Regenbogen

Menschen sind wie Regenbogen.
Viele bunte Farben aneinander gereiht, alle nur ein kleiner Teil, ein Ausschnitt von ihm.

Still saßen wir nebeneinander in dieser überfüllten Bahn, schwiegen und wussten doch, worüber der andere nachdachte, schwiegen und waren doch in Gedanken beieinander, schwiegen und fühlten doch, dass dies ein ganz besonderer Moment war.
Wer wir sind?
Das kann ich ganz schnell erklären.
Wir sind wie Feuer und Wasser, wie Schnee und Eis, wie Schwarz und Weiß.
Ich bin groß, schlank, manche würden sagen dürr, aber das ist mir egal, habe blonde Haare und strahlend hellblaue, durchdringende Augen, so wird mir zumindest gesagt.
Meine beste Freundin Samara neben mir ist klein, dunkelhäutig, hat einen arabischen Migrationshintergrund - so muss man das doch sagen, nicht wahr? - trägt ihr dunkelbraunes Haar zu einem Zopf, hat eine schmale Nase und ihre Augen sind schwarz wie die eines weichen Teddys, den man immerzu an sich drücken muss.

Warum ich dir das alles erzähle?
Einfach nur, um zu zeigen, dass es eigentlich egal ist wie wir aussehen, woher wir kommen, wie wir aufgewachsen sind, denn selbst wenn es da viele Unterschiede gibt - was ich durchaus für gut halte, weil jeder doch individuell sein muss, weil das Leben doch sonst langweilig wäre - macht uns das nicht zu anderen Menschen und steht das einer tiefen freundschaftlichen Verbindung nicht im Weg, vielleicht macht sie gerade das interessant.

Geprägt und geformt durch Sonne und Regen, gute und schlechte Zeiten.

Samara kam mit vier Jahren als Flüchtling hierher, hat viele schreckliche Dinge gehört, gesehen und erlebt, weshalb sie noch heute, zwölf Jahre später einmal die Woche zur Psychologin gehen muss, aner es ist besser geworden, es geht bergauf.
Ich wurde viele Jahre in der Schule gemobbt, ich weiß, nicht annährend so schrecklich wie das, was Samara erlebt hat, aber eine unglaublich belastende Zeit für mich, die ich irgendwo ganz tief in meinen Gedanken vergraben habe, nur damit sie mich nicht plötzlich packt und innerlich auffrisst, wie böse Erinnerungen es gerne machen. Ich war die Außenseiterin, war stets allein, würde mit allerlei ordinären Schimpfwörtern bedacht, ausgelacht und das ein oder andere Mal auch wüst hin und her geschubst.

Wieso gerade ich dazu ausgesucht wurde, habe ich bis heute nie verstanden, aber diese Erfahrungen haben mich zu einem ruhigen, stillen Mädchen gemacht, das nur, wenn es sich wirklich sicher und wohl fühlt, ausspricht, was es denkt.

Hättest du das erwartet? Bist du überrascht?
Wenn man uns so gemeinsam lachen  sieht, würde man gar nicht denken, dass wir in unserem jungen Leben solche Dinge erlebt haben.
Also beurteile einen Menschen bitte nie, bevor du ihn nicht wirklich kennst.

Es erstrahlt jeder für sich selbst, jeder individuell und jeder wunderschön auf seine eigene Weise.

Trotzdem will ich all das nicht ungeschehen machen, na gut, du hast Recht, manchmal wünsche ich mir wirklich, dass ich eine sorgenlose Kindheit ohne die Erfahrung solchen unbegründeten Hasses gehabt hätte.
Doch insgesamt habe ich damit abgeschlossen und weiß, dass ich durch diese Zeit nur stärker geworden bin, gewachsen bin und gelernt habe, mit Problemen umzugehen, sowohl sie für mich zu verarbeiten, als auch Hilfe zu holen und diese zu schätzen wissen.
Außerdem bin ich nachdenklicher geworden, hinterfrage Dinge, lasse mich Nachts nicht von den grellen Straßenlampen am Wegesrand beirren, sondern suche immer den sanft strahlended Mond.

Jeder blüht an dem Ort, den er liebt auf und wird von seinen Liebsten gesehen.

Und jetzt will ich auch gar nichts lieber als hier sein, egal ob in dieser vollen Bahn, in der Schule, der Stadt, im Kino, im Urlaub, Zuhause. Hauptsache ich bin bei meinen Freunden und meiner Familie, den Leuten, die ich liebe.
Hauptsache ich treffe meine eigenen Entscheidungen, lebe im hier und jetzt, nutze jeden Tag, bin frei, in dem was ich ruhen will.
Hauptsache ich bin glücklich, nicht wunschlos glücklich, aber doch zufrieden und angekommen.

An seinem Regenbogen ankommen, vielleicht sogar schon der eigene Regenbogen werden, kann man nur, wenn man sich in dem alltäglichen Wirrwarr des Lebens selbst gefunden hat.

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