4. Aller Anfang ist schwer
Am nächsten Tag war Arthur wirklich wieder in der Vorlesung und tat erst einmal so, als wäre nichts passiert.
Erst als ich ihn fragte, wo er denn ganzen Tag gewesen sei, erklärte er mir sein Verschwinden:
„Eine Freundin von mir ging es sehr schlecht und ich musste mich um sie kümmern"
„Oh, was hat sie denn?"
„Sie wird bald sterben und ich muss ihre letzten Angelegenheiten und Hinterbliebenschaften regeln" erzählte er und wirkte sehr sachlich dabei.
„Das tut mir sehr leid, Arthur, wenn du Hilfe brauchst oder mit mir reden möchtest, kannst du immer zu mir kommen" meinte ich ehrlich mitfühlend und war froh darüber, dass so etwas in meinem Umfeld noch nicht passiert war.
„Danke Froy, das weiß ich sehr zu schätzen und vermutlich kannst du mir sogar mehr helfen als du denkst"
Doch was er damit meinte, konnte er mir nicht erläutern, da unsere Dozentin mit ihrem Unterricht begann.
Im Allgemeinen fiel es mir nicht wirklich schwer dem Unterricht zu folgen und die Inhalte zu verstehen, schließlich hatte ich vieles schon einmal in Fachbüchern gelesen. Doch bei den Hausarbeiten, die wir schreiben sollten, saßs ich länger dran, als ich gedacht hätte.
Geschuldet wurde dies vor allem durch meinen Ehrgeiz. Ich wollte alles perfekt machen und einen guten Eindruck machen.
In diesem Punkt ähnelten Ellie und ich uns sehr; sie war ebenso perfektionistisch wie ich und legte sich richtig ins Zeug bei allem, was sie tat. Im Studium, Sport oder jede andere Leistung, Ellie gönnte sich keinen Fehltritt oder Misserfolg.
Ich wusste, dass ein nicht wesentlich kleiner Grund für ihr Verhalten ihre Familie war. Ihr großer Bruder ist angehender Chirurg, wodurch sie einen unterbewussten Druck spürt. Durch ihr Geografie Studium kann Ellie später in viele Richtungen gehen, von einer Stadtverwaltung, über eine Art Dozentin bis zur Standortplanerin für große Konzerne ist alles dabei. Umso wichtiger ist für sie, etwas aus ihrem Studium zu machen.
Meine Job Chancen sind nicht so breit gefächert, was bei einem Astronomie Studium nichts Wunderns wertes ist. Vermutlich gehe ich, wie viele andere, in die Forschung, anstatt sich zu der Raumfahrt zu begeben. Aber es besteht natürlich auch die Möglichkeit anderen etwas beizubringen, wie in Planetarien oder anderen Museums-ähnlichen Einrichtungen. Obwohl ich nicht glaube, dass ich als Lehrer gut geeignet wäre, da sehe ich mich einfach nicht.
Auf viele Menschen wirke ich steif, gefühlskalt und egozentrisch und ganz abstreiten kann ich das alles auch nicht, schließlich gibt es nachweislich Momente, in denen ich mich so verhalten habe. Vor allem Leuten gegenüber, die ich nicht leiden kann.
Auch wenn man bedenkt, dass ich oft lieber unter freien Himmel in meinen Gedanken als unter Menschen bin, lässt mich nicht gerade normal wirken.
Früher gab es Lehrer, die meine Interessen nicht verstanden und fuchsteufelswild wurden, wenn ich ihnen erklärte, dass ihr Unterricht und meine nicht gemachten Hausaufgaben für mich sinnlos waren. Wütend zerrte mich also einmal ein Lehrer zum Direktor der Grundschule, auf die ich damals ging, und beschwerte sich über mich. Ich sei respektlos und wäre kein normales Kind, weil ich eben so emotionslos sei. Der Direktor hatte nicht viel erwidern können, denn ich hatte ihn schon oft wegen solcher Diskussionen sehen müssen.
Meine Eltern versuchten mich immer zu unterstützen, aber natürlich musste ich auch einen guten Abschluss machen, damit ich das Studium machen konnte. Als mir das klar wurde, ließ ich die Diskussion sein und erledigte meine Hausaufgaben. Doch oft genug fragte ich mich, warum ich das alles tun musste.
Gefühlt war ich vielen meiner Schulkameraden in einigen voraus. Mein Kopf schien die Dinge anders zu verarbeiten und beschäftigte sich schon im frühen Alter mit dem Sinn des Lebens. Was dazu führte, dass meine Religionslehrer mich nahezu hassten, als ich immer wieder ihre komplette Argumentation für Gottes Existenz entkräftete bzw. in Frage stellte.
Doch je weiter ich in manchen Bereichen hinauspreschte, desto mehr hing ich im Sozialen und Zwischenmenschlichen zurück. Deswegen hatte ich meinen ersten Kuss nicht aus Liebe, sondern aus Notwendigkeit, um nicht weiter aufzufallen. Dass sich dadurch eine Art Negativ-Schleife entwickelte, konnte ich nicht ahnen.
Als sich unsere Doppelstunde dem Ende näherte und mein Magen leise zu grummeln begann, kam ich auf eine nahezu verrückte Idee.
Warum sollte ich nicht einmal zum Edition fahren und mir dort was zu essen holen, ich könnte auch Ellie was mitbringen, schließlich hatte ich das schon seit Tagen vorgehabt.
Und ich könnte mich kurz mit Hera unterhalten, zwar nur ein paar Minuten, aber immerhin.
„Arthur, ich bin in der Pause kurz weg, warte nicht auf mich. Ich komme dann direkt zum Unterricht von Professor Harris" tippte ich meinen Freund kurz an und erzählte ihm leise von meinem Vorhaben.
Dieser schien verwundert über meine Idee zu sein, was ich ihm nicht verübeln konnte, da ich sonst immer in den Pausen dablieb. 30 Minuten waren schließlich auch nicht viel Zeit für einen Ausflug.
„Mach was du möchtest, wir sehen uns ja gleich wieder"
Ich nickte und war einer der ersten, der aufsprang, als der Unterricht beendet wurde.
Ich flitzte aus dem Vorlesungssaal heraus, durch die Gänge und die Treppen hinunter zu den Fahrrädern. Eilig ging ich zu meinem Rad und schlängelte mich an den Studenten vorbei, die gerade erst ankamen.
Zwischen fünf und zehn Minuten würde ich brauchen, um beim „Edition" zu sein, wenn ich mich beeilen und vielleicht auch über dunkelgelbe Ampel fahren würde.
Mit einem leichten Lächeln, das ich mir nicht erklären konnte, stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr los.
Ich wusste, dass ich zu spät kommen würde oder es vielleicht gerade noch rechtzeitig schaffen würde. Und trotzdem tat ich es und ging das Risiko ein.
Warum? Ich wusste es nicht.
Mein Rucksack schaukelte hin und her, als ich stehend in die Pedale trat und das Gelände der Universität verließ und in Richtung Norden fuhr.
Nach etwa sieben Minuten traf ich in der entsprechenden Straße ein und stellte mein Fahrrad wieder an der gleichen Stelle ab und trat schnell in den Laden ein.
Im Café war wieder nicht viel los, doch mehr als gestern. Einige Leute saßen an Tischen, aßen Sandwiches und Pasteten und leider standen auch drei Leute vor mir und wollten etwas am Tresen bestellen.
Ich bewegte mich hin und her, um zu schauen, ob Hera wieder da war und tatsächlich sah ich zwischen den Menschen hindurch ihre blonden Haare, die diesmal umherfolgen, weil sie nicht in einen Zopf gebunden waren.
Etwas nervös, aber diszipliniert, wartete ich, bis die Leute vor mir bestellt und gegangen waren, obwohl ich wusste, dass ich nicht viel Zeit haben würde.
Als ich endlich dran kam, grinste mich Hera breit an:
„Hey Froy. Musst du gar nicht zur Uni?"
„Hallo. Ja, ich habe gerade Pause und wollte mir was zu essen holen" erklärte ich ihr und war froh, dass sich keine weiteren Personen hinter mir anstellten.
„Verstehe, was darfs denn sein? Hast ja bestimmt nicht so viel Zeit"
„Ja, da hast du recht. Ich hätte gerne ein Käse Sandwich und zwei Pasteten zum Mitnehmen, die Nummer 5 bitte" las ich von der Karte ab, die am Tresen platziert war. Das Sandwich würde ich essen und eine der Pasteten war für Ellie gedacht. Ich könnte sie ihr sogar in der Mittagspause geben.
„Wird erledigt" rief das Mädchen, in einem diesmal weißen Oberteil, aus und machte sich ans Werk. Um etwas zu tun zu haben, legte ich ihr schon mal das Geld passend hin.
„Wie lange arbeitest du eigentlich hier schon, Hera?" fragte ich sie nebenbei und beobachtete wie sie das Sandwich belegte und in Papier einpackte.
Sie schien sich über die Frage irgendwie zu freuen und erwiderte lächelnd:
„Erst seit ein paar Monaten, ich bin also auch noch gar nicht so viel länger in London als du"
„Wo kommst du denn her?"
Die Frage schien sie etwas verlegen zu machen, denn sie antwortete etwas zögerlich:
„Ich bin viel gereist und bleibe nur so lange an einem Ort, wie es mir passt. Aber zuletzt war ich in München, also einer Stadt im Süden von Deutschland"
„Das ist aber weit weg. Wenn du so viel reist, kannst du bestimmt viele Sprachen sprechen"
„Das kann man so sagen, ja" meinte sie und strich sich durch die Haare.
„Das Café erinnert mich ehrlichgesagt auch sehr an München und ihre Atmosphäre. Dort gab es viele große Wälder und Berge. Naja, vielleicht habe ich auch deshalb dieses „Edition" gewählt und nicht ein anderes in London" sie blickte nachdenklich in die Luft, während sie die Pasteten von hinten hervorholte und ebenfalls einpackte.
„Das verstehe ich nicht, gibt es mehrere „Edition" Cafés?" überlegte ich nachdenklich und hielt mein Kopf leicht schräg.
„Ich dachte, du bist mit Mr Edit befreundet und wüsstest das?" sie lachte leise „Es gibt vier „Editions" und das hier ist von dem Element Erde inspiriert, deswegen auch die vielen Pflanzen"
„Achso und die anderen sind von den anderen Elementen inspiriert"
„Blitzmerker" meinte Hera schelmisch nickend und ich verdrehte grinsend die Augen.
Dann überreichte sie mir die Sachen und legte das Geld in die Kasse.
Dankend nahm ich mein Essen an und eine Stille entstand zwischen uns beiden. Und ich war derjenige, der sie brechen musste.
„Wenn du meinst, du bleibst nur so lange an einem Ort wie es dir passt, wie lange wirst du dann hier bleiben?"
Sie zuckte mit den Schultern und sah mich mit ihren blauen Augen tief an:
„Ich weiß noch nicht. Das hängt davon ab"
„Wovon?"
„So wie sich die Dinge entwickeln"
„Muss ich das verstehen?"
„Du wirst es irgendwann verstehen" sie schüttelte den Kopf und ihr Blick fiel auf eine Uhr, die auf der Holzfläche stand.
Ich folgte ihrem Blick und mir wurde bewusst, dass es höchste Zeit war zu gehen.
Schnell packte ich die Sachen in meinen Rucksack und verabschiedete mich von dem Mädchen:
„Ich muss jetzt los. Wir sehen uns, Hera!"
„Bis zum nächsten Mal, Froy" sie lächelte mir noch einmal zu, bevor ich fast fluchtartig aus dem Laden eilte.
Ich würde mich wirklich beeilen müssen, um jetzt noch rechtzeitig zur Vorlesung kommen zu können. Und Professor Harris konnte Zuspätkommer nicht leiden. Wie war eigentlich auf diese Idee gekommen?
Ich würde mir gerne einreden, dass ich nicht nervös sei, aber es wäre eine glatte Lüge das zu behaupten.
Mein einziger Triumph war wohl, dass ich die Fähigkeit besaß meine Gefühle nicht durchblicken zu lassen. Obwohl ich ja eigentlich nicht aufgeregt sein müsste: Ich kannte Robin und habe schon ein paar Jahre lang Hockey gespielt.
Und doch stresste mich der Gedanke, gleich so viele Leute kennenzulernen, die sich alle schon untereinander kannten und vermutlich befreundet waren.
Wie gesagt, allein sein macht mir nichts aus, aber mein Ruf bereitet mir einfach manchmal zu große Bedenken.
Ich nahm meine Sporttasche aus meinem Fahrradkorb hinaus und sah einige Meter vor mir Robin der mir zuwinkte.
Wie sich herausstellte, war Robin ebenfalls ein recht ruhiger Typ, der seine Worte bestimmt wählte und deshalb manchmal etwas schüchtern wirkte, was er allerdings ganz und gar nicht war. Sein Mitstudent Jack hingegen war laut und aufgedreht und war so mit Arthur die führende Kraft, was unsere Gespräche anging.
Ich erwiderte seine Geste und kam lächelnd auf ich zu: „Hey Robin"
„Na Froy, bist du aufgeregt?" fragte er mich, als hätte er mich sofort durchblickt und ich strich mir durch die Haare. Diesmal klimperten meine Ohrringe nicht, da ich sie für den gleichkommenden Sport abgemacht hatte. Mein Nasen-Piercing hatte ich allerdings abgeklebt, weil ich zu faul war es rauszumachen.
„Ein wenig" gab ich zu und sah mir das Gebäude an vor dem wir standen. Es schien eine Umkleide zu sein, die dann in eine Sporthalle führte. Dahinter schien ein großer Sportplatz zu sein, wo auf der anderen Seite Tribünen und wieder Hallen waren.
„Sind wir draußen oder drinnen?" fragte ich nach, als ich ein paar Stimmen hörte, die sich in der Halle hallten.
„Jetzt im Sommer draußen, aber in der Wintersaison können wir in die Halle, dort ist im Moment ein Tanzkurs. Also falls du gleich Musik hören solltest, wundere dich nicht. Aber komm mit, wir ziehen uns erstmal um, die anderen sind schon ein bisschen länger da"
„Oh" antworte ich nur und fühlte mich leicht gestresst. Ich war extra überpünktlich gekommen, aber ich konnte ja nicht damit rechnen, dass die anderen Jungs noch früher da sein würden. Wenigstens hatte Robin auf mich gewartet.
Ich ging hinter meinem neuen Freund hinterher durch den Eingang in die Umkleidekabinen. Dort zeigte er mir einen freien Spind und wir begannen uns umzuziehen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der helle Fleck, den Robin am Hals hatte, nicht der einzige auf seinem Körper war. Wie eine Ranke schlang sich die helle Haut um seinen Körper und es sah auf irgendeine Art elegant aus. Es machten ihn auf jeden Fall besonders. Und doch war ich froh, dass mein Körper nicht so auffällig war, ich hätte keine Lust auf ewige Blicke und Fragen.
Als wir fertig waren und ich meine Sportshorts und T-Shirt anhatte, kramte der Schotte in einem anderen Spint und holte einen Hockey Schläger heraus. Ein mittellanger Stab, der unten wie ein Boomerang gebogen war, um damit den Ball zu schlagen.
Er warf ihn mir zu und ich fing ihn auf. Dabei fielen mir seine ausgeprägten Muskeln an Armen und Beinen auf. Er schien oft zu trainieren und jetzt in den kurzen Klamotten sah man das auch wirklich.
„Hier für dich. Wie es aussieht, hast du keinen eigenen Schläger, das aber nicht schlimm"
„Danke dir"
„Kein Ding, na komm wir gehen zu den anderen" meinte er, nahm einen zweiten Schläger aus dem Spind und ich nickte bestätigend.
Da ich noch nie in dieser Sporthalle gewesen bin, blieb mir wieder nichts anderes übrig als hinter ihm herzulaufen.
Wir traten in die große Sporthalle hinein, in dem sich einige Mädchen aufhielten und ein paar aufwärmende Übungen machen. Im Moment lief noch keine Musik.
Wir steuerten auf eine Tür an der rechten Wand der Halle zu, die vermutlich nach draußen führte.
Als die Mädchen uns erblickten, winkten sie uns zu und eine kleinere mit langen schwarzen Haaren rief „Hallo Robin!" herüber und lächelte dabei.
Dieser drehte sich zu dem Mädchen um und winkte ihr kurz lächelnd zu. Ich war mir nicht sicher, ob er das nur aus Höflichkeit tat oder ob ihm die Tänzerin gefiel. Auf jeden Fall freute sie sich über seine Geste.
Auch Ellie hatte sich gefreut, dass ich ihr zum Mittagessen eine Pastete mitgebracht hatte.
Tatsächlich war ich ganz knapp noch rechtzeitig zum Unterricht gekommen. Um genau zu sein, war ich der letzte, der hinter Professor Harris noch durch die Tür des Vorlesungssaals gefilzt war. Ich war mir sicher, dass er mich gesehen hatte, doch gesagt hatte er zum Glück nichts.
Als wir durch die Tür gingen, standen wir wirklich am Rande des großen Grasfeldes und entgegen der eher tiefen stehenden Sonne sah ich einige Gestalten herumlaufen.
Anscheinend scheinen die anderen uns bemerkt zu haben, denn plötzlich kamen etwa zwanzig Leute auf uns zu gelaufen. Ein großer Junge mit dunkler Haut sprang Robin fast in den Arm, der darüber amüsiert lachte.
Ich richtete mich unterbewusst etwas gerade auf und kreuzte meine Arme vor der Brust, meinen ausgeliehenen Schläger weiter in der Hand.
Die anderen schauten mich interessiert an und teilweise wich ich den vielen Blicken aus und konzentrierte mich auf Robin, den einzigen, den ich vorher jemals schonmal gesehen hatte.
Höflich wie er nun einmal war, stellte er mich direkt den anderen vor:
„Das ist Froy, erstes Semester Astronomie. Er hat schon mal Hockey gespielt und möchte eventuell wieder anfangen"
„Hi" begrüßte ich die anderen höflich.
Manche tuschelten ein wenig, doch viele begrüßten mich ebenfalls. Insgesamt war es eine bunt gemischte Truppe von Jungs. Manche sahen schon recht alt aus und ich schätze, dass sie zu den letzten Semester Studenten gehörten. Dann trat ein Mann hervor, der eindeutig bejahrter als die anderen war und stellte sich als Trainer vor:
„Freut mich, dass du Interesse hast, Froy. Ich bin Harvey und der Trainer für diese Gruppe. Wie ich sehe, hat Robin dir schon einen Leihschläger gegeben. Falls du tatsächlich weiterspielen möchtest, besteht auch keine Eile, dass du dir einen Eigenen kaufst. Gibt es eine Position, in der du früher gespielt hast?"
Ich schüttelte den Kopf: „Nein, ich wurde auf allen möglichen Positionen eingesetzt"
„Na dann schauen wir mal, wo wir dich gebrauchen können. Aber nun erstmal alle aufwärmen. Fünf Runden um den Platz joggen und danach den aufgebauten Parkour!"
Gesagt getan und schon fing die Gruppe an sich zu bewegen und ihre Runden zu laufen. Viele durchlöcherten mich dabei schon mit Fragen, aber teilweise konnten ich nicht mal richtig antworten, weil meine Ausdauerfähigkeit nicht so ausgeprägt war wie die meiner Mitläufer.
Aber ich gab mein Bestes und Robins Kumpel Sam, der fast genauso muskulös war, stellte sich als sehr nett und hilfsbereit heraus. Er zeigte mir nach dem Laufen genau die Slalom Übungen um die Pylonen und langsam bekam ich wieder das Gefühl für Hockey.
Jahrelang hatte ich nicht mehr gespielt und nun war ich wieder auf den Geschmack gekommen. Es war schön Dinge zu schaffen, es musste kein Tor sein, schon alleine das fehlerfreie Schaffen des Parcours machte mich überraschenderweise sehr glücklich. So glücklich sogar, dass ich von Sams Freude angesteckt wurde und ihm fast in den Arm sprang.
Ich hatte nicht mit allen aus der Gruppe zu tun, aber niemand wirkte so besessen vom Sport und Gewinnen wie ich es gedacht hätte.
Auch als Harvey uns im letzten Drittel der zwei Stunden in zwei Gruppen einteilte und wir gegeneinander spielten, fühlte ich mich in die Zeit zurückversetzt, wo ich mir weniger Sorgen um alles gemacht hatte.
Ich wurde für heute in der Verteidigung eingesetzt und als ich einen schweren Schuss anhalten konnte, rief mir unser Torwart lobend zu. Grinsend hatte ich ihm zugenickt und abgeklatscht.
Schweiß lief von meiner Stirn, als die Sonne gnadenlos in mein Gesicht schien und nicht untergehen wollte. Am wolkenlosen Himmel sah ich den silbernen Mond schon schwach aufleuchten und als ich mit meiner Hand über mein Gesicht wischte, hatte ich einen salzigen Geschmack im Mund.
Auch die anderen litten unter der Sommersonne und zogen das Training aber trotzdem durch.
Harvey lobte mich für meine Motivation, gab mir aber auch zu verstehen, dass ich bei dieser Hitze und ohne viel Übung, gerne zusätzliche Pausen machen dürfte. Obwohl das natürlich sehr nett von ihm war, nahm ich mir keine Extra-Pausen, schließlich war ich kein Weichei.
Stattdessen wedelte ich mir Luft mit meiner Hand oder mit meinem Sportshirt zu.
Aus welchen Studiengängen die anderen kamen oder andere Infos konnte ich an diesem warmen Abend nicht mehr erfahren, denn nachdem wir uns abgeduscht hatten, zerstreuten sich unsere Wege. Einige wollten noch etwas essen gehen oder ein Spiel schauen. Andere mussten Lernen oder hatten andere private Sachen vor.
Bei mir war es ja genauso. Ich holte mein Handy heraus und tippte eine Nachricht an Ellie, dass das Training vorbei war und sie zu meiner Wohnung kommen könne.
Ich verabschiedete mich von den anderen und fuhr nach Hause.
Auf dem Weg dachte ich darüber nach, wie viel Spaß das eigentlich gemacht hatte und ich beschloss dieses Hobby, zumindest fürs erste, weiterzuführen.
Meine anfängliche Sorge, die Jungs wären anstrengend oder ich würde einfach nicht dazu passen, hatten sich in Luft aufgelöst. Ich wusste, dass ich mich nicht mit jedem aus der Gruppe verstehen würde, aber das Training zeigte mir eines: Es war gut gewesen meine Heimat zu verlassen und Neues zu wagen.
Ich spürte eine Veränderung in mir hochsteigen, ein angenehmes Gefühl von Vertrauen.
Heute war ein guter Tag und ich hoffte, dass noch viele dieser Art folgen würden.
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