Unerwartet
Zwanzig Jahre zuvor
Sara
Mit den Fingerspitzen meiner rechten Hand trommelte ich auf der polierten Holzkante des Tisches herum, während ich die Zimmertür nicht aus den Augen ließ. Wo bleibt er nur? Es kann doch nicht sein, dass er so lange braucht! Nicht, dass ... Unsinn! Er kann gut genug auf sich selbst aufpassen.
In diesem Moment klingelte es. Endlich!
Betont langsam verließ ich das Wohnzimmer und stieg die Treppe zur Haustür nach unten. „Willst du mir vielleicht einmal ...oh!"
Kein Geruch nach Lavendel und Vanille sowie Minze. Kein Henning. Stattdessen blickten mich zwei Leute aus mitfühlenden Gesichtern an.
„Frau Motte, dürfen wir reinkommen?" Der ruhige Klang der Stimme der Frau gemischt mit ihrem Duft nach Zeder und Pfirsich ließ mich frösteln.
„Wieso? Was wollen Sie von mir?", erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Es geht um Ihren verstorbenen Wellensittich", entgegnete der Mann. Ein Funkeln trat in seine blaue Augen.
Mein Herz zog sich zusammen. „Sie sind also die Wandlerin, die ihn ermordet hat?" Ich nickte der jungen Frau zu.
Diese schüttelte den Kopf. „Aber wir kennen die Person. Sie war schon ein paar Mal hier und wollte sich aufrichtig entschuldigen, aber sie hat Sie wohl immer verpasst."
„Ach und statt eine Nachricht zu hinterlassen, schickt sie Sie beide? Feiglingen verzeihe ich nicht. Erst recht nicht, wenn sie eine derart antiquierte Masche versuchen", fauchte ich und knallte die Tür zu.
Was bildet diese Wandlerin sich ein?! Ist das alles nur ein Trick? Will sie sich angeblich bei mir entschuldigen, nur um dann weiter irgendwelche Haustiere fressen zu können? Nicht mit mir. Nicht mit mir! Mittlerweile stand ich wieder im Wohnzimmer meines Appartements.
„Klug von dir, diese Leute nicht einzulassen", sprach da jemand.
Ruckartig fuhr ich herum. Eine grünäugige, rothaarige Frau saß in meinem Lieblingssessel und schenkte mir ein süffisantes Lächeln.
„Wer sind Sie und wie kommen Sie hier rein?", knurrte ich, während ich meine Hände hob. Schon knisterten die Blitze um meine Handgelenke.
„Gestatten, Arimà. Zu deinen Diensten." Die Frau neigte den Kopf. „Mein Lichtègô kann Gebäude durch pure Gedankenkraft entstehen lassen und ich ... nun, ich kann sie verschwinden lassen." Gebäude durch Gedankenkraft errichten. Wie viele Schattègî gibt es noch? Etwa von jedem der fünf Vampire, die im Großen Galaktischen Krieg gekämpft haben?
„Aha." Langsam senkte ich die Hände. Die Blitze verschwanden. „Was verschafft mir die Ehre deiner Anwesenheit?"
„Oh, ich dachte, du hättest das längst herausgefunden. So kann man sich irren." Arimà seufzte und stand auf. Ihr Duft nach Rosen und Agaven entfachte das Feuer in meiner Kehle.
„Bist du hier, um mir endlich die Identität der Wandlerin zu verraten, die meinen Wellensittich gefressen hat?"
Es kostete so viel Willenskraft, mich nicht auf sie zu stürzen und zu beißen. Ihr Duft. Das wunderschöne rote Haar. Der warme Klang ihrer Stimme.
Arimà trat einen Schritt näher an mich heran. „Eigentlich biete ich dir etwas viel besseres an." Mit jedem Wort kam sie näher, bis uns nur noch eine Handbreit trennte.
„Was wäre das?", flüsterte ich und spürte, wie meine Reißzähne hervortreten wollten. Sich in die Haut ihres Halses vergraben und ... Etwas Warmes berührte meine linke Hand. Ein Stromschlag jagte durch mich hindurch.
„Betrachte mich als kleinen Mittagssnack, bevor es mit der Arbeit weitergeht", hauchte Arimà.
Mir stockte der Atem. Aber, was wenn Henning davon erfährt? Nein, es ist total ihm egal. Ihr habt euch von Anfang an darauf geeinigt, dass ihr vollkommen zwanglos zusammenlebt. Trotzdem ... Irgendwie ... fühlt es sich falsch an.
Das Blut rauschte in meinen Ohren, während ich meine freie Hand hob und Arimàs Wange streichelte. Das Brennen meiner Kehle steigerte sich ins Unerträgliche. Mit dem nächsten Herzschlag öffnete ich den Mund und rammte meine Zähne in ihren Hals. Der Geschmack ihres Bluts ließ mich erzittern. Es fühlte sich an, als hätte jemand mein Innerstes mit Öl übergossen und dann ein Feuer angezündet. Mit jedem Schluck brannte das Feuer stärker.
„Erlaube mir." Ihre Stimme drang wie durch Watte zu mir.
Ein kühler Luftzug streifte meine Arme. Noch immer trank ich gierig.
Hör auf! Du tötest sie noch, wenn du weitermachst! Lass ab! Lass sofort ab!
Jede Faser in mir schrie danach, weiter ihr Blut zu kosten. Das Feuer nicht erlöschen zu lassen, doch ich riss mich los.
Arimà lächelte mich an.
Ihr Blick ließ mich stutzen. Ihre Augen waren so klar wie eh und je. Nichts trübte sie, kein Nebel, nichts. „Wie ...?"
„So ganz weiß ich es auch nicht, aber ich vermute, dass in einem vampirischen Blut besondere Stoffe stecken. Dieser Cocktail macht wohl jede Blavishka verrückt." Arimà leckte sich die Lippen.
Augenblicklich zog sich etwas in mir zusammen. Verdammt! Sie weiß ganz genau, wie sie sich zu verhalten hat, dass ich sie will. Hat sie das schon einmal gemacht? Bei anderen meiner Art, oder ... arbeitet sie in dem gleichen Gewerbe wie ich?
„Na, ist dein Hunger schon gestillt?", raunte mein Gegenüber. Ihr Duft rief mich zu sich.
„Wie sieht es bei dir aus? Gegen deinen Willen werde ich dich nicht anrühren."
Sie lachte auf. Es klang, als würde ein Glockenspiel erklingen. „Du hast mich bereits gebissen und ich habe dich nicht aufgehalten. Was hast du noch auf Lager?" Sie zwinkerte mir zu.
„Hoffentlich kann ich deine Bedürfnisse stillen", flüsterte ich.
Dann presste ich meine Lippen auf ihre. Sie zog mich an sich und umarmte mich. Mit der einen Hand glitt sie über meine Schultern, die andere ließ sie langsam an meinem Rücken nach unten wandern. Das Feuer von vorhin kehrte zurück. Mit aller Kraft presste ich mich gegen sie und lief rückwärts zur Wand.
„Dein Schlafzimmer soll fantastisch eingerichtet sein", wisperte Arimà, als ich meine Lippen von ihren löste.
„Hier will ich dich und hier nehme ich dich", raunte ich.
Sie grinste und ich schob ihren Rock ein Stück nach oben. Erinnere dich daran, dass du dich von Frauen nicht so leicht nähren kannst wie von Männern. Du schaffst das! Wir haben das schon öfter geschafft, also bekommen wir es wieder hin.
Zaghaft ließ ich meine rechte Hand unter den Rock gleiten. Ein Keuchen entrang Arimàs Kehle und sie kippte ihren Kopf leicht nach hinten.
„Du bist so gut, wie man sich erzählt", hauchte sie, während ich meine Finger an ihren Oberschenkeln nach oben wandern ließ.
„Einen gewissen Ruf muss ich mir ja aufbauen, wenn ich meine Arbeit nicht verlieren möchte", erwiderte ich und erreichte mit meinen Fingern endlich mein Ziel.
Eine Weile war nichts zu hören, abgesehen von Arimàs Keuchen und ich spürte, dass sie langsam auf den Höhepunkt zusteuerte.
Mein Herz schlug schneller. Diesen Zeitpunkt darf ich nicht verpassen, wenn ich mich noch einmal mit einer saftigen Ladung Energie versorgen will.
„Verdammt, Sara! Lange ... kann ich nicht mehr ... widerstehen."
„Dachte, du wolltest das", sprach ich und ließ meine Finger schneller kreisen.
„Die ... Die Wandlerin ... heißt ... oh!" Arimà krallte sich an meinen Schultern fest.
Jetzt! Schon beugte ich mich über ihren rechten Oberarm und biss zu. Eine Flut an Energie strömte auf mich ein. So gewaltig, dass mir ein Stöhnen entwich.
Schließlich ließ ich von Arimà ab und stellte fest, dass nun der nebelverhangene Blick auf ihr herzförmiges Gesicht getreten war. „Gott, ich fühle mich, als sei ich gerade geschmolzen." Arimà atmete tief ein und ordnete die Falten ihres Rocks. „Das ... Hast du noch Platz für weitere Kunden in deinem Arbeitsplan?"
„Für diesen Monat bin ich ausgebucht, aber im nächsten sollte es klappen", erwiderte ich und lächelte.
„Meine Partner hätten mich ruhig warnen können, dass mein Besuch bei dir so unerwartet heiß sein würde." Arimà dehnte ihre Arme. „So, der Name der Wandlerin: Sarah Regen. Sie wohnt ebenfalls in dieser Stadt und zufälligerweise kennt sie die Kriegshelden ziemlich gut."
Ein Knurren entwich mir. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Meine Rache zu bekommen, war eben unerwartet schwieriger geworden, aber das würde ich schaffen.
„Richte deinen Partnern aus, dass jedem von ihnen ein besonderer Tag bevorsteht, wenn sie sich bereit erklären, unter meinen Bedingungen mit mir zusammenzuarbeiten", hauchte ich und drückte einen Kuss auf Arimàs linke Wange.
„Mit dem größten Vergnügen."
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