13. Wer ist HR 8832 wirklich?

Ich war höllisch aufgeregt, aber riss mich dennoch zusammen. Denn bevor ich mich mit dem Sternenmädchen treffen konnte, hatte ich Ellie versprochen sie mit zu ihrem Training zu begleiten. Zwar würde ich dort sowieso nicht lange bleiben, aber ich hatte versprochen sie hinzubringen und zum Ende wieder zukommen, um sie nach Hause zu begleiten.
Das hatten wir schon öfters mal gemacht, wenn sich die Zeit geboten hatte.
Aber nun brauchte sie besonders meine mentale Unterstützung und hartes Training, weil am Ende des Monats ein Turnier anstehen würde. Ich würde sie sogar dort hinbegleiten, weil es für sie wirklich wichtig war. Normalerweise war sie mit ihrem Verein gefahren. Ich hätte dort eh nur mit meinem Unwissen gestört.
Meine rechte Hand war in Ellies verschlossen und wir gingen zusammen in Richtung Turnhalle. Unsere Fahrräder hatten wir an der Seite abgestellt.
Es brachten mir zwar etwas schlechtes Gewissen ein, weil ich Ellie nichts von der Sache mit Hera erzählt hatte, doch diese hatte geschrieben, dass es erstmal ein Geheimnis bleiben sollte. Ich wusste auch gar nicht, wie weit Ellie mir ohne einen Beweis glauben würde, nicht, dass sie denkt, ich würde wieder fantasieren.
Ich schaute in ihre braunen Augen und sie lächelte mir freudig zu:
„Es ist schön, dass du mich mal wieder begleitest"
„Wenn mein eigener Sport schon ausfällt, dann sollte ich doch wenigstens bei deinem ein wenig teilhaben"
„Na, dass du mir nicht gleich auf den Barren springst" schmunzelt Ellie leicht und schaute wieder nach vorne.
Ich trug ihre Sporttasche für sie, in der sich hauptsächlich ihre Klamotten befanden.
Sie öffnete die Glastür und wir traten in den Vorraum der Halle ein, wo sich Eingänge zu den Umkleidekabinen und der richtigen Sporthalle befanden.
Ellie nahm mir die Tasche ab und verschwand in eine der Sammelumkleiden. Ich hörte Gelächter und Gerede von den anderen Mädchen, die Turnerinnen aus Ellies neuem Verein.
Sie hatte sich, im Gegensatz zu mir, ganz schnell eine neue Gruppe für ihren Sport gesucht, damit ihre Leistung bloß nicht sinken würde. Auf Grund ihrer Leistung war die Aufnahme auch gar nicht so schwer gegangen und sie hatte sich für den Turnclub entschieden, der von der Stadt Egham gefördert wurde. An unsere Universität hätte sie zwar auch einen Platz bekommen, doch dieser Club hier begünstigte talentierte Mädchen besser.
Einige Mädchen kamen aus der Umkleide heraus, lächelten mir zu und gingen dann in die Halle. Manchen von ihnen kannte ich vom Sehen, manche jedoch nicht.
Manchmal fragte ich mich, ob mir mein Aussehen manche Freundlichkeit ermöglicht hatte. Emotionstechnisch war ich zwar oft eher wie ein Stein, zumindest Fremden gegenüber, aber optisch war das glaube ich nicht so der Fall.
Hässlich fand ich mich auf jeden Fall nicht, ich war eigentlich sogar ziemlich zufrieden mit meinem Körper, abgesehen von meinen derzeitigen Verletzungen. Und soweit ich das mitbekommen habe, schien das was Besonderes zu sein.
Auch wenn ich immer nervöser werde, weil das Treffen mit Hera näher rückt, ließ ich mir meine Gefühle nicht anmerken. Ich strahlte Selbstbewusstsein aus und lehnte mich lässig an die kalte Wand. Die Arme vor der Brust verschränkt.

Endlich trat auch Ellie aus der Umkleide hervor. Sie trug kurze und enganliegende Sachen, nicht eines ihrer bunten Kostüme für Auftritte und Turniere. Ich fand, dass ihr dieses Körperbetone sehr stand. Ellie war schon immer sehr flach und schlank gewesen, nicht unschuldig daran war ihre Ernährung und ihr Leistungssport gewesen, den sie schon seit ihrer Kindheit betrieb.
Mich störte es nicht, dass manche Mädchen größere Brüste oder mehr Hüfte hatten als meine Freundin, darauf legte ich nicht so viel Wert.
Ich legte meine Hand auf ihre Taille, als sie lächelnd zu mir kam und mich sanft küsste. Für einen kurzen Moment hielten wir inne, bis sie sich wieder von mir löste und zum Abschluss über mein Gesicht strich. Selbstverständlich meine unverletzte Seite.
„Das Training fängt gleich an, wir wärmen uns im Kreis auf. Willst du noch bleiben und zuschauen?" fragte sie mich.
„Ich glaube eher nicht, aber beim Ende schaue ich nochmal zu" antworte ich ehrlich und sie nickte verständnisvoll.
„Okay, dann bis in eineinhalb Stunden, Sugar" sie lächelte und küsste mich auf die Wange, bevor sie mit ihrer Trinkflasche in die Halle spazierte. Weiter Mädchen folgten ihr.
Ich winkte ihr noch kurz zu und verließ dann die Halle.
Fast fluchtartig schwang ich mich auf mein Fahrrad und fuhr in Richtung Feld zu Hera.

Eine Gänsehaut ging über meine Beine als das nasse Gras an meinen Beinen strich.
Schon fast rannte ich den Feldweg entlang zu den Bäumen mit der alten Bank und merkte dabei, wie es mir schwer fiel zu atmen. Meine Lunge fühlte sich kleiner an, doch vermutlich lag es nur daran, dass mein Oberkörper auch nicht unbeschadet aus dem Kampf herausgekommen ist und sich jetzt wie eine zerdrückte Dose anfühlt.
Schon aus der Ferne sah ich wie Hera mit dem Rücken zu mir stand und in die Ferne schaute. Ihr Harre wurden vom Westwind zur Seite geweht und stachen mit ihrer Helligkeit heraus.
Als hätte sie mich bemerkt, drehte sie sich zu mir um und lächelte.
Ich konnte nicht anders als das zu erwidern und brachte die letzten fünfzig Meter schnell hinter mich.
„Hallo Froy" meinte das Mädchen lächelnd und ihre Sommersprossen hüpften, als ich nun endlich vor ihr stand.
„Hallo" konnte ich nur antworten, weil ich gar nicht wusste wie ich sie ansprechen sollte. Mit Hera oder HR 8832.
„Wir haben viel zu besprechen" meinte sie und deutete auf die Bank, während sie sich wieder in die Wiese fallen ließ. Doch diesmal folgte ich ihrer Gäste nicht und setzte mich neben ihr ins kalte Gras. Etwas verwundert betrachtete sie mich, doch sie schien nichts dagegen zu haben und legte ihre Hand auf meinen Unterschenkel.
Es fühlte sich elektrisierend an und irgendwie seltsam, denn ich wusste, dass sie kein Mensch war. Im Innersten zumindest nicht.
„Ich will so viel wissen" flüsterte ich leise und fuhr mit dem Finger Heras Adern auf ihrem Handgelenk nach. Erst danach sah ich ihr in ihre blauen Augen, die dem Himmel an einem Sommertag ähnelten.
Sie nickte.
„Erzähl mir, warum die Zeit anhalten konntest" meinte ich und schaute in ihr Gesicht. Es zeigten sich keine Reaktionen von Überraschung, das gab mir Sicherheit. Wäre das alles nicht passiert, hätte das Mädchen anders reagiert.
„Das Stoppen der Zeit ist eine Gabe, die Lichtkinder bekommen, aber nicht kontrollieren können. Beziehungsweise ist gar nicht festgelegt, dass wir die Zeit anhalten können, es gibt auch andere Gaben, die nur einen einzigen Zweck haben: Dem Magneten das Leben zu retten. Weißt du noch, als ich dir sagte, du wärst durch Edgar fast gestorben?"
„Ja, aber ich habe es dir nicht geglaubt" ich nickte schuldbewusst, wissend darüber, dass das Mädchen vermutlich doch recht gehabt hatte.
„Das ist nicht verwunderlich. Doch vor meinem inneren Auge sah ich es wie in einem Film ablaufen: Das Messer trifft eines deiner Organe, es zerreißt, ich rufe die Sanitäter, doch sie kommen zu spät und du stirbst noch im Krankenwagen"
„Das hast du so genau gesehen?" fragte ich leicht schockiert und strich über meinen Bauch. Hätte Hera nicht eingegriffen, wäre dort nun ein großes Loch.
Sie nickte.
„Und weil du es gesehen hast, konnte sich deine Gabe aktivieren?"
„So ist es, wärst du nur lebensbedrohlich verletzt worden, also der Krankenwagen wäre noch rechtzeitig gekommen, hätte ich nicht eingreifen können. Unsere Offenbarung vor euch ist die allerletzte Möglichkeit.
Nicht selten kommt es vor, dass ein Lichtkind sich für den Mensch opfert, in der Hoffnung, dass beide überleben"
„Das ist ja schrecklich. Du kannst dich selbst also nicht retten?"
Sie schüttelte schweigend den Kopf.
Mir kam ein schrecklicher Gedanke: „Wie oft bist du schon so gestorben, HR 8832?" bewusst benutzte ich ihren Sternennamen.
„Zu oft, Froy, das möchtest du nicht wissen"
„Doch," ich legte meine Hände auf ihre Schultern und sah sie ernst an „ich will es wissen, um dich zu verstehen. Wenn ich der erste Mensch bin, dem du von deiner wahren Identität erzählen darfst, dann kannst du mir auch die blanke Wahrheit sagen. Ich will dich verstehen, dein Leiden lindern. Ich will nicht, dass es dich belastet"
„Es belastet mich nicht, Froy. Es liegt an mir meinen Stern zu retten und mit ihm meine anderen Planeten. Dafür muss ich leiden, um sie zu beschützen, sie am Leben zu erhalten. Auf der Erde zu sterben, ist das Übel, das ich ertragen muss"
„Und wenn es so ist, du solltest nicht sterben, weil du dich für jemanden opferst, den du vielleicht gar nicht kennst..."
„Das ist meine Aufgabe, Froy, ich weiß, das ist schwer zu verstehen"
Ich seufzte schwer: „Ich versuche dich zu verstehen, doch manches ergibt für mich keinen Sinn"
„Dass wir sterben, weil wir uns für unseren Magneten opfern, ist nur der eine Grund. Das größere Problem ist die Erde. Ich weiß auch nicht, wie es möglich ist, aber euer Planet scheint uns als fremde Wesen zu erkennen" sie lächelt schwach und legt ihre Hand auf den Boden.
„Wie das?" fragte ich verwirrt.
„Ich weiß es nicht, aber sie will uns auslöschen. Es ist nicht unüblich, dass wo Lichtkinder sind, Naturkatastrophen passieren oder allgemein einfach Unglücke. Euer Planet scheint unsere gegenseitige Hilfe nicht zu verstehen"
„Naturkatastrophen und Unglücke?"
„Der Vulkanausbruch in Pompeji, 79 nach Christus. Zu der Zeit befanden sich ungewöhnlich viele Lichtkinder in der Stadt und alle starben mit ihren Seelenverwandten. Sie konnten sie nicht rechtzeitig retten"
„Und wenn das nur ein Zufall war?" versuchte ich es mir zu erklären, denn die Vorstellung, die Erde, meine Heimat, der einzige Planet, den wir wirklich kennen, würde versuchen die Lichtkinder wie Fremdkörper zu töten, ist sehr gruselig. Dazu saßs ich gerade neben einem der besagten fremden Wesen. Aber wenn unser Planet auch Menschen opfern würde, nur um diese anderen Wesen zu vernichten; wie gut können Lichtkinder dann wirklich für uns sein?
„Genau sagen, kann man es nie, doch immer, wenn sich zu viele Lichtkinder auf einem Haufen befanden, passierte etwas Schlimmes.
Ich war zwar nicht in Pompeji, aber mir ist etwas anderes dieser Art passiert"
„Auch eine Naturkatastrophe?"
„Nein, ein Unglück. Die Titanic, dort waren auch viele Lichtkinder auf geringer Fläche gewesen" sie machte eine Kunstpause, bevor sie weitersprach und sah hinauf in den Himmel, „Die damalige Gesellschaft war sehr gespalten und so war es auch für uns Lichtkinder manchmal besonders schwierig unseren Seelenverwandten von uns zu überzeugen. Ich war ein angestellter Bootsjunge, mein Magnet eine junge Dame aus gutem Haus, die nach Amerika reisen wollte. Zur damaligen Zeit war so eine Beziehung absolut tabu und als wir zusammen auf dem Schiff waren, kannte sie mich auch noch nicht. Doch unsere Zeit zusammen war sehr kurz. Als das Schiff gegen den Eisberg stieß, verhalf ich meiner Dame auf eins der Rettungsboote, eines der letzten. Aber für mich war jede Hoffnung zu spät und ertrank wie viele anderen im Atlantik"
„Oh mein Gott, das ist ja schrecklich" fasste ich meine tobenden Gedanken in Worte. Vor meinem inneren Auge sah ich wie hunderte Menschen im eiskalten Wasser ertranken, nach Hilfe riefen und keine bekamen. Unter Ihnen meine Hera. Die Vorstellung, dass sie auf der Titanic gestorben war, war so sonderbar und gleichzeitig real.
„Tat es sehr weh?"
„Natürlich, doch nicht der Tod an sich. Wie gesagt, ich sterbe anders als ein Mensch. Doch natürlich verletzte ich mich, als ich mein Leben retten wollte und tat es mit voller Überzeugung. Ich wollte mit meinem Magnet leben und sie glücklich machen. Wenn ich so sterbe, zerreißt es mir das Herz, da ich sie nicht mal richtig kennenlernen konnte. Sie hätte viel aus unserer Beziehung gelernt"
Ich schaute nachdenklich in den Himmel und mein Herz verkrampfte sich. Ich dachte an dieses Mädchen, die nicht nur ihren Seelenverwandten, sondern vielleicht auch einen Teil ihrer Familie auf dem unsinkbaren Schiff verloren hatte. Und ich dachte daran, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte sie diesen Bootsjungen wirklich kennengelernt.
„Sie wird bestimmt allen erzählt haben, dass sie ihr Schutzengel gerettet hat"
„Und damit liegt sie sogar nicht mal falsch" erwiderte HR 8832 und schaute mit mir in den Himmel.
„Du bist ein Schutzengel?" murmelte ich fragend und schielte zu ihr herüber. Ich glaubte nicht an Gott, doch Engel waren für mich kein unrealistischer Teil gewesen. Allerdings hatte ich sie mir nie so vorgestellt wie in den Büchern, sondern eher als Energien, wie zum Beispiel die Elemente.
„Ihr Menschen gabt uns diesen Namen. Doch der Grund für all das ist traurig. Lichtkinder, die ihre letzte Chance bekommen, also wirklich die allerletzte, bevor ihr Stern stirbt, haben nicht genug Energie, um sich in einem Körper zu materialisieren. Sie schweben als geistartige Wesen um ihren Magneten herum und helfen so gut es ihnen möglich ist.
Und sie haben ebenfalls die Gabe wie wir. Läuft also jemand vor ein Auto und wird wie von Zauberhand doch nicht überfahren, sagt ihr Menschen, ein Schutzengel hätte die Hand schützend über euch gehalten, doch in Wirklichkeit war es dieses Lichtkind.
Ein Lichtkinder mit Körper hätte dann entweder auch seine Gabe aktiviert bekommen oder hätte euch aus dem Weg geschubst, um selbst den Schaden in Kauf zu nehmen" erklärt mir HR 8832 fast schon sachlich und strich sich ab und an durch die Haare. Ihr Lächeln, was ich sonst an jedem Tag gesehen hatte, war heute wie ausradiert. Das Wesen, mit dem ich gerade sprach, war Hera, aber auch nicht. Es war ernst, in Gedanken versunken, selbstreflektierte und akzeptierte jedes Opfer und jedes Leid. Es überlebte und starb, um seinen eigenen Körper zu retten, der Lichtjahre entfernt mit anderen Planeten auf die Rückkehr seiner Seele wartete. Die Bürde, die dieses Mädchen neben mir, trug, war für mich nicht wirklich vorstellbar. Doch auch, wenn sie es nicht zugab, sah ich, dass dieses Wesen bedrückt war.
„Das klingt so, als würdet ihr euch für uns opfern. Egal was passiert" sanft strich ich über ihre Hand.
„Unsere Körper können wir hingeben, auch wenn es unser Leben erschwert. Aber der Grund, warum wir das tun, ist, wie ich es dir schon gesagt habe, die Energie. Die Energie durch die Liebe, die wir durch euch bekommen, hält uns am Leben. Und wenn ihr sterbt, dann haben wir versagt, das möchte niemand in Kauf nehmen" sie legte ihre Hand ernst auf meine.
„Aber wenn ihr immer wieder wiedergeboren werden könnt, ist es doch eigentlich egal, ob ein Magnet nun stirbt oder nicht?" fragte ich nach.
„Im Prinzip ja, doch jede Wiederkehr auf die Erde kostet uns Energie. Mehr Energie kostet es aber, wenn ein Magnet schwer bis tödlich verletzt ist und uns keine Energie geben kann. Wenn der Magnet stirbt, kann man wenigstens in das Reich der Sterne zurückkehren, doch hätte ich schon einen Bund mit meinem Partner geschlossen und er würde ins Koma fallen, müsste ich warten und hoffen, dass meine Energie reicht" sie blickte mir in die Augen und ich sah in ihren ein Glitzern. Es sah sehr danach aus, als wäre ihr genau dieser Fall schon einmal passiert. Es sah aus, als wäre sie fast für immer gestorben, weil ihr Magnet im Koma lag und ihr keine Liebe geben konnte.
Doch nun war sie hier, irgendwie musste sie überlebt und weiter gemacht haben. Eine Wahl hatte sie wohl nie gehabt.
„Dafür, dass ihr gigantisch große Sterne seid, klingt ihr hier sehr leicht zerbrechlich" flüsterte ich leise, ungewollt klang Mitleid in meiner Stimme mit.
„Im Vergleich sind wir das auch und wie eure Erde es schon richtig erkannt hat, sind wir ein Parasit" sie zuckte resigniert mit den Schultern.
„Für mich bist du das nicht" ich lächelte ihr zu und sie erwiderte es.
„Danke"

Nach einer kurzen Pause, in der wir beide uns schweigend ansahen, sprach ich weiter. Im Hintergrund ertönte eine Kirchenglocke: „Aber in dem Reich der Sterne, von dem du gesprochen hast, ist da auch derjenige, der euch uns zuteilt?"
„Du erinnerst dich noch daran, hätte gedacht, dass du das nicht mehr weißt" meinte sie verwundert.
„Hey, denkst du ich bin vergesslich?" meinte ich gespielt empört.
Sie grinste: „Manchmal vielleicht". Das war das erste Mal in diesem Gespräch, dass Hera zu mir gesprochen hatte und nicht HR 8832.
„Aber Spaß bei Seite, ja dort lebt Polaris. Der Nordstern ist nicht wie jedes andere Lichtkind, denn wenn er uns berührt, dann sieht er unsere Zukunft mit einem Menschen auf der Erde und unseren neuen Körper"
„Also so etwas wie ein Wahrsager?"
„In etwa, nur dass seine Visionen das komplette Leben einer Person vorhersehen können und er deswegen weiß, welchen Körper das Lichtkind annehmen sollte.
Über Berührungen werden übrigens auch unter Lichtkindern Erinnerungen geteilt. Deswegen berührt man sich aus Diskretion nicht, außer es ist gewünscht"
„Eine andere Art von Kommunikation also. Und als Sterne könnte ihr nicht miteinander reden?"
„Nein. Nur wenn wir uns auf der Erde treffen oder im Reich der Sterne, bevor wir als Sternschnuppe zu euch kommen"
„Triffst du oft andere Lichtkinder auf der Erde?" die Frage interessierte mich wirklich sehr, denn optisch würde ich einen Menschen von einem Sternschuppen Wesen nicht unterscheiden können.
„So oft passiert es nicht, aber manchmal ja. Ich dürfte es dir aber nicht sagen, wenn du jemanden kennen würdest, Froy. Nur ich habe die Erlaubnis bekommen, dir Dinge zu erzählen, jedes andere Lichtkind bleibt für dich geheim"
„Na schön, ich frag ja schon gar nicht" antwortete ich und verdrehte lächelnd die Augen, weil das Lichtmädchen, meine Gedanken gelesen hatte.
„Und warum hast du die Erlaubnis bekommen, Hera? Ähm ich meine HR 8832"
„Du darfst mich so nennen wie du möchtest, Froy, das ist dein Privileg"
„Danke, aber im Moment bist du für mich nicht Hera. Du bist zu anders" erklärte ich ihr.
Etwas geschockt sah sie mich an und stand ruckartig auf. Überrascht schaute ich zu ihr hoch.
„Oh Froy, ich, es tut mir leid. Ich bin bestimmt zu weit gegangen. Du solltest nicht den Eintrug haben, ich wäre eine andere Person. Auch wenn ich dir Wissen geben darf, hätte ich aufmerksam bleiben sollen. Ich bin für dich Hera, jetzt in diesem Leben, nichts anderes sollte für dich wichtig sein, keines meiner anderen Leben..."
Langsam stand ich auf, hob beruhigend meine Hand und legte sie auf die Schulter von HR 8832:
„Hey, es ist in Ordnung. Wie gesagt, ich will dich verstehen und für dich da sein" unterbrach ich sie „Auch wenn dir gesagt wurde, du darfst dich mir nicht zeigen, nicht deine Gefühle äußern, dann vergiss diese Regel. Ich erlaube es dir" Ich schluckte kurz, weil mir die tiefe meiner Worte bewusst war „Ich bin dein Magnet und würdest du nicht alles dafür tun, dass ich glücklich bin?"
Sie schaute mich wortlos und überrascht an.
„Du darfst bei mir sein, wer auch immer du bist. Ich respektiere dich, wie du auch immer sein magst. Deine vielen Namen sind ein Teil von dir und ich will nicht, dass du sie für mich aufgeben musst"
Das blonde Mädchen blickte mich fassungslos an und drückte sich dann in einer Umarmung an mich. Diese Umarmung war fest und herzlich. Ich spürte ihren Herzschlag, ihre Wärme. Auch wenn sie aus einer anderen Welt kam, war sie nun ein Mensch.
„Ich danke dir, Froy" murmelte sie leise und ich spürte ihren warmen Atem.
Etwas unbeholfen drückte ich sie ebenfalls und klopfte auf ihren Rücken „Das ist doch selbstverständlich"
Sie löste sich wieder von mir und zog mich mit ihr in Richtung Bank. Wir setzten uns auf das alte Holz und ich legte meinen Arm automatisch auf ihre Schulter. Ich dachte gar nicht wirklich darüber nach, es fühlte sich richtig an.
HR 8832 seufzte, bevor sie weitererzählte:
„Ich wollte noch auf deine Frage antworten, warum ich die Erlaubnis von Polaris bekommen habe. Denn ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Es ist das erste Mal, dass mir so ein Geschenk gemacht wurde"
„Vielleicht hast du deine Aufgabe einfach gut gemacht oder man wollte dir einfach so ein Geschenk machen"
Sie schüttelte den Kopf: „Nein, alles auf der Welt hat seinen Preis. Auch dein Wissen, Froy"
Ich verstummte und blickte in die Weite der Ferne.
„Was ist der Preis?" fragte ich tonlos.
„Ich glaube das weißt du selbst schon, Magnet" antworte sie leise und ich nickte.
Wir beide wussten den Preis, der die Sachen kompliziert machte. Hera war zwar meine Seelenverwandte, mein Magnet, der mich anzog, doch es gab noch Ellie, meine Freundin, der ich Treue geschworen hatte.

Siedend heiß fiel es mir ein und ich sprang von der Bank auf. Zu schnell, sodass ich keine Luft bekam und fast wieder auf das schlanke Mädchen rauf fiel, welche mich reflexartig abstützte.
„Was ist denn los, Froy?" schrie sie mich schon fast an, als sie sah, wie ich nach Luft ringend und mich mit meiner Hand an meinem Shirt festkrallend, vor ihr stand.
Als ich endlich wieder Luft bekam, konnte ich nur: „Wie spät ist es?" ausstoßen.
Schnell schaute sie nach.
„Es ist 20:45 Uhr. Was ist denn?"
„Verdammt!" stieß ich aus und war im Begriff wieder loszusprinten, zu meinem Fahrrad, doch das Mädchen hielt mich auf.
„Froy, du kannst kaum stehen!"
„Ich muss. Ich habe es versprochen. Ich habe versprochen sie abzuholen, ihr am Ende zuzuschauen..." ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann. Mein Blick flog hektisch hin und her.
„Wer? Wen willst du abholen?" fragte Hera mich und hielt mich an den Schultern fest.
„Ellie" stieß ich aus „Ich werde sie enttäuschen, ich habe es versprochen" keuchte ich und spürte, wie die Luft immer schwerer in meine Lungen kam. Ich hätte meine Freundin um 20:30 Uhr abholen sollen.
Plötzlich spürte ich Heras Hand auf meiner Brust und ihre Stirn an meiner:
„Du musst dich beruhigen, du schaffst es jetzt nicht zu ihr. Du musst an deine Verletzungen denken. Komm atme mit mir. Ein und aus. Und ein und aus" sagte sie bestimmend und ich folgte ihren Anweisungen und atmete mit ihr ein und aus. Nach ein paar Atemzügen spürte ich wie wieder Luft in meine Lungen gelangte. Heras Stirn war so schön kühl und eine Träne lief mir aus den Augen. Ich wischte sie weg und löste mich von dem Mädchen.
Sie hatte meine Sorge gesehen, meine Verlustangst. Etwas, was ich immer zu verstecken zu versuchte.
Ich trat einen Schritt von ihr zurück. Unsicher über das, was ich tun sollte.
„Ich muss gehen, Hera, es tut mir leid" meinte ich befangen und streckte noch einmal die Hand nach ihr aus.
Sie nickte verständnisvoll und ergriff meine Finger:
„Du musst dich nicht entschuldigen. Geh ruhig"
„Werden wir uns wieder sehen?" fragte ich aus Angst, dass mein Gehen sie verärgern würde.
„Natürlich, mach dir keine Sorgen" sie lächelte mir zu.
„In Ordnung, ich muss gehen. Ich habe es ihr versprochen" sagte ich noch und ging dann rückwärts weg von diesem Wesen von den Sternen.
Ich will nicht gehen, dachte ich noch, aber ich wusste, dass ich es musste.
Ich riss mich von dem Anblick fort und stieg auf mein Fahrrad.
Die Angst, Ellie könnte wütend auf mich sein, zerfraß mich von innen, wie der Wurm einen Apfel.

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