Kapitel 5
Trigger Warnung!!! Wer Probleme mit Depressionen, Ritzen, etc. hat sollte das Kapitel nicht komplett lesen.
Währenddessen war Live endlich bei ihrer Arbeit, doch egal wie sehr sie versuchte Kader aus ihrem Kopf zu bekommen oder auch versuchte ihre Gedanken zu ordnen, es wollte nichts so funktionieren wie es sollte. Alfred, welcher noch die ganze Woche nachmittags Schicht hatte, bemerkte die Stimmung von Live, doch sobald er sie darauf anzusprechen versuchte wich Live ihm aus, flüchtete in andere Räume, nur damit er ihre Tränen nicht sah, ihre Verzweiflung, ihren Schmerz. Auch die Kinder schafften es nicht mit ihren Geschichten sie irgendwie wieder zu beruhigen und wenn Live ehrlich zu sich war, dann hörte sie eigentlich auch überhaupt nicht zu, was ihre Lieblinge erfunden haben.
,,Dein Blick, diesen Blick haben nur Menschen die verlassen wurden." Diesen Satz hatte Kader ihr in der Pause zu geflüstert, bevor er von einer Schar Groupies davon gezerrt worden war.
Verlassen, verlassen, verlassen
Echote es in Lives Kopf. Das Wort wollte einfach nicht aus ihren Gedanken verschwinden und so lief sie plötzlich, völlig in dieses eine Wort versunken in jemanden hinein und ließ die ganzen Medikamenteschachteln, welche sie gerade wieder zurück in ihre Schränke legen wollte, fallen. Natürlich verteilten sich die ganzen Blättchen mit den bunten Pillen auf dem Boden, da Live die Packungen vorher nicht zu gemacht hatte oder die Schachteln wieder aufgingen.
,,Auch dass noch!" in völliger Verzweiflung vergaß sie die Person, welche sie eben umgelaufen hatte und welche sie nun belustigt beobachtete.
,,Kann ich dir helfen?" eine weiche und hohe Stimme drang zu ihr durch und endlich schaute Live ihr umgeranntes Opfer an.
Vor ihr stand eine blonde Schönheit mit amüsiert funkelnden braunen Augen. Sie trug Designer Klamotten und obwohl Live keine schrillen pink Töne mochte, musste sie sagen, dass das lockere Shirt perfekt zu der hellen, doch leicht gebräunten Haut des Mädchens und ihrem weißen Rock passte.
,,Ähm ...!" Live fehlte die Sprache und sie konnte das Mädchen einfach nur weiter anstarren, welches nun erneut anfing mit Lachen.
,,Ich bin Holly Springs!" lächelte sie Live an und bückte sich dann um ihr zu helfen, da sie bemerkte wie überfordert das andere Mädchen gerade mit der Situation war. ,,Du sprichst nicht gerade viel oder?" lächelnd reichte Holly ihr die Packungen und schaute Live fragend an.
Doch in Live fing es plötzlich einfach nur an mit brodeln. Zwei Leute an einem Tag! Zwei die sich einbilden, sie wüssten wer ich bin, wie ich lebe und was ich denke! Was denken die eigentlich wer sie sind?
,,Danke für deine Hilfe, aber ich glaube mein Leben geht nur mich etwas an!" bevor Live überhaupt wusste, was sie da sagte und wie erniedrigend ihr Ton eigentlich klag riss sie dem Mädchen die Packungen aus der Hand und flüchtete, erneut.
Super gemacht, renn ruhig einfach vor allem und jedem weg! –Sie blendete ihre Stimme einfach aus und platzte in den Pausenraum der Pfleger.
Seufzend lehnte sie sich im Schwesternzimmer gegen die Tür und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Renn ruhig weg, versuch dich zu verstecken, es wird dich immer wieder einholen! Du kannst ihr nicht entsagen! Du weißt, du willst es, du brauchst es!
,,Halt den Mund! Halt einfach den Mund!" flüsterte Live aufgebracht und schloss die Tür ab, damit niemand sie dabei erwischte.
Die Tabletten ließ sie achtlos auf den Tisch fallen und ging zu der kleinen Küchenzeile im Zimmer. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie einige Minuten brauchte, ehe die Schublade mit dem Besteck langsam aufglitt. Ich will nicht! Zitternd holte sie Atem und unterdrückte die Tränen, doch die Bilder ihrer Vergangenheit drängten sie dazu. Zwangen sie das Messer zu nehmen. Ehrfürchtig fiel ihr Blick darauf, als würde es das mächtigste sein, dass Live je gesehen hatte. Und dann spürte sie die warme Flüssigkeit, welche langsam ihren Arm hinabrann. Das Messer schien nur sanft über die schon völlig geschundene Haut von Live zu streichen, dennoch quoll das Blut nur so aus der neuen Wunde hervor. Der sanfte Schmerz welcher daraufhin folgte reichte aus um Live die Bilder aus dem Kopf zu treiben und ihre Gedanken zu reinigen.
So ist gut, gib dich dem hin! Ihre zweite Stimme wollte sie einfach nicht in Frieden lassen und egal wie stark Live gegen sie vordrängte, die Stimme verschwand nie. Obwohl Live sie hasste erfüllte das Wissen um sie sie mit Ruhe, als wäre diese Stimme jemand, der sie verstand, als wäre sie der einzige Freund, den Live auf dieser Welt noch hatte.
Hastig hielt Live ihren Arm unter kühles Wasser und reinigte die Wunde. Wie immer fasziniert, beobachtete Live wie das klare Wasser auf ihre Haut traf und sich dann rot gefärbt durch ihr Blut im Waschbecken sammelte, ehe das langsam heller werdende rot sich wieder völlig aufklärte. Als kein Blut mehr lief stellte sie das Wasser ab und verbarg ihre frische Wunde unter einem Pflaster, um keine Hinweise zu hinterlassen. Müde schloss sie die Augen und stützte sich an der Theke ab, den Blick zu Boden gesenkt. Und dann kam das schlechte Gewissen. Sie hatte es erneut getan, hatte sich erneut verletzt, so wie Sie es getan haben. Sie, die die nun nicht mehr wahren und doch wollte Live zurück zu Ihnen, musste zurück zu Ihnen. Brauchte Ihre Worte, Ihren Schmerz.
Wach auf! Sie sind nicht mehr da! Dann öffnete sie die Augen und rief sich zur Besinnung. Sie durfte keine Schwäche zeigen, sie durfte nicht stehen bleiben und nachdenken.
Also wischte Live das Blut vom Messer und betrachtete den Boden, ein paar Tropfen waren an ihren Fingern hinab getropft. Schnell waren auch diese Spuren beseitigt und dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit, als wäre nie etwas geschehen. Die Ablenkung ihrer Tat half nicht lange und bald waren die Bilder wieder da, verfolgten sie bei jedem Schritt. Jedoch hatte die kurze Zeit des Schmerzes ausgereicht, um ihre Tür wieder zu schließen und die Gedanken von sich fern zu halten. Als Live durch den Flur lief sah sie noch wie das blonde Mädchen gerade die Kinderstation verließ. Ihr Gewissen meldete sich erenut, wegen der Worte, die sie ausgesprochen hatte, doch Live wollte dem Mädchen nicht nachgehen, wollte nicht dass die andere sie für schwach hielt und sowieso, was ging dieses Mädchen, Holly, Live denn überhaupt an?
Also straffte sie die Schultern und wartete heute seit langem Mal wieder darauf, dass ihre Schicht endlich endete. Natürlich hätte Live einfach eher nach Hause gehen können, doch dann hätte sie sich ihrer Schwäche bewusst werden müssen und wäre ihren Adoptiveltern längere Zeit ausgeliefert gewesen, was sie einfach nicht aushielt. Nein, ich brauche ihre Fürsorge nicht! Ich brauche niemanden! Also blieb sie, nichts ahnend, wie sehr sie sich und ihr Umfeld eigentlich verletzte.
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