es ins Kino ging. Die Truppe wollte sich Million Dollar Baby ansehen. Filme mit Untertitel fielen mir noch schwer, besonders zu Hause. Ich konzentrierte mich immer zu sehr auf den Text, aber ganz langsam wurde es besser.

Während Benny seine Kamera aufbaute und Mozzie sich von Soyun in Klamotten stecken ließ, schnappte jemand hinter mir erschrocken nach Luft. Ich wandte mich um und erkannte das runde niedliche Gesicht sofort. Schließlich hatte ich mit dem jungen Mädchen schon geskypt.

Die Gewitterwolke sah aus, als käme sie aus der Gotik-Szene, ihre Augen waren stark geschminkt, der Lippenstift schwarz und die Kleidung ebenfalls. Lediglich das lange Haar wurde von einer knallroten kitschigen Schleife zum Pferdeschwanz gehalten.

„Ihr bringt mich ins Grab!", fuhr das Mädchen im Rollstuhl Fizzy an, die nun schallend lachte: „Niall, das ist Sunny, die so gar nicht so sonnig ist wie ihr Name."

„Ich weiß, wer sie ist", sprach ich und hielt ihr die Faust zur Begrüßung hin. „Hi."

Sunny lief knallrot an und schien kontinuierlich darauf zu achten, dass sie keine Schnappatmungen machte. Sie ließ ihre Faust gegen meine stupsen und schloss gequält die Augen. An Benny gewandt sprach sie: „Ich werde heute nicht gescheit arbeiten können."

Dieser schnaubte: „Laber keinen Blödsinn. Wir wollten Hey Jude nach Let it be schon ewig abdrehen. Reiß dich zusammen und liefere ab!"

Entsetzt heulte Sunny auf und dann wendete sie ihren Rollstuhl und sah mich an, als wolle sie mich mit ihrem Blick grillen: „Du bist verantwortlich dafür, wenn ich das heute in den Sand setzte! Als Louis hier war, das war schon schlimm, aber das ist eine Qual!"

Ich musste laut auflachen: „Kann ich dich irgendwie entschädigen?"

In ihren Augen blitzte etwas auf und zu meiner Überraschung sprach sie: „Wenn ich 18 werde, musst du in einem Pub ein Bier mit mir trinken. Das ist in knapp fünf Wochen."

„Abgemacht."

„Wirklich?"

Ein Fan-Herz glücklich zu machen war wirklich leicht. Sie strahlte, als hätte sie im Lotto gewonnen. Wahrscheinlich fühlte es sich für einen Fan auch tatsächlich so an. Sunny gehörte zu der angenehmen Sorte. Sie war höflich, aufgeregt und niedlich. Ab und an verhaspelte sie sich, als sie etwas sagen wollte und gab sich alle Mühe beim Dreh konzentriert zu bleiben.

Mozzie und Benny setzten sie auf das Dach der Telefonzelle und ich musste zugeben, dass der Dreh wahnsinnig cool war. Ab und an wedelte ich mit einem Reflektor hin und her und begriff, warum Noah für diese Arbeit mittlerweile die Zeit fehlte. 

Ein Video brauchte Ruhe und Vorbereitung. Der Aufwand war nicht ohne. Am Ende holte ich Sunny von der Telefonzelle herunter und sie quietschte entzückt auf.

„Ich brauche ein Erinnerungsfoto", sprach ich. „Und ein Datum und eine Handynummer. Sonst kannst du das Bier an deinem Geburtstag vergessen."

Ihr Schädel glühte und als wir das Foto machten, da meinte Fizzy: „Fehlt nur noch Liam, dann hast du One Direction einmal durch."

„Das klingt als wäre ich mit allen einmal im Bett gewesen", rutschte es Sunny trocken raus und sie schob hastig hinterher: „Das wäre natürlich niiiiiemals meine Absicht."

Ja, war mir klar. Und so bekam ich mit, das Mozzie gebärdete: »Deaf Slam steht vor Weihnachten an, macht Pickel wieder mit?«

»Nein«, antwortete Benny und ich runzelte die Stirn: »Er hat letztes Jahr mitgemacht, oder?« 

»Und er hat uns würdig in Chicago vertreten«, nickte Soyun eifrig. Das wusste ich natürlich, aber anscheinend war man geknickt darüber, dass Noah kein zweites Mal antreten wollte.

»Ihm fehlt die Zeit«, warf Fizzy ein und Sunny meinte: »Und ihm fehlt die zündende Idee.«

Richtig, so ein Slam schüttelte man sich nicht aus dem Ärmel. Trotzdem hatte auch ich irgendwie damit gerechnet, dass ich Noah noch einmal auf dieser Bühne sehen würde.

Benny nahm mich beim Abbau zur Seite und sprach leise: „Rede mal mit ihm. Wäre echt schade, wenn Noah da nicht seinen Platz verteidigen würde."

„Ich weiß nicht, er wird seine Gründe haben. Vielleicht könnt ihr jemand anderes ins Rennen schicken", warf ich ein und als Benny die Stirn runzelte, schien ich ihn auf eine Idee gebracht zu haben.

Obwohl ich sagte, ich würde Noah nicht mit Fragen durchlöchern, tat ich es am Abend trotzdem. Er war kaum zur Tür reingekommen, als ich gebärdete: »Meldest du dich nicht für den diesjährigen Deaf Slam an?«

Müde und überrumpelt hielt er inne und schlüpfte aus seinen Schuhen. Erst als er die Jacke aus hatte und in der Küche ein Bier öffnete, antwortete er: »Nein.«

»Wieso nicht?«

Irritiert blinzelte er: »Ich habe letztes Jahr teilgenommen und muss niemanden mehr etwas beweisen. Es hat Spaß gemacht und das reicht mir.«

»Schade, ich hätte gern mehr gesehen«, gab ich zu und Noah seufzte: »Ich möchte auch nicht noch einmal teilnehmen. Mir ging es nie darum der Beste zu sein. Ich wollte einfach nur das Preisgeld und etwas anderes zeigen, als eine Geschichte.«

»Aber-!«

Schwungvoll fuhr Noah herum und musterte mich: »Nimm du doch teil!«

Ich stolperte fast zurück: »Bist du verrückt, ich wäre chancenlos!«

Seine Mundwinkel zuckten: »Ist doch egal, manchmal geht's um das Dabeisein.« 

Knapp schüttelte ich den Kopf, denn ich wusste genau, dass ich für so etwas nicht gut genug gebärdete. Ich konnte zwar mittlerweile viele Vokabeln und hatte die Grammatik drauf, aber beim Ausdruck happerte es bei mir gewaltig.

»Hast du nächsten Donnerstag Zeit?«, fragte Noah mich und checkte auf seinen Tablet Nachrichten. Ich runzelte die Stirn und als er mich wieder ansah, da meinte ich: »Ja, warum?«

»Lust auf ein Date zu gehen?«

Meine Mundwinkel zuckten, gleichzeitig fragte ich mich, wie offiziell er das meinte und als könnte Noah von meinem Gesicht lesen, da machte er die Gebärde für locker bleiben. Scheinbar wusste er genau, was mir durch den Kopf schoss.

Wir hatten keine Dates, denn das was wir hatten, hatte schlicht keinen Namen. Oder zu viele.

Mitbewohner, Freunde, Affäre – müsste man das nicht eingrenzen? Komischerweise war es mir egal, denn es war gut so, wie es lief. So konnte es bleiben.


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Hallo ihr Lieben!

Danke für die süßen Kommis zum letzten Kapitel, Antworten kommen heute <3

Wir sind auf der Ziellinie, schätze so ca 8 Kapitel muss ich noch schreiben und Hasebell findet ihr ende ;_; nach so langer Zeit haben sie es auch verdient. Aktuell habe ich noch 2 Kapitel auf Vorrat und heute Abend vielleicht 3 ;) das heißt für Nachschub ist erst mal gesorgt. 

Lasst euch drücken und bis nächsten Sonntag!

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