Der Duft der Erkenntnis

Heute

Theo

Ich zitterte am ganzen Körper, als die Erkenntnis durch meine Glieder schoss. Ruhig, Theo. Ganz ruhig. Du kannst nichts mehr für Christina tun, selbst wenn du ihr jetzt gleich dein Beileid aussprechen würdest. Aber die neuen Informationen können wir doch bestimmt nutzen, um etwas über Lena herauszufinden.

Kurzerhand stand ich von meinem Bett auf und setzte mich mit meinem Holopad an meinen Schreibtisch. Anschließend gab ich Lenas ganzen Namen in die Suchleiste des Internets ein. Perfekt, es gibt ebenfalls einen Eintrag zu ihr bei Galaktiva. Sehen wir doch mal, was wir finden.

„Lena Schwan wurde am 28. 09. 16 VGK in der Stadt Turhân, Kosan als zweites Kind geboren, doch niemand weiß, wo sie sich derzeit aufhält. Auch im Jahre 60 NGK scheint sie wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein", murmelte ich. VGK, NGK. Vor dem Großen Galaktischen Krieg, Nach dem Großen Galaktischen Krieg. Jetzt ergeben diese Abkürzungen auch endlich Sinn.

Laut dem Eintrag hatte sie im dritten Jahr des Großen Galaktischen Kriegs wie auch Christina, Maria, Nichello und Vanessa eine Spritze erhalten, wodurch sich nach eigenen Angaben ihre dunkle Seite von ihr gelöst hatte. Im dritten Jahr und der Krieg dauerte vier Jahre. Das heißt, Lilly wandelt seit 61 Jahren hier herum. Eine ziemlich lange Zeit. Irgendwie tut mir sie mir schon leid. Wie kann ich ihr nur ...

Es klirrte.

Sofort drehte ich mich zum Fenster und schluckte. Lilly stand in meinem Zimmer und schenkte mir ein Lächeln, das ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte.

„Hast du meine Warnung doch beherzigt?", sprach ich und erhob mich.

„Wüsste nicht, warum dich das kümmern sollte. Wie ich mein Leben verbringe, ist meine Sache. Meine, meine allein." Lilly ging zu mir. Die Art, wie sich bewegt ... Das passt nicht zu ihr.

„Ok, entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht bedrängen, aber Freunde kümmern sich umeinander und ..."

„Freunde?" Lilly kicherte. Eine Gänsehaut kroch meine Wirbelsäule hinab. „Oh, du glaubst also, dass uns so etwas wie Freundschaft verbindet. Wie niedlich. Nach all den Jahren hast du nicht erkannt, dass ich dir nur etwas vorgespielt habe? Dass ich nur deswegen zu dir gekommen bin, weil meine Herrin mich darum gebeten hat? Köstlich. Einfach nur köstlich." Scheiße! Was mach ich jetzt nur? Kann ich sie verjagen? Gibt es da einen Zauberspruch? Verdammt nochmal, ich hätte Linvay fragen sollen, wie sie das angestellt hat.

„Du wirst mich sicherlich nicht aufgesucht haben, nur um mich mit neusten Erkenntnissen zu versorgen, oder?", sprach ich und spazierte langsam zu meinem Bett.

„Ach und warum nicht? Glaubst du wirklich, dass ich damit nichts gewinnen würde? Dir muss doch mittlerweile klar geworden sein, dass Linvay sich nicht ohne Grund versteckt und die ganze Zeit darauf wartet, dass du sie findest. Dass du all den Leuten eingetrichtert hast, sie mögen dir um keinen Preis jene Antworten geben, die in dir schlummern. Wissen ... Wie drücke ich es nur aus?" Lilly neigte den Kopf leicht nach rechts und schloss die Augen.

Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Ihre Worte kommen mir bekannt vor, aber ich verstehe sie noch nicht ganz. Wissen. Wissen. Da war doch irgendetwas. Die Salinara. Sie ... Ach, du heilige!

„Spar dir deine Überlegung, mir ist nicht daran gelegen, auch nur ein weiteres deiner giftigen Worte zu hören!", knurrte ich.

Lilly hob den Kopf und in ihren purpurnen Augen blitzte etwas auf. „Welche Töne! Verändert sich da jetzt auch die Sprache? Interessant, sehr interessant."

„Warum verschwindest du nicht einfach? Willst du nicht unbedingt zu deiner Domina zurückkehren?"

Lilly gluckste. „Von ihr komme ich gerade und ich handele in ihrem Auftrag. Sie kann dafür sorgen, dass du deine Erinnerungen auf einen Schlag zurückerhältst. Klingt das nicht fantastisch? Immerhin wolltest du das doch von Anfang an, nicht wahr?" Zu gerne würde ich alle Antworten erhalten, aber Linvay wird mich nicht ohne Grund vor der Person gewarnt haben, die mir in dieser Angelegenheit helfen kann.

„Warum sollte ich dir vertrauen? Dir, einem Schattègô!"

Lilly zog ihre Mundwinkel nach unten. „Oh, nein! Denkst du, ich habe es mir ausgesucht, hier in dieser Galaxis herumzulaufen?! Du verstehst doch gar nicht, was das für mich bedeutet! Niemand der Lichtègî kann das! Niemand von euch! Glaubst du ernsthaft, ich genieße das Gefühl der Leere? Dieses Loch in meiner Brust?" Lilly kam noch näher und aus den Augenwinkeln bemerkte ich meine Zimmerwand. Weiter zurück ging nicht.

„Dann lass mich dir helfen", sprach ich und streckte eine Hand nach ihr aus.

Sie schnaubte. „Wie willst du das anstellen, wenn mein Lichtègô doch spurlos verschwunden ist?! Diese Möglichkeit bestand einst, oder sie hätte das mit mir tun können, was Christina mit Ántirchis gemacht habt, aber Nein. Warum sollte ..."

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Die Person, die ich für Christina gehalten habe, ist sie gar nicht. Nein, ich habe mit ihrem Schattègô geredet, den Christina mit genug Licht versorgt hat, als dass Ántirchis nicht nur von ihren dunklen Wünschen angetrieben wird.

„Lilly, es tut mir leid, dass du von Lena getrennt wurdest und es stimmt, dass ich nicht einmal erahnen kann, wie du dich fühlen musst. Wir finden gemeinsam bestimmt eine Lösung. Möglicherweise ... können wir dich dorthin schicken, wo Lena sich befindet."

Sie runzelte die Stirn, dann lehnte sie sich etwas in meine Richtung und atmete tief ein. „Hm, die Note ist ziemlich schwach, aber sie ist da. Welch ein Spaß, sobald Hyliva und ihre Schwestern deinen Geruch wahrnehmen. Lange kann es nicht mehr dauern. Dann verabschiede ich mich wohl besser. Der Salinara möchte ich nicht im Weg stehen." Lilly winkte noch einmal, dann drehte sie sich zum Fenster, schwang die Beine über die Brüstung und verschwand mit dem nächsten Wimpernschlag.

Welchen Geruch? Meine Muskeln spannten sich an, während ich meinen rechten Arm hob und unter meinen Achseln schnupperte.

Zimt und Sandelholz, aber sonst ... Moment, da ... Etwas mischt sich damit. Apfel und Lavendel. Scheiße!

Rasch senkte ich meinen Arm wieder und raste aus meinem Zimmer. Die Herzschläge meiner Eltern kamen nach wie vor aus der Küche. Dem Tempo nach, hatte ihnen bisher niemand Gesellschaft geleistet, der eine Gefahr darstellte. Immerhin etwas. Dennoch durfte ich keine Zeit mehr verlieren.

„Mum, Dad, wir müssen los!", rief ich und betrat die Küche.

Meine Eltern wandten sich mir zu.

„Los? Wohin denn?" Meine Mum gähnte und ich erkannte diesen Ausdruck in ihren Augen.

„Irgendwohin, wo wir sicher sind. Die ... Wenn Hyliva und ihre Schwestern hier aufkreuzen, werden sie euch sicherlich verletzen, um mir zu schaden."

„Theo, mein Sohn, glaube mir, sie werden dieses Haus nicht betreten können." Mein Dad stand vom Tisch auf und ging zu mir. Hat er sich schon immer so langsam bewegt? Nein, das muss mit meiner Rückverwandlung zusammenhängen.

„Aber sobald ich mich vollständig erinnere ... wird der Duft der Erkenntnis sie hierher locken."

Meine Mum erhob sich nun ebenfalls. „Zweifellos, doch es wurden Vorkehrungen getroffen. Außerdem bleibt die Frage ..." Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Lange halte ich das nicht mehr aus."

Mein Dad legte eine Hand auf ihre Schulter. „Wir schaffen das. Solange unser Sohn hier ist, kann ihm und uns nichts geschehen."

Lilly konnte eintreten, obwohl ich davor schon wusste, dass sie ein Schattègô ist. Warum gilt das nicht für Hyliva und ihre Schwestern?

In diesem Moment erbebte der Boden unter meinen Füßen.

„Was zum ..." Meine Mum taumelte und ich stand in der nächsten Sekunde bei ihr.

Mein Dad drehte sich zum Küchenfenster. „Schätze, wir werden relativ lange im Haus bleiben müssen."

„Wieso? Wen hast du gesehen?", sprach ich.

Er deutete mit seinem Finger zum Fenster.

Langsam ging ich hinüber und erstarrte. Eine Frau mit roten Korkenzieherlocken und purpurnen Augen stand auf der Straße kurz vor der Haustür, die Hände erhoben.

Meine Mum gesellte sich zu mir. „Der Plan ging nicht auf. Sie konnten sie nicht mitnehmen", hauchte sie.

Rote Korkenzieherlocken, ein rundes Gesicht mit einer Stupsnase. Marias Schattègô und sie kann ... Gebäude allein durch Gedankenkraft auflösen. Warum ...

In diesem Moment gellte ein Schrei durch meinen Kopf. So laut, dass ich glaubte, mein Schädel würde explodieren. Als hätte man einer Marionette die Fäden durchgeschnitten, fiel ich auf die Knie.

„Theo!" Meine Mum sank zu Boden und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Ihre Haut brannte auf meiner, doch ich gab keinen Ton von mir.

Jemand lachte. „Sieh mal einer an, wer aus den Schatten zurückgekehrt ist. Hatte schon gedacht, ich würde nie wieder die Ehre haben, mit dir zu reden." Diese Stimme ... Wo habe ich sie schon einmal gehört? Wenn ich mich doch nur besser erinnern könnte.

„Lilly mag nicht in erster Linie an deinem Todinteressiert sein, doch das gilt nicht für mich oder meine Partnerinnen. JederZauber lässt sich brechen und zur Not steht uns noch Kreativa zur Verfügung." Kreativa.Es klingelt wieder in meinem Kopf. Kreativa, Kreativa. Das Wort kommt von demAdjektiv kreativ und es ist ein Ausdruck für ... eine Sprache, die alle kreativenMenschen seit Geburt der eigenen Kreativität sprechen. Mit ihr könnenLachesilias beeinflusst werden und ... ich bin eine Lachesilia. Verdammt nochmal!


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