22 Hörtraining.
┊ ┊ ┊ ★ ISABELL
┊ ┊ ☆
┊ ★
☆
Die ersten paar Tage waren die Hölle.
Ich konnte nichts, aber auch gar nichts zuordnen, was ich nicht mit den eigenen Augen sah. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich immer nur das akustisch gehört hatte, was ich vorher erst gesehen hatte. Jetzt musste ich daran arbeiten, dass ich dies differenzieren konnte.
Schweigend hockte ich im Park und lauschte dem Rascheln der Blätter, orientierte mich, woher merkwürdige Geräusche kamen und bemerkte das Zischen des Windes. Er war so unglaublich bedrohlich in seinem Klang. Prompt bekam ich Gänsehaut und fröstelte.
Morgens versuchte ich von der Treppe aus zu hören, wo Harry sich gerade aufhielt. Leider war meine räumliche Orientierung für die Katz. Ich konnte ja noch nicht mal sagen, ob das Auto von links, oder von rechts kam, wenn ich mit geschlossenen Augen am Straßenrand stand.
In der Tube hörte ich die Ansagen, es war ein reines Knarzen. Die Haltestelle konnte ich nicht einmal erahnen. Trotzdem machte ich mich auf dem Weg zu Cal, der mit mir den neuen Job durchsprechen wollte. Mit dabei hatte ich meine Kamera.
Der Hauptsitz seiner Foto-Firma mit Helene befand sich in Lambeth. Sein Geschäft fand ich an einer Straßenecke. Unten war der normale Foto-Laden, während sich darüber zwei Stockwerke für Shootings und Büroräume befanden. Die Räume waren hell und freundlich, genauso die Mitarbeiterin, die ich im Laden antraf.
Ich starrte ihr angestrengt auf die Lippen und verstand, dass sie mir zeigte, wo ich hin musste. Cal fand ich in seinem Büro und er begrüßte mich fröhlich, wie immer. In seinem Raum herrschte reine Kreativität.
Das Regal hinter seinem Schreibtisch war vollgestopft mit Bilderbänden, Ringblöcken und dicken schweren Ordnern. Die rechte Wand war beklebt mit Papierschnipseln und sein Schreibtisch stöhnte nur so unter der Last von Unterlagen. Dazu kamen zwei große Bildschirme und eine Tastatur, die er auf einem Stapel Unterlagen abgelegt hatte.
Direkt neben seinem Schreitisch stand eine Kiste mit Spielzeug, wahrscheinlich für Arlo, damit der kleine Knirps hier die Zeit totschlug. Cal umarmte mich überschwänglich und wollte dann ganz neugierig wissen, wie meine neuen ‚Ohren' denn so aussahen.
„Pink und weiß", antwortete ich und las von Cals Lippen. Gleichzeitig merkte ich, dass seine Stimme, anders als Harrys, sehr dumpf klang: „Arlo wird enttäuscht sein. Er hat auf Blau und Rot getippt."
„Und wahrscheinlich auch damit gerechnet, dass ich jetzt durch Wände hören kann", lachte ich. Cal schmunzelte: „So in etwa, er hat mich gefragt, ob du Signale an König Charles senden kannst. Als wärst du der neue 007."
„Na klar! Das MI6 hört sogar live mit", ging ich drauf ein. Arlo würde Harry und mich bald besuchen kommen und ich konnte es kaum erwarten. Doch heute besprach Cal mit mir das weitere Vorgehen. In knapp drei Wochen würde ich bei Helene und ihm arbeiten. Ich würde die Kniffe der Fotografie lernen und zuerst unten im Laden anfangen.
Das hieß, Zubehör für Fotografen verkaufen, beraten, Passbilder und Bewerbungsbilder machen. Vielleicht durfte ich auch die einen oder anderen Familienfotos schießen oder einen der Firmenfotografen auf Veranstaltungen begleiten.
„Vorher mach dich mit einer Menge Theorie vertraut", dafür hatte er einen Stapel an dicken Fachbüchern, Fotobänden und zahlreiche Zeitschriften für mich rausgesucht. Ich rieb mir die Hände und konnte es kaum erwarten mich reinzustürzten. Nach meiner Bachelorarbeit war ich nicht mehr intensiv eskaliert.
Einen Teil der Literatur packte in meinen Rucksack. Die anderen Sachen würde er mir heute Abend vorbeischicken. Ich durfte mich auch im Flur an der riesigen Regalwand bedienen. Dort steckte gebündeltes Wissen, das Helene und er als wichtig empfanden.
Geduldig zeigte mir Cal danach alle Räume. Er erklärte mir die Lichtreflektoren, die ich schon von Benny kannte, wenn wir mit dem Deaf Studio drehten und stellte mir einige Mitarbeiter vor. Die meisten waren jedoch außer Haus.
Meine eigene Kamera inspizierte Cal genau und schien zufrieden, aber er bot mir an, dass ich auch andere Modelle und Objektive ausprobieren könnte. Es gab sogar eine Dunkelkammer, in denen sie noch Filme entwickelten.
Berauscht von all den neuen Eindrücken, überschätzte ich mich auf dem Rückweg zu Harry. Der Rucksack war schwer und ich wollte meine Kamera unbedingt direkt mitnehmen als darauf zu warten, bis Cal vorbeikam.
Ich war unbelehrbar. Denn letzten Endes musste ich bei gefühlt jeder Bank eine Pause machen und war fix und fertig, als ich die Tube erreichte. Der schwere Rucksack zerrte an meinen Schultern und bei den Treppen wurde mir schwindelig.
Gott sei Dank war Harry nicht zu Hause uns sah mich in diesem Zustand. Ich fühlte mich, als hätte ich einen 18-Stundentag hinter mir, dabei war es nur ein kleiner Ausflug. Mein Keuchen schien gefühlt von den Wänden zu hallten und ich quälte mich die Treppen hoch ins Bad.
Als ich meine Cochlea-Implantate abmachte, da umhüllte mich eine schöne Stille, trotzdem pochte mein Kopf. Mir ging es jedoch prompt besser. Ich zwang mich zu einer Pause, duschte schließlich und schlüpfte in bequeme Klamotten.
Der Schwindel verschwand und die Erschöpfung wurde gedämmt. Regungslos lag ich eine Weile auf dem Bett und starrte an die Decke.
Kleine Schritte – das war weiterhin mein Mantra und langsam begann es mich zu nerven. Ich zwang mich also, die beiden Prozessoren wieder einzuschalten und durchzuhalten.
Im Wohnzimmer kam mir eine Idee. Harry hatte diese riesige Anlage, mit der sollte es doch möglich sein Radio zu hören. Ich war kein technisches Genie und dieses Monster überstieg bei weitem meine Fähigkeiten. Doch mit einer Youtube-Anleitung gelang es mir, dass ich nach fast einer Stunde BBC Radio Live 5 drin hatte.
Werbung, Staunachrichten, Gequatsche prasselten auf mich ein und ich beschloss gar nicht erst aktiv zuzuhören, sondern das Ganze einfach laufen zu lassen. Mit der Kamera setzte ich mich auf den Boden und begann Einstellungen zu üben. Hier und da ließ ich die Linse schweifen und während die Werbemusik spielte, da blieb mein Blick an der riesigen Regalseite hängen, die Harry für mich freigemacht hatte.
Meine Bücher hatten alle einen guten Platz gefunden, sie sahen aus, als hätten sie schon immer dort gestanden. Zu Beginn hatte ich nicht gewusst, wie zur Hölle ich sie sortieren sollte. Nach Autor, nach Genre, nach Farbe? Nach Farbe sah zwar gut aus, aber ich hatte Trilogien nebeneinander. Also suchte ich alle Autoren zusammen und sortierte und sortierte. Mittlerweile liebte ich das System.
Leicht neigte ich den Kopf und dann kam mir eine ziemlich verrückte Idee.
Harry kam ein paar Stunden später nach Hause. Er hatte eine Pizza dabei und wirkte gut gelaunt. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn die Abende, wenn er Gebärdenkurs hatte und mit den Jungs danach was Essen ging, entspannten ihn tierisch.
Angestrengt sah ich auf seine Lippen, der Klang seiner Stimme war noch immer blechern und ich verstand nur schwer den Zusammenhang: „Komm her, meine Großbaustelle!"
Er hatte die Pizza auf den Couchtisch abgestellt und nahm mich fest in die Arme. Ich musste prustend lachen: „Ich bin keine Baustelle."
„Das glaubst auch nur du", behauptete er und ich ließ zu, dass er mein Gesicht in beide Hände nahm und meine Backen zusammendrückte, sodass ich aussah, wie ein Kugelfisch. Wie ein Röntgengerät musterte er mich: „Was sind das für Schatten großer Taten unter deinen Augen?"
Verstanden hatte ich lediglich ‚atten und Augen. Was für ein Scheiß. Statt auf seine Frage einzugehen, sprach ich: „Du musst mir vorlesen."
Harry blinzelte und schien nicht ganz zu verstehen: „Wie bitte?"
„Hören geht mir viel zu langsam. Übe es mit mir und lies mir vor", fasste ich zusammen. Er runzelte leicht die Stirn und gestand mir: „Ich bin nicht gerade ein guter Vorleser, Arlo kritisiert mich jedes Mal."
„Ist mir egal", behauptete ich. „Können wir es ausprobieren?"
„Klar!"
Während Harry den Pizzakarton öffnete, eine gute Flasche Wein holte, ging ich an meinem Bücherregal auf und ab. Schließlich blieb ich vor einer Reihe stehen und zog Band eins hervor. Sofort fühlte sich das abgenutzte Buch in meinen Händen an, wie ein alter Freund, dem ich lange nicht mehr begegnet war.
Ich roch prompt die schwüle Luft des Sommers und erinnerte mich an all die Tage, die ich mich versteckt hatte, nur um zu lesen und zu vergessen, dass meine Freundinnen mich von sich stießen und ausgrenzten. Dieses enorme Gefühl der Enttäuschung wurde betäubt von etwas anderem.
Als ich mich umdrehte und Harry das Buch erblickte, da lachte er: „Oh Gott, wirklich?"
„Wenn es klappt, können wir eine Menge Hörtraining machen", meinte ich und er schnaubte: „Ja genau, so viel, dass es bis ins übernächste Jahr reicht." In seinem Gesicht erkannte ich, dass er nicht begeistert war und wahrscheinlich, wie so oft, nur die Filme gesehen hatte. Doch Harry war offen für den Versuch.
Ich streckte mich auf der Couch aus und lehnte den Kopf auf sein Bein. Möglichst entspannt versuchte ich mich nur auf seine Stimme zu konzentrieren. Seine Finger glitten sanft durch mein Haar, ich hörte, dass er sich räusperte.
Und dann begann er mit einem Satz, der sofort verriet, in welches Abenteuer bestehend aus Buchstaben, wir uns schmeißen würden.
„Mr und Mrs Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar."
Harrys Stimmlage war monoton und sein Klang noch immer merkwürdig fremd. Aber vielleicht würde es helfen, wenn der Inhalt seiner Stimme etwas war, was mir unglaublich vertraut war. Denn Harry Potter war ein Freund auf den ich schon als Jugendliche gebaut hatte.
Satz für Satz las Harry vor und obwohl ich nach den ersten drei Seiten glaubte, er würde aufhören, tat er es nicht. Ab und an holte er angestrengt Luft. Wie erwartet, verstand ich nicht alles. Ich versuchte dem jedoch auch nicht mehr angestrengt zu folgen.
Stattdessen genoss ich Harrys zärtlichen Finger und begriff, warum Arlo ihn kritisierte. Man wurde ziemlich schnell müde, denn Harry fehlte die typische Vorleseleidenschaft. Es baute sich keine Spannung und auch keine Emotion auf, er las einfach trocken herunter vor.
Als McGonagall und Dumbledore schließlich auftauchten und diskutierten, da machte Harry zum ersten Mal eine Pause. Er griff nach dem Weinglas und trank einen großzügigen Schluck. Ich erlöste ihn, doch trotzdem fragte ich: „Kannst du mir morgen wieder vorlesen?"
„Wenn du willst, ja", er markierte die Stelle im Buch und besiegelte damit ein neues Ritual. Einmal am Tag nahmen wir uns die Zeit und fanden uns zum Vorlesen ein. Mal war das morgens im Bett, wenn ich mich an ihn kuschelte, oder am Esstisch, während ich noch mein Futter herunterschlang.
Harry las unterschiedlich viele Seiten vor, es kam immer drauf an, wieviel Zeit wir hatten. Hin und wieder war ich so kaputt, dass wir es nur für zehn Minuten schafften und manchmal lauschte ich einer vollen Stunde deiner Stimme.
Das Hörtraining bei meiner Logopädin war anders. Mrs Little war eine zierliche junge Frau mit wilden Naturlocken, die mich immer wieder optimistisch motivierte. Immer, wenn ich in ihrem Büro platznahm, dann strahlte sie mich an.
„Schön Sie zu sehen, Miss Weston!", begrüßte sie mich und sah über die Ergebnisse vom Hörtest. Jedes Mal bevor ich zu der Sitzung mit ihr ging, musste ich eine Etage tiefer einen Hörtest machen. Quasi das Knöpfchen drücken, wenn ich die leisen Töne das erste Mal hörte, Wörter wie Haus, Maus und Zahlen wie 28, 99, 32 nachsprechen.
Danach musste ich zur Nachanpassung zu Mr Hernandez und schließlich noch einmal zu einer Ärztin vor Ort, die sich die Narben am Kopf und hinter dem Ohr ansah. Ich hatte also immer schon eine ziemlich lange Runde hinter mir. Ein paar Wochen würde das so weitergehen, danach kreuzte ich nur noch alle zwei Wochen auf, dann alle drei Wochen. Der Abstand sollte größer und größer werden.
Nur das Hörtraining blieb bei einem Termin pro Woche.
„Wie kommen Sie klar?", wollte Mrs Little wissen und ich erzählte von all den Eindrücken. Bei meiner ersten Sitzung spielte sie mir verschiedene Geräusche vor und ich musste erraten, was es ist. Leider konnte ich damals eine Klospülung nicht von einem Wasserhahn unterscheiden.
Dann las sie Filmtitel vor, ich hatte keine Sicht auf ihr Mundbild, und riet mich durch Hollywood. Obwohl ich Mrs Little mochte, so war es bei ihr super anstrengend und ich war immer froh, wenn der Termin herum war.
Heute hörte ich über Lautsprecher eine Stimme, die mir je zwei Buchstaben vorlas. Das konnte oe, ie, eu, au, ae, ui sein, quasi Vokale in sämtlichen Kombinationen. Nie hätte ich gedacht, dass ich mal nicht unterscheiden konnte, ob es ae oder ai war. Hochkonzentriert starrte ich also die Boxen an und gab mein Bestes.
Danach las sie mir eine Kurzgeschichte vor und ich musste Wort für Wort wiederholen, was ich verstanden hatte, alles natürlich ohne Mundbild. Jedes Wort zählte, genauso das Tempo, in dem sie vorlas. Aktuell war es sehr langsam. Anders, als bei Harry, ging es hier ja nicht um den Zusammenhang, sondern um Details.
Wie viele Schafe, in der Story vorkamen, sprach die Mutter oder jemand namens Luther? Es war tatsächlich Luther, obwohl Mutter nahe lag. Mir wurde klar, dass die Kurzgeschichten mich mit voller Absicht herausforderten. Wir Schwerhörigen waren die Meister des Satzpuzzelns.
Fix und fertig legte ich nach der Stunde kurz den Kopf auf dem Schreibtisch ab und hörte Mrs Little lachen. Sie gab mir eine kleine Hausaufgabe mit, nämlich sollte ich vermehrt auf meine Umgebungsgeräusche achten und im unbekannten Umfeld mal die Augen schließen und raten, was genau ich heraushörte.
Ich verriet nicht, dass ich genau dies schon versucht hatte. Am Anfang klang alles wie ein Brei, da war nur Chaos und Lärm. Nur wenn ich länger und sehr konzentriert hinhörte, dann schienen sich Bruchstücke zu lösen. Ich glaubte die schnatternden zwei Frauen zu erkennen, auch wenn ich den Inhalt nicht verstand. Dann waren da ein schreiendes Kind und vielleicht mehrere Autos.
Alles in einem prasselte verdammt viel auf mich ein.
Wenn ich mich also mit Noah zum Bierchen im Speck-Eck traf, hatte mein Kopf Pause. Ich blendete den Geräuschepegel aus und konzentrierte mich nur noch auf die Gebärden meines besten Freundes. Mittags war ich im Park gewesen und hatte mit der Kamera gespielt. Ich hatte versucht mit Schärfen zu spielen, Kleinigkeiten einzufangen und Theorie in die Praxis umzusetzen.
So ganz klappte das nicht.
»Wie klappt es beim Deaf Studio mit Dickkopf und The Ring?«, fragte ich. Noah grinste: »Heulsuse ist zufrieden, sie harmonieren gut.« Was anderes hatte ich von Mozzie auch nicht erwartet. Sunny und Fizzy waren schließlich klasse.
»Darf man nach deinem Bruder fragen?«, horte ich und er winkte ab. Also besser nicht. Irgendwann würde sich Noah mit Alec auseinandersetzen müssen. Er erzählte mir stattdessen, dass sein Chef, Mr Giliberti, ihm einen jungen Mann vorstellte.
Dieser sah wie ein Skater aus den 90er, aber Ezra war vor allem jemand, der gestalten konnte. Ezra überragte meinen besten Freund um zwei Köpfe, hatte aber bei einem Gespräch in einem Pub, absolute Geduld.
Er war top vorbereitet und hatte einen Block mit ganz vielen Fragen dabei. Schriftlich unterhielten sie sich und nach und nach wurde Noah klar, dass seine Idee, ein eigenes Videospiel zu programmieren, mit jemanden, der es gestalterisch anpacken konnte, vielleicht nicht mehr nur eine fixe Idee blieb.
Ezra war wahnsinnig interessiert und zeigte meinem Kumpel, was er bereits so designt hatte. Da er nur Noahs groben Umriss kannte, wollte er sehr viel mehr vom Spiel wissen. Zuerst zögerte mein bester Freund, aber Ezra schrieb nieder, dass er dessen Ideen nicht zweckentfremden würde, außerdem sei er selbst sowieso zu dämlich um so etwas zu programmieren.
Sie sprachen lange über Noahs Spiel und am Ende wurde er von Ezra gefragt, ob er Interesse hätte das Spiel in einer Probeform zu verwirklichen.
»Das klingt so aufregend!«, fand ich.
»Das klingt nach unfassbar viel Arbeit«, fand dagegen Noah. Ezra und er wollten es versuchen und ein Prototyp auf die Beine stellen. »Ob das was wird, werden wir sehen. Vielleicht bleibt es nur heiße Luft.«
Ich war zuversichtlich, und selbst wenn, dann war es ein riesiger Schritt für Noah. Früher hätte sich mein bester Freund nicht getraut sich einfach so alleine mit einem Hörenden zu treffen. Er hätte jemanden mitgenommen, der für ihn übersetzte und dolmetschte. Vielleicht war dies Nialls Einfluss, es gefiel mir sehr.
»Ist heute nicht dieser Gebärdenkurs?«, wechselte Noah das Thema und ich nickte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass der Kurs gerade vorbei war. Die Jungs gingen jetzt wahrscheinlich etwas essen, so wie sie sich immer mit Fett und Bier belohnten.
»Sie versacken bestimmt wieder im Imbiss«, meinte ich und wir beschlossen kurz darauf das Speck-Eck zu verlassen und One Direction zu überraschen. Es war nicht weit und als wir zwanzig Minuten später den abgeranzten Ort betraten, roch es bereits nach Essen und starken Kaffee.
Hier trafen sich Cops, Schichtarbeiter und Leute, auf die zuhause niemand wartete. Ein Fernseher lief und es wurde viel gequatscht. Der Imbiss wirkte trotz seiner Abnutzung gemütlich und in der hintersten Ecke, auf roten Sitzbänken, erkannten wir die Jungs.
Verblüfft stellten wir fest, dass sie die Unterrichteinheit noch einmal durchgingen. Sie übten Wegbeschreibungen zum Arzt, Einkaufen, zur Kirche, zur Tube. Harry bemerkte mich als erstes und grinste. Vor ihnen standen Gläser mit Bier und Fish and Chips.
»Euer Cholesterin geht bald durch die Decke«, behauptete Noah und prompt sahen ihn vier Leute ernst und aufmerksam an. Ich lachte und sprach: „Euer Cholesterin geht durch die Decke, esst ihr hier jedes Mal?"
Sofort schüttelten drei Leute heftig den Kopf, während Liam knapp gebärdete: »Ja.«
Wir zogen zwei Stühle heran und es begann eine Diskussion darüber, dass es verschiedene Gebärden für ein und dasselbe Wort gab. In jeder Himmelsrichtung in England wurde der Samstag anders gebärdet und Noah sollte jetzt erklären warum.
»Keine Ahnung«, antwortete er und zuckte mit den Schultern. »Was sagt euer Lehrer?«
»Keiner hat ihn verstanden«, gab Niall zu und durfte sich dann anhören, dass er als Streber ja wohl hätte aufpassen müssen was Rudy erklärte. Leider hatte Niall mit offenen Augen geträumt und war gedanklich eher offline gewesen.
»Aufpassen!«, verlangte Louis von ihm, während Harry missmutig zustimmte: »Der Kurs kostet Geld!«
Niall schnaubte und wehrte sich: »Ich habe im Moment so viel zu tun, dass ich für fünf Minuten darauf vertraut habe, dass ihr voll an Board seid.«
Das waren sie leider nicht. Louis hinkte mit den Vokabeln hinterher, Harry hatte sich von anderen Kursteilnehmern ablenken lassen und Liam war gedanklich noch bei den Wegbeschreibungen gewesen.
Entspannt und sichtlich amüsiert beobachtete ich, wie sie sich gegenseitig die Schuld gaben, dann fiel mir etwas ein und ich sprach und gebärdete gleichzeitig, damit Noah mich auch verstand: „Kann ich ein Foto von euch vieren machen?"
Sofort hielten sie inne und ich fuhr fort: „Es ist für den Flur. Harry und ich haben Bilder ausgetauscht und dabei ist mir aufgefallen, dass wir kein aktuelles von euch zusammen haben."
„Klar", fand Niall gelassen und Noah schob schmunzelnd seinen Stuhl beiseite. Ich packte die Kamera aus und Liam sortierte den Tisch. Als ich mit dem Fotoapparat ein paar Schritte zurückging und durch die Linse blickte, da hielt ich inne.
Es war das erste Mal, dass ich die vier Jungs als das sah, was sie immer schon waren. Doch vorher war es mir nie so besonders aufgefallen. Sie waren nicht nur schlicht eine Band, sondern darüber hinaus Freunde.
Freunde, die sich seit mehr als zehn Jahren gegenseitig antrieben, auch wenn sie gefühlt kurz einander die Spur verloren hatten.
Ich drückte den Auslöser und schoss das erste Foto von ihnen. Es sollten unzählige folgen.
- - -
Einen wunderschönen ersten Advent wünsche ich euch!
:) Lesestoff wartet die nächsten 4 Wochen auf euch, ich denke wir schaffen es sogar mit regelmäßigen Sonntags-Updates ins neue Jahr <3 Habe ein wenig vorgeschrieben und es geht hoffentlich ordentlich voran, denn wir haben mehr oder weniger schon die Halbzeit erreicht.
Fühlt euch ganz fest gedrückt. Bedient euch am heißen Kakao und Plätzchen <3
Gibt es Schnee bei euch?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top