Kapitel 36
,,Danke Miss für die Sachen, sie sind zwar ein wenig zu groß, aber passen soweit." Damit tauchte Kader mit völlig verstrubbelten Haaren aus dem Bad in der Küche auf und Live musste sich auf die Unterlippe beißen um ihr erheitertes Grinsen zu verbergen. Wenn sie eins nicht wollte, dann Kader die Genugtuung geben in seiner Anwesenheit zu lächeln oder zu lachen ob nun über oder mit ihm. ,,Ach bitte nenn mich Sonja, so alt bin ich auch nicht!" lachend deutete sie auf den Tisch. ,,Setzt dich, mein Mann Frank wird auch gleich zu uns stoßen, ich hoffe du magst Pizza ..." kurz schaute sie hilfesuchend zu Live, doch diese wand sich desinteressiert ab. Sie würde Sonja heute keine Hilfe sein im Gespräch mit Kader. Kurz seufzte die Frau, ehe sie sich wieder zu Kader drehte. ,,Kader White." Freudestrahlend schaute er vom Tisch zu ihr auf. ,,Ich kann gerne helfen, beim Eindecken." ,,Augen auf den Tisch, dafür kommst du ein wenig zu spät!" brummte Live nur und setzte sich ihm gegenüber. ,,Abgesehen davon, dass du hier nichts zu suchen hast!" murmelte Live noch leise. Doch Kader konnte sich zusammenreimen, was das Mädchen noch schnell hinterher geschoben hatte. Seine Augen versuchten ihren Blick zu erhaschen, doch sie wich ihm immer wieder aus und kurz musste er noch einmal an seine Mutter denken. Sie hatte ihn rausgeworfen! Aus dem Haus, welches theoretisch mehr Kaders als ihres ist. Immerhin ist sie diejenige, welche so gut wie nie da war. Kurz schwankte seine Stimmung wieder, doch als ein großer, breitgebauter Mann mit kurzen schwarzen Haaren die Küche betrat lenkte er seine Gedanken wieder auf das hier und jetzt. Und die Personen um sich herum. Er war nicht zuhause, er war mal wieder geflohen, vor seiner Mutter und das musste er anfangen zu akzeptieren. Kader war bei Live zuhause, in ihrer Familie und wenn sie ihn mit Blicken töten könnte, dann wäre er schon im Regen draußen umgekippt. Sie war wütend und das sah man nicht nur an ihren dunklen Augen, sondern auch der feindseligen Haltung ihm gegenüber.
,,Hey, Kumpel! Ich bin Frank!" mit einem viel zu sanften Lächeln, für diesen Glotz von einem Typen reichte er Kader die Hand und sofort wurde ihm klar was Sonja anscheinend so an ihm zu lieben schien. Andere hätten Frank vielleicht als einen Prolo bezeichnet, aber stattdessen wirkte er eher wie ein gut dressierter Hund, der mehr ein bester Freund, denn ein Boss oder böser Mensch sein könnte. ,,Kader!" mit einem ebenso festen Händedruck erwiderte er sein Händeschütteln, was Frank nur grinsen ließ. ,,Was machst du für Sport Junge? Dein Händedruck ist ja mal ordentlich!" grinsend gab er seiner Frau einen Kuss und setzte sich neben Kader. ,,Boxen, aber nur in meiner Freizeit, meistens so zwei, dreimal die Woche, waren Sie auch mal Boxen?" interessiert schaute er den Mann an und vergaß für einen kleinen Moment, dass Live ihn noch immer wütend ansah. ,,Na das ist ja prächtig! Nein, ich bin schon lange nicht mehr dabei, aber ab und zu, wenn meine liebe Frau mich gehen lässt, bin ich im Fitnessstudio. Immerhin habe ich eine Göttin von Frau, die hier immer das perfekte Essen zaubert." Zwinkernd schaute er zu Sonja, welche zu dem Lachen der beiden Männer mit einstieg.
Er war hier, in ihrem Haus, bei ihrer Familie und benahm sich, als wäre er schon immer ein Teil dieser, ihrer Familie! Als wäre Kader White, ein alter Freund, den man gern zu einem netten Abend einlud. In Live kochte es und sie hätte vielleicht anders reagiert auf ihn, wenn Kader sich nicht einfach erst nach 3 Tagen plötzlich bei ihr gemeldet hätte und vor allem nicht, wenn er einfach hier aufkreuzte. Woher wusste er überhaupt wo sie wohnte? Dass Frank hin und weg von Kader war konnte sie voll und ganz verstehen, aber dass Sonja ihr nun auch noch so in den Rücken fiel, brachte sie beinahe dazu zu platzten. ,,Du bist eifersüchtig! Weil Kader hier besser reinpasst als du! Weil er anpassungsfähig ist und du nicht!" säuselte die Stimme in ihrem Kopf und Live versuchte den Ärger hinunter zu schlucken. Doch dass sie ihm auch noch direkt gegenübersaß, zusehen konnte wie er lachte und seine Augen immer wieder dabei vor Freude funkelten, ließ die Wut in ihr nicht gerade abklingen. Kader sah sie nicht ein einziges Mal an, während er mit Sonja und Frank sprach, als wäre er eigentlich ihr Kind und Live nur der Besuch. Krampfhaft ballte sie ihre Hände zu Fäusten, wobei ihre Nägel sich schmerzhaft in die Handinnenfläche gruben und starrte auf ihren Teller, auf welchem vermutlich schon seit einigen Minuten ein Stück der Spinatpizza lag. Doch ihr Hunger war in dem Moment vergangen, als sie Kader entdeckt hatte. Dabei geisterte ihr noch immer dieser traurige, verletzte Ausdruck im Kopf umher.
,,Live, warum hast du uns diesen tollen Kerl nicht schon eher vorgestellt!" lachend klopfte Frank Kader auf die Schulter, zu spät hatte er den Blick seiner Tochter bemerkt. Dafür war er viel zu sehr auf Kader fokussiert gewesen. ,,Du bist dir auch für nichts zu schade oder Kader?" mit schräg gelegten Kopf fauchte Live ihn an und plötzlich war es totenstill im Raum. Kader hob leicht die Schultern, als wolle er sich so vor ihr schützen wund legte eine bedauernde Miene auf. ,,Live, ... es tut mir leid, ich weiß nicht was ich noch machen soll!" aufgewühlt sprach er das erste aus, was ihm in den Sinn kam. Live musterte ihn und wusste, dass er es ernst meinte, eigentlich wusste sie ja selbst nicht, was sie sich von ihm erhoffte, was er tun sollte, damit es besser wurde. Wollte sie das überhaupt? Wollte sie ihm verzeihen? Hatte Kader White ihr schon so sehr den Kopf verdreht, dass sie sogar bereit war jemandem zu verzeihen? Nein, dafür war sie einfach noch zu wütend auf ihn, um jetzt schon klein bei zu geben. Kader sollte gar nicht erst auf die Ideen kommen weiter mit ihr spielen zu können! ,,Drei Tage! Du hast dich fast drei Tage nicht gemeldet, dann tauchst du einfach hier auf und ruinierst diesen, bis du aufgetauchte bist wunderschönen Familien Abend. Mal ganz davon abgesehen, dass du daran schuld bist, dass ich meinen Job verloren haben. Was erwartest du jetzt also von mir? Dass ich mich freue, dass du hier eindringst in meinen Rückzugsort, meine Familie? Danke Kader, aber darauf kannst du lange warten!" Das Wort Familie betonte Live extra um ihm hoffentlich zu verdeutlichen, dass er hier nichts zu suchen hatten und sie ihn hier nicht haben wolltew.
,,Du hast deine Arbeit verloren?" erschrocken sprachen gleich alle drei durcheinander und starrten Live aufgewühlt an. ,,Oh Liebes! Warum hast du nichts gesagt!" mitfühlend legte Sonja ihre Hand auf Lives, sie hatte gewusst, wie sehr das Mädchen diese Arbeit, die Kinder, einfach alles im St. Paulus geliebt hatte. Zerknirscht blickte Kader sie an. ,,Ich wollte nicht, dass es so weit kommt, wenn du willst rede ich mit ihnen! Live ich hab dich gesehen, als Inka mich abholte ..." allein ihren Namen auszusprechen schmerzte und er musste sich in den Oberschenkel kneifen, damit nicht erneut Tränen in ihm aufstiegen. ,,... du sahst so glücklich aus und die Kinder lieben dich! Ich habe noch nie gesehen, dass kleine Kinder so zu jemandem aufsehen, wie sie es bei dir taten!" aufgebracht blickte Kader in der Küche umher. Er hatte nicht schuld daran sein wollen, dass Live auch noch ihre Arbeit verlor. Man hätte Live nicht einmal beobachten brauchen, alles hatte dafür gesprochen, dass sie die Kinder und ihre Arbeit bedingungslos liebte. Aber mal wieder hatte Kader durch seine Handlung jemandem das Leben verpfuscht. Dabei verstand Kader überhaupt nicht, wie mal Live auch nur hatte kündigen können. Sie war eine gute Schülerin, ein so herzerwärmender Mensch, der jeden berührte. Naja, fast jeden, Alexa war in dem Moment jedoch die letzte an welche er denken wollte. ,,Genau das ist dein Problem Kader, du handelst einfach und dabei sind dir die Konsequenzen egal! Wenn du dich um die Gefühle anderer scheren würdest, hättest du mich nicht belogen und mir die Wahrheit gesagt." Live wollte Sonja und Frank nicht anblicken. Sie wollte das Mitgefühl in ihren Augen nicht sehen. Eigentlich wusste sie gar nicht, weshalb sie es den beiden verschwiegen hatte. Insgeheim hatte Live es vermutlich nicht glauben wollen, hatte immer noch die Hoffnung gehabt, dass man ihr die Stelle wiedergeben würde. Doch der Anruf war noch immer nicht gekommen und auch kein Brief oder sonstiges. ,,Live, hättest du Zeit mit mir verbracht, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich dich kennenlernen wollen würde?" war alles was Kader dazu sagte und blickte sie herausfordernd an. Beide hatten das Ehepaar, welches neben ihnen am Tisch saß völlig vergessen und fochten einen stummen Kampf mit ihren Blicken aus. Kader kannte ihre Antwort, doch Live war nicht bereit diese auszusprechen. Ihr gefiel die Richtung nicht, welches das Gespräch angenommen hatte. Eigentlich gefiel ihr der gesamte Abend nicht mehr. Kader war einfach so hier hinein geplatzt und hatte Live damit nur noch deutlicher gezeigt, dass sie eigentlich nirgendwo sicher war.
,,Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Der Punkt ist, dass du mich belogen hast und dann einfach bei mir auf Arbeit aufgekreuzt bist, obwohl ich dir gesagt habe, dass du nicht mehr dort auftauchen sollst! Und dass du jetzt hier bist, obwohl ich dich nicht mehr sehen wollte, beweist doch nur, dass du nicht zuhörst und nur nach deinen eigenen Empfindungen handelst." Live versuchte ihre Mauern aufrecht zu erhalten, denn aus irgendeinem Grund begann diese plötzlich zu bröckeln. Kader hatte recht, sie hätte keine Zeit mit ihm verbracht, wenn er sie darum gebeten hätte. Aber das konnte sie nicht zugeben, das wollte sie nicht. Kader White war vielleicht im Sport ein Kämpfer. Aber Live war es im Leben und sie kämpfte schon zu lange um jetzt diesen Jungen ein Teil ihrer selbst werden zu lassen. ,,Nein Live! Du stößt die Menschen von dir und richtest es dann so aus, dass wir die bösen sind! Ich habe nie gelogen, als ich sagte ich möchte dich kennenlernen. Und theoretisch habe ich dich auch nicht belogen, als ich sagte, dass ich Nachhilfe brauche, denn ganz so gut bin ich auch nicht." ,,Du, ... du, ...!" aufgebracht sprang Live auf und beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber. ,,Du weißt überhaupt nicht, in was für eine Lage du mich bringst, o.k.? Hast du eigentlich eine Ahnung wie schwer es ist Menschen zu vertrauen?" Kader erhob sich ruhig und war ihr auf einmal wieder so nah, wie am Dienstag in der Bibliothek und Lives Augen zuckten sofort zu seinen hinauf. Er hielt sie mit seinem Blick gefangen und versuchte ihr mit den Augen seine Gefühle zu übermitteln. ,,Nicht nur du hast Angst verletzt zu werden. Ich habe mein Leben lang getan was andere von mir erwarten. Ich war ein Arsch, weil ich dachte somit die Liebe meiner Mutter zu bekommen. Ich habe Mist gebaut um der coole zu sein und andere zu beeindrucken. Und bisher habe ich noch nie etwas so sehr bereut, wie dich belogen zu haben. Aber ich bitte dich Live. Gib mir noch eine Chance. Eine Chance und ich beweise dir, dass ich all das nicht bin. Eine Chance und ich zeige dir den wahren Kader White. Der Junge, welcher das Leben liebt und sich um andere kümmert. Ich bitte dich nur um eine weitere Chance und ich werde alles wieder gut machen." Seine braunen Augen schienen noch nie so sanft und offen gewesen zu sein und Kader hatte mit diesen Worten alles, was Live ihm soeben noch an den Kopf knallen wollen, aus ihrem dem Kopf gefegt. Unfähig etwas zu sagen starrte sie ihn einfach nur weiterhin an, wodurch Kader den inneren Kampf in Live entdecken konnte.
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