Kapitel 12
Alexa starrte sie voller Verblüffung an. Sah wie Live schluckte und wusste genau, wie sehr sie es bereute ihr diese Information gegeben zu haben. Doch alles was Alexa in diesem Moment spürte war unbändiger Hass. Ein Hass auf dieses Mädchen welches einfach so aus dem Nichts einige Jahre zuvor erschienen war. Welches alles bekommen hatte was sie wollte und Alexa getreten hatte um sie dann links liegen zu lassen, als wäre sie nicht mehr die Beste. Als wäre nun Alexa Live's Schatten. Doch dieser eine Satz, dass Live bei ihm gewesen war, dieser Satz brachte das Fass zum überlaufen und schneller als jemand auch nur hätte reagieren können schlängelte sich die aufgebrachte Blonde durch die Bänke der anderen Schüler, packte Live an den Haaren, ehe sie ihren Kopf zurück riss.
,,Du meinst also, du könntest ihn haben ja? Was denkst du wie er reagieren würde, wenn er dein kleines schmutziges Geheimnis kennt? Wenn er wüste wo du her kommst!" ihre Stimme wurde immer bedrohlicher und leiser. Sie wollte Live leiden sehen, denn seit sie an der Schule war interessierten sich die meisten nur für dieses unnahbare, kalte Mädchen, das sich für so viel besser hielt als es eigentlich war. Noch immer in ihre Haare gekrallt beugte Alexa sich zu ihrem Ohr. ,,Wie würde er wohl reagieren, wenn er wüsste was deine Eltern getan haben? Vermisst du es? Ihre Berührungen, ihre Sch..." doch dann kam nur noch ein ersticktes Stöhnen und krächzend, bevor ihr Geflüstere erstarb. Alexas Augen wurden groß und um Luft ringend versuchte sie die Hand welche ihren Hals packte abzustreifen.
,,Sag noch ein Wort Miststück und es wird dir leid tun!" Lives sonst so klaren Augen waren dunkel, wirkten fast schwarz und es schien als würde sie Alexa gleich erwürgen, doch dann riss sie die Hände fort und Alexa schnappte gierig nach Luft.
,,Wie krank bist du denn? Mich einfach so anzugreifen! Wer bist du? Ein Höhlenmensch?" natürlich würde sie nie zugeben, dass sie Live gereizt hatte, doch das war dieser in jenem Moment auch egal. Zitternd schaute sie auf ihre Hände und blickte dann erneut in die Augen ihres Opfers. ,,Wie ich schon sagte, ich will nichts von Kader!" damit wand Live sich ab und verließ den Raum. Sie schaffte es noch bis auf die Mädchen Toilette, hinein in eine der Kabinen bevor sie sich erbrach und schluchzend zusammenbrach. Wie hatte sie nur so die Fassung verlieren können? Noch nie hatte sie jemanden so angegriffen. Und auch wenn Alexa es auf irgendeiner Art und Weise auch verdient hatte, fürchtete Live sich vor den Konsequenzen ihres Handelns.
,,Du bist ein Nichts! Ein Niemand! Es interessiert keinen was mit dir passiert, deshalb gehörst du nur uns. Uns allein Blümchen!" Hände die über ihre Haare strichen, ihre Wange, ihren Körper. Blicke die sie begutachteten, als wäre sie kein Kind, als wäre sie eine Ware zum Verkauf. Dieser Blick und die Worte welche ihr eine Heimat bieten sollten, ihr aber viel eher Angst machten und ihr noch mehr Gründe der Flucht gaben. Doch sie blieb, außerstande zu flüchten. Wo sollte sie hin? Wer würde sich schon für sie interessieren? Denn Sie hatten recht, sie war ein Niemand.
Schreiend versuchte Live die Erinnerungen los zu werden, versuchte die anderen zu ignorieren die sich in der Toilette tümmelten nur um zu sehen was da vor sich ging. Die Schatten ihrer Vergangenheit blieben aber und gingen nicht. So lag sie da, auf dem Boden in sich gerollt und schrie. Schrie all den Schmerz, die Wut und die Trauer heraus, die Konsequenzen dessen waren ihr im Moment egal, sie wollte weg von hier, doch wenn sie jetzt den Schutz der Kabine verließ so würden sich lauter Gaffende Teenager auf sie stürzen. Vor allem müsste sie sich wieder mit Alexa konfrontieren, dem Mädchen, welches sie nach so vielen Jahren ihrer Beherrschung dazu gebracht hatte auszurasten.
,,Live?" eine sanfte Stimme drang durch die Tür zu ihr, eine Hand die über ihren Arm strich und sie nur weg rutschen ließ. Doch etwas an dieser Stimme führte dazu, dass sie sich beruhigte und sich darum sehnte sie weiterhin zu hören. ,,Ich bin es, kommst du raus? Damit wir reden können? Oder lass uns einfach nach Hause fahren, ja?" Sonja die Stimme ihrer Adoptivmutter redete ruhig auf sie ein und Live konnte die Besorgnis darin hören. Live, außerstande etwas zu sagen oder sich auch nur weiter zu rühren blieb stumm und versuchte sich darauf zu konzentrieren weiter zu atmen. ,,Live, ich weiß nicht was passiert ist, aber wenn du willst ... ich höre dir zu. Vielleicht nicht ... als Mutter, aber vielleicht als deine Freundin?" unsicher stockte Sonja und Live tat sie leid, doch sie wusste auch, dass es besser war niemanden so nah an sich heran zu lassen.
,,Wieso? Wieso habt ihr mich genommen?" erklang da plötzlich Lives Stimme, nachdem Sonja schon dachte sie würde gar nichts mehr sagen. Seufzend lehnte sich diese an die geschlossene Tür und schluckte ihre Tränen hinunter. Als Sonja den Anruf bekommen hatte was passiert war und dass ihre Tochter Hilfe brauchte, ist sie so schnell gefahren wie noch nie. Als sie dann diese Horde von Mädchen gesehen hatte, die mit ihren filmenden Handys in der Toilette gestanden hatten, in der Hoffnung einen Blick auf ihr Kind zu erhaschen, da war sie unendlich wütend geworden. Doch es lag nicht in ihrer Natur laut zu werden und so hatte sie die Mädchen nur alle heraus geschoben und mit einem Nicken der Lehrerin hatte diese ihr einen Schlüssel zum Abschließen gegeben. Nun hockte sie hier, bei ihrem Kind und wusste nicht wie sie ihr diese Frage beantworten sollte, deshalb antwortete auch sie erst nach langer Zeit.
,,Weil ich wollte, dass du wieder lächeln kannst. Dass du das Funkeln, welches du an dem Tag als Frank und ich dich gesehen haben, draußen in der Sonne gesucht hattest hier bei uns finden kannst." Flüsternd sprudelten die Wort aus hier heraus, als hätten sie nur darauf gewartet endlich frei zu kommen. Plötzlich begann Live erneut zu schluchzen: ,,Es tut mir leid, dass ich so eine Enttäuschung für dich bin Sonja!" ,,Nein! Sag das nie wieder! Du bist keine Enttäuschung, keine Belastung, du bist mein Kind, auch wenn du das vielleicht nicht hören möchtest, doch ich bin froh dich bei uns zu haben. Es ist nicht immer leicht, das gebe ich zu, aber ich habe den Tag, als ich mich für dich entschied nie bereut. Und das werde ich auch nicht! Du gibst und dass, was du kannst und das ist genug. Live, DU bist genug." Ihre Stimme klang fest und sicher.
Ein Klicken, dann das Öffnen der Tür durchbrachen die Stille und Sonja ließ sich langsam neben der zusammengesunkenen Live in die Toilettenkabine sinken und schaute das blasse Mädchen an. Live erwiderte nichts, ertrug den Blick ihrer Adoptivmutter und versuchte einfach weiterhin ruhig zu atmen. ,,Lass uns nach Hause fahren!" noch immer in Schweigen gehüllt standen die Frauen auf, Sonja schloss die Tür wieder auf und dann rasten sie über die Straßen nach Hause. Live bekam nichts von ihrer Umgebung mir. Nicht wie sie aus der Schule gelaufen waren, wie die anderen sie noch immer begafft hatten oder wie sie schließlich im Auto gelandet waren.
Die Fahrt über wurde kein Wort gesagt und zurück im Haus verdrückte sich Live auch wieder sofort in ihren sicheren Zufluchtsraum. Doch Sonja wusste, heute an diesem einen Tag hatte sich einiges verändert. Vielleicht wusste sie nicht, was damals passiert war, doch heute war sie zu ihr durchgedrungen, zumindest ein klein wenig. Und das gab ihr Hoffnung. Hoffnung, dass dieses Mädchen, welches sich immer vor allem und jedem abschottete sich doch eines Tages öffnen würde.
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