Kapitel 58

Live schaute ihn an, nur in Unterwäsche bekleidet und musterte ihn grinsend von oben bis unten. Kader schluckte. ,,Live, was ..." erschrocken schlug er sich die Hände auf die Augen, konnte den Anblick aber nicht mehr aus seinen Gedanken bannen. Er wusste ja nicht einmal wieso er so reagierte. Schließlich hatte Kader mehr als genug Mädchen nackt gesehen, aber er wusste, dass Live, die eigentliche Live ihn dafür hassen würde, was für Gedanken in ihm aufkamen, bei dem Bild, welches sie ihm hier gerade bot. ,,Schade und ich dachte wir fangen da an, wo wir das letzte Mal aufgehört haben." ,,Live, ich glaube das ist keine gute Idee. Egal was dieser Tors zu dir gesagt hat, aber ich weiß, dass du das nicht wollen würdest. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich finde wir sollten reden. Angezogen!" Kader schluckte erneut, nahm aber die Hände nicht von seinen Augen. Schnaubend erhob Live sich und streifte sich ein langes Shirt über. ,,Du kannst den Mist lassen Kader, ich hab schon verstanden. Holly kannst du angaffen, aber wenn ich ..." ,,Wag das nicht Live! Ich hätte Holly am liebsten in winzig kleine Stücke zerrissen! Ich nehme mir nicht, was ich begehre, weil ich weiß, dass du mich danach hassen würdest und ich mich ebenfalls!" Aufgebracht fuhr Kader sich durch die Haare und machte dann einige Schritte auf Live zu. ,,Es bringt nichts, wenn wir uns jetzt wegen Holly streiten Live! Ich hab dir gesagt, dass das was ich mit Holly hatte niemals so wundervoll sein wird, wie das zwischen uns! Ich liebe dich Live! Bitte stoß mich jetzt nicht von dir, weil du irgendwas aufgeschnappt hast. Ich will nicht Holly! Ich will auch nicht Alexa oder sonst ein anderes Mädchen! Alles was ich will bist du!" Live schaute ihn nur stumm an und plötzlich schämte sie sich für das was sie versucht hatte. Sie hatte Kader verführen wollen, weil sie für einen kurzen Moment geglaubt hatte, dass er Holly noch immer begehrte. Sie spürte wie sie rot anlief und den Blick senkte, sagte aber noch immer nichts. ,,Vielleicht wäre es aber doch besser, wenn du mit jemandem in deiner Liga ausgehen würdest."

,,Scheiße verdammt!" Fluchend schlug Kaders Faust gegen die Wand, doch er ignorierte den Schmerz. ,,Hörst du dir eigentlich selbst auch noch zu? Verdammt Live, ich liebe dich! Wie oft soll ich dir das noch sagen? Also hör auf immer und immer wieder in deine Vergangenheit abzutauchen! Hör auf dich als Opfer darzustellen, denn so wirst du nie aus deiner Rolle rauskommen!" Wütend wand er sich dem Mädchen, welches sein Herz immer höher schlagen ließ zu. Kader wusste nicht, wo diese Wut auf Live plötzlich herkam, doch der Junge konnte nicht mehr an sich halten. Erst dieser Psychologe welcher der Meinung war Live besser zu kennen, als er selbst, dann Holly, die der Meinung war sich in die Geschichte einmischen zu müssen und nun auch noch Live, die hier Worte von sich gab, welche Kader nicht hören wollte. Und obwohl er Angst hatte das Mädchen vor sich zu verlieren, brachen doch all diese Worte einfach so aus ihm heraus. Live versteifte sich und sah ihn einfach nur sprachlos an. Doch dann verdunkelte sich ihr Blick und Kader wusste, dass es nun kein Zurück mehr gab. Er hatte reden wollen und doch würde er ihre Beziehung jetzt mit seinen Worten zerstören. Am Ende waren sie doch nicht stark genug gewesen.

,,Ich hab nun einmal seelische und körperliche Narben. Nur das erstere nicht wie die anderen zu sehen sind und ich sie mir nicht selbst zugefügt habe. Sie werden nicht plötzlich verschwinden, nur weil du das so willst! Denn die Narben sind genauso ein Teil von mir, wie es meine Dämonen seit diesen Tagen sind. Ich werde Ihnen nie entkommen, weil Sie überall sind. Das haben Sie uns schließlich in den letzten Tagen besser bewiesen, als ich es für möglich gehalten habe, wo sie doch immerhin noch im Gefängnis sitzen. Das alles ist ein Teil von mir Kader und ich weiß nicht, wo du dir das Recht her nimmst über mich zu urteilen! Du willst, dass ich nicht mehr das Opfer spiele? Wie sieht es mit dir aus? Wer heult denn jedem Tag einer Frau hinterher die nie mehr gewesen ist? Du fühlst dich verlassen und obwohl du Inka bei dir hast trauerst du noch immer deiner Mom hinterher! Aber mach die Augen auf Kader! Sie wird nicht zurückkommen!" Kader schluckte, wusste er doch, dass er sich diesen Hass und die Wut von Live nur selbst eingebrockt hatte. ,,Live ich ..." ,,Nein! Geh! Ich will dich hier nicht sehen! Gott, ich war so dumm. Natürlich warst du nur darauf aus mich zu therapieren! Aber ich bin kein Objekt! Ich bin nicht verrückt Kader! Aber das wollt ihr alle nicht verstehen oder? Wahrscheinlich machst du schon die ganze Zeit geheime Sache mit Holly und hast mir nur den lieben Freund vorgespielt! Was wolltest du damit erreichen? Mich erneut in die Psychiatrie bringen? Sehen wie ich leide und daran zerbreche? Nicht mit mir! Das war's Kader, was auch immer das zwischen uns war, es endet hier und jetzt!" Wütend stierte Live ihm entgegen und auch wenn sie noch immer nur mit dem großen Shirt bekleidet war wusste Kader, dass er es soeben verbockt hatte. Er hatte sie nicht an die Monster ihrer Vergangenheit verloren oder an den Schmerz, welcher ihr zugefügt wurde. Sondern er hatte Live ganz allein wegen seiner Worte verloren, wegen der Wut, welche immer dann aufwallte, wenn er eine Situation nicht kontrollieren konnte. ,,Es tut mir leid." Kader verließ das Zimmer und lehnte sich an die Wand im Gang. Ihm war egal, wer zusah, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Ihm war egal, wie die Erwachsenen einen Bogen um ihn machten, da er noch immer nur in dem Krankenhauskittel gekleidet war. Zitternd hob er das Handy, welches er die ganze Zeit umklammert hatte und wählte Inkas Nummer. Es klingelte zweimal, danach hob die Russin ab. ,,Es ist vorbei!" Mehr brachte Kader nicht heraus, ehe ihm schluchzend die Stimme versagte. Das letzte Mal als er so geweint hatte, war sein Vater nicht mehr nach Hause gekommen und seine Mutter hatte sich von ihm abgewendet.

Live blickte auf die Stelle an welcher Kader eben noch gestanden hatten. Ihr Kopf war leer und das Rauschen nahm beständig zu. Sie hatte es beendet. Sie hatte der Dunkelheit, welche sie zu diesen Worten getrieben hatte nachgegeben. Live fühlte sich schmutzig, eklig, als wäre das was sie noch Minuten zuvor versucht hatte das schlimmste was sie je getan hatte. Dabei war das schlimmste, was sie je in ihrem Leben gemacht hatte nicht Kader verführen zu wollen gewesen, sondern die Worte welche sie ihm an den Kopf geknallt hatte. Live waren die Sicherungen durchgebrannt und anstatt mit ihm zu reden, was sie eigentlich schon die ganze Zeit vorgehabt hatte, hatte sie ihn angeschrien. Ihm Dinge vorgeworfen, die sie doch eigentlich völlig nachvollziehen konnte. Sehnsüchtig wartete sie auf die Tränen, doch es wollten einfach keine salzigen Tropfen mehr laufen und alles was Live fühlte war eine unbändige Leere in ihr. Als hätte Kader mit dem Verlassen des Raums ihre gesamte Lebenskraft mit sich genommen. Live sank zurück auf das Bett und starrte mit leerem Blick an die Decke, dabei wirbelten immer wieder die Worte, welche sie beide gesagt hatten durch ihren Kopf. Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf, dass alles was sie gesagt hatten wahr sein sollte. Sie wusste nicht woher die Worte gekommen waren, fühlte sich von ihrem eigenen Geist hintergangen. Doch was geschehen war ließ sich nun nicht mehr rückgängig machen. Vielleicht hatte Dr. Tors recht gehabt. Vielleicht hatte Live doch einen Schock erlitten und ihre Eltern waren nicht da gewesen. Was wenn Live in Wahrheit langsam verrückt wurde, denn sie hatte soeben das beste in ihrem Leben beendet, dass sie je hatte. Das erste Mal seit Wochen zweifelte Live wieder an sich und die leise Stimme, welche so lange still gewesen war flüsterte ihr immer wieder zu, dass sie das richtige getan hatte.

Irgendwann kamen die Tränen, umfingen sie und führten Live zurück in die Dunkelheit. Zurück in die Träume, aus welchen sie sich mit jedem Tag versucht hatte hinaus zu kämpfen. Doch nun war Live allein und nichts und niemand konnte dir Träume und Ängste aufhalten, die sie überfielen. 

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