Kapitel 57
,,Holly, nun rede endlich! Was weißt du über Live!" Kaders Geduld war am Platzen, denn anstatt sofort mit der Sprache herauszurücken saß Holly nur da und starrte Frank und Sonja an. ,,Ich ..." Ihre Stimme brach und zitternd schaute sie Kader in die Augen. ,,Ich hab einen Fehler gemacht." Kader knurrte nur leise. Ihm reichten die Spielchen, welche sie mit ihm spielte langsam. Erst der Auftritt beim Boxen, dann hatte sie Lives Stelle im Krankenhaus übernommen und nun saß sie hier und bekam den Mund nicht auf. ,,Nun rede endlich! Du hast doch sonst immer die große Klappe!" Kaders Stimme ließ nichts von dem freundlichen Kerl erahnen, welcher er war, wenn er mit Live zusammen war und Hollys Zittern nahm nur noch mehr zu. ,,Kader! Nun lass das Mädchen endlich zu Wort kommen!" Rückte Sonja den Jungen aufgebracht und wand sich dem Mädchen zu. ,,Also, Holly richtig? Was möchtest du uns mitteilen?" ,,Ich ... ich weiß nicht, vielleicht war das eine dumme Idee. Ich sollte gar nicht hier sein!" aufgeregt begann Holly wirres Zeug zu reden und mit den Händen zu fuchteln, doch Sonja griff vorsichtig nach ihrer Hand. ,,Hör zu, Live ist meine Tochter und wenn du irgendwas weißt, womit wir ihr helfen können, dann bitte sag es uns. Wir würden für unser Mädchen alles machen, aber wir wissen einfach nicht ... wie." Holly nickte. ,,Verzeihung. Ich weiß, dass man etwas gegen sie plant. Ihre ... Eltern haben Kontakt zu mir aufgenommen. Ich weiß nicht, woher sie meine Nummer haben, doch sie haben gedroht, dass sie mir und meiner Familie etwas antun, wenn ich damit zur Polizei gehe. Anfangs dachte ich, dass ich damit leben kann, doch dann habe ich erfahren, dass Kader und Live diesen Unfall hatten und ... ich ertrage es einfach nicht mehr, damit zu leben!" Aufgewühlt, liefen dem Mädchen Tränen über die Wangen und ihr sonst so ruhiges und ausgeglichen wirkendes Gesicht bekam rote Flecken.
,,Was redest du da eigentlich für einen Bullshit! Weißt du, was du da von dir gibst? Holly, das ist kein Spaß, verdammt! Hier sind Menschen in Gefahr, Live ... ist in Gefahr!" Kurz huschte ein dunkler Blick über ihr Gesicht und so was wie Schmerz leuchtete in ihnen auf, doch als Kader erneut hin schaute war der Ausdruck auch schon wieder verschwunden. Er war sich nicht mehr sicher, ob es jemals dort gewesen war. ,,Kader, es tut mir leid, O.k. aber ich mache mir solche Vorwürfe. Ich wollte nie, dass das passiert! Was zwischen uns war ..." ,,Was machst du hier Holly?" Alle Anwesenden drehten sich zu dem wütend klingenden Mädchen um, welches die Blondine mit ihren Blicken aufzuspießen drohte. ,,Live!" Kader sprang auf und trat auf sie zu, doch Live wich seinen Armen aus und blickte weiterhin Holly an. ,,Was tust du hier?" Holly musterte Kader, welcher geknickt die Arme sinken ließ und sah die Angst in seinen Augen. Kurz biss sie sich auf die Lippen, um das Grinsen zu unterdrücken, welches sich seinen Weg an die Oberfläche bahnen wollte. Langsam und so anmutig wie eh und je erhob Holly sich von dem Tisch, schaute Live dabei weiterhin an und beachtete deren Eltern mit keinem Blick mehr. ,,Ich bin hier, weil ich dich warnen wollte. Du bist nicht verrückt, deine Eltern planen etwas und wenn sie sogar schon so dreist sind sich an die Ex-Freundin deines Lovers zu wenden, würde ich an deiner Stelle aufpassen, wem ich vertraue. Nur so von Frau zu Frau natürlich. Aber was weiß ich schon von dir, schließlich sind meine Eltern ja auch keine Psychopathen. Ich hoffe ihr zwei könnt das überstehen, denn der Sturm, welcher aufzieht, wird die mit sich reißen, welche nicht stark genug sind, dagegen aufzukommen!" Kurz drehte Holly sich zu Frank und Sonja, welche schweigend den Schlagabtausch zwischen den Jugendlichen verfolgten. ,,Hat mich gefreut!" damit wand sich die Blondine ab und verschwand in einen der vielen Flure. Gerade rechtzeitig, denn das Grinsen ließ sich bei dem Gedanken, an Lives eifersüchtigen Blick nicht mehr zurückhalten. Schnell fischte sie ihr Handy aus der Tasche und tippte eine Nachricht. ,,Es verläuft alles nach Plan!" Dann verließ sie das Krankenhaus und holte tief Luft. Der nächste Schritt ihres Plans konnte beginnen, denn sie hatten Live nun genau dort, wo sie sie haben wollten.
Live schaute dem Mädchen stumm hinterher. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollten, vor allem, dass sie in der Nähe von Kader gewesen war. Erneut wallten die Zweifel in Live auf. Was wollte jemand wie Kader von einer wie ihr. Live hatte nichts zu bieten. ,,Live, setzt dich, du solltest gar nicht hier so rum laufen!" Kader fuhr sich durch die Haare und schaute seine Freundin aufgewühlt an. ,,Sie haben die Maschine selbst ab gemacht! Und tu du nicht so, als würdest du dich immer an die Regeln halten." Verwundert zog Kader seine Augenbrauen hoch. Was war in Live gefahren? Sie hatte ihn schon lange nicht mehr angefahren. Auch Sonja bemerkte den Tonfall ihrer Tochter und tauschte einen Blick mit Frank. Sie alle mussten nun aufpassen, wie sie mit Live sprachen, denn ihnen allen war bewusst, dass Live noch lange nicht alles überstanden hatte. Und was auch immer sie mit dem Psychologen besprochen hatte, es hatte sie nur noch mehr aufgelöst. ,,Live, setz dich und erzähl uns was ... passiert ist!" Erst schien es, als wollte Live Franks Angebot ablehnen, doch dann erinnerte sie sich an ihre Abmachung, nickte und setzte sich mit etwas Entfernung zu Kader an den kleinen Tisch in der Cafeteria. Kader versuchte nicht allzu gekränkt über die Abweisung zu wirken und schielte immerzu zu ihr hinüber. Später, sie würden später miteinander reden und dann würde dieser ganze Spuk endlich ein Ende haben, denn Kader konnte keineswegs so mit Live gemeinsam leben, entweder sie würde reden, oder ... über das Oder wollte er eigentlich nicht einmal nachdenken. Also blieb Kader still und lauschte den Worten seiner Freundin oder was auch immer Live nun für ihn darstellte, denn allen Anschein nach mussten die Fronten neu geklärt werden.
,,Dieser Tors kann doch nicht ernsthaft so überzeugt von sich und seiner Arbeit sein! Psychologe hin oder her! Ich glaube dir Live! Vielleicht bekommen wir einen anderen oder ... suchen uns selbst eine Therapiestelle, aber so? Das hilft uns doch kein bisschen weiter!" wütend gluckerte Sonja vor sich hin. Sie konnte die Reaktion von diesem Mann nicht nachvollziehen. Frank legte seiner Frau besorgt eine Hand auf die Schulter. ,,Wir werden uns schon was einfallen lassen. Ich werde gleich morgen beim Jugendamt anrufen. Heute hat das keinen Sinn mehr." Sonja nickte ihrem Mann zu. ,,Es ist schon O.k. ich komme klar, irgendwann wird er es sicher einsehen." Live klang nun wieder so leise und abwesend, als hätte sie sich in ihre Seele zurückgezogen. Kader ballte die Hände unter dem Tisch und versuchte Live nicht anzustarren. Wie hatte er das nur zulassen können? Kaders Vorwürfe krochen immer weiter hoch in ihm. Er war gefahren, er hatte das andere Auto nicht gesehen. ,,Ich glaube wir drehen uns nur weiter im Kreis, je mehr wir darüber nachdenken was wir anders hätten machen können. Ich werde mit Dr. Tors die Therapie machen und dann sehen wir weiter. Ich kann ja nicht ewig Angst vor meinen Eltern haben." Sofort ruckten alle Blicke zu Live herum. ,,Live, du ..." ,,Nein! Es wird Zeit, dass ich die ganze Sache hinter mir lasse! Ich bin nun endlich Zuhause angekommen, mache bald meinen Schulabschluss und dann, will ich einfach sehen was diese Welt zu bieten hat. Es geht mir gut! Aber jetzt bin ich müde und möchte einfach nur schlafen. Wir sehen uns morgen!" Nachdem Live sich schnell von Frank und Sonja verabschiedet hatte ging sie zurück zum Fahrstuhl. Verwirrt schauten die drei ihr nach. Was auch immer Dr. Tors mit ihr gemacht hatte, Sonja wusste nicht ob sie sich über diese Veränderung freuen sollte oder nicht. Von dem liebevollen Mädchen war erneut nur eine stumpfe gefühllose Hülle übriggeblieben. ,,Na komm, lass uns Kader hochbringen und dann fahren wir. Das Mädchen hat viel durchgemacht, gönnen wir ihr die Ruhe, welche sie braucht!" damit erhob sich Frank, wartete bis Sonja es ihm gleichtat und schob Kader, welcher noch immer im Rollstuhl saß ruhig zum Fahrstuhl. Dieser war erneut in seinen Gedanken versunken und machte sich für das Gespräch mit Live bereit, er konnte das nicht so zwischen ihnen stehen lassen, vor allem nicht, da er gesehen hatte wie sie auf Holly reagiert hatte.
Sonja und Frank lieferten Kader oben auf seiner Station ab, wo ihnen Alfred schon entgegenkam und Kader gleich noch einmal mit in einen Behandlungsraum brachte. Das Ehepaar verabschiedete sich noch schnell von dem Jungen und verließen dann das Krankenhaus. Kader schaute ihnen wehmütig nach und fragte sich, wie er Live nun gegenübertreten sollte. Seufzend ließ er das Prozedere von Alfred über sich ergehen und stand dann mit Freude auf, als dieser ihm mitteilte, dass er nun keine Maschine mehr brauchte. ,,Kader, wie geht es ihr?" Kurz bevor Kader das Zimmer verließ hielt Alfred ihn erneut auf. ,,Ich glaube nicht so gut. Dass sie ihre Eltern nun erneut sehen musste hat sie ziemlich unter Schock gesetzt und dass nun niemand ihr glauben will, ... es nagt an ihr und das obwohl wir gerade solch guten Fortschritte gemacht haben." ,,Ich glaube ihr. Live mag manchmal aufbrausend und störrisch sein, aber sie hat noch nie gelogen." Kader öffnete die Tür und blickte noch einmal zu dem alten Mann. ,,Sie kann froh sein jemanden wie dich zu haben Alfred. Bitte ... gib sie nicht noch einmal auf. Ich denke sie wird dein Angebot annehmen, aber bitte achte dann auf sie, denn ansonsten könnten die Live, welche wir beide so lieben irgendwann gänzlich verschwinden." Kader verließ das Behandlungszimmer und machte sich schweigend auf den Weg zu Live. Noch immer schob er die Gedanken und Worte in seinem Kopf hin und her. Unsicher blieb er kurz vor ihrem gemeinsamen Zimmer stehen und schluckte die Angst vor dem, was in ihm wütete hinunter. Er würde Live nicht verlieren, denn das Mädchen in welches er sich verliebt hatte war so viel stärker, als er jemals gedacht hatte. Kader hatten nicht umsonst um ihr Herz, um seine Live gekämpft, dass er sie nun gehen lassen würde, also öffnete er die Tür und schloss sie leise hinter sich. Dunkelheit umfing ihn, doch schwach konnte er in der Mitte des Raums die Betten, welche noch immer zusammengeschoben dalagen ausmachen. ,,Ich hab mich schon gefragt, wie lange du noch brauchst." Lives Stimme klang so anders als davor. Tiefer, rauer als hätte sich etwas Dunkles in ihre Stimme gemischt. Und als Kader vorsichtig, ja tastend das Licht einschaltete, konnte er seinen Augen nicht trauen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top