16. Kapitel

Harrys Pov

Der Alltag war wieder eingekehrt, zumindest teilweise. 

Seit drei Wochen war ich nun wieder frei und ebenso lang saß Louis inzwischen hinter Gittern. Die Ermittlungen gingen voran, alle Opfer wurden nacheinander befragt und in Louis Haus wurden möglichst viele Spuren gesichert. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen wollte man mir nicht all zu viel verraten, aber alles schien für Louis Schuld zu sprechen. Ich wusste nicht, ob Louis die Möglichkeit erhalten hatte, sich zu all dem zu äußern oder ob er vielleicht schon längst gestanden hatte, da es bei dem einem Besuch geblieben war. Das Besuchsverbot galt nun auch für mir, weswegen ich nur hoffen konnte, dass es dem Brünetten den Umständen entsprechend gut ging. Vor allem war ich froh, dass die Todesstrafe in England schon vor einigen Jahrzehnten abgeschafft wurden war. 

  "Harry, alles in Ordnung?", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Fragend sah ich zu Niall auf, der mir gegenüber am Tisch in der Mensa saß. "Du brauchst dein Gemüse nicht so zu quälen, es hat dir nichts getan."

  "Lass Harry in Ruhe", mischte sich Taylor sofort ein, die dabei ihre Arme um meinen Oberarm schlang und sich an mich lehnte. "Ignorier ihn einfach." Empört sah Niall die Blondine an. 

  "Jetzt nervt ihn doch nicht alle gleich am ersten Tag", warf Zayn ein. 

  "Ich nerve ihn doch nicht, ich mache mir lediglich Sorgen", stellte Taylor augenblicklich klar. 

  "Ich würde es schon nerven nennen", erwiderte Niall, weswegen Taylor sich ihm zuwandte und bereits den Mund öffnete, um vermutlich einen bissigen Kommentar von sich zu geben. "Ich dachte, du wolltest mich einfach ignorieren", kam Niall ihr zuvor. 

  "Geht's dir wirklich gut?", fragte Liam, der auf meiner anderen Seite saß, leise. Ich nickte lediglich, weswegen der Brünette eine Augenbraue hochzog, was mich zum Seufzen brachte. 

  "Es ist zur Zeit einfach etwas viel und ich weiß nicht so wirklich, was ich fühlen oder denken soll", antwortete ich ehrlich. 

  "Das kann ich verstehen ... also zumindest kann ich es mir vorstellen. Du hast echt ziemlichen Mist hinter dir und dann kommt ja auch noch die Gerichtsverhandlung. Wenn dir das Ganze gemeinsam mit der Uni zu viel wird, wird jeder Verständnis dafür haben, solltest du eine Auszeit brauchen."

  "Nein, etwas Alltag und vor allem Ablenkung tut mir wahrscheinlich gut. Wenn ich nur Zuhause bin, explodiert mir irgendwann der Kopf vom ganzen Nachdenken."

  "Na hoffentlich passiert das diesem Irren, der dich entführt hat. Obwohl, das wäre eigentlich zu harmlos. Er sollte lieber langsamer und qualvoller sterben", mischte Taylor sich ins Gespräch ein. Ich schwieg, wobei ich den Blick wieder auf mein Essen richtete, das ich in den letzten Minuten tatsächlich nur mit der Gabel bearbeitet hatte, statt es zu verspeisen. 

  "Was haltet ihr davon, wenn wir heute Abend alle zusammen etwas unternehmen?", schlug Eleanor vor, vermutlich um das Thema zu wechseln. 

  "Oh ja, lasst uns doch in diese neue Bar", meinte Niall, der sofort Feuer und Flamme war. 

  "Morgen ist Dienstag und wir müssen zur Uni", erinnerte ihn Liam, was den Iren jedoch nur mit den Schultern zucken ließ. 

  "Interessiert doch niemanden, ob wir nun in der Vorlesung sitzen oder nicht."

  "Ich wäre dabei", stimmte Zayn zu. 

  "Ich auch. Was ist mit dir, Harry?", fragte Taylor, wobei sie sich mir zuwandte. Gerade als ich ablehnen wollte, betrat ein junger Mann in Anzug die Mensa und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Meine Freunde folgten meinem Blick. 

  "Wer ist das denn?", wunderte sich Niall. 

  "Woher sollen wir das denn wissen?", antwortete Zayn.  Der Fremde ließ seinen Blick durch die Mensa gleiten bis er bei mir stoppte. Kurz blickte er in eine kleine Akte, ehe er zielsicher auf mich zu steuerte. 

  "Scheinbar kennt er aber Harry", bemerkte Eleanor. Bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, erreichte der Mann unseren Tisch. 

  "Harry Styles?", versicherte er sich. Ich nickte zögerlich. "Hätten Sie einen Moment für mich?"

  "Worum geht es denn?", fragte Taylor einfach für mich. 

  "Es geht um Mr. Tomlinson."

  "Tomlinson? Ist das nicht ...", begann Zayn, jedoch hörte ich ihm nicht weiter zu, da ich direkt aufstand. Die verwirrten Blicke meiner Freunde ignorierte ich und folgte dem Anzugsträger aus der Mensa raus. Wir steuerten ein Klassenzimmer an, welches aktuell leer war. 

  "Mein Name ist Mr. Davies. Ich bin der Anwalt von Mr. Tomlinson", stellte der Mann sich vor. "Die Termine für die Gerichtsverhandlung wurden festgesetzt ..." Ich unterbrach ihn. 

  "Termine?"

  "Es wurden mehrere Tage eingeplant, da vermutet wird, das einer nicht ausreichen wird. Selbst wenn Mr. Tomlinson vor Gericht gestehen würde, müsste noch geklärt werden, welches Ausmaß die Strafe annehmen wird."

  "Er hat also noch nicht gestanden?", hakte ich nach. 

  "Zum Glück nicht. Natürlich spricht alles für seine Schuld, aber bei den Vernehmungen hat er geschwiegen, während seine Familie Kontakt zu mir aufgenommen hat."

  "Was denken Sie, wie diese Verhandlung enden wird?"

  "Ich will ehrlich sein, ein Freispruch ist so gut wie unmöglich. Dafür bräuchten wir mehr als nur ein Wunder, weswegen ich darauf nicht mein Augenmerk legen werde. Wir werden versuchen die Strafe so gering wie nur möglich zu halten."

  "Sie sind der Erste, der mir sowas erzählt. Alle anderen haben versucht mich zu beruhigen, dass Louis jahrelang weggesperrt wird." 

  "Wenn ich mit so einer Aussage in die Verhandlung starten würden, wäre ich ein ziemlich schlechter Anwalt. Normalweise spreche ich mir den Betroffenen gar nicht über die Strafen, da sie lieber die Ziele der Staatsanwälte hören wollen. Jedoch habe ich die Hoffnung, dass Sie eine positive Auswirkung auf das Urteil haben werden. Die Schwester von Mr. Tomlinson, Charlotte Tomlinson, hat erwähnt, dass Sie auf der Seite meines Mandanten sind, auch wenn Sie bei der Ermittlung als Betroffener betrachtet werden. An einem guten Tag von Mr. Tomlinson habe ich auch mit ihm über Sie gesprochen. Er konnte mir nicht so ganz erklären, was genau das zwischen ihnen ist, war sich aber sicher, dass Sie auf seiner Seite stehen, wobei er mich bat, Sie nicht noch tiefer mit ins Chaos zu reißen."

  "Da Sie gerade vor mir stehen, vermute ich, dass Sie nicht auf ihn gehört haben?"

  "Richtig", bestätigte der Anwalt. 

  "Sie sagten gerade, Sie hätten an einem guten Tag mir ihm gesprochen. Was meinen Sie damit?", erfragte ich. 

  "Bei den ersten Gesprächen konnte ich diese extremen Stimmungsschwankungen überhaupt nicht einschätzen. Mal hatte Mr. Tomlinson komplett dicht gemacht, gegen mich gearbeitet oder sonst was für Drohungen ausgesprochen, beim nächsten Treffen oder auch nur einige Minuten später, war er plötzlich wie ausgewechselt und war an einer Zusammenarbeit interessiert, jedoch musste ich die vorherigen Gespräche noch einmal vollständig mit ihm wiederholen, da er jedes einzelne Wort und jede Information vergessen haben zu schien. Das erste Gespräch mit seiner Schwester brachte mir dann etwas Klarheit bzw. die Informationen, die Ms. Tomlinson von Ihnen erhalten hat. Sollte ein Psychologe tatsächlich die Schuldunfähigkeit, also eine psychische Krankheit, feststellen, werden wir auf eine stationäre Behandlung hinarbeiten."

  "Was kann ich tun, um Louis zu helfen?"

  "Das würde ich gerne mit Ihnen in Ruhe besprechen." Mr. Davies hielt mir eine Visitenkarte hin. "Melden Sie sich einfach in den nächsten Tagen, dann vereinbaren wir einen Termin bei mir in der Kanzlei, um alles weitere zu klären."

  "Oder vielleicht bei Louis? Es würde doch sicher Sinn machen, wenn wir das Vorgehen gemeinsam besprechen." Der Anwalt schmunzelte. 

  "Das erste Gespräch würde ich gerne mit Ihnen alleine führen, aber ich schaue mal, was ich bezüglich des Besuchsverbotes erreichen kann. Sollte keine Lockerung möglich sein, können Sie mich gerne zu einem Gespräch mit Mr. Tomlinson begleiten." 

  "Danke", lächelte ich. 

  "Ihre Vorlesung sollte bald beginnen. Melden Sie sich einfach sobald es Ihnen passt. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Mr. Styles."

  "Wünsche ich Ihnen auch", verabschiedete ich mich ebenfalls, ehe Mr. Davies den Raum verließ. Ich steckte die Visitenkarte ein und kehrte zurück zu meinen Freunden, die sich nicht vom Fleck bewegt hatten. Ihnen verriet ich zwar, dass es im Gespräch, um die Gerichtsverhandlung ging, sprach aber über keine Details. 

Sie würden es nicht verstehen und würden mich wahrscheinlich für verrückt halten. 

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