Kapitel 11
Müde erschien Live in der Schule und wusste nichts so recht mit sich anzufangen. Die Gemeinheiten der anderen ließ sie wie immer still über sich ergehen, doch irgendwas war heute anders. Etwas fehlte, oder besser gesagt jemand. Live wusste was los war, sie wusste wo Kader war und dennoch war es ein seltsames Gefühl ihn nicht neben sich zu haben. Dabei hatte sie sich gestern endlich von ihm verabschiedet. Sie würde nach vorn blicken und ihn von nun an wieder ignorieren. Es war nur ein kleiner Gefühslssturm gewesen und nichts weiter. Als könne sie Live Kamson wirklich soetwas wie Gefühle für jemanden entwickeln. Nein, das war absurd.
Dennoch, obwohl sie mit ihm abgeschlossen hatte, konnte Live den Lehrern nicht im Unterricht folgen, hing ihren Gedanken nach und überlegte immer wieder was geschehen war. Sein Geruch schwebte immer wieder um sie herum und sie konnte Kader nicht aus ihren Gedanken verbannen. Live war ihm so nah gewesen und er war ihr in jenem Moment völlig ausgeliefert gewesen. Wie es sich wohl angefühlt hätte ihn zu küssen? Augenblicklich schüttelte sie den Kopf, dieser Gedanke war absolut bescheuert und verstieß gegen jegliche Regeln die sie sich einst selbst auferlegt hatte, doch der Gedanke blieb und hielt sie gefangen. Sie wusste schon längst, obwohl sie Kader frei gegeben hatte, dass er sie nicht in Ruhe lassen würde. Dennoch sah sie immer wieder vor sich wie schrecklich zugerichtete er ausgesehen hatte. Live wollte sich gar nicht ausmalen welche Schmerzen er heute nach dem Aufwachen haben würde.
Dabei kennst du den Schmerz, wenn man so verunstaltet wird. Wenn man so von einer anderen Person berührt wird und noch viel weitgehender misshandelt wird. Schollt ihre innere Stimme sie.
Natürlich hatte sie ihre Vergangenheit nicht vergessen und vielleicht war diese auch alles was sie mit Kader in Verbindung brachte. Den Schmerz der Schläge und die Wunden welche ihr zugefügt worden waren. Vielleicht würde alles was sie glaubte für ihn zu empfinden nur von seiner und ihrer Verletzlichkeit herrühren. Genau so musste es sein! Es konnte einfach keinen anderen Grund geben, wieso diese beiden zusammengehörten.
Er muss weg, ich darf ihn nicht noch einmal so nahekommen, dann wird dieses verdammte Gefühl auch verschwinden. Er würde mich nicht verstehe! Kader wäre wie alle anderen, wenn er wüsste was passiert ist. Wo ich war. Mit diesen Gedanken tauchte Live aus ihren Gedanken wieder auf. Sie wusste, dass alles was sie sich versuchte zu sagen nicht stimmte und er eigentlich nicht so war. Doch wenn sie glaubte, dass Kader nicht in ihre Welt gehörte, dann würde sie nicht verletzt werden. Verdammt, dann würde sie Kader nie verletzen. Denn das war alles, zu dem Live fähig war, Menschen die sie liebte verletzen und wegstoßen. Sie würde nicht nur sich selbst weiter zerstören und verletzen sondern auch ihn.
Plötzlich bemerkte Live wie Alexa sie interessiert musterte. Wusste sie etwas? Ahnte sie wie verloren Live eigentlich schon war? Wie sehr sie sich nach jemandem sehnte, den sie gerade erst kennengelernt hatte, der ihr aber einfach nicht mehr aus dem Kopfverschwinden wollte. Oder waren es nur wie immer die üblichen Gemeinheiten die sie sich in ihrem Kopf parat legte um Live das Leben schwer zu machen? Da sie nicht wusste was das andere Mädchen schon wieder vorhatte erwiderte sie deren Blick und verfluchte sie insgeheim wie immer. Nur noch diese paar Stunden und dann würde sie endlich hier wegkönnen.
,,Wer würde Kader White die Sachen ins Krankenhaus bringen?" fragte in dem Moment Miss Glori eine kleine Brünette mit Brille und feinem französischen Akzent, welcher sie wohl auch zu der Besten Französischlehrerin machte, die Willow überhaupt zu bieten hatte.
Wann war eigentlich ein Wort darüber gefallen, dass Kader im Krankenhaus lag? Wusste überhaupt jemand was genau mit ihm los war? Was genau geschehen war? Nicht einmal Live hatte gestern noch mehr in Erfahrung bringen können, als dass er wie nicht anders zu sehen war verprügelt worden ist. Sollte Live ihm die Sachen bringen, immerhin wusste sie ganz genau wo er sich befand? Es kribbelte in den Fingern sich für diese Aufgabe zu melden. Vielleicht könnte sie dann wirklich ein für alle Mal die Sache klären? Zögernd erhob sich gerade ihre Hand als Alexa von ihrem Platz aufsprang und lautstark verkündete: ,,Natürlich werde ich ihm die Sachen bringen, ihr anderen Tussen braucht euch gar nicht um ihn zu bemühen, wir sind schon so gut wie zusammen."
Da konnte Live nicht an sich halten und musste auflachen. Sofort lagen alle Blicke auf ihr und selbst Miss Glori schaute sie voller Verwunderung an, denn so hatte sie Live noch nie erlebt. Alexa schnaubte missmutig und versuchte die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, doch keiner schien ihr mehr Beachtung zu schenken. Vielmehr schien es so, als würden nun alle Live betrachten und abwägen was dieser Gefühlsausbruch zu bedeuten hatte. Das konnte das andere Mädchen natürlich nicht auf sich sitzen lassen und ehe einer hätte reagieren können stand diese plötzlich direkt vor Live und starrte ihr kalt in die Augen.
,,So unser kleines Livchen denkt also sie könnte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen ja?" aufgebracht beugte sich Alexa zu ihr über den Tisch und versuchte sie in Grund und Boden zu starren. Doch nicht dieses Mal, diesmal würde Live sie nicht einfach gewinnen lassen und so stand sie auf. Beide Mädchen standen sich nun Nase an Nase gegenüber und versuchten die andere mit ihren Blicken in Grund und Boden zu stampfen. ,,Alexa ich würde an deiner Stelle jetzt aufhören, außer du willst, dass du dort landest wo Kader gerade liegt." Lives Stimme war kälter als sie sich selbst je gefühlt hatte, doch plötzlich brodelte alles in ihr auf. All die Jahre der Schikane und stummen Tränen. Die Jahre in denen Live versucht hatte zu heilen und doch immer wieder erneut verletzt wurde, verstoßen, wie von ihren leiblichen Eltern. All ihre Gefühle brodelten auf einmal in ihr auf und Live konnte das Ventil, welches sich in ihr geöffnet hatte nicht mehr schließen. ,,Du drohst mir? Du? Ein kleines, dummes Mädchen, das nicht weiß wo ihre Grenzen liegen? Die von ihren Eltern ..." das war der Moment in dem alles schief ging. Mit einem lauten klatschen flog Alexas Kopf zur Seite und erschrocken hielt sie sich die rote Wange.
Mit Genugtuung stellte Live fest, dass sie hart genug zugeschlagen hatte um einen roten Fleck auf dieser zurück zu lassen. ,,Du wirst ihn nie bekommen, er wird irgendwann wissen was für eine Psycho du bist, was sie mit dir gemacht haben. Wer du bist! Und wenn er das weiß, dann wird er dich nicht mehr ansehen wollen, nicht mehr mit dir reden und dich nie, niemals verstehen! So wie wir es alle tun. Denn das willst du doch oder Live? Du willst verstanden werden. Aber soll ich dir mal eins sagen? Du wirst immer ein Loser sein, eine Verliererin, ein Freak, vor dem sich alle fürchten! Es wäre besser gewesen Live Kamson, wenn du damals gestorben wärst! Und wenn du Kader auch nur ein einziges Mal zu nahe kommen solltest, dann werde ich Wege und Mittel finden dich zu zerstören!"
Live, welche sich schon von Alexa abgewendet hatte um den Raum zu verlassen drehte sich noch einmal um. ,,Tja, dafür sollte es zu spät sein Alexa, denn ich war gestern Abend schon bei ihm!" Im selben Moment, wie die Worte ihren Mund verließen bereute sie es diese Ausgesprochen zu haben.
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