Wut
Kennt ihr das Gefühl einfach nur schreien zu wollen? So wütend und verletzt zu sein, das ihr euch selbst nicht wieder erkennt?
Ich liege in meinem Bett, wälze mich hin und her, kann nicht schlafen und dieses mal ist es nicht, weil mein Stiefvater rein kommt, oder weil ich mir nichts sehnlicher wünsche als zu sterben! Dieses mal ist es, weil ich Angst habe. Ich habe Angst um Kellin! Ich habe Angst, das er endgültig weg ist, das er mich einfach verlassen hat und ich ihn nie wieder sehe! Ich vermisse ihn!
Nach etwa zwei Stunden, in denen ich mich nur hin und her gewelzt habe, schlüpfe ich in meine Skinny Jeans, ziehe einen schwarzen Hoodie an und verlasse das Haus. Ich laufe zu Kellins Haus, es ist Kalt und es fängt an zu schneien, was nicht ungewöhnlich ist, für Mitte November!
Ich laufe immer schneller und als ich vor dem Haus angekommen bin, muss ich mich erst einmal gegen gegen die Wand lehnen. Ich kann spüren, das meine Schusswunde wieder angefangen hat zu Bluten, aber das ist mir völlig egal!
Ich klingle Sturm und hoffe, das Kellin die Tür auf macht, doch es nur Billy, der in einem blauen Shirt und rot-schwarz karierten Boxershorts die Tür aufmacht. "Franky?" der blonde Junge reibt sich verschlafen die Augen. "Kellin ist hier, oder?" frage ich, immer noch völlig ausser Atem. Billy sieht mich mit entschuldigendem Blick an, verschlafen wirkt er noch Jünger, als er sowieso schon aussieht. "Wo ist er?" "Er hat gesagt, das ich dir nichts sagen darf!" "Warum nicht?" Ich beiße wütend meine Zähne zusammen. "Er will nicht, das du ihm nachläufst! Du ... du darfst nicht mehr so abhängig von ihm sein, hat er gesagt!" Ich kaue an meinem Lippenpiercing herum. "Ich bin doch nicht von ihm abhängig!" "Er hat Angst, das wenn ihm irgendwann etwas geschieht, das du dann von einer Brücke springst, oder deine Pulsadern aufschneidest und das will er nicht riskieren! Deshalb musst du erst einmal lernen für dich selbst zu leben! Hör zu, Franky. Du bist mein einziger und mein bester Freund, ich weiß das du viel durchgemacht hast und es tut mir wirklich leid, das Kellin so handelt. Aber er ist mein Bruder und ich kann verstehen, warum er das tut! Mein Vater konnte sein leben nicht mehr wirklich genießen und nachdem meine Mutter sich umgebracht hat, weil er so sehr von abhängig war von ihr!" Ich kann mich nicht erinnern, ob Billy jeh so eine -Erwachsene und reife- rede gehalten hatte. Er hat mich also wirklich verlassen? Er hat mich verlassen!
Tränen laufen über meine Wangen und Billy nimmt mich in seine Arme. "Alles wird wieder gut werden!" flüstert er.
"Er hat etwas für dich da gelassen!" meint er dann, nach langer Zeit in der er mich nur umarmt hatte und ich versuchte mich zu beruhigen und nicht sein ganzes T-Shirt nass zu heulen. Er lässt mich los und geht voraus in Kellins Zimmer.
Das Zimmer war ordentlich aufgeräumt und vollkommen sauber, als wäre es direkt aus einem dieser Möbel Kataloge entsprungen. Nur das auf Kellins Bett eine Mappe liegt und darauf ein Zettel. "Ich lass dich kurz alleine! Möchtest du einen Kaffee, oder einen Kakao, oder so was?" "Ich brauche nichts, danke!" ich trete näher an das Bett heran und nehme den Zettel in die Hand. -Du weißt doch noch, von der Kunstschule von der ich dir erzählt habe, oder? Ich habe mich erkundigt, die Kunsthochschule, die mich haben wollte, trotz schlechter Noten, würde dich für das nächste Schuljahr nehmen, selbst wenn du schon fast das halbe Schuljahr verpasst hast! Du musst nur noch die Mappe einschicken, ich habe deine besten Bilder aus deinem Zimmer darin geordnet! Egal wie sich deine Noten verändern, du darfst nur keine sechs in einem Hauptfach haben!- mehr steht nicht drauf! Kein -wir sehen uns- oder -Ich liebe dich- Keine Erklärung, nichts! Ich drehe den Zettel um, in der Hoffnung dort noch ein paar Worte zu finden, aber ich erkenne nur, das er auf die Rückseite des Bildes geschrieben hat, das er von mir gezeichnet hat.
"Franky, willst du vielleicht reden?" fragt mich Billy, als ich mit der Mappe unter meinem Arm aus Kellins Zimmer komme. "Erst mal brauche ich frisches Verbandszeug!" sage ich, denn ich bemerke wie meine Schusswunde den alten Verband durchblutet. Billy lacht und nickt. Er führt mich ins Badezimmer und wechselt mir, ohne große Fragen zu stellen den Verband. "Weißt du, das ich einmal ein Praktikum im Krankenhaus gemacht habe? Deshalb bin ich gut darin, Verbände zuwechseln!" lächelt er. "Cool!" sage ich nur kurz.
"Franky, woher hast du eine Schusswunde?" fragt er dann, als wir zusammen auf der Couch sitzen. "Kellin hat dir nichts erzählt?" "Er hat nur gemeint, das du im Krankenhaus wärst und das ich nicht weiter fragen soll!" Ich lächle kurz und beschließe dann, ihm alles zu erzählen. Von meinem Stiefvater, von Kellins und meinem ersten Kuss und davon wie sehr Kellin mir geholfen hat! Ich weiß nicht wirklich ob er mir glaubt, aber ich weiß, das ich es ihm erzählen kann, er ist schließlich mein einziger und mein bester Freund und ich bin seiner!
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Ich sitze in meinem Zimmer, sehe mir die Bilder durch, die Kellin für mich in einer Mappe gesammelt hatte. Es sind ein paar Portraits von verschiedenen Band Mitgliedern und das Bild, das ich von ihm gezeichnet habe. Zwei Bilder von Engeln, drei wirklich gruselige Zeichnungen und zwei Landschaftsbilder, die ich vor Jahren einmal gezeichnet hatte.
Tränen laufen über meine Wangen und ich werfe die Bilder wie ein verrückter durch mein Zimmer. Wie kann er es nur wagen, diese Bilder zu sortieren und mir zu sagen, das ich auf eine Kunsthochschule soll? Wie konnte er es nur wagen, mich einfach zu verlassen, sich aber immer noch um meine Zukunft zu sorgen?
Ich will schreien, ich will um mich schlagen, bin so wütend! Schlage auf mein Kopfkissen ein und halte mir dieses vor den Mund, als ich einen Schrei nicht mehr zurückhalten kann.
Ich stürme ins Badezimmer, will jemand anderes sein als ich! Ich sehe in den Spiegel, sehe mich selbst und doch etwas komplett fremdes in mir. Noch nie war ich so außer mir, so voller Wut und so verletzt!
Sollte mein leben wirklich so sein? Das es jetzt vielleicht besser war und ich einen Kumpel hatte, aber verlassen werde, von dem einzigen Menschen den ich jeh geliebt habe?
Ich nehme die Nagelschere aus einer der Schubladen und schneide mir meine Haare ab. Ich will einfach jemand anderes sein, oder zumindest anders aussehen!
Es klopft an der Tür. "Franky, was machst du denn so lange da drin? Es ist elf, du musst deine Medikamente nehmen!" meine Mutter klopft erneut und betritt dann vorsichtig das Badezimmer. "Was machst du denn da?" Sie fängt an zu lachen, als sie meine selbst geschnittene, total schiefe neue Frisur sieht. "Nimm deine Tabletten und dann fahre ich dich zum Friseur!" lächelt die Frau, die etwas geschrumpft zu sein scheint, denn ich überrage sie locker einen halben Kopf, das letzte mal, als ich richtig vor ihr stand -als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde- war ich noch genauso groß wie sie.
Ich lege die Nagelschere aus der Hand, egal wie talentiert ich auch bin im zeichnen, Haare schneiden gehört nicht zu den Dingen die ich kann, nicht das ich es zuvor jeh versucht hätte.
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