18. Was tue ich hier?

Ich ging mit sehr gemischten Gefühlen zum Feld, um dort Hera zu treffen. Als ich sie nach einem Treffen gefragt hatte, hatte sie überlegt, ob wir nicht mal etwas unternehmen oder zumindest uns an einem anderen Ort mal wieder sehen wollen.
Und im Prinzip hätte ich das gerne gemacht, doch ich wollte etwas in Ruhe mit ihr besprechen und da kam es mir einfach am sinnvollsten vor, wenn wir wieder zum altbekannten Ort gehen würden. Dort wären wir alleine und könnten in Ruhe reden, über... naja, das Universum.
Es würde unsere erstes Treffen nach der Woche Pause sein, die ich bei der Sternenwarte an der Südküste Englands verbracht hatte. Diesen Ort hatte ich gestern zurücklassen müssen, aber Takumis Worte vergaß ich so schnell nicht.
Der junge Mann hatte mir einen Rat gegeben: Mich bloß nicht in komplizierte Dinge hineinzureiten, schließlich war dies meine erste Beziehung. Und zu gerne hätte ich seinen Rat befolgt, doch in mir schlummerte das Wissen, dass ich mich schon in etwas ziemlich Kompliziertes hineinmanövriert hatte. Trotzdem hieß das nicht, dass es keinen Ausweg gab. Aber die Lösung meiner Problematik mit Hera und Ellie würde schwieriger zu finden sein.
Das war der hauptsächliche Grund, warum ich Hera sehen wollte, denn mit ihr war ich schließlich in keiner Beziehung. Ich hoffte so sehr, dass Takumi Recht hatte und ich einfach nur Freundschaft von Hera wollte. Aber umso mehr hoffte ich auch, dass Hera dies ausreichen würde. Um es genauer zu sagen, ob mein Preis damit bezahlt war.

Ich trug nicht oft eine Regenjacke, doch da es vorhin ein wenig genieselt hatte, hatte ich sie mir übergezogen.
Heute war ich ausnahmsweise mal derjenige, der zuerst im Feld war und auf den anderen wartete. Nervös tigerte ich auf und ab, knetete an meinen Händen herum und trommelte mit meinem Finger ungeduldig auf der Rinde der Bäume. Da die Rinde nass war, färbten meine Finger leicht braun und ich wischte mir den Dreck an meiner Jacke ab.
Als ich aufblickte, sah ich eine Person in einer hellblauen Regenjacke auf mich zukommen. Der Gang war entspannt, locker und fast schwebend. Das musste Hera sein.
In der kurzen Zeit, in der ich sie kannte, hatte ich alle Informationen über sie wie ein Schwamm aufgenommen und mir gemerkt. Das Klopfen ihres Herzens, ihre Art zu gehen und ihre Gesichtsausdrücke waren mir bekannt. Ich hätte sie blind in einem Raum voller Leute finden können. Es war schon fast gruselig wie schnell mir das bei ihr gelungen war. Ich konnte nicht leugnen, dass ich eine Störung hatte, die miteinfasste, dass ich Schwierigkeiten mit Menschen hatte und besonders sie zu verstehen. Manchmal vergaß ich Personen, doch Hera war von Anfang an in meinem Kopf verankert gewesen. Sogar schon an dem Tag, als sie im Edition das Geschirr fallen gelassen hatte.

Als sie näherkam, sah ich, dass sie unter ihrem Arm so etwas wie einen Notizblock trug.
Im nächsten Moment stand sie vor mir und umarmte mich vorsichtig:
„Guten Morgen, Froy"
„Guten Morgen" antwortete ich, obwohl ich halb 11 Uhr nicht mehr als Morgen bezeichnen würde „Was hast du denn da dabei?" ich deutete mit meinem Blick auf den Block.
Sie grinste „Ach das, ich dachte, wenn du mir erzählst, wie deine Woche war, male ich nebenbei ein Portrait von dir"
„Von mir?" fragte ich perplex.
„Ja klar, du musst auch nur dasitzen und dich möglichst wenig bewegen" sie zwinkerte mir zu.
Eigentlich wollte ich ja ernst mit ihr reden, aber nein sagen konnte ich irgendwie auch nicht.
„Ähm okay, dann setzte ich mich mal hin" meinte ich langsam und das blonde Mädchen nickte. Langsam setzte ich mich auf die Bank und Hera ließ sich auf einem großen Stein nieder. Dann holte sie den Block und Stifte hervor, schlug eine Seite auf und sah mich dann auffordernd an:
„Und wie war deine Woche? Was habt ihr so gemacht?" sie lächelte mir zu und der Bleistift in ihrer Hand schwebte im Moment noch über dem Papier.
Dieser Aufforderung konnte ich nichts entgegen setzten und begann zu erzählen. Auch versuchte ich mich dabei möglichst nicht zu bewegen, denn sofort fing Hera an zu zeichnen. Erst waren es nur Linien, dann sah ich immer mehr und mehr, dass sie einen Menschen zeichnete. Sie wirkte dabei gar nicht abwesend, sondern stellte mir sogar Nachfragen und zog ihr Werk auch nicht weg, als ich zwischendurch mal einen Blick drauf werfen wollte. Ich war mir nicht sicher, ob mir das Gemalte bis jetzt wirklich ähnlich sah, aber es sah auf jeden Fall gut aus.
Als ich mit meiner Erzählung an den letzten Tagen ankam, stockte ich ein wenig und übersprang den Teil, in dem ich Takumi von Engeln erzählt und nach seinem Beziehungsrat gefragt hatte.
„Wie lang brauchst du denn noch?" fragte ich sie, als ich gerade mit meiner Geschichte fertig war.
Sie blickte kurz auf, sah prüfend in mein Gesicht und meinte dann grübelnd: „Nicht mehr lange, ich mach nur noch ein paar kleine Details, Konturen und so einen Kram. Das hauptsächliche ist sozusagen schon fertig"
„Kann ich dich denn dann jetzt schon Dinge fragen, oder ist das zu viel?" fragte ich vorsichtig nach.
Sie schüttelte den Kopf: „Kannst mir gerne Fragen stellen. Ich bin ja auch schließlich nicht ans Malen gebunden" sie schaute mich heiter an und ich nickte.
Es war mir etwas unangenehm, dass ich nun mit so einem schwierigen Thema die Stimmung kaputt machen würde, aber es musste sein.

„Weißt du, ich habe über Lichtkinder nachgedacht. Und du hast mir ja schonmal erzählt, dass es Lichtkinder gibt, die als Eltern oder auch als Kinder fungieren. Und doch sind es oft Beziehungen, die am meisten zwischen Magneten eingegangen werden. Aber du hast auch gesagt, dass es Freundesbunde gibt. Du warst selbst schon einmal eine beste Freundin von deinem Magneten" zählte ich auf.
Hera nickte, zeichnete aber weiter.
„Ja das stimmt alles, aber am häufigsten sind es Liebesbeziehungen"
„Und woher weißt du vorher, was für eine Verbindung es sein wird? Wenn es Familie ist, ist es ja klar, aber woran merkst du, dass du Freundschaft oder Liebe brauchst?"
Das Mädchen hielt inne und schaute mich an. Ich vermutete, dass sie ahnte, was ich im Sinn hatte, doch sie sprach das Offensichtliche nicht an. Stattdessen beantwortete sie meine Frage:
„Polaris teilt uns dies mit seiner Vision mit. Wir sehen Bilder über euch Magneten, aber unsere Seelen fühlen dann auch etwas. Diese Kommunikation passiert ohne Worte, aber das Gefühl, was uns Polaris übermittelt, ist anders. Wir haben zwar nicht immer menschliche Körperteile, aber so lässt es sich am besten erklären: Wirst du ein Elternteil werden, wird dein Gesicht warm, denn es wird das erste sein, was dein Magnet von dir sehen wird. Wirst du ein Kind, kribbeln deine Beine, denn du wirst Leben in die Welt deines Magneten bringen. Wird ein Magnet dein Freund werden, schießt das Blut in deine Hände, denn du wirst seine halten, um ihm beizustehen und ihm auf seinem Weg zu helfen. Und wirst du Liebe schenken, so schlägt dein Herz im ganzen Körper"
Hera beendete ihre Weisheit und ich wollte meine nächste Frage eigentlich gar nicht stellen.
Auch ihr schien das alles etwas schwer auf dem Herzen zu liegen, denn sie lächelte ein wenig traurig und hielt mir das Bild hin, bevor ich sprechen konnte.
Und tatsächlich sah ich ein Abbild von mir aus Bleistiftstrichen auf einem Stück Papier. Es war unglaublich exakt, dafür, dass sie es in so kurzer Zeit gemalt hatten. Und es wirkte so lebendig, denn meine Ohrringe und Haare hingen nicht einfach herunter, sondern wurden zur Seite geweht.
„Das schenke ich dir" sie nickte mir zu. Sie klang zwar weiterhin freundlich, doch auch irgendwie reserviert.
„Wirklich? Danke, das ist echt schön" antwortete ich ehrlich und doch fühlte sich meine Zunge belegt an.
Ich hielt den Zettel fest in der Hand:
„Und wie hat es sich angefühlt, als Polaris dir die Vision über mich gegeben hat?" fragte ich leise und mir fiel es schwer sie anzuschauen, denn eigentlich war es mir klar, obwohl ich es nicht wahrhaben konnte.
Auch Hera wirkte nicht mehr glücklich, wie noch vor einer Stunde, und langsam hob sie ihre linke Hand und legte sie auf ihre Brust.
„Wie das letzte" flüsterte sie leise.
Ich hatte es geahnt. Ich hatte es gewusst. Und ich hatte gehofft, dass ich falsch lag. Aber so war es nicht. Ich wand meinen Blick von dem Mädchen ab und seufzte schwer.
Froy und Hera: Wir waren dafür bestimmt mehr zu werden als nur Freunde. Das Universum forderte Liebe von mir.

„Ich kann das nicht, Hera" ich raufte mir die Haare und meine Fingernägel kratzen über meine Kopfhaut. Eine Mischung aus Wut und Verzweiflung brach aus mir heraus „Ich liebe Ellie, ich bin mit ihr in einer Beziehung"
Auch sie seufzte und hob beschwichtigend die Hände: „Das weiß ich doch, Froy und es tut mir wirklich leid"
„Warum können wir nicht nur befreundet sein? Ich würde dir so viel Zeit schenken, wie du bräuchtest. Wir könnten doch dafür sorgen, dass ich dir trotzdem genug Energie gebe" sponn ich meine Gedanken weiter und deutete auf meine und ihre Hände.
Doch bevor ich mir allzu große Hoffnungen machen konnte, stand Hera auf und setzte sich zu mir. Diesmal legte sie mir ihre Hand nicht auf den Oberschenkel.
„Das wird nicht funktionieren, Froy. Die Entscheidung vom Nordstern ist nicht anzweifelbar und auch nicht umwerfbar. Ich werde nicht genug Energie bekommen"
„Aber wenn..." versuchte ich mir irgendeinen Ausweg zu überlegen, doch ich wusste selbst, dass es sinnlos war.
„Hey, bitte sei nicht traurig. Wir werden einen Weg finden, doch in dieser Welt werden deine Ideen nicht funktionieren. In einer Parallelwelt wären wir beide vielleicht sogar Sterne" sagte sie in Gedanken und ich spürte, dass sie mich ablenken wollte.
„Wir beide, in einer Parallelwelt?" fragte ich leise und nahm meine Hände, die wie Krallen geformt waren, aus den Haaren.
„Ja, hast du nie über Parallelwelten nachgedacht?"
„Doch" antwortete ich leise, mein Kopf begann zu schmerzen.
„Und glaubst du an sie?" fragt Hera flüsternd und strich mir vorsichtig über die Schulter.
„Ja schon" meinte ich und dachte daran, dass in einer Parallelwelt alles anders sein könnte. Jede Entscheidung, die ich anders getroffen hätte können, würde dort existieren. Und ich wäre vielleicht nicht mal ein Mensch.

Und auch wenn Heras Versuch, mich mit so einem riesigen Thema abzulenken, sehr gut war, flogen meine Gedanken immer wieder zurück. Froy und Hera.
War das Gefühl, was ich ihr gegenüber erlebte, vielleicht doch Liebe und ich kapierte es nur nicht? Und wenn ja, was waren das dann für Gefühle, die ich bei Ellie verspürte?
Ich verstand es nicht. Warum konnte mir niemand meine Gefühle erklären? Sie sozusagen sehen und mir dann helfen? Polaris könnte das vielleicht tun. Er klang wie ein sehr mächtiges Wesen.
Ich schüttelte den Kopf und spürte immer noch Heras Hand auf meiner Schulter. Am liebsten wäre ich fortgerannt. Weg von allem.
„Ich kann dich nicht lieben. Ich kann euch nicht beide lieben" stieß ich aus, das Atmen fing an sich schwer anzufühlen. Insgesamt fühlte sich die Luft schwer an, so dick.
„Doch Froy. Du tust es schon" antwortete sie und ihre Finger fingen an mich leicht zu streicheln, sodass es kribbelte, als würden Ameisen auf mir herumlaufen. Mein rechtes Auge fing an zu zucken und ich ballte meine Fäuste fest zusammen, um einen unüberlegten Reflex zu vermeiden.
„Woher willst du das wissen?" fragte ich sie und bemerkte, dass Vorwurf in meiner Stimme mitklang. Sie konnte mein Inneres nicht sehen, doch sie konnte mich lesen. Im Gegensatz zu mir, fiel ihr das nicht schwer.
Das war das erste Mal, dass ich HR 8832 beneidete. Tatsächlich hatte ich sie nicht für ihr Wissen beneidet, denn mir dämmerte schon seit vielen Tagen, dass ihre Existenz mit allem Drum und Dran mehr Fluch als Segen war.
Nein, ich beneidete sie, weil sie menschlicher war als ich, obwohl sie nicht mal ein Mensch war, sondern eine Sternschnuppe. Es machte mich wütend, dass ihr diese Dinge einfacher fielen als mir. Dass sie leben konnte, wie viele meiner Freunde und Mitmenschen.
Sie seufzte wieder und nahm zum Glück ihre Hand von meiner Schulter, wodurch das Kribbeln aufhörte und meine Adern in meinen Armen nicht mehr wie wild pulsierten:
„Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber als du weg warst, kam Ellie ins Café. Sie hat mir sozusagen gedroht"
„Gedroht?" fragte ich fassungslos und blickte sie an. Ich konnte mir das bei meiner Freundin gar nicht vorstellen. Warum sollte sie sowas getan haben?
Hera schien meine Frage zu spüren, denn sie antwortete:
„Sie beschuldigte mich, dass ich dich verführen würde. Und sie riet mir damit aufzuhören, weil sie sonst nicht mehr so freundlich bleiben würde"
„Heißt das sie vertraut mir nicht mehr?" fragte ich flüsternd eher mich selbst und starrte ins Leere:
„Ich will doch gar nichts kompliziert machen. Ich will doch nur Liebe finden. Und," ich stoppte „ich will einfach nur ich sein können" erschöpft vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und meine Haare hingen in verknoteten und unordentlichen Strähnen herunter. Das kalte Metall der Ohrringe bohrte sich in meine Haut.
Ich spürte etwas Nasses auf meiner Hand und da ich wusste, dass ich nicht weinte, mussten es Regentropfen sein. Doch ich blickte nicht hoch, schützte mich nicht.
Doch ich hätte gerne geweint, ich war erschöpft und vor allem verwirrt.
Es fiel mir schwer mich an Ellie zu erinnern, zumindest an positive Erinnerungen. Nun flammten andere Bilder in meinem Kopf auf:
Ich sah mein Handy mit Ellies enttäuschten Nachrichten, sah wie sie mich wegstieß als ihr Training nicht gut gelaufen war, sah sie wütend, als wir von einem Besuch bei ihren Eltern wiederkehrten und ich sah sie voller Angst, als ich eines Abends betrunken zu ihr gekommen war.
Liebte sie mich denn eigentlich?
Und ein andere Gedanke zerfraß mich immer weiter: Ich war zwar verwirrt wegen der ganzen Lichtkinder Sache gewesen, doch ich wollte nie meine Freundin da mit rein ziehen. Und doch hatte ich es wohl schon getan. Ich war an allem Schuld.

„Hey Froy, sieh mich an" ich spürte Heras Hand auf meinem Rücken, sie war warm.
Langsam nahm ich meine Hände von meinem Gesicht und die Helligkeit des Vormitttags blendete mich.
„Es ist in Ordnung seine Gefühle zu zeigen" flüsterte sie leise und fing an über meinen Rücken zu streichen.
Erst jetzt fielen mir meine klitschnassen Hände auf, mein Mund schmeckte nach Salz und mein Atem ging keuchend. Ich weinte.
Verstörte blickte ich auf meine Hände die leicht gerötet waren und die Tränen tropften von meinen Fingern. Ich verlor die Kontrolle, schoss es mir in den Kopf.
Etwas zögernd drehte ich meinen Kopf zu Hera. Die Sonne schien in ihren Rücken, sodass es mir schwer fiel ihre Gesichtszüge zu sehen. Was hätte es mir schon gebracht, ich hätte sie sowieso nicht verstehen können, dachte ich und blinzelte. Meine Augen juckten höllisch.
Ich wischte mir beschämt übers Gesicht und wollte etwas sagen, irgendetwas äußern, jedoch hatte ich das Gefühl, dass keine Worte aus meinem Mund gekommen wären, sondern nur ein armseliges und verzweifeltes Krächzen. Deswegen brachte ich kein Wort heraus.
Auf Heras Gesicht erahnte ich ein Lächeln, das mich wohl aufheitern sollte. Sie stand langsam auf und hielt mir ihre Hand hin.
Erst blickte ich sie nur verständnislos an und ergriff sie dann. Langsam, aber bestimmend zog mich Hera von der Bank hinauf, sodass ich etwas wackelig auf den Beinen vor ihr stand.
Hera stand direkt vor mir und ich schaute in ihre blonden Haare, da sie direkt auf meiner Augenhöhe waren.
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, denn in meinem Kopf schwirrten plötzlich unglaubliche viele Informationen umher. Als wäre in meinem Kopf ein Weltall schwebender Wörter, Formeln und Bilder. Ich dachte an so vieles und auch wieder an rein gar nichts. War es der mangelnde Sauerstoff, das ruckartige Aufstehen oder meine Tränen gewesen? Ich war mir nicht sicher.
Und das war der Moment, wo ich hätte besser aufpassen sollen. Doch ich hatte es nicht getan.

So spürte ich wie eine Wärme sich in meinem Gesicht ausbreitete und meine verklebten rot geweinten Augen sich ein wenig öffneten, als das blonde Mädchen ihre Hände auf meine Wangen legte und mein Gesicht ganz langsam zu sich heranzog.
Auch meinen Blick lenkte sie in ihr weibliches Gesicht. Plötzlich war ich gefesselt von ihren tiefen blauen Augen, während in meinem Hinterkopf dutzende Namen von Sternforschern in alphabetischer Reihenfolge auftauchten und die Leere meines Kopfes wieder verschwanden.
Auch in Heras Augen sah ich die Sterne, ich sah Lichtpunkte, schwarze Löcher und Planeten im blauen Ozean des Alls wandern.
„Bei mir kannst du, du selbst sein, Froy" hauchte sie und ihr warmer Atem kribbelte auf meiner Haut. Dieses Mal fiel wirklich ein Regentropfen auf meine Stirn und lief über meine Schläfe zu ihren zarten Fingern. Ich spürte den leichten Druck ihrer perfekten Nägel und war wie in Trance.
„Ich werde dir wahre Liebe geben" flüsterte sie sanft und ich spürte ihren gleichmäßigen Herzschlag in ihren Händen, während mein Herz so schnell pochte, dass es bedenklich war.
Dann beugte sie sich nach vorne, schloss ihre Augen und ganz sanft berührten sich unsere Lippen. Aus Reflex schloss ich auch die Augen und plötzlich herrschte Stille in meinem Kopf. Das Einzige, was ich spürte, war dieses Mädchen.
Ihre Wärme ging über in meinen Körper und das Gefühl was sich in mir breit machte, fühlte sich so gut an. Ich wollte mehr davon.
Unsere Lippen berührten sich nur ganz zart, bis ich den Kuss erwiderte. Es war ein Impuls gewesen, ein Reflex, eine plötzliche und unvorhersehbare Lust.
In meinen Adern explodierte ein Feuerwerk der Gefühle und ich wollte diese Wesen vor mir umschlingen und nie wieder loslassen, um das Gefühl bloß nicht zu verlieren. Meine Hände wanderten an ihrem Rücken hinab. Ich wollte sie so nah wie möglich haben, als ich sie blind, bittend und so dringend küsste.

Dann öffnete ich die Augen, nur für einen winzigen Moment, doch dieser reichte aus.
Meine Augen weiteten sich vor Schreck und Fassungslosigkeit.
Was tat ich hier gerade?!
Ich küsste Hera und betrog damit Ellie.
Keuchend wich ich einen Schritt zurück und wischte mir reflexartig über den Mund.
Durch meinen Gefühlsausbruch und die Tränen, war ich immer noch nicht sicher und meine Augen pochten unaufhörlich.
‚Was hast du getan!' schrien Stimmen in meinem Kopf und ich verfluchte mich selbst.
Nun bemerkte auch Hera meine Reaktion und sah mich bittend und zugleich traurig an.
„Froy" meinte sie, doch ich schüttelte nur fassungslos den Kopf.
Langsam ging ich rückwärts davon, drehte mich dann um und rannte davon. Weg aus dem verdammten Feld. Weg von diesem Mädchen.
Ich keuchte und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
„Du hattest Recht, Ellie, mir kann man nicht vertrauen" schluchzte ich verzweifelt und im Rennen rannen mir wieder Tränen aus den Augen.
Ich wollte nur nach Hause.
Ich war es nicht wert, geliebt zu werden. 

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