10 Reimplantation.
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Die Nacht vor der großen OP schlief ich furchtbar schlecht.
Ich hatte penibel meine Tasche für das Krankenhaus gepackt, war wieder und wieder meine Liste durchgegangen und hatte meine Tasche noch zweimal durchgesehen. Ich wusste, sollte ich etwas vergessen haben, würde Harry es mir nachbringen. Für mich war dieses Wissen komisch.
Natürlich konnte ich mich auf meine Freunde verlassen, aber wirklich die Gewissheit zu haben, dass da jemand war, der mich intensiv begleitete und unterstützte, war befremdlich. Allerdings tat ich mich schwer mich dem Gefühl von ich-kann-mich-auf-ihn-verlassen hinzugeben.
Mittlerweile lief Harry nicht mehr ganz so schwerfällig. Zwar waren seine Bewegungen noch vorsichtig und er machte regelmäßig Pausen, doch es ging ihm besser.
Während ich nicht schlafen konnte, schien er zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich zur Ruhe zu kommen. Ich spürte, wie tief er neben mir atmete und drehte mich im Bett leicht in seine Richtung.
Sanft strich ich in der Dunkelheit über sein dichtes Haar. Erst gestern hatte Harry es nachschneiden lassen und ich mochte den Schnitt sehr.
Schweigend blieb ich neben ihm liegen und wartete auf die Morgendämmerung. Erst als es Zeit war, schwang ich die Beine aus dem Bett und machte mich fertig. Harry sollte mich nicht bis ins Krankenhaus begleiten. Ich würde die Untersuchungen alleine hinter mich bringen. Denn was sollte er einen ganzen Tag mit Warten verbringen.
Leider ließ er sich nicht überreden, sondern schulterte am frühen Morgen meine Tasche und betrat mit mir das Krankenhaus. Er hatte sich alle Mühe gegeben äußerlich nicht aufzufallen, ich erkannte ihn mit der Brille und der Mütze selbst kaum.
„Hör mal", sprach ich und hielt ihn nach der Anmeldung an. „Du musst heute nicht bei mir bleiben, es wird unglaublich langweilig. Ich muss zum Blutabnehmen, habe ein, zwei Abschlussgespräche und Aufklärungen mit der Narkose-Ärztin. Die meiste Zeit werde ich auf den Fluren warten."
Er zögerte und ich gab ihm einen Stoß: „Bitte, tue mir den Gefallen. Mein Reader ist voller Bücher, die ich endlich lesen möchte und ich bin sicher, Liam, Louis oder Niall hätten dringendere Beschäftigungen für dich."
Missmutig verzog Harry das Gesicht und ich sah konzentriert auf seine Lippen: „Du willst mich echt dringend loswerden."
„Ja", gab ich zu. „Ich schaffe das hier schon."
„Ich bin heute Abend wieder da", sprach er und ich seufzte: „Morgen reicht. Wirklich. Ich brauche jemand, der mir einen vernünftigen Kotzeimer hinhält und mir aufs Klo hilft."
Harrys Mundwinkel zuckten, doch er zögerte. Ich blickte ihm ernst ins Gesicht: „Das meine ich auch so. Morgen nach der OP ist es mir wichtiger, dass du da bist."
Tief holte er Luft, dann nickte er: „In Ordnung. Aber melde dich heute zwischendurch. Solltest du irgendetwas brauchen, dann schreib mir."
„Du wirst das Batman-Zeichen am Himmel sehen", versicherte ich ihm.
Harry setzte meine Sporttasche ab und schloss mich fest in seine Arme. Ich atmete seinen Geruch ein und einmal mehr konnte ich es kaum abwarten seine Stimme wieder zu hören. Hoffentlich würde sich der Klang durch die Operation nicht zu sehr verändern.
Gleichzeitig wurde meine Erinnerung an den Klang jetzt schon blasser und blasser. Ich vermied es meine CIs zu nutzen. Der Wackelkontakt machte mich aggressiv und frustrierte mich, der dumpfe Ton sorgte für ein schlechtes Gefühl.
Ich wollte Klarheit, Deutlichkeit und Verständnis beim Hören.
„Das wird schon", sprach ich mehr zu mir selbst und küsste Harry sanft. Es war noch immer merkwürdig zwischen uns. Nicht mehr so leicht und vertraut. Sondern eher, als wäre da eine tiefe Schlucht. Ich kannte Harry und gleichzeitig auch nicht. Er war mir gefühlt fremd.
Das Einzige, das sich nie veränderte, war mein Herzklopfen, die Gänsehaut und sanfte Nervosität in seiner Nähe. So lange sich all dies nicht verpuffte, würde ich an dieser zweiten Chance festhalten.
Ich blickte Harry nach, wie er nur widerwillig das Krankenhaus verließ. Er verschwand im grauen Nebel und ich machte mich daran die letzten Vorbereitungen abzulaufen.
Bevor ich aufs Zimmer kam, wurde ich gewogen, meine Allergien geklärt, ich noch einmal zum Gespräch gebeten und man händigte mir Unterlagen aus, die ich unterschreiben musste. Nämlich, dass die Operation Risiken mit sich brachte.
Als mir ein junger angehender Arzt Blut abnahm, da saßen wir uns gefühlt ewig schweigend gegenüber. „Ich weiß, dass meine Venen nicht die Besten sind", gab ich zu, doch der junge Mann blieb geduldig und tastete meine Arme ab. Schließlich setzte er die Spritze und ich war offen verblüfft, dass er nur einmal zustechen musste. Gleichzeitig setzte er mir den Zugang für die morgige Operation.
Erst zum Mittag hin kam ich auf das Doppelzimmer. Die andere Seite war noch leer und ich räumte meine Sachen aus. Der Tag zog sich. Ich las viel, schrieb mit Freunden und wie versprochen Harry.
Abends kam eine Schwester und rasierte einen Teil hinter meinem Ohr und dem Kopf. Lange Haarsträhnen fielen mir in den Schoß und ich bat die Schwester um einen Block samt Stift, denn Morgen würde ich rein gar nichts mehr hören. Immer wieder strichen meine Fingerkippen über die kahlrasierten Stellen an meinem Kopf. Früher, vor 15 Jahren, hatte man den Patienten den kompletten Schädel geschoren, heute sah man von dieser Radikalität ab.
Gott sei Dank.
In der Nacht bekam ich kaum ein Auge zu.
Aufregung hielt mich wach, genauso das unbequeme Bett. Immer wieder setzte ich mich aufrecht hin, ließ die Beine baumeln und sah aus dem Fenster. Die Zeit kroch quälend langsam vor sich hin.
Zum Glück musste ich am Morgen nur bis zehn Uhr warten bis ich endlich in den OP kam. Ich musste ein Beruhigungsmittel nehmen und ein Hemd anziehen, das meinen Rücken frei ließ.
Ein letztes Mal schrieb ich eine Nachricht an meine Mutter und an Harry. Zwei bis drei Stunden würde die OP dauern, dann war ich wieder da. Der Eingriff war Routine, ich hatte keinen Grund besorgt zu sein. Trotzdem war ich es.
Immerhin würde man mir hinter dem Ohr eine Stelle öffnen, die Elektrode aus meiner Cochlea nehmen, eine neue Einsetzen und an meinem Schädel den Magnet entfernen und einen neuen platzieren. Das war kein Pappenstiel und wenn etwas schief ging, konnte das heftige Folgen haben.
Den Geschmacksnerv zu verlieren war da nur ein harmloser Verlust.
Doch das war es mir wert. Ich wollte wieder hören. Unbedingt. Und dies war meine einzige Möglichkeit.
Zwei Schwestern fuhren mein Bett über die Flure und schließlich musste ich das Bett wechseln. Ich kam auf eine Liege und eine OP-Schwester deutete mir mit Zeichen, dass sie meinen Zugang überprüfte.
Die Anästhesistin vom Vortag lächelte mir aufmunternd zu und gebärdete, dass ich gleich eine Maske aufbekam und tief einatmen sollte. Mein Herz raste vor Nervösität. Ich musste von 30 rückwärts zählen und noch bevor ich bei 27 war, verschwand der OP-Raum vor meinen Augen.
...
Ich träumte rein gar nichts.
...
Alles war dunkel.
...
Es war absolut still.
...
Wie wundervoll.
...
Wach zu werden war so grausam, wie ich es erwartet hatte.
Der Aufwachraum war kahl und gruselig. Mehrmals blinzelte ich und begriff sofort, warum ich schon aufwachte. Benommen versuchte ich mich zu bewegen, doch ich war sehr schwerfällig. Angeekelt drehte ich den Kopf, denn ich hatte auf das Kissen gekotzt. Der Geruch ließ mich beinahe noch mal reihern.
Zum Glück bemerkte man schnell, dass ich bereits wach war und brachte mich zurück ins Zimmer. Ich war mehr als erleichtert, als man das bekotzte Kissen austauschte. Eine dieser lächerlichen Nierenschalen kamen auf meinen Beistelltisch und man wechselte meine Infusion.
Erst da fiel mir auf, dass ich nicht nur einen Zugang hatte, sondern noch zwei weitere am anderen Arm.
Was war passiert?
Die Schwester bemerkte meinen panischen Blick und schrieb auf den Block, der bereit lag, dass es keinen Grund zur Sorge gab, die Operation war gut verlaufen. Nur meine Venen hatten etwas herumgezickt. Jetzt dröhnte man mich mit Schmerzmittel zu. Ich schlief auf dem Zimmer wieder ein und war wie ausgeknipst.
Manchmal glaubte ich wach zu sein, aber nie lange genug um dies bewusst wahrzunehmen.
Taubheit im Körper war gut, denn es zögerte die Schmerzen hinaus, die auf mich zukommen würden. Jede Stunde Schlaf, die ich mitnehmen konnte, war also demnach eine gute Stunde.
Aber der gefühllose Schlaf hatte ein Ende und ich merkte, dass es dämmrig im Zimmer war. Ein fester Verband befand sich um meinen Kopf, er pochte leicht und jeder Knochen in meinem Körper war schwer und gefühlt eingerostet.
Angestrengt blinzelte ich und als Erstes fiel mir auf, dass sich noch immer kein zweites Bett im Raum befand. Erst danach registrierte die warme Hand, die meine festhielt.
Mein Herz schwoll an voller Wärme.
Harry war da.
Es war merkwürdig diese Gewissheit zu haben, denn er war genau das die letzten Monate nicht gewesen. Da.
Mein Herz explodierte. Es schnürte mir vor Dankbarkeit die Kehle zu.
Unruhig lag sein Kopf auf der Matratze, er hatte die Augen geschlossen und immer wieder zuckte etwas in seinem Gesicht. Ich wollte die Hand heben und ihm durch das dichte Haar streichen, doch just in dem Moment, in dem ich seine Hand losließ, da schreckte er benommen hoch.
Seine grünen Augen flackerten und als er sah, dass ich wach war, da verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Sanft umfasste er meine Hand fester und drückte einen Kuss auf den Handrücken. Es tat gut ihn nur anzublicken und ich wartete angestrengt darauf, dass er etwas sagte.
Doch Harry schwieg und ich bemerkte schließlich, dass sich ein Strauß mit Dahlien auf meinen Beistelltisch befand. Genauso wie eine Flasche mit frischen Saft und extra gekaufte Bücher. Dabei hatte ich doch den Reader mit.
Mein Hals war trocken und tat weh, wahrscheinlich von der Narkose. Außerdem prickelte meine Haut, ich wollte so schnell wie möglich aus diesem Hemdchen raus. Doch vorher...
„Ich... muss zum... Klo", sprach ich, ohne ein Gefühl dafür zu haben, wie meine Stimme klang. Ich musste die Tonlage getroffen haben, denn Harry nickte und wollte nach der Fernbedienung greifen, um eine Schwester zu holen. Aber ich wehrte ab, benommen erklärte ich: „Ich kann nicht... pinkeln, wenn... mir jemand zusieht."
Er lachte angespannt und half mir gleichzeitig dabei mich vorsichtig aufzurichten. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte ich mich heftig gestoßen und dieser „Gong" hallte unendlich nach. Langsam setzte ich die Füße auf dem kalten Boden ab und atmete tief durch. Dann stand ich auf.
Verfluchte Scheiße.
Mein Gleichgewicht war dermaßen im Keller, dass ich sofort wieder mit dem Hintern auf dem Bett landete. Statt frustriert zu sein, atmete ich mehrmals aus und ein.
Der zweite Anlauf verlief besser, allerdings auch nur, weil Harry mich festhielt. Der Griff um meine Hüfte sorgte für Stabilität und gemeinsam machten wir einen Schritt nach dem nächsten. Da er noch leicht humpelte, kam es mir vor, als wäre der Boden aus Wackelpudding.
Ich ignorierte es, dass das Hemdchen hinten meinen kompletten Hintern entblößte. Harry hatte ihn schließlich schon gesehen und gerade war mir sowieso alles ziemlich egal. Im Bad war das Licht so grell, dass ich kurz die Augen zusammenkniff.
Langsam half Harry mir dabei mich auf die Klobrille zu setzten, sein besorgter Blick kreuzte meinen und ich sprach: „Ich schaffe das schon. Aber... du musst mir beim Anziehen helfen."
Er schien es nicht gut zu finden, dass ich mich so viel bewegte, doch als ich ein gequältes: „Bitte!", hinzufügte, da nickte er und verließ langsam das Bad. Ich bemerkte, dass er die Tür aufließ und war froh, dass ich alleine pinkeln durfte.
Jede meiner Bewegungen war vorsichtig und fast wie in Zeitlupe. Ich war streng darauf bedacht den Kopf nicht eifrig hin und her zu drehen. Schwerfällig zog ich mich mit beiden Händen vom Toilettensitz hoch, um mir die Hände zu waschen. Dann kehrte Harry zurück ins Bad. In den Händen hatte er das große dunkelblaue Nachthemd mit den Streifen und einen frischen Slip.
Es war leicht sich das Hemdchen vom Körper zu ziehen und ich war froh, als ich den Duft des vertrauten Waschmittels einatmete. In weiser Voraussicht hatte ich ein Nachthemd mit kurzen Ärmeln gewählt und mit Knöpfen. So konnte ich es mir über den verbundenen Kopf ziehen.
Harry achtete darauf, dass ich den richtigen Arm durch den richtigen Ärmel streckte und knöpfte mir das Nachthemd vorne so weit zu, wie es sein sollte. Durch die drei Zugänge an den Armen, war es gut, dass Harry mich unterstütze. Ich wäre vermutlich nur hängen geblieben.
Dann ging er ätzend auf die Knie und half mir beim Slip. Ich sah ihm an, dass es nicht gut war, dass er seine Knie beanspruchte, Doch er ignorierte es und als ich frisch angezogen war, fühlte ich mich prompt wohler.
„Ich... muss mir die Zähne putzen", murmelte ich und wollte viel zu schnell aufstehen. Wieder war es Harry, der den Arm um mich schlang. Der Nachgeschmack von Kotze musste unbedingt aus meinem Mund verschwinden. Er reichte mir die Zahnbürste, auf der er die Zahnpasta verteilte und füllte mir einen Becher mit Wasser.
Stoisch putze ich mir die Zähne und erst, als ich mir den Mund ausspülte und in den Spiegel sah, da erschrak ich mich. Der Verband um meinen Kopf sah aus, als hätte ich einen sehr schweren Autounfall gehabt. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich zusätzlich eine Art Strumpf um den Kopf hatte, der unter meinem Kinn zusammengeknotet war. Mein Puls ging schneller.
Beinahe zuckte ich zusammen, als Harry mit dem Zeigefinger sanft über meine Wange strich. Die Geste hatte etwas unglaublich Beruhigendes. Erschöpft schloss ich die Augen und genoss die zärtliche Geste.
So lange, bis er schließlich den Arm um meine Hüfte schlang und mir zurück ins Bett half. Als mein Körper wieder lag und sich entspannte, da merkte ich, wie kaputt ich war. Alles, was ich wollte, war wieder zu schlafen. Ich bemerkte nur am Rande, dass eine Schwester reinkam und die Infusion neu anschloss.
Sie sprach kurz mit Harry, aber ich konnte beidem keine große Aufmerksamkeit schenken. Auch nicht der Tatsache, dass mein Bett nicht flach war, sondern der Kopfteil deutlich erhoben. Mir flatterten schwerfällig die Augen zu und ich spürte warme Finger, die nach meiner Hand griffen.
Harry war da und das gab mir ein sicheres und gute Gefühl. Ich zerrte davon und ahnte nicht, wie wichtig seine Wärme und Nähe noch sein würde.
Denn sieben Stunden später, mitten in der Nacht, schlugen die Schmerzen mit voller Wucht zu.
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Hallo ihr Lieben!
Entschuldigt, dass es letzte Woche einfach nicht geklappt hat. Meine Kraftreserven waren ziemlich aufgebraucht. Krieche aktuell sowieso ein wenig von Wochenende zu Wochenende Dx vielleicht kennt ihr das.
Hier sind wir nun, die Operation ist überstanden, ich hoffe, man konnte den Verlauf nachvollziehen!
Danke für eure mega süßen Kommentare und zahlreichen Votes zum letzten Kapitel, Antworten kommen bald angeflattert ;) ihr seid die pure Motivation <3
Harry hat gestern ordentlich die Brits abgeräumt und davor die Grammys, ich finde es wunderschön, dass er in seiner Dankesrede die Jungs erwähnt hat :) das gibt einem als 1D-Urgeisten irgendwie so ein *hachja*-Moment x) versteht man, was ich meine?
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