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Sie waren bereits seit ein paar Tagen unterwegs. Ihre Vorräte waren schnell aufgebraucht, weswegen sie sich beibringen musste, wie sie überleben konnten. Essen mussten sie entweder sammeln oder jagen. Zum Jagen brauchten sie allerdings Waffen. Sie besaßen aber nur ein kleines Schnitzermesser, weswegen sie sich erst einmal welche herstellen mussten. Sunja machte sich ständig Gedanken um dieses Mädchen. Ob sie wohl von ihr wusste? Wie sie wohl heißen mochte? Diese Frau -die von dem Mädchen immer nur Großmeisterin genannt wurde- nannte sie nur Mädl. Sunja wurde aus ihren Gedanken gerissen. Hannes kam mit einem Hasen -mit einer erhobenen Hand- an die Lagerstelle, die sie sich vor Einbruch der Nacht aufgebaut hatten. Sunja saß alleine am Feuer. "Hast du dieses Mädchen wieder beobachtet, oder warum starrst du so in die Flammen?" Sie sah zu ihm auf. "Nein, dieses mal nicht. Am Anfang vielleicht, aber da hat sie bereits geschlafen. Sie ist immer recht schnell müde. Kein Wunder, so viel wie sie arbeiten muss. Da wäre ich auch erschöpft. Und FReunde hat sie scheinbar auch nicht, mit denen sie reden könnte, nur diese alte Frau."
"Dann wird es ja höchste Zeit, dass wir zu ihr kommen und sie ein wenig auf andere -oder sollte ich lieber neue sagen?- Gedanken bringen." Er setzte sich ihr gegenüber ans Feuer. "Ich bin gut in sowas."
"Wie genau, meinst du das?"
"Soll ich es dir zeigen?" Da war wieder dieses Aufblitzen, in seinen Augen. Angewidert zog sie ihren Mundwinkel nach oben, dass er ihren Eckzahn sehen konnte. "Nein, danke, ich glaube ich bin ausreichend bedient. Hier draußen gibt es genug neue Dinge für mich zu entdecken, die meiner Aufmerksamkeit sicher mehr bedarf."
"Wenn du meinst. Ich kann es dir nur anbieten. Aber ich kann dir nur sagen, dass du definitiv etwas verpasst."
Selbstverliebter, überheblicher, Ich sollte nicht so denken. Dieser Kerl bringt mich noch um den Verstand! Aber nicht auf diese Art wie er es gerne hätte.
Sie schüttelte nur wieder mit ihrem Kopf, nicht wissend, was sie darauf erwidern sollte. Jonas kam hinter ihr zum Vorschein. "Ich habe ein paar Früchte gefunden." Etwas erschrocken drehte sich Sunja zu ihm um. Jonas hatte davon nichts mitbekommen, doch Hannes sah ihr etwas belustigt dabei zu. Jonas setzte sich einfach neben sie. Auch er wurde ihr langsam etwas zu aufdringlich. Sie wunderte sich, was plötzlich mit ihm los war -und auch mit Hannes. "Magst du welche haben?" Er sah ihr direkt in die Augen und hielt ihr seine Hand entgegen, die voll mit Beeren war. Sie nahm sich dankend eine, wissend, dass er nicht aufgeben würde, ehe sie eine nahm, wenn sie abgelehnt hätte. Seine Augen wurden wärmer und ruhiger, doch da war noch etwas. Sie wusste nicht genau, was es sein sollte. Sie rückte ein wenig von ihm ab, da sie merkte, wie er ihr unauffällig näher kam. Um es nicht aussehen zu lassen, als würde sie ihn nicht mögen, tat sie so, als würde sie sich ihr Bettlager zurecht rücken. "Etwa schon müde, Sonnenschein?"
"Nein, aber wenn ich es werde, hätte ich mein Bett gerne fertig, damit ich dann nichts machen muss, wenn ich nur noch meine Augen zumachen will." Sie sah ihn ein wenig finster an. Er grinste einfach nur. Und dann noch dieses Funkeln in seinen Augen. Ein Gribbeln machte sich in ihr breit. Sie glaubte schon zu spüren, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Aber das musste nicht an seinem Blick liegen, von dem sie nicht mehr los kam, es konnte auch daran liegen, dass Jonas plötzlich mit seinen Fingern über den Rücken von ihr streichte. Ein unwohles Gefühl, dass ihr nicht gefiel. Sie mochte Jonas, aber seine plötzliche aufdringliche Art gefiel ihr nicht. "Jonas, willst du dein Bett nicht auch langsam mal herrichten? Du wirst sicher auch bald zu müde dazu sein. Außerdem wollen wir morgen doch früh aufstehen. Da willst du sicher noch genügend Schlaf abbekommen."
"ja, ist gut." Er sah traurig aus, sagte aber sonst nichts weiter. Er stand nur auf und rollte seine Felle aus. "Dann werde ich wohl auch mal. In der Zeit kannst du ja den Hasen auf dem Feuer zubereiten. Keine Sorge, ich habe ihn bereits gehäutet und auseinander genommen." Sie wusste, was er ihr damit sagen wollte. Sunja mochte es nicht, die Tiere zu häuten oder sie auszunehmen. Von dem Geruch wurde ihr schlecht. Außerdem ließ sie der Gedanke nicht los, dass dieses Tier einmal am leben war. Sie hatte nie Fleisch gegessen -auch wenn es eher daran lag, dass in der Höhle kein Platz dazu war. Die Jungs konnten kaum genug von dem neuen Geschmack bekommen, der ihre Zunge erfüllte. Sie fanden den Geschmack wunderbar. Sunja blieb lieber bei den Früchten, auch wenn ihr klar war, dass sie früher oder später auch Fleisch essen musste. Ihr war später lieber. Und selber töten würde sie die Tiere wohl niemals können. Aber auch das wurde glücklicherweise für sie übernommen. Sunja nickte nur. Sie achtete zwar auf den Hasen, aber auch darauf, wie Hannes sein Bettlager vorbereitete. Jonas eifersüchtigen Blick bemerkte sie dabei jedoch nicht ein bisschen. Sie beachtete ihn nicht sonderlich, das machte ihn wütend. Sie beachtete ihn schon, aber nicht auf die Art, wie er es gerne hätte. Und das machte ihn nur noch wütender. Hannes bemerkte ihren Blick und lachte innerlich. Es war genau das, was er wollte: Ein Mädchen, das ihn zu lieben begann. Er hatte oft genug bei den anderen Jungen und Mädchen gesehen, dass die Mädchen den Jungen eher verfallen waren, wenn sie solche Neckereien entgegen bekamen. Das hatte er sich als Vorbild genommen. Und auch wenn sie so tat, als würde sie ihn für einen Kotzbrocken halten, so schien sie ihn ja dennoch immer Beachtung zu schenken. Und an ihn denken würde sie sicher auch die ganze Zeit. Sie würde das zwar nie zugeben -und vielleicht hatte sie es selber auch einfach noch nicht verstanden- aber seiner Meinung nach sah es sehr so aus, als wäre sie in ihn verliebt -zumindest ein kleines bisschen. "Bin ich solch eine Augenweide oder warum starrst du mich so an, Sonnenschein?", fragte er sie, mit seinem Rücken in ihre Richtung gewandt, immer noch damit beschäftigt, die Felle herzurichten. Etwas entrüstet schnappte sie nach Luft. "Was? Nein! Einer wie du doch nicht!"
Man kann sich zwar leicht in seinen Augen verlieren und seine Sommersprossen auf der Nase sehen auch sehr faszinierend aus, aber das muss noch gar nichts heißen!
"Oh und ob. Du guckst einfach viel zu offensichtlich." Er musste grinsen, sah sie aber immer noch nicht an. Sunja sah schnell auf den Hasen und dann wich ihr Blick wieder zu ihm zurück. "Woher willst du das schon wissen? Du siehst mich ja nicht mal an."
"Aber ich spüre deinen Blick im Nacken. Ein sehr aufdringlicher Blick. Als würdest du dich nur mit ihm an mich ran schmeißen. Aber wenn du das willst. Und wenn du schon davon redest, dass ich dich nicht ansehe: Willst du denn so dringend, dass ich dich ansehe?" Er drehte seinen Kopf so weit zu ihr nach hinten um, wie es ihm nur möglich war und grinste breit. "Nein! Alles einfach nur nein! Ich will dich nicht sehen und auch nicht von dir angesehen werden!" Beleidigt drehte sie sich weg. Sie sah in die Dunkelheit, sah wie ihr Schatten durch das Feuer flackerte. Einen Moment war sie davon so eingenommen, dass sie gar nicht bemerkte, wie sie angesprochen wurde. Sie sah nur das Flackern ihres Schattens. Es zog sie auf, wie fremdgesteuert. "Sonnenschein!" Erschrocken drehte sie sich um, als sie an ihrer Schulter gepackt wurde. "Was? Was sagtest du?" Mit großen Augen sah sie Hannes an. Er sah ihre Angst in ihren Augen. "Ich hatte gesagt, dass du doch auf den Hasen achten sollst." seine Stimme zeigte ihr, dass ihm ihr Anblick nicht gleichgültig war. Verwunderung und Mitleid schwang ihn seiner Stimme mit. "Ja, stimmt." Langsam drehte sie sich wieder um, nur um Jonas zu sehen. Seine Augenbrauen waren zusammen gezogen, als würde er nicht ganz verstehen, was da gerade geschehen war. Sunja sah auch, dass der Hase bereits von seinem Spieß genommen wurde. Hannes hielt ihr ein Stück hin, doch sie schüttelte nur leicht ihren Kopf, starr mit dem Blick auf das Feuer. Er setzte sich neben sie. 2alles in Ordnung mit dir?"
"Ich, ich hatte nur geglaubt, etwas in den Schatten gesehen zu haben."
"Und was?" Sie hätte mit einem Witz seinerseits gerechnet, aber nicht mit dieser mitfühlend gefragten Stimme. "Ich weiß es nicht. Ich konnte es nicht genau erkennen."
"Dann sollten wir besser ab jetzt jede Nacht einen Wachposten aufstellen. Esst jetzt etwas und dann geht schlafen. Ich werde die erste Schicht übernehmen."

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