Erlebnisse

Der Park.

Matschiger, schlammiger Boden, die Erde getränkt vom letzten donnernden, erbarmungslosen Gewitter, verursacht quietschende Schritte beim Gehen in Gummistiefeln, die bei diesem leichten Niesel und der Bodenstruktur unverzichtbar sind.

Flüsternder Wind weht wütend durch die Bäume, dessen Blätter in den bunten Farben des Herbstes traurig nach unten hängen, verbraucht abfallen und sterben in der Hoffnung, dass es schon bald wieder Frühling wird, das es schon bald wieder grünt.

Nur wenige Menschen sitzen im Schutz der alten, großen Bäume auf den kalten, ungemütlichen Eisengitterbänken, scheinen wie festgefroren daran zu kleben und starren ins Nichts. Man sollte meinen, sie sind zu traurig, sie müssten etwas tun, um ihre Laune zu verbessern, müssten eine freudige Überraschung erfahren, die ihnen die Kraft gibt, wieder aufzustehen, müssten einfach von jemandem getröstet werden.
Nur von wem?
Hier ist doch sonst niemand.

Gehen wir weiter, weiter und weiter den matschigen Weg entlang, sehen die hohen Bäume mit den bunten Blättern, sehen den See, in dem heute keine Ente baden will, sehen die verlassenen Wiesen, auf denen im Sommer immer gegrillt, gespielt und gelacht wird.
Endlich sehen wir wieder Menschen, Kinder um genau zu sein, fröhliche Kinder, tanzende Kinder, kichernde  Kinder.
Was machen sie anders?
Was machen wir falsch?

Wachsam steht eine Mutter am Rand des sandigen, matschigen Spielplatzes und passt auf alle ihre Schützlinge auf wie auf einen unbezahlbaren Schatz.
Eigentlich wäre sie lieber zu Hause im warmen mit einem heißen Kaffee und einem spannenden Buch vor dem Kamin, aber die Kinder wollten doch so gerne in den Park, wollten doch so gerne raus und etwas erleben.

Sie schaut in den Himmel, die dunklen Wolken blicken wie in aschgraue Farbe getränkte Wattebäusche drohend auf sie herab und teilen ihr mit, dass keine Sonne, kein Licht, keine Wärme naht.
Sie reibt sich die Hände und blickt wieder zu den Kindern.
Manchmal macht man eben Dinge für andere, manchmal sind sie es wirklich wert.

Ein eisiger Windzug lässt sie erzittern und flüstert leise Worte in ihre von der Kälte geröteten Ohren.
Was macht das Leben aus?
"Das Leben?"
Ja, das Leben.
Wo kam das her, wo geht es hin, was soll ich sagen, was ist die Antwort?
Zu viele Fragen, zu viel Ratlosigkeit, die Frage ist zu groß für sie, zu schwerwiegend für einen einzelnen Menschen.

Also verlassen wir den Park, steigen höher, höher und höher bis zu den tristen, grauen Wolken. Von hier oben sieht man alles. Den Park, die klitzekleinen Wohnhäuser, die auffallend gelb gestrichene Schule, den Supermarkt mit seinen Leuchtschildern, einige aneinandergereite, langweilige Bürogebäude, aber keine Menschen mehr. Sie sind zu klein, zu winzig.
Zu unbedeutend?
Sicherlich nicht.
Doch was macht sie besonders?
Wie fragte der Wind?
Was macht das Leben aus?

Das Leben ist sinnlos, die Welt ist sinnlos würden die Nihilisten sagen, aber das ist Schwachsinn.
Geld und Lust würden die Hedonisten sagen, aber das reicht mir nicht.
Glück und bedingunslose Freude würden die Optimisten sagen, doch das 'Schicksal' ist nicht immer auf unserer Seite und auf Glück kann man nun wirklich nicht vertrauen.

Anerkennung und Rang, würde der ehrgeizige, aufstrebende Unternehmer sagen. Ist es wirklich nur das?
Freiheit und Gleichberechtigung, würde der fortschrittliche, intelligente Mensch sagen. Doch ist das Thema so leicht abgehakt?
Diese abstrakten Gedanken begleiten uns doch nicht jeden Tag, verfolgen uns doch nicht wie ein Löwe seine Beute, sind doch nicht an unserer Seite wie ein guter Freund.

Gesundheit, das meinen wir alle und das ist auch richtig so, aber es reicht mir immer noch nicht.
Werde konkreter, sprich zu mir.
Ja du, dich meine ich.
Personen, die man liebt vielleicht?
Erwiederte Liebe, blindes Vertrauen, ein Feuerwerk an bunten Gefühlen.
Auf diese Basis kann man aufbauen, das gefällt mir.

Wie meine Antwort lautet?
Nun, das ist ganz einfach.
Hier in den Wolken, weit über den Geschehnissen, verloren in Zeit und Raum, ohne Begleitung, nur mit mir selbst, einsam, verlassen, gelangweilt, belanglos für das alltägliche Chaos der Welt, würde ich spontan sagen Erlebnisse, gute und schlechte, schöne und melancholische, emotionale und ruhige, lange und kurze, aktive und passive und was es sonst noch alles gibt.

Jedes Erlebnis zählt, wenn wir es richtig und mit all unseren Sinnen wahrnehmen.
Die Mutter fühlte den kalten Regen, roch seinen unnachgiebig frischen Geruch, sah ihre fröhlichen Kinder, hörte ihr Lachen im Einklang mit dem prasselnden Wasser, schmeckte bereits die Vorstellung des Kaffees und empfand Zuneigung.
Dabei schien der Moment zu unbedeutend, so zufällig, so sinnlos.

Erlebnisse führen zu Erinnerungen.
An Erinnerungen wachsen wir.
Die Zeit läuft stetig ab, also nutze sie, sammle Erlebnisse und lebe, lebe einfach, wie du es willst.
Denn wo kämen wir hin, wenn wir das, was das Leben ausmacht, nicht umsetzen würden?
Wer wären wir dann?
Leere Menschen.
Menschen ohne Erinnerungen.
Menschen ohne Seele.

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