8. Kapitel

Harrys Pov

Ich starrte Louis an und wusste nicht so recht, wie ich auf seine Bitte reagieren sollte. Die letzten Tage hatte ich immer das Gefühl, dass ihm das Foltern der Menschen Spaß machte. Doch in diesem Moment schien alles anders zu sein als gedacht. In Louis Augen erkannte ich Angst und Reue. Seine Taten schienen ihm leid zu tun. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für die Gefangenen, doch dafür müsste ich herausfinden, wie ich Louis helfen könnte.  

Gerade als ich Louis antworten wollte, ertönten aus dem Inneren des Hauses Schreie. Mein Blick glitt nur für wenige Sekunden Richtung Tür, doch in diesem Augenblick schien Louis Stimmung wieder komplett zu kippen. Als ich mich ihm wieder zu wandte, blickte ich in die Augen eines Mörders. Sein Blick war eiskalt und er schien nur darauf zu warten wieder Blut vergießen zu können. Auf seinen Lippen lag ein breites Grinsen. 

  "Da möchte Jemand spielen", stellte der Brünette schon fast begeistert fest und war ziemlich schnell auf den Beinen. "Komm mit, du darfst zu gucken." 

  "Louis...", setzte ich an, da ich wirklich kein Interesse hatte Jemanden beim Leiden zu zusehen. 

  "Ich habe gesagt, du sollst mitkommen." Das Grinsen war verschwunden. Da Louis augenscheinlich nicht davon abgeneigt war, mich notfalls mit Gewaltanwendung mitzubekommen, nickte ich lieber ergeben und erhob mich von den Stufen der Terrasse. Die noch fast volle Teetasse nahm ich mit. Mir war der Durst vergangen, doch ging von der Tasse eine angenehme Wärme aus, während sich mein restlicher Körper eiskalt anfühlte. Ich wusste nicht, was gleich geschehen würde. Was hatte Louis vor? 

Mein Entführer lief vor. Hin und wieder drehte er sich zu mir um, doch folgte ich ihm brav. Wir gingen zurück in den Eingangsbereich und von dort eine Treppe hinab. Mit jeder Stufe wurde ich unruhiger. Mein Herz pochte wie verrückt und meine Hände zitterten so stark, dass mir schließlich die Tasse aus der Hand fiel. Sie zersprang und der restliche Tee verteilte sich auf dem Boden. Irritiert drehte Louis sich zu mir um. Sein Blick wanderte über die Scherben, ehe er für einen kurzen Moment zu mir hochglitt. Doch dieser Moment reichte, um zu realisieren, dass die Mordlust verschwunden war. Zumindest zum aktuellen Zeitpunkt schien er wieder er selbst zu sein und diese Chance musste ich nutzen, um weitere Schmerzen für eine Person zu verhindern. Ohne Vorwarnung presste ich meine Lippen einfach auf die von Louis, womit ich diesen ziemlich überrumpelte.  Doch Louis begann den Kuss zu erwidern. Seine Arme schlangen sich um meinen Nacken. Ich wusste zwar noch nicht genau, was mit Louis los war, aber ich war mir sicher, dass er von diesem Ort weg musste. Ein Schrei der Gefangenen und seine andere Seite würde wieder zum Vorschein kommen. 

Eilig packte ich Louis Oberschenkel und hob ihn hoch ohne den Kuss zu unterbrechen. Der Kleinere ließ zu, dass ich ihn vom Keller bis ins oberste Stockwerk trug, um ihn dort auf dem Bett abzulegen. Kaum lag er auf der Matratze, löste ich mich von seinen Lippen und setzte mich mit einem Seufzen auf die Bettkante. Still blieb Louis hinter mir auf dem Bett liegen. Keiner von uns sagte ein Wort. Nur langsam beruhigte sich mein Herz wieder und das Gefühl von Sicherheit kehrte ansatzweise zurück. 

  "Harry", durchbrach Louis nach einigen Minuten flüsternd die Stille. Ich brummte als Reaktion, sah ihn jedoch nicht an. "Hab ich ...?" Ich schüttelte den Kopf, woraufhin der Brünette erleichtert aufatmete. 

  "Aber du wirst es irgendwann wieder versuchen und vielleicht kann ich es dann nicht verhindern. Dieses mal war es doch auch nur Zufall. Erklär es mir, Louis, was ist hier los?" Ich sah zum Angesprochenen, welcher sich inzwischen aufgesetzt hatte. 

  "Ich...", begann er, brach jedoch ab und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. "Ich verstehe es doch selbst nicht mehr. Ich hab die Kontrolle über mich selbst verloren. Mir ist bewusst, dass dort unten Menschen gefangen sind. Menschen, die von geliebten Menschen vermisst werden. Es ist meine Schuld, dass sie hier sind. Ich bin verantwortlich für jede ihre Verletzungen. Sie sollten nicht hier sein, sondern irgendwo, wo sie vor mir in Sicherheit sind. Doch ich schaffe es nicht sie zu befreien. Jedesmal wenn ich es versuche, verliere ich unterwegs das Ziel vor Augen. Es ist wie ein Filmriss und wenn ich dann wieder hier oben bin, ist alles voller Blut. Ich hab versucht, mich hier oben selbst einzusperren, die Polizei zu rufen, mich aus dem Fenster zu stürzen ... aber egal was ich tuen will, es kommt nie soweit. Stattdessen wache ich ständig voller Blut auf und in diesem beschissenen Notizbuch ist ein neuer Eintrag, über die Art und Weise wie ein Mensch leiden oder sogar sterben musste. Ich weiß genau, was ich schon alles getan habe, weil alles in dem Buch notiert ist und es wird immer schlimmer. Die Abstände zwischen den Momenten, in denen ich bei klaren Verstand bin, werden größer. Laut den Einträgen vergehen teilweise mehrere Tage bis ich wieder ich bin, also wenn das hier überhaupt noch ich bin. Ich weiß nicht mehr weiter, Harry. Du musst mir helfen ... Nein, du musst den Leuten da unten helfen, bevor ich ihnen wieder wehtun kann ... bevor ich sie töten kann." Verzweifelt und mit Tränen in den Augen blickte Louis mich an, während mir keine passenden Worte einfallen wollten. Die neuen Informationen musste ich erst einmal verarbeiten, weswegen ich Louis schweigend an mich zog und die Arme fest um ihn schlang. Der Brünette klammerte sich an mich, während er das Gesicht an meiner Schulter vergrub. Ich hielt ihn einfach fest und wollte für ihn da sein. Wir mussten gemeinsam eine Lösung finden, doch dafür müsste ich erstmal meine Gedanken sortiert haben und Louis sich beruhigt. 

Es vergingen mehrere Minuten ohne das ein weiteres Wort gesprochen wurde. In meinen Armen schlief Louis schließlich ein. Ich hielt ihn noch eine Weile fest, ehe ich ihn vorsichtigt hinlegte und zudeckte. Dann erhob ich mich vom Bett und verließ das Schlafzimmer. Ich könnte den Moment zur Flucht nutzen, aber ich wollte Louis nicht in den Rücken fallen, also blieb ich, um eine andere Lösung zu finden. 

Im Wohnbereich ließ ich mich auf der Couch nieder. Mein Blick fiel direkt auf ein in Leder gebundenes Notizbuch, welches ziemlich abgenutzt aussah. Kurz sah ich zur geschlossenen Schlafzimmertür, ehe ich das Buch in die Hand nahm, wobei ich bereits vermutete, dass es sich um das von Louis  erwähnte Notizbuch handelte. Meine Vermutung bestätigte sich bereits auf der ersten Seite. 


Tag 1 

Michael  Smith, 47 Jahre alt, ist seit heute zu Besuch. Er ist als erster Gast bei mir eingezogen. Scheinbar fühlt er sich nicht besonders wohl in meiner Heim, doch es interessiert mich nicht. Warum auch? Lange wird er hier eh nicht leben. Ich hatte mir für den ersten Gast etwas besonderes gewünscht, doch habe ich mit Michael einen verweichlichen Bubi erwischt, der bereits jetzt um Gnade fleht. Es wird mit ihm vermutlich ein kurzes Spiel. Beim nächsten mal muss ich meine Auswahl genauer überdenken. Aber bekanntlich ist ja jeder Anfang schwer. 

Ich habe Michael mit einem Baseballschläger von hinten niedergeschlagen, als er auf einem verlassenen Parkplatz in sein Auto steigen wollte. Er hat aufgeschrien, doch sein Schrei blieb ungehört. Es kam keine Hilfe. Im nächsten Moment war er bereits bewusstlos. Das Ziel war erreicht, doch die Variante mit dem Baseballschläger ist noch nicht optimal. Zukünftig werde ich noch etwas herum probieren müssen, wie ich meine Gäste am Besten zu mir bekomme. 

Inzwischen befindet sich Michael in seinem Zimmer im Keller. Er hat mir erzählt, dass er Familie hat, die ihn liebt und braucht, aber das stellte sich als Lüge heraus. Auf seinem Handy sind keinerlei Bilder von Kindern, doch dafür Nachrichten einer Frau. Sie möchte, dass er endlich die Scheidungspapiere unterschreibt und er soll aufhören sie zu belästigen. Sie wird ihn nicht vermissen. Ich tue ihr einen Gefallen. Weil Michael mich angelogen hat, habe ich mit dem Baseballschläger mehrmals auf ihn eingeschlagen. Ich denke, ein paar Rippen sind geprellt oder gebrochen. Innere Verletzungen können nicht ausgeschlossen werden. Es wäre schade, wenn der Spaß jetzt schon endet. Vermutlich sollte ich mich lieber schon mal nach neuen Gästen umschauen. 


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Louis hat also einen kleinen Einblick in seine Situation gegeben. Was sagt ihr dazu?

Und was denkt ihr über das Notizbuch? Hättet ihr Interesse an weiteren Auszügen aus dem Buch?

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