14. Gefühle sind wie Irrlichter

Und Ellie war wütend gewesen. Und enttäuscht.

Ich hatte an die Tür des Wohnheims geklopft, in dem Isla und meine Freundin lebten und das Mädchen mit den braunen lockigen Haaren hatte langsam die Tür geöffnet und mich prüfend angeschaut.
„Ich muss mit ihr sprechen, Isla" hatte ich sie leise und bittend gefragt.
Doch die Geografie Studentin hatte mit dem Kopf geschüttelt:
„Es ist kein guter Zeitpunkt, Froy. Du solltest jetzt lieber nicht rein kommen..."
„Aber ich muss das mit ihr klären"
„Sie will dich jetzt nicht sehen, Froy. Versteh das" ernst blickte Isla mich an. Die Tür nur einen Spalt breit geöffnet, sodass ich nicht wirklich die Wohngemeinschaft hineinschauen konnte.
„Sie will mich nicht sehen?" fragte ich voller Angst und das Mädchen nickte.
Enttäuscht senkte ich den Kopf:
„Bitte richte ihr aus, dass es mir leidtut, Isla"
„Das werde ich" erwiderte sie und ich wollte mich schon umdrehen, um den Hausflur zu verlassen.
Doch auf einmal rief mir Isla leise noch etwas zu:
„Wir haben morgen keine Uni, nur Aufgaben, die wir zuhause erledigen werden. Komm nochmal vorbei, wenn sie eine Nacht drüber geschlafen hat"
„Das werde ich. Danke" ich lächelte ihr traurig zu und verließ das Haus, um zu meiner eigenen Wohnung zu gehen.
Im Gehen hatte ich zu dem Fenster geschaut, dass zu Ellie Zimmer führte. Jedoch waren die Vorhänge geschlossen und man konnte nichts erkennen.

In dieser Nacht träumt ich davon wie Ellie und ich uns den Film Titanic im Kino ansahen und uns dann plötzlich wirklich auf ihr befanden.
Das Wasser, welches durch die Gänge des Schiffs floss, war eiskalt und die Leute beschwerten sich darüber, dass sie ihre Winterjacken vergessen hatten. Aus irgendeinem Grund war ihnen nicht bewusst, dass das Schiff unterging.
Ellie und ich rannten davon und schafften es in ein oranges Rettungsboot, auf dem jemand Geige spielt. In der Ferne sah ich einen jungen Mann mit Matrosen Uniform, der an der Reling stand, uns zuwinkte und mit dem Schiff unterging.
Als ich zur Seite sah, sah ich eine Frau mit altertümlichen weißen Klamotten, die neben Ellie sahs und weinte. Sie schaute zu dem Mann an der Reling und ich versuchte zu verstehen.
Doch das Gefühl, dass meine Freundin bei mir war, brachte mir so viel Sicherheit, dass ich mich von der Frau abwand und hinauf in die Sterne schaute, die mit tausenden Lichtstreifen auf uns hinunter geflogen kamen.

Als ich wieder aufwachte, bekam ich kurze Panik, als ich merkte, dass Ellie nicht neben mir lag und hatte Sorge, dass sie sich nicht mehr im Rettungsboot befand. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich realisierte, dass das alles nur ein Traum gewesen war und Ellie in ihrem Bett bei sich zuhause lag, ohne mich.
Als ich gestern Abend nach Hause gekommen war und dort auch mein Handy mit einigen Nachrichten von meiner Freundin liegen gesehen hatte, hatte ich mich erst einmal hinsetzten müssen.
Schmerzverzerrt las ich ihre Texte und spürte ihre Enttäuschung durch den Bildschirm. Sie schrieb mir, erst noch nett, wo ich denn sei und ob ich sie vergessen hätte. Als ich nicht geantwortet hatte, hatte sie versucht mich anzurufen, mehrmals.
Aber mein Handy war hier gewesen und nicht im Feld, nicht bei Hera und mir.
Als Ellie mich nicht erreicht hatte, waren ihre Nachrichten emotionaler geworden. Sie fragte, was das denn soll und dass sie dachte, sie hätte sich auf mich verlassen können.
In ihrer letzten Nachricht teilt sie mir mit, dass es jetzt auch zu spät sei und ich mich jetzt bloß nicht mehr erklären solle.
Eine Viertelstunde später hatte ich vor der Menschen verlassenen Sporthalle gestanden, wo meine Freundin logischerweise nicht mehr war und war dann zu ihr nach Hause gefahren, wo Isla mich abgewimmelt hatte.
Vermutlich war es wirklich das Beste gewesen, aber mein Herz hatte sehr geschmerzt, als ich gestern so alleine in meine Wohnung kam. Mit einer großen Last an Ungewissheit und Sorge. Mir war nicht ganz klar, warum Ellie so ein großes Ding aus der Sache machte, aber ich wusste selbst wie viel Wert sie auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit legte.
Ich hatte ihr auch so gut wie immer das geben können, schließlich ähnelte ich ihr in diesem Punkt sehr und forderte sozusagen vergleichbare Sachen von ihr. Und deswegen tat mir mein Ausrutscher auch so leid, ich wollte mich entschuldigen, vor ihr auf die Knie fallen und um Vergeben betteln, wenn sie das denn wollte.
Ich hätte alles dafür getan, dass sie mir verzeiht, doch Islas Worte hatte mich hart getroffen. Ellie wollte mich nicht sehen, war schmerzhafter gewesen als der Schlag von Edgar.
Ich fühlte mich schwach, verletzt, getroffen.
Wie konnten Worte und Gefühle mehr weh tun als körperliche Gewalt? Ich verstand es nicht.
Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte mir zu, dass ich ja schon abhängig von Ellie geworden sei und ganz verneinen konnte ich das leider nicht.
Ich musste mir eingestehen, dass etwas mit meinem Herzen passiert war, dass ich die Jahre davor verhindert hatte. Aber war das nicht der Sinn von Treue? Von Liebe?
Diese schmerzende Verbindung zueinander und die Sorge man könnte den anderen verlieren, wenn man einen Fehler macht?
Ist das nicht das, was eine Beziehung ausmacht?

Deswegen liebe ich Hera auch nicht.
Ihre Verbindung zu mir ist ganz anders. Ich habe nicht die Sorge, dass sie mich verlassen würde, wenn ich einen Fehler mache. Aber liegt das daran, dass ich ihr Magnet bin und sie mich sowieso nicht verlassen würde?
Ja und nein, denn auch bevor ich die Wahrheit gewusst hatte, hatte ich dieses Gefühl habt.
Es war ja wohl eindeutig, dass Hera nicht meine feste Freundin werden konnte. Aber würde sie das verstehen?
Und würde Ellie das auch begreifen und nicht falsch verstehen?

Nun stand ich mit einem Strauß Blumen vor der hölzernen Wohnungstür von den zwei Geografie Studentinnen und tippte nervös mit meinem Fuß auf. Das klackernde Geräusch hallte die Treppen hinauf und hinunter. Aber es war keiner da außer mir, der das Hören würde.
Alle, die hier wohnten, waren Studenten und deswegen im Moment nicht zuhause. Zwar würden einige erst Nachmittags Vorlesungen haben, doch im Moment wirkte das Mehrfamilienhaus wie ausgestorben.
Auch ich hätte jetzt in der Uni sein soll, neben Arthur sitzend in einem Mathematik Kurs. Doch ich hatte mir Islas Rat zu Herzen genommen und war nicht zum Campus gegangen, um mich mit Ellie aussprechen zu können.
Ich hatte ihr Blumen gekauft, mir Worte überlegt und gebetet, dass sie mir verzeihen würde. Mein Herz konnte es sich nicht leisten so gebrochen zu bleiben.
Meine Welt stand buchstäbliche auf dem Kopf. Ich hatte Schwierigkeiten die Wichtigkeit in manchen Dingen wieder zu finden. Aber wie sollte ich Einkaufen und zu unwichtigen Vorlesungen gehen wieder als notwendig ansehen, wenn doch ein außerirdisches Mädchen mir viel interessantere Dinge erzählen könnte?
Tiefgreifende und Lebensveränderte Dinge.
Vor Arthur hatte ich nur angedeutet, warum ich heute nicht zur Royal Holloway Universität kommen würde und er hatte es, wie immer, locker genommen und einfach akzeptiert.
Ich seufzte. Ich musste das hinter mich bringen, es führte kein Weg daran vorbei.
Und wenn ich jetzt umkehren würde, würde ich Ellie für immer verlieren.
Das wollte ich auf keinem Fall.

Hektisch klopfte ich an die Tür, da mir der Gedanken, Ellie zu verlieren, immer realer erschien.
Wieder war es Isla, die die Tür öffnete und verblüfft den bunten Blumenstrauß ansah.
„Donnerwetter..."
„Meinst du ihr wird das gefallen?"
„Ich denke schon" antwortete sie immer noch überrascht und trat zur Seite, sodass ich in die kleine Wohnung eintreten konnte.
Sie bestand aus zwei Zimmern, eins für jedes Mädchen, einem Badezimmer und einer etwas größeren Küche. Die beiden hätte zwar gerne noch einen Balkon gehabt, doch niemand in diesem Haus hatte einen. Stattdessen gab es unten einen Gemeinschaftsgarten.
Mein Herz begann schneller zu klopfen, als ich in die Wohnung eintrat und immer noch den Blumenstrauß in der Hand haltend, die Schuhe auszog.
Aus der Küche, die den Flur herunter war, hörte ich die Stimme meiner Freundin:
„Wer war das denn, Isla?"
Doch bevor sie antworten konnte, trat Ellie zu uns in den Flur und blickte mich überrascht an:
„Froy?"
„Ja. Hey Ellie" antwortete ich mit einem entschuldigenden und unsicheren Lächeln.
Meine Freundin betrachtete mich und den Blumenstrauß prüfend, bevor sie weitersprach.
„Was machst du hier? Du hast doch bestimmt Uni..."
Erst dachte ich, dass ich einen Vorwurf aus ihrer Stimme heraushörte, doch vermutlich war es nur Unsicherheit gewesen.
„Ich... ich wollte mich bei dir entschuldigen. Weil ich gestern die Zeit vergessen habe und mein Handy nicht dabei hatte, um deine Nachrichten zu sehen. Bitte verzeih mir"
Ich reichte ihr die Blumen und sie nahm sie an, ohne dass sich unsere Hände berühren.
„Isla, wärst du vielleicht so lieb und würdest die Blumen in eine Vase stellen?" fragt Love ihre Freundin, die hinter mir stand. Wortlos nickte und sich mit den Blumen auf den Weg in die Küche machte, während Ellie und ich wenige Meter voneinander im Flur stehen blieben.
„Vielen Dank für die Blumen" meinte Ellie plötzlich und strich sich durch die Haare. Aber leider sah ich immer noch keinen glücklichen Ausdruck in ihrem Gesicht.
„Bitte Love, es tut mir leid"
Sie schüttelte den Kopf:
„Nein, es tut mir leid. Ich war zu streng zu dir. Ich hätte Isla nicht sagen sollen, dass sie dich nicht reinlassen soll"
„Es war dein gutes Recht. Ich habe einen Fehler gemacht" erwiderte ich ernst, obwohl ich mich innerlich sehr darüber freute, dass Ellie mir nicht mehr böse war.
„Ich hätte trotzdem netter zu dir sein sollen. Mein Training lief nicht so gut und dann hab ich einfach über reagiert" sie seufzte und hielt sich beschämt die Hand vors Gesicht.
„Hey, es ist alles gut. Schon okay" ich kam auf sie zu und nahm sie fest in den Arm, denn ich hatte Sorge, dass sie anfangen würde zu weinen. Und ich wusste selbst, dass ich überfordert sein würde, wenn ich sie so sehen würde. Zu trösten war noch nie meine Stärke gewesen, beziehungsweise mit Tränen umzugehen.
„Danke Sugar. Auch für die Blumen, ich mag sie wirklich sehr"
„Das weiß ich doch, ich kenn dich schließlich" ich lächelte und strich ihr über den Kopf, der auf meiner Brust ruhte.
„Es tut mir wirklich leid, Ellie. Es wird nicht wieder vorkommen, dass ich dich vergesse" murmelte ich noch einmal, doch diese legte ihren Zeigefinger auf meine Lippen:
„Es ist in Ordnung, lass uns das hinter uns lassen"
Dann fasste sie mit beiden Händen, den Kragen meines Hemdes an und zog so mein Gesicht zu sich heran. Sie drückte ihre Lippen auf meine und ich war unfähig, mich von ihr wegzubewegen.
„Lass uns auf andere Gedanken kommen" flüsterte sie zwischen den Küssen und schob mich rückwärts durch die Tür in ihr Zimmer. Dann schloss sie die Tür hinter sich.
Ihr Zimmer war in hellem grün gestrichen und weiße Möbel mit darauf thronenden Skulpturen, Weltkarten und Turnierpokalen, ließen den Raum hell, aber zugestellt wirken.
Ich wollte meine Love schon in Richtung leere Wand führen, so wie ich es öfters tat, doch sie stoppte mich, in dem sie ihre Hand wieder in meinem Kragen vergrub und wortwörtlich den Spieß umdrehte, denn plötzlich drückte sie mich an die Wand.
Ich spürte ihr Herz schlagen und ich keuchte überrascht auf. Ich vergaß meine Verletzungen, ich nahm den Schmerz in Kauf.
Ellie griff mit ihrer linken Hand in meine Haare und zog sie leicht herunter, sodass mein Kopf sich in die Richtung bewegte, wie sie es wollte. Etwas in mir weigerte sich gegen das, was meine Freundin tat, doch ich schluckte die Gedanken herunter. Meine Kopfhaut zuckte leicht zusammen, als der Druck auf sie ausgeübt wurde. Ellie zwang mich indirekt meine Augen von ihr abzuwenden und an die Decke zu schauen, während sie mit ihrer anderen Hand meinen Körper erkundete.
Normalerweise war ich derjenige der dominante Spielchen trieb und so die Kontrolle behielt, aber nicht heute.
Heute ließ ich es zu. Ich glaubte nicht, dass Ellie es als Strafe für mich sah, doch für mich war es das. Und doch hatte ich es verdient, ich hatte sie enttäuscht.
Vermutlich war ihr nicht mal klar, wie ich mich fühlte, aber das war in Ordnung. Oft genug hatte ich sie auch nicht lesen können.
Sie begann mich am Hals zu küssen und strich über mein Bauchnabelpiercing, was bei mir für eine Gänsehaut sorgte.
„Love" keuchte ich leise, als sie ihr T Shirt auszog und ihr Körper sich wieder gegen meinen drückte. Diesmal ließ sie meine Haare in Ruhe und knöpfte langsam mein Hemd auf.
Ich konnte es kaum noch erwarten und als sie endlich den letzten Knopf geöffnet hab, zog ich rasch das Oberteil von meinem Körper und küsste Ellie so dringend und so bittend. Meine Hände legte ich sanft an ihr Gesicht und strich mit meinen Fingerspitzen über die winzigen Haare.
Und sie erwiderte meinen Kuss. Sie verzieh mir meinen Fehler.
Glücklich seufzend ließ ich meine Freundin alles mit mir machen, was sie wollte.

Nach einer Stunde saßen wir beide, wieder angezogen, mit Isla am Küchentisch und aßen Kekse. Das Mädchen hatte sich während Ellies und meiner Zeit alleine, diskret zurück gehalten und hatte auch bis jetzt noch keine weiteren Kommentare dazu abgegeben, obwohl sie doch so ein extrovertiertes Plappermaul war.
„Musst du wegen heute viel nachholen?" fragte Ellie mich du trank ihren Tee aus einer rosa Tasse.
„Ich bekomm das schon hin, Arthur kann mir ja sonst auch helfen" antwortete ich. Obwohl mir bewusst war, dass demnächst Prüfungen anstanden und jede Woche zählen würde.
„Wie geht es Arthur denn?" fragte Isla und schielte zu mir herüber, während sie aufstand und anfing ihr Geschirr in der Spüle abzuwaschen.
„Gut, denke ich" ich zuckte mit den Schultern.
„Warum willst du das denn wissen?" fragte Ellie und grinste ihre Mitstudentin keck an.
Die verdrehte grinsend die Augen: „Er ist halt ein netter Typ"
„So wie Robin und Jack?" fragte meine Love weiter.
„Die beiden sind auch sehr nett" bestätigte ich und Isla kicherte.
„Ja ja, das glaub ich dir, Froy"
Etwas verwirrt zog ich die Augenbrauen hoch: „Was hab ich denn gesagt?"
„Nix, schon gut. Isla redet Unsinn" Ellie lächelte und schüttelte den Kopf.
Ich zuckte mit den Schultern und beobachtete, wie sich die Mädchen noch einen letzten spöttischen Blick zuwarfen.

„Wisst ihr, ich hab neulich Hera wieder getroffen" meinte ich plötzlich und bereute meine Worte im nächsten Moment. Aber nun war es zu spät.
„Warum denn das?" fragte Ellie überrascht und auch Isla drehte sich um und hielt in der Bewegung inne: „Ich dachte, die ist verrückt oder wollte sich an dich ranmachen?"
Anscheinend hatte meine Freundin sie über unser Gespräch informiert.
Ich schüttelte mit dem Kopf:
„Wir haben uns ausgesprochen und es war wohl alles ein Missverständnis. Sie ist wirklich sehr nett und wir konnten uns gut unterhalten" erklärte ich etwas unsicher über die Reaktionen der beiden.
„Hmm okay" erwiderte meine Freundin nur nachdenklich.
„Na solang du nichts mit ihr anfängst, ist ja alles gut" sagte Isla und warf mir einen bedeutsamen Blick zu.
Auch meine Love schaute mich prüfend an.
Ich schüttelte wortlos mit dem Kopf. Aus irgendeinem Grund konnte ich den beiden nichts versprechen.
Obwohl ich Ellie ewige Treue geschworen hatte.

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