Kapitel 10

Als Kader am nächsten Morgen aufwachte war er sich nicht sicher, ob das Mädchen wirklich da gewesen war oder ob sie ein Gespenst seiner Träume gewesen war. Dennoch fühlte es sich so an, als könne er noch immer den sanften Druck ihrer Lippen auf seiner Stirn spüren und dann fühlte er den unsagbaren Schmerz, welcher am Vortag durch die starken Medikamente unterdrückt worden war. Sein Körper schien zu glühen, sein Kopf zu explodieren und es gab anscheinend keine Stelle, die nicht schmerzte. Plötzlich tauchten die Bilder von gestern wieder in seinem Kopf auf und er erinnerte sich was passiert war, doch nach dem Attentat Steves Freunde auf ihn erinnerte er sich an nichts mehr. Augenblicklich schloss er wieder die Augen und versuchte das grelle Licht welches unaufhörlich auf ihn schien aus seinen brennenden Augen zu verbannen.

,,Fuck, was ist das?" vorsichtig versuchte er erneut seine Augen zu öffnen und langsam gewöhnte er sich mit einem leichten Schwindelgefühl an die Helligkeit. Er wusste im ersten Moment nicht wo er war, doch ein stätiges Piepen neben ihm verriet ihm, dass er in einem Krankenhaus sein musste. Jede Bewegung tat weh und er fragte sich, was diese Schläger gestern alles kaputt gemacht hatten an und in ihm. Als er über seine Stirn wischte schoss ihm erneut das Bild und die Worte des gestrigen Abends vor die Augen. ,,Live." Immer wieder murmelte er leise ihren Namen, als würde er sie dadurch erreichen können, doch er war sich sicher. Sie war hier gewesen, bei ihm und hatte ihn erneut weg gestoßen. Ich werde alles tun, damit du dich mir öffnest! Plötzlich schwang mit einigem Elan die Tür auf und sein kleiner Bruder rannte gefolgt von einer besorgten Inka zu ihm.

Kurz schloss Kader die Augen und dachte noch einmal an das Mädchen, zu welchem er sich so hingezogen fühlte, wie er es nie für möglich gehalten hatte. Doch nun war er hier, in der Realität und bei seiner Familie. ,,Kader, Kader!" aufgebracht sprang sein Bruder zu ihm aufs Bett, wodurch er diesem nichts ahnend erneut lauter Schmerzen bescherte und musterte ihn besorgt. ,,Hey kleiner Kerl, mir geht es gut!" zumindest versuchte er zu lachen, doch es klang viel mehr gequält als ehrlich. ,,Wer war dieser Kerl? Ich mache ihn platt, der das meinem armen Jungen antut!" aufgebracht kam Inka zu ihm und drückte ihn herzlichst an sich. Jon kam dazu und gemeinsam erdrückten sie ihn beinahe.

,,Leute! Leute! Ihr ... ich brauche Luft!" nach Luft schnappend versuchte Kader die zwei von sich fern zu halten. Er wollte die zwei gerade nicht sehen, er wollte niemanden sehen, niemanden außer Live. Er spürte, dass sie ihn verstehen würde, dass sie wusste was er empfand und sehen konnte wie er wirklich war. ,,Natürlich, verzeih uns!" schnell zog Inka auch Jon mit sich zurück. ,,Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als gestern Nachmittag der Anruf kam und dann bist du auch noch nicht aufgewacht." Aufgebracht sprach sie sich in Rage und Kader konnte deutlich sehen wie sie versuchte die Tränen zurückzuhalten. Er liebte Inka wirklich, doch im Moment konnte er ihre sensible Art einfach nicht gebrauchen. Jedoch zu feige etwas zu sagen und sie damit zu verscheuchen ertrug er die beiden, welche das einzige waren, was von seiner Familie noch übrig geblieben war.

,,Mir geht es wirklich gut Inka! Ich hab nur ein paar Schmerzen, sonst bin ich morgen wieder fit und kann wieder zur Schule!" lächelnd versuchte er die aufgebrachte Frau zu beschwichtigen. Doch diese lachte nur perplex auf: ,,Schule? Kader hast du Fieber?" Stirnrunzelnd legte sie ihre Hand auf seine Stirn. ,,Was ist denn in dich gefahren? Seit wann geht mein Kaderlein freiwillig in die Schule? Nicht, dass ich mich beschweren wollen würde, wenn du endlich mal deinen Hintern hoch kriegst."

,,Naja, du willst doch, dass ich mich hier einfüge oder nicht?" er konnte ihr ja schlecht den wahren Grund verraten wieso er zurück wollte, zu wem er wollte. ,,Du bl..." doch der hereinkommende Arzt unterbrach Inka mitten im Satz.

,,Guten Morgen Frau White! Gut dass ich Sie antreffe, ich bin Herr Keller, der momentan behandelnde Arzt. Ihrem Sohn geht es soweit gut, er hat sich zum Glück nichts gebrochen, seine Arme und Beine sind zwar leicht geprellt aber er hat sonst 'nur' eine leichte Gehirnerschütterung davon getragen. Da heute Donnerstag ist möchten wir ihn noch bis Samstag hier behalten um ihn weiterhin zu beobachten. Nur falls doch noch etwas passieren sollte. Denn auch mit einer leichten Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen." Beendete der braunhaarige, schlanke und großgewachsene Mann seine Ansprache.

Inka konnte ihn nur verwundert ansehen: ,,Ähm ... tut mir leid, aber ich bin nicht seine Mutter. Ich bin das Hausmädchen der Whites!" ,,Oh, verzeihen Sie, ich dachte nur weil ... naja egal, wann kann ich mit Frau White rechnen? Wir brauchen ihre Unterschriften für die Behandlung und so weiter." Kam prompt die Antwort und man sah deutlich, wie sich ein leichter rosa Schimmer über seine Wange legte. Ihm war das sichtlich Kader, dass er Inka für Kaders Mutter gehalten hatte, immerhin war er noch nicht lange Arzt im Krankenhaus. Doch die Frau schaute nur entschuldigend zu dem Jungen im Bett und nahm sanft seine Hand, da begriff Kader schon, bevor sie es aussprach. Seine Mutter würde nicht kommen.

,,Nun, Miss White befindet sich momentan im Ausland wegen ihrer Arbeit, sie wird so schnell nicht wieder hier sein. Aber wegen den Unterlagen habe ich eine Vollmacht." Klärte sie den jungen Arzt auf, welcher nun etwas betreten aussah, nachdem er das vor wutverzerrte Gesicht von Kader sah. ,,Wenn dem so ist, dann werde ich meine Visite nun fortsetzen und wir sehen uns spätestens Samstag zu Kaders Entlassung wieder!" schnell verschwand er aus dem Zimmer und machte sich wieder an die Arbeit. Inka lachte nur. ,,Die Jungsprunde heute!" dann erhob sie sich auch schon und schaute zu John: ,,So du kleiner Rabauke, dann bringen wir dich mal schnell in die Schule! Nicht dass du mir hier auch noch so ein Schwänzer wirst!" damit legte sie neben Kader eine große Reisetasche ab und erhob sich von dem Bett.

,,In der Tasche sind ein paar Klamotten von dir und ich hab dir deinen Laptop und ein paar Bücher eingepackt. Falls du noch was brauchst schreib es mir einfach, wir kommen heute Nachmittag noch einmal vorbei!" Kader nickte nur und verabschiedete sich von den beiden, er war noch zu sehr von der Nachricht verletzt, dass seine Mutter nicht kommen würde. Was habe ich denn eigentlich erwartet? Zumindest ein kleiner Funke war da gewesen, dass seine Mutter kommen würde. Doch wie immer hatte diese Frau seine letzte Hoffnung im Keim erstickt. Bevor Kader weiter an sie denken musste machte er sich daran, zu sichten was Inka ihm alles eingepackt hatte, Klamotten und neben den von ihr genannten Sachen befanden sich auch noch ein paar Süßigkeiten in der großen Tasche. Er verstaute alles und begab sich dann, nachdem er sich frisch gewaschen und umgezogen hatte auf eine Erkundungstour durch das Krankenhaus. Was Live wohl gestern hier gemacht hatte? Vielleicht war sie bei einer Kontrolle? Ob ich sie noch einmal hier sehen werde? Erneut kreisten seine Gedanken einzig und allein um das Mädchen.

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