Alte Feinde
Heute
Theo
Hyliva machte einen Schritt auf mich zu.
Augenblicklich ballte ich die Fäuste. Mein Körper gehorcht mir wieder. Zumindest das.
„Ihr werdet mich nicht in die Finger bekommen", knurrte ich.
„Wirklich nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du etwas gegen meine Schwestern, Olléchin und mich ausrichten kannst", sprach Hyliva. Meine Gaben helfen mir auch nicht sonderlich. Mist, Mist, Mist. Wo ist Ántirchis? Wohin hat Olléchin sie nur gebracht?
„Einen Versuch werde ich wagen", erwiderte ich.
Alyva trat vor und trotz ihres rotgoldenen Schleiers spürte ich, dass sie in die Tiefen meiner Seele blickte. „Warum solltest du deine Energie vergeuden, wenn du uns einfach das geben kannst, was wir begehren?" Ihr Ernst?! Denken sie ernsthaft, dass ich Linvay verraten werde? Auf gar keinen Fall!
„Davon träumt ihr wohl! Niemals!"
Hyliva schenkte Olléchin einen Blick und seufzte. „Schätze, wir müssen wohl ..."
„Finger weg von meinem Bruder!", rief da Marie und stand kurz darauf neben mir. Erleichterung durchströmte mich.
„Oh, welche Ehre, dich endlich einmal persönlich zu treffen, Marie." Hyliva deutete eine Verbeugung an.
„Was habt ihr vor? Wollt ihr ...?" Marie schenkte mir einen Blick, woraufhin ich nur nickte. „... einen Fluch in das Blut meines Bruders weben, wie ihr es bei Christina getan habt? Oder zumindest in seine Haut wie bei ..."
Alyva verschränkte die blassen Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Warum sollten wir das tun, Schätzchen? Wozu Gewalt anwenden, wenn wir dank Ari Kreativa nutzen können?" Ari? Rias Schattègô. Mist, Mist, Mist, aber das erklärt einiges.
Marie stemmte die Arme in die Hüften. „Die Sprache steht nicht nur euch zur Verfügung und vielleicht erinnert ihr euch noch an unsere letzte Begegnung. Damals ging es nicht gut für euch aus, nicht wahr? Wollt ihr, dass es noch einmal so endet?"
Olléchin machte einen Schritt auf Marie zu.
Sofort sprang ich vor sie.
Olléchin hob die Augenbrauen. „Wie süß! Du verteidigst sie, obwohl du jetzt weißt, dass sie gar nicht deine Schwester ist. War es niemals und wird es nie sein."
„Der kleine Vorteil einer Lachesilia, man kann sich seine Familie aussuchen", erwiderte ich.
Marie legte eine Hand auf meine Schulter. Ihre Haut fühlt sich kühler an als vorher. Hat sie auch eine Träne der Zeit erhalten? Vermutlich.
„Was habt ihr jetzt vor? Eure Macht liegt in Flüchen und Olléchin hat gegen Theo und mich nicht so viele Chancen." Marie schob mich sachte zur Seite und ich ließ sie gewähren.
„Das stimmt, Schätzchen und wir haben eure Gaben nicht vergessen. Jedoch würden wir niemals einfach so einen Angriff starten." Eine Gänsehaut jagte bei den Worten Alyvas meine Wirbelsäule hinab.
Sie werden die anderen Schattègî mit dazu holen. Zwar können wir diese eine Zeitlang aufhalten, aber gegen die Salinara ... Was hilft gegen sie? Vielleicht Entschlossenheit? Lin. Wir brauchen dich!
Marie nickte. „Schön für euch, aber wir verabschieden uns jetzt erst einmal. Bis später." Anschließend streckte sie die rechte Hand aus und schnipste dreimal mit den Fingern.
Augenblicklich froren die Salinara und Olléchin ein. Kein Herzschlagen drang an meine Ohren. Kein Atmen.
„Du kannst die Zeit anhalten", wisperte ich und blickte zu Marie.
Sie lächelte. „Das wird uns etwas helfen, aber nicht ewig. Hör zu: Du musst Linvay finden, während ich Ria und Lisa bei den letzten Vorbereitungen helfe. Dann sollten wir das schaffen."
„Gut, aber ich weiß nicht, wo Lin steckt. Sie wollte sich hier im Keller verbergen, aber den genauen Ort hat sie mir nicht verraten, bevor ich durch das Zeitportal gegangen bin."
Marie schluckte. „Hat sie dir irgendwelche Hinweise hinterlassen? Notizen, Träume, so etwas in der Art?"
„Ja und ..." Wärme umhüllte mich. „... natürlich, damit sollte es funktionieren. Danke, Schwesterherz. Du bist die Beste."
Marie schenkte mir ein Lächeln, gleichzeitig bemerkte ich Tränen, die in ihren braunen Augen schimmerten. „Viel Erfolg, Theo. Wir schaffen das." Kaum waren diese Worte verklungen, als sie sich umdrehte und in Bewegung setzte.
Gut, wir schaffen das. Bitte, Adamira, lass den Zauber so funktionieren, wie ich denke. Bitte, bitte, bitte. „Iriva, éro nél", wisperte ich.
Eine Weile geschah nichts, dann erschien ein silberner Faden vor mir, der nach links führte.
Sofort folgte ich ihm. Aus dem Zimmer hinaus, den Gang entlang, zur Treppe, die aus dem Keller führte. In der Eingangshalle zum Treppenhaus, dort hinauf in den zweiten Stock. Von dort nach links bis zur vierten Tür. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, als ich den Griff der Tür zu mir zog.
Ein Summen drang an meine Ohren, kaum dass ich über die Schwelle getreten war.
„Lin?", rief ich.
Keine Antwort.
Der Duft nach Zeder und Pfirsich drang in meine Nase. Sie musste hier sein. Sie musste einfach.
Als ich die Tür schloss, vibrierte der Boden unter meinen Füßen. Merkwürdig. Was geht hier vor sich?
Kopfschüttelnd setzte ich einen Fuß vor den anderen. In der Mitte des Raums stand eine Glassäule, die senkrecht zur Decke ragte und darin schwebte Lin.
„Endlich", hauchte ich und ging hinüber.
Lin hatte die Augen geschlossen, den Kopf gesenkt und die Arme erhoben.
„Was hast du dir nur gespritzt, mein Herz? Wie befreie ich dich aus diesem Zustand?", wisperte ich und umrundete die Säule.
Keine Kratzer, keine Dellen. Soll ich sie einfach einschlagen? Selbst, wenn mir das gelingt, wie schaffe ich es dann Lin aus dem Dazwischen zurückzubringen? Leider hat sie mir nie gesagt, wie das geht.
Ein Seufzer entwich mir und dann erklangen Schritte. Das Schlagen eines Herzens drang an meine Ohren. Zu langsam für einen Menschen. Eine der Salinara. Mist, die Zeit bewegt sich weiter. Mir muss schnell etwas einfallen! Die Schritte kamen näher. Erst muss ... Ah, ich weiß nicht. Was mache ich jetzt nur?
Die Schritte hielten an.
Kampflos werde ich sie nicht zu Lin lassen! Niemals! Meine Muskeln spannten sich an, während ich mich der Zimmertür zuwandte und leicht in die Knie ging.
Wie in Zeitlupe öffnete sich die Tür.
Hyliva nickte mir zu. „Maries Gabe darf nicht unterschätzt werden, meinst du nicht auch?"
„Verschwinde!", knurrte ich.
Hyliva schnalzte mit der Zunge. „Aber, aber, warum denn so aggressiv? Meine Schwestern und ich sind gar nicht an dir interessiert. Übergib uns Lin und wir ziehen wieder ab, versprochen."
Ein Lachen entwich meiner Kehle, bevor ich mich dagegen wehren konnte. „Ihr kennt doch meine sehnlichsten Wünsche und meine größte Angst und da glaubst du trotzdem, dass ich euch einfach so Lin überlasse?"
Hyliva machte einen Schritt auf mich zu.
Sofort ballte ich die Fäuste und hob die Arme.
„Einen Versuch war es wert und wir wissen beide, dass ich keine Chance gegen dich in einem Kampf habe. Das wird sich bald ändern."
„Wie sollen die anderen Schattègî dieses Schloss betreten können? Arimàs Gabe wird hier keine Wirkung zeigen und da keiner meiner Familie ihnen vertraut, werden sie euch nicht unterstützen können."
Hyliva schenkte mir ein zahnloses Lächeln. „Olléchin bereitet in dieser Sekunde eine weitere Beschwörung vor und selbst, wenn das nicht funktionieren sollte ... Werden wir Plan B umsetzen." Plan B, Plan B. Olléchin. Scheiße, das werden sie nicht ... Doch, genau so werden sie vorgehen. Verdammt nochmal!
„Verstehe, ihr habt ziemlich gute Argumente und euch intensiv Gedanken darüber gemacht, wie ihr an euer Ziel gelangt", sprach ich und senkte langsam die Hände. „Was nützt euch Lin jedoch in diesem Zustand? Könnt ihr so wirklich eure Rache genießen?"
Hyliva zuckte mit den Schultern. „Lass das nur unsere Sorge sein." Sie hob ihr Bein, als das etwas hinter mir knisterte.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich Risse und dann zerbarst die Glassäule.
„Christina werdet ihr niemals bekommen", zischte Lin undtrat neben mich.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top