Kapitel 26
Trigger Warnung, die nächsten Kapitel werden sehr emotional und belastend!!!
,,Live, was ist los?" Sonja wusste nicht mehr weiter, seit einer Stunde hockten sie nun schon hier in der Küche und Live hatte noch immer nichts gesagt geschweige denn sich auch nur bewegt oder Sonja los gelassen. Denn obwohl sie schon längst nicht mehr wie Espenlaub zitterte, klammerte sich Live noch immer an Sonja, als wäre diese alles, was sie vor dem zerspringen bewahren konnte. Sollte sie vielleicht doch Frank anrufen und ihn bitte eher von Arbeit zu kommen? Aber sie wusste, dass Live dann erstrecht dicht machen würde. Vielleichte würde Live auch wieder davon rennen und davor hatte Sonja am allermeisten Angst. Sie wollte ihrem kleinen Mädchen doch nur helfen und da war es die wahrscheinlich schlechteste Idee ihren Mann anzurufen und ihn zu bitten, eher nach Hause zu kommen. Live hasste ihn nicht, nein das war es nicht. Es musste wieder etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, doch die Eheleute wussten nicht warum sich Live wenn denn etwas wahr mehr an Sonja wendete, als an ihren Mann. Nicht, dass diese sich beschwert hatte, doch es war deutlich zu sehen, dass Live Frank so gut es ging zu meiden versuchte. Natürlich war sie nie unhöflich gewesen und hatte auch mit ihm geredet, doch blickte sie ihn so gut wie nie an. Sonja verfluchte im Stillen das, was auch immer ihrer Tochter diesen Schmerz bereitete und sprach weiterhin ruhig und leise mit ihr, während sie ihr sanft durch die Haare fuhr, in der Hoffnung so irgendeine Reaktion von ihr zu bekommen. Wenn Sonja nicht sehen würde, wie Live atmete, dann würde sie das Mädchen in ihren Armen für tot halten. Ihre Haltung entsprach überhaupt nicht der aufrechten und ernsten Spannung, welche Live an den Tag legte und Sonja befürchtete schon, dass ihr Kind in einen Schockzustand verfallen war. Sie würde das Krankenhaus anrufen müssen, hatte aber viel zu große Angst sich zu bewegen und sie blieb sie weiterhin mit der völlig weggetretenen Live stehen und versuchte verzweifelt irgendwas aus ihr heraus zu bekommen.
Es war kalt und so furchtbar dunkel. Ihre Fesseln schnitten in ihre Haut. ,,Hilfe!" ihre Stimme war vom vielen schreien und weinen ganz kratzig und jeder Atemzug tat weh. Und doch schrie sie immer weiter, owohl ihr wohl bewusst war, dass niemand ihr helfen würde. Sie wusste, dass jemand hier war, doch jegliches Zeitgefühl war durch die Dunkelheit verschwunden. Sie waren auf jeden Fall schon vor einiger Zeit herein gekommen. Das wusste sie noch. Aber sie konnte nicht mehr sagen wie lange sie schon hier war. Waren es Stunden? Oder war inzwischen sogar schon ein ganzer Tag vergangen? ,,Bitte! Ich will wieder hier raus!" Schluchzend versuchte sie sich erneut zu winden, was nur bewirkte, dass sie die Fesselnd an Hand und Beinen noch mehr in die Haut schnitten. ,,Aber Blümchen, du bist doch zuhause!" eine warme Stimme strich um ihre Ohren herum. Eine Stimme welche sie sonst immer so sehr geliebt hatte, bereitete ihr nun so viel Angst, dass sich ihr die Haare aufstellten. ,,Daddy! Bitte!" es drang nur noch ein leises Krächzen aus ihr, dabei wollte sie schreien, wollte sie fragen, was das hier sollte, warum sie ihr das antaten. Wieso sie schon wieder hier war. ,,Aber Blümchen, wir haben doch noch gar nicht angefangen!" etwas Weiches strich über ihre nackte Haut und dann Schmerz. Ihre Haut brannte, Tränen traten ihr in die verbundenen Augen und sie hätte geschrien, wenn noch etwas ihrer Stimme übrig wäre, somit drang nur ein gurgelndes Geräusch aus ihr. Rasselnd holte sie Atem, wollte um Gnade flehen, doch da rollte eine neue Schmerzwelle über sie hinweg Die Hände welche sie immer berührten waren kurz verschwunden, dann wieder da. Immer und immer wieder. ,,Sag mir, wie fühlt sich das an?" grausames Lachen erklang im Hintergrund. Sie verstand noch immer nicht, wieso sie das taten. ,,Warum ...?" Sie schaffte nur noch ein leises hauchen, bis alles um sie herum verschwand und die Schwärze erneut die Oberhand gewann.
Heute war nicht das erste Mal, dass sie das mit ihr taten, doch noch immer verstand sie es nicht. War das ihre Liebe? Sollte das hier ihre Zuneigung ausdrücken? Andere Kinder in ihrer Schule liefen nicht mit Narben an den Armen herum. Andere hatten keine Blessuren am ganzen Körper, Schnitte welche ihnen mit Absicht verpasst worden waren. Andere hatten keine Angst vor ihren Eltern. Dabei wollte sie doch nur einmal ihre Liebe spüren. Wollte nur einmal geliebt werden.
Sonja wippte Live sanft hin und her und irgendwann, Live wusste nicht wie lange das schon so ging, wachte sie aus ihrer Vergangenheit auf und tauchte in die Realität zurück. Die Schwärze welche sie vorher so umfangen hatte, war nur das Gespenst einer längst vergangenen Zeit gewesen. ,,Sonja!" flüsterte sie leise und die Frau neben ihr zuckte erschrocken zusammen. ,,T-tut mir leid, ich wollte nicht, ...!" ,,Oh Live, mein wunderschönes Mädchen!" schluchzend drückte Sonja ihr Kind noch mehr an sich und schnitt ihr somit das Wort ab. ,,Ich dachte schon, du kommst nicht wieder zu mir zurück." Hysterisch brabbelte sie vor sich hin. ,,Es tut mir leid!" Live blickte zu dieser Frau, welche sie so bedingungslos liebte und verstand Sonja nicht. Warum schenkte sie Live so viel Liebe? Warum war sie noch immer da und bereit sie bei sich und ihrem Mann leben zu lassen? Was erhoffte sie sich von Live? Würde es wie früher werden? Würde auch Sonja Live hintergehen, sie vielleicht sogar einfach ohne ein Wort plötzlich aussetzten? Fragen über Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum. Live hätte Sonja nicht so nah an sich heran lassen sollen, doch gleichzeitig brauchte sie diese Liebe. Die Liebe dieser einzigartig, starken Frau, welche dafür gekämpft hatte Live, ein völlig verstörtes und kaputtes Mädchen aufnehmen zu können. Live verdankte ihr so vieles. Doch konnte sie wirklich über ihren Schatten springen und dieser Frau vertrauen? So sehr vertrauen, dass sie nicht sofort hinter jedem lieben Wort, jeder netten Tat nur einen Versuch vermutete Live weich zu bekommen um sie dann vollkommen zu brechen? Kader hatte sie auch vertraut und wie alle anderen hatte auch er nur mit ihr seine Spielchen getrieben. Er war nicht besser, als der Rest von ihnen. Aber Sonja war nicht Kader.
Denn in diesem Moment, als diese Frau neben ihr, sie so an sich drückte und dabei weinte als gäbe es keinen Morgen mehr, da wusste Live es. Ja, sie konnte dieser Frau bedingungslos vertrauen. Vielleicht würde Sonja auch Fehler machen, vielleicht würde auch sie Live verletzten, aber nichts und niemand konnte sie jemals wieder so sehr verletzen als ihre leiblichen Eltern. Und bisher hatte Sonja immer alles versucht, um Live das Leben bei ihr und Frank so gemütlich wie immer zu machen. ,,Sonja, ... ich muss dir etwas erzählen." Mit völlig verquollenen und roten Augen schaute sie zu Live auf. Kurz stockte Live, konnte sie Sonja das antun, erzählen was ihr selbst geschehen war, wo diese doch schon jetzt so fertig war. ,,Was ist Liebes? Ich höre dir zu." Vorsichtig löste sie sich von Live und rutschte etwas weg, als hätte sie Angst Live würde vor ihr flüchten, sollte Sonja sie weiterhin berühren. Doch Live überraschte sie beide indem sie sofort nach Sonjas Hand griff und in ihre grünen Augen schaute. ,,Ich habe dir, ... euch nie erzählt warum ich nachts schreie oder warum ich keine Berührungen mag. Ich habe euch auch nie erzählt woher die Narben kommen und ... ich habe euch nie meine Eltern beschrieben ... weil ..." sie musste atmen, ein und aus, sie konnte das. Live musste nur weiter sprechen, dass war sie Sonja schuldig. Sonja musste endlich erfahren was, besser gesagt wen sie hier vor sich hatte. Beide ließen sich nun auf den Küchenboden sinken und Sonja traute sich nicht etwas zu sagen, aus Angst Live könne ihre Meinung gleich wieder ändern. Sie wusste ja nicht, was auf sie zukommen würde.
,,Als ich 4 war fingen sie an mich immer öfter im Keller einzuschließen. Ich war immer sehr schüchtern und hatte deshalb auch keine Freunde. Meistens hing ich an den Erziehern und wollte nichts mit anderen zu tun haben. Das weiß ich noch, davor ist alles verschwommen. Ich habe nie verstanden was meine Eltern von mir wollten, ob sie böse auf mich waren oder ob sie mir Angst machen wollten, ich weiß es nicht. Egal wie oft ich fragte, sie gaben mir keine Antwort. Ich glaube es war mit 6, als ... als sie mich das erste Mal verletzte. Meine Mutter stand da, in der Küche und schnitt gerade Gemüse. Ich wollte fragen ob wir ein neues Heft, ... nein ob wir ein Buch kaufen könnten. Ich liebte es zu lesen, seit ich endlichen verstand was dort erzählt wurde. Jedenfalls drehte sich meine Mutter zu mir um und hatte ein gespenstisches Lächeln im Gesicht. Ich hatte diesen Ausdruck schon öfter bei ihr gesehen, nur konnte nichts damit anfangen. Denn sie war eine wunderschöne Frau, schlank, dennoch sportlich und ihre schwarzen Wellen rahmten perfekt ihr wunderschönes Gesicht mit den blauen Augen ein." Live schaute kurz zu Sonja. Diese wirkte völlig bleich, versuchte zu verarbeiten was Live ihr da erzählte und sponn in ihren eigenen Gedanken zich Varianten, welche Live ihr gleich erzählen könnte aus.
,,Nun sie fragte wofür ich denn ein Buch bräuchte und ich antwortete ihr, dass ich lesen liebte und daher zuhause üben möchte. Da fing sie plötzlich an mit lachen und meinte nur ich wäre ein dummer Träumer und wenn ich noch einmal davon redete, dass ich etwas liebte würde es etwas setzen. Ich verstand sie nicht, denn meine Lehrerin meinte immer lesen wäre so etwas Großartiges und dass es wichtig sei schon sehr jung damit anzufangen, damit sich später keine Probleme ergeben würden. Also beharrte ich weiterhin darauf und dann nahm sie das Messer und schnitt mir damit über den Arm. Ich schrie vor Schreck auf, es war nicht besonders tief, brannte auch nur leicht aber sie lachte nur wieder und meinte sie hätte mich gewarnt. Seit dem tat sie es immer wieder, wenn ich irgendwas wollte, wenn ich was fragte oder sie nicht mit mir und dem was ich tat einverstanden war. Ich wurde immer stiller und ruhiger, zog mich in mich selbst zurück. In der Schule hatte ich sowieso noch niemanden gefunden und im Unterricht machte ich bald gar nicht mehr mit. Ich dachte schlimmer könnte es nicht mehr werden, denn was sollten sie denn noch tun, als mich zu verletzten? Doch dann wurde ich 7 und meine Eltern brachten mich wieder in den Keller, wo sie mich manchmal Stunden lang sitzen ließen, kurz nachdem sie wieder etwas an mir auszusetzten hatten. Jedoch zerrten sie mich diesmal nackt hinunter. Es war so furchtbar kalt und sie fesselten mich an einen Stuhl ..."
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