13 Löwenmut.

┊  ┊  ┊          ★ LOUIS

┊  ┊  ☆

┊  ★




Mich verließ beinahe der Mut.

Aber in einem hatte Harry recht. Wenn ich es jetzt nicht tat, dann tat ich es nie und würde es für immer bereuen. 

Ich war ihm tapsig in die Falle gegangen, doch als ich mich Stufe für Stufe im fremden Treppenhaus hochkämpfte und am Ende des zweiten Stocks eine vertraute Gestalt sah, da konnte ich nicht mehr zurück.

Sophia hatte Eleanors und meine Hunde dabei. Die Hunde begrüßten mich winselnd. Liams Exfreundin hatte eine grüne Maske im Gesicht und ich sah deutlich, dass sie sich nur schnell etwas übergeworfen hatte. Mein Auftauchen störte den Mädelsabend. Sophia nahm die Hunde an die Leine und trotz Maske musterte sie mich streng. 

Schließlich raunte sie: „Vermassele es nicht, Louis."

„Ich weiß nicht mal, ob ich das nicht schon getan habe", antwortete ich. Leicht neigte Sophia den Kopf, ihre Augen funkelten: „Das ist deine Spezialität, schätze ich. Keine Ahnung, warum Eleanor immer so viel Geduld mit dir hatte."

Das wusste ich selbst nicht.

Sie machte eine Geste und ich betrat ihre Wohnung. Lautlos schloss Sophia hinter mir die Wohnungstür und verschwand aus meinem Blickfeld, dann schloss sie mich ein. Ich hörte den Schlüssel im Schloss.

Regungslos blieb ich im Flur stehen und betrachtete die kleine Wohnung. Ich zog mir die Jacke aus und hing sie neben Eleanors schwarzen Mantel. Pizza stand auf dem Küchentisch und ich hörte, dass im Wohnzimmer irgendetwas in der Glotze lief. Im Bad rauschte das Wasser und ich griff im Wohnzimmer zur Fernbedienung, um den Klatsch- und Tratsch-Sender auf lautlos zu stellen.

Im selben Moment ging die Tür zum Bad auf und ich hörte Eleanor rufen: „Zeit die Pizza zu vernichten. Hast du den Wein schon auf, Soph-!"

Sie verstummte, als sie mich im Wohnzimmer erblickte.

Meine Augen huschten über jeden Zentimeter Vertrautheit. Eleanors langes braunes Haar war nass und gekämmt. Es klebte an ihrem Kopf. Sie trug ihren Lieblingsjogginanzug in kitschigem Rosa und wirkte vollkommen überfahren. Die braunen Augen weiteten sich. Hastig schritt sich durch den Flur bis zur Küche und sah sich um. So als wollte sie sich vergewissern, dass Sophia da war.

„Sie hat uns eingeschlossen", sprach ich und Eleanor sprintete zur Tür und ruckelte am Knauf. Ich sah, dass sie versuchte die Ruhe zu bewahren und sich zwang tief durchzuatmen.

„Was willst du hier!", sprach sie beherrscht und ich merkte, dass meine Finger taub wurden. Stattdessen zog ich mir die alberne Kappe von Harry vom Kopf und versuchte einen Anfang zu finden. 

Im Kopf war ich gefühlt jede Nacht einen Ablauf dieser Begegnung durchgegangen, aber jetzt war mein Schädel wie leergefegt.

„Es tut mir leid." Das waren die ersten Worte, die wie Blei auf meiner Brust lagen und scheinbar waren es genau die falschen Worte.

Wütend fuhr Eleanor herum und brüllte mich an: „ES TUT DIR LEID?" 

Jegliche Beherrschung war von ihr gewichen. „Was zur Hölle tut dir leid? Das du mich rausgeschmissen hast, weil ich vor Jahren einen Fehler gemacht habe?" Ihre braunen Augen funkelten mich herablassend an: „Oder weil du mir schon wieder verdammt noch mal weh getan hast?"

Der Kloß in meinem Hals explodierte beinahe.

Eleanor ballte die Hände zu Fäusten. „Ich kann das nicht mehr, Louis!"

„Was meinst du?", Panik erfasste mich und sie reckte trotzig das Kinn: „Dieses Ungleichgewicht zwischen uns. Ich verzeihe dir alles, du tust mir weh und ich schaffe es irgendwie drüber hinwegzukommen und... wenn ich etwas tue, was dich verletzten, dann ziehst du sämtliche Konsequenzen."

Da hatte sie recht.

„Du hast mich aus meinem verdammten Zuhause geworfen!", warf sie mir vor. „Du hast mir nicht mal die Möglichkeit gegeben dir alles zu erklären nachdem du dich abgekühlt hattest!"

„Ich weiß", sprach ich beschämt. 

Die Wut und das Gefühl des Verrats hatten mich aufgefressen. 

Eleanor nahm den Blick von mir und sah stattdessen an die Decke, dann rieb sie sich über das Gesicht: „Hast du wirklich auch nur eine Minute geglaubt, ich hätte mit Harry geschlafen, weil es irgendetwas bedeutete?"

Darauf konnte ich nicht antworten, sondern schwieg. Aber Schweigen machte sie noch unendlich wütender, weshalb sie aggressiv auf mich zu schritt und mir einen heftigen Stoß versetzte, der mich zwei Schritte zurückgehen ließ.

„Antworte und schweig dich nicht immer aus, wenn du nicht weiterweißt!", fauchte sie. Überrumpelt wich ich ihrem Blick aus und gestand: „Ich habe überhaupt nichts geglaubt, weil ich es kaum ertragen konnte daran zu denken. Es hat mich von innen heraus zerrissen!"

Eleanor presste die Lippen aufeinander. Und dann, ganz langsam breitete sich ein bitteres, fast schon gequältes Lächeln auf ihren Lippen aus: „Dann weißt du jetzt, wie ich mich fühlte, als ich erfuhr, dass du Briana geschwängert hast."

Der Tritt traf mich dermaßen unvorbereitet, dass mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. „El..."

„Ich hasse Freddie nicht", stellte sie sofort klar. „Er kann am allerwenigsten etwas dafür, was geschehen ist." Ihre Miene wurde zaghaft weicher. „Und das würde ich ihn auch niemals spüren lassen, denn er ist ein Kind."

„Ich kann das nicht bereuen", sprach ich leise. Das würde ich niemals tun. Denn mein Sohn war das Beste, was mir passieren konnte. Ich liebte Freddie so sehr, wie ich es bei keinem anderen Menschen zuvor getan hatte.

Eleanor ließ die Hände sinken: „Ich weiß, und das will ich auch nicht. Trotzdem hat es mir sehr wehgetan und das, obwohl wir damals nicht mehr zusammen waren. Ich hatte kein Recht dir deshalb auch nur irgendeinen Vorwurf zu machen."

Ich blickte sie an, erkannte jedes bisschen Emotion, das auch ich fühlte. Mein Hals war trocken und zog sich schmerzhaft zusammen. „Hast du deshalb damals mit Harry geschlafen?"

Sie sah mir ins Gesicht, so, als würde sie sich zwangen sämtliche Details in sich aufzusaugen. Manchmal machte sie das. In Momenten, in denen wir besonders glücklich waren, morgens, wenn wir nebeneinander aufwachten oder in ganz vielen Augenblicken, die mir erst im Nachhinein bewusst wurden.

„Vielleicht", gab Eleanor zu. „Damals war ich betrunken, fühlte mich einsam und brauchte Nähe. Harry ging es nicht anders. Ich dachte sowieso nicht, dass wir uns je wiedersehen würden." Frustriert zuckte sie mit den Schultern. „Ich glaube, es hätte genauso gut Niall, Liam oder Zayn sein können. Es war mir damals egal."

Sie war so ehrlich, wie nur Eleanor es sein konnte. Es war eine ihrer vielen Eigenschaften, die ich immer sehr liebte. 

Ruhig sprach sie weiter: „Harry und ich wollten da niemals drüber sprechen. Es sollte einfach nicht rauskommen."

„Hat euer Gewissen euch nicht angebrüllt?", ich schmeckte einen bitteren Geschmack auf der Zunge und merkte, wie Eleanors Haltung erschlaffte: „Manchmal. Aber immer, wenn ich mir vorstellte es dir zu sagen, dann lief das genau auf dieses ganze Fiasko hinaus. Denn sind wir ehrlich, Louis. Hätte ich es dir gesagt, dann hättest du keinen Deut anders reagiert."

Sie hatte recht. Das war das Tragische. Ihre Ehrlichkeit hätte nichts an meiner Wut geändert.

Ich holte tief Luft, fühlte mich erschöpft, ausgelaugt und überfordert. „Es tut mir leid", wiederholte ich mich.

„Das sagtest du bereits", hielt sie mir vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Eleanor kam mir nicht entgegen. 

Nicht wie sonst, wenn wir Streit hatten. 

Wir fanden uns eigentlich immer in der Mitte, aber heute bewegte sie sich kein Stück auf mich zu und ich verstand, was das bedeutete.

Mit den Fingern drehte ich die Kappe in den Händen und langsam sprach ich: „Ich wollte dich nie verletzten, El."

„Trotzdem schaffst du es immer wieder!"

„Ja", ich sah sie an. Das war alles, was ich tun konnte. Sie hielt meinem Blick stand, fest entschlossen durchzuhalten. Dieses Mal war ich derjenige, der abbrechen musste. Vielleicht, weil ich wusste, dass ich umsonst hierhergekommen war. Wir waren bereits so lange zusammen, dass ich mich nicht erinnern wollte, wie es war ohne Eleanor zu sein.

„Wenn du nicht hören möchtest, was ich dir zu sagen habe, dann sag mir das jetzt", begann ich langsam. „Ich werde das akzeptieren und einen Weg finden die Tür hinter dir zu öffnen und gehen."

Sie hob beide Augenbrauen und ich fuhr fort: „Aber wenn du mir die Möglichkeit gibst, dann... gib mir ein paar Minuten deiner Zeit."

Eleanor schnaubte und sah an mir vorbei, so als könnte sie sich nicht entscheiden ob sie nachgab, oder zu ihrem eigenen Schutz hart blieb. Deshalb stieß ich erleichtert die Luft aus, als sie kühl meinte: „Nur raus damit. Ich bin ganz Ohr."

Diese harte Art von Sarkasmus war nicht typisch für sie, aber ich hatte das wahrscheinlich mehr als verdient. Unbewegt sah ich sie an und sprach ehrlich: „Ich brauche dich, El."

„Nein!", wehrte sie prompt an. „Nicht wirklich."

„Doch", widersprach ich ihr. „Seit du weg bist, fühlt es sich an, als wäre ich nur zur Hälfte da." Denn sie war meine andere Hälfte. Sie wusste was ich dachte, wenn ich sie schlicht nur ansah. Gleichzeitig konnte ich jede einzelne Regung in ihrem Gesicht lesen.

„Ich weiß, dass du dich genauso fühlst", sprach ich und machte einen Schritt auf sie zu. Automatisch ging sie einen zurück, so als würde sie den Abstand brauchen. 

Ich hielt inne. „Gib mir die Chance an dem Gleichgewicht zu arbeiten. Dass wir wieder ausgeglichen sind und... ich dich nicht mehr verletzte."

„Und wie soll das deiner Meinung nach aussehen?", fragte sie direkt.

„Das weiß ich nicht, aber ich werde es herausfinden", ich würde sie nicht anlügen und irgendwelche großen Versprechungen machen, die ich nicht halten konnte. „Bitte komm zurück nach Hause."

Eleanor lehnte sich gegen die Wohnungstür, sie wirkte genauso müde und verloren, wie ich mich fühlte. Erneut ging ich auf sie zu und dieses Mal hatte sie keine weitere Möglichkeit zurückzuweichen. 

Ich ließ die alberne Kappe auf den Boden fallen und hob zaghaft die Hand. Sanft berührte ich mit den Fingern ihre Wange: „Als ich sagte, dass ich dich brauche, da meinte ich das ernst, El. Ich habe das Gefühl, ich kann nicht mehr atmen, so sehr brauche ich dich."

„Dafür hast du verdammt lange hier her gebraucht", hielt sie mir vor. Ich zwang die Lippen zu einem schwachen Grinsen: „Ich bin eben ein Feigling. Das weißt du doch."

Da sie nicht auf meine Liebkosung reagierte, ließ ich die Hand sinken. Meine Hoffnung, sie war so winzig klein bis nicht mehr Existenz, verpuffte nun völlig. 

„Sag mir, was ich tun soll. Ich tue alles, nur damit...", die Worte blieben mir im Hals stecken. Der Gedanke, dass ich Eleanor verloren hatte und sich unsere Wege trennten, war mit Gewissheit noch viel schlimmer als angenommen.

Ohne, dass ich es vorhersehen konnte, beugte Eleanor sich vor. Ihre Stirn lehnte auf meiner Schulter und sie sprach: „Fürs' Erste, nimm mich in den Arm."

Von meiner Brust purzelte eine Tonne an Gewicht herunter, wie ein Ertrunkener schnappte ich nach Luft und dann kam ich dem nach. Ich schloss sie in die Arme und auch wenn sie meine Umarmung nicht erwiderte, so raste mein Herz, dass ich sie so nah bei mir hatte. Sie roch vertraut und tröstlich.

Die gesamte Nacht über spürte ich ihren Körper an meinen. Als ich neben ihr im Gästezimmer im Bett lag, ihr Gesicht sich in meinen Pullover grub und noch immer nur ich die Arme um sie geschlungen hatte.

Ich schlief die komplette Nacht nicht. Stattdessen lauschte ich ihrem Atem und hielt sie fest. Eleanors kalten Füße rieben an meinen und mitten in der Nacht sprach sie: „Du rauchst nicht mehr."

„Hab' aufgehört. Für Fizzy", antwortete ich. „Bald habe ich allerdings eine Nikotin-Pflaster-Vergiftung."

„Idiot", murmelte sie, doch ich spürte ihr Grinsen. „Weißt du mittlerweile, was mit Fizzy passiert ist?"

„Vermutlich", gab ich zu. „Aber sie will nicht drüber reden und ist vor ein paar Tagen ausgezogen."

„Was?", nun versuchte sich Eleanor von mir zu lösen, doch ich behielt sie in meinen Fängen. Ruhig erzählte ich ihr, dass meine Schwester Isabells leeres WG-Zimmer übernommen hatte. Sie machte ihr eigenes Ding, ging ihren Weg und verarbeitete das, was passiert war, wie sie es brauchte.

Sollte sie das Bedürfnis haben mit mir drüber zu sprechen, dann würde Fizzy das tun. Ich vertraute darauf. Denn das war es, was meine Schwester verdiente.

Und weil ich gerade dabei war, erzählte ich einfach weiter. 

Nämlich vom Gebärdenkurs, den wir alle für Niall machten, wie schwer wir uns taten, es aber langsam wurde und das wir Harry geholfen hatten seine Bude für Isabell zu entrümpeln. So gestand ich, wie ich Harry verzeihen konnte und das die Tatsache, dass ich meinen besten Freund beinahe durch einen Unfall verloren hatte, mich umdenken ließ.

„Es wäre schlimm gewesen, wenn das Letzte, was ich zu Harry gesagt hätte, gewesen wäre wie meine Faust in sein Gesicht flog."

„Oh Louis..."

„Das alles war mir in dem Moment egal, als ich Harry bewusstlos und verletzt bei sich zu Hause fand", es war ein schlimmer Augenblick gewesen und erst Liam rüttelte mich wach. „Danach mussten wir es einiges klären... und ich war natürlich auch zu feige um hier früher aufzuschlagen."

Darauf antwortete sie nicht. Musste sie auch gar nicht.

Erst in den frühen Morgenstunden löste sich Eleanor von mir und als ich hörte, dass Sophia zurückkehrte und uns aufschloss, da war meine Zeit abgelaufen. Liams Exfreundin stellte keine Fragen, sondern nickte mir nur knapp zu. 

Eleanor war im Bad und ich schritt in den Flur, zog mir meine Schuhe wieder an, setzte mir die blöde Kappe auf und zog den Schlüssel für Zuhause aus der Jackentasche.

Diesen legte ich auf die Kommode und ging.

Ich hatte keine Ahnung was wurde, aber es stand Eleanor frei sich zu entscheiden und wenn sie nicht mehr zu mir zurückkommen wollte, dann musste ich das akzeptieren.

Das Loch in meiner Brust riss erneut auf, als ich meine andere Hälfte zurückließ und durch das Treppenhaus verschwand. Mich empfingen ein leeres Haus, Stille und Kälte.

Ganze drei Tage blieb es so.

Als ich an Tag drei vom Gebärdenkurs kam, mit den Jungs noch Fast Food verdrückt hatte, da brannte Licht im Haus.

Und ich hatte es nicht selbst angelassen. 


- - -

Hallo ihr Lieben!

Dieses Kapitel hat mir fast ein Loch ins Herz gebrannt und war soooo anstrengend zu schreiben. Aber ich mag es sehr, auch wenn es gefühlt nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Da dies mein letztes Pufferkapitel ist und ich ab morgen auf dem Weg für 5 Wochen in die Berufsschule bin für die Abschlussprüfungen, wird es schwierig wieder einen Puffer aufzubauen.

Insgesamt habe ich allerdings noch ein halbes Kapitel fertig und ich möchte es heute Nacht zu Ende schreiben. Somit wäre nächsten Sonntag wohl noch ein Update da :)

Jetzt brauche ich aber all euere gedrückten Daumen und das für 5 Wochen ;) tut ihr das für mich?

Eure lieben Kommis beantworte ich natürlich, aber ich frage mich, ob ihr nicht mehr so am Austausch interessiert seid, oder ich etwas getan/bzw. geschrieben habe, was euch demotiviert. Lasst mich das gern wissen :) ich versuche mich dann zu bessern.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top