Ängste
Manchmal fällt es einem schwer zu reden. Manchmal braucht man einfach noch mehr Zeit! Umso länger man ein Geheimnis bewahrt hat, umso schwerer ist es, es öffentlich zu machen!
Seit etwa einer Stunde sitzen wir hier, es ist still. Seit etwa einer Stunde hat niemand mehr gesprochen.
"Ich werde nicht darüber reden!" flüstere ich Kellin zu. "Du solltest aber mit jemandem darüber reden, mit jemandem der dir helfen kann und dir sagen kann was du jetzt tun kannst!" er knirscht mit den Zähnen. "Hier wird niemand zum reden gezwungen!" meint sein Großvater in ermahnendem Ton. "Ich glaube, Tessa und ich lassen euch mal eine weile alleine! Wir gehen Einkaufen, damit wir hier nachher Kochen können und dann holen wir Billy von der Schule ab!" lächelt Sam und erhebt sich von dem Sessel auf dem er sitzt.
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Ich liege auf dem Sofa, Kellin räumt die Kaffeetassen seiner Großeltern von dem kleinen Couchtisch und setzt sich auf den Sessel, auf dem vor etwa zehn Minuten noch sein Großvater gesessen war. "Ich will doch nur, das du in Sicherheit bist!" sagt Kellin mit vorwurfsvollem Blick. "Und ich will auch mal über etwas anderes reden! Du hast zu deinem Großvater gesagt, das du mich liebst, dabei kennst du nur meine schlechten, kaputten Seiten!" brumme ich und überlege ob es überhaupt andere Seiten an mir gibt, die er kennen lernen könnte.
"Ich habe dir gestern auch persönlich gesagt, das ich dich liebe!" lächelt er, steht auf und setzt sich zu mir. -Du hast mich dazu gebracht, dich zu lieben und dann stirbst du fast vor meiner Haustür und auf einer Brücke und hinter eurem Haus!-
Mir ist übel, er muss sich immer um mich sorgen machen! Ich bin ein schlecht und einfach nur ein kaputter Junger!
"Es tut mir leid!" Ich nehme seine Hand in meine und er sieht mich verwundert an. "Es tut mir leid, das ich ein schlechter Mensch bin!" er verschränkt seine Finger mit meinen. "Hör auf so etwas zu sagen, oder überhaupt zu denken! Du bist kein schlechter Mensch, nur ein Mensch der schlechtes erlebt hat!" Er lehnt sich zurück, passt penibel auf, das er nicht zusehr meine Beine berührt, die hinter ihm liegen. "Wieso liebst du mich?" frage ich, als ich ihn so ansehe. Ich muss es einfach wissen!
"Du bist so perfekt! Man verliert sich in deinen Augen, man lächelt, wenn du lächelst. Ich sehe dir beim Schlafen zu und ich bekomme Angst, wenn sich dein friedlicher Schlaf in einen Albtraum verwandelt! Wenn ich nicht in deiner nähe bin, ist es als wäre ich nicht ganz!" erklärt er und fährt mit seinem Daumen über meinen. "Ich habe Angst, Kellin!" sage ich leise. "Wovor?" er sieht mich mit seinen perfekten Mintgrünen Augen an, seine Lippen sind zu einem leichten lächeln verzogen und ich kaue nur wieder auf meinem Lippenpiercing herum. Ich habe Angst, aber ich kann nicht wirklich genau sagen wovor genau!
Ich habe Angst vor diesen Gefühlen die er in mir weckt. Ich habe Angst davor bald wieder nachhause zu müssen! Ich habe Angst vor allem!
"Franky, rede mit mir! Wovor hast du Angst?" holt er mich wieder aus meinen Gedanken. "Vor allem!" aus irgendeinem Grund laufen mir Tränen über die Wangen. "Hab keine Angst!" Er beugt sich zu mir und Küsst mich zärtlich auf die Lippen. Er lässt von mir ab und ich ziehe meine Beine hinter seinem Rücken hervor. Mir ist schlecht, ich weiß nicht genau weshalb, aber ich renne ins Badezimmer und erbreche mich sofort. Eigentlich ist es kein Wunder, das ich mich übergeben muss, ich meine in den letzten Tagen habe ich mehr gegessen, als in dem gesamten letzten Jahr noch dazu schleicht sich mein Stiefvater regelmäßig in meine Träume und ich habe eine Scheiß Angst vor meinen Gefühlen!
Ich richte mich auf, wische mir mit dem Handrücken, der immer noch in einen Verband gehüllt ist über den Mund. Ich sehe in den Spiegel und ich bin nicht mehr der selbe der ich einst war. Mein Gesicht wirkt etwas gesünder als früher, meine Wangen sind nicht mehr so eingefallen und ich bin nicht mehr ganz so blass. Außerdem fällt mir auf, das ich unbedingt meine Haare schneiden lassen muss, sie sind fast Schulterlang und reichen im Gesicht fast bis über meine Augen. Ich lehne mich auf eines der beiden Waschbecken, dann drehe ich mich um, entdecke einen Mantel über der Badewanne hängen. Es ist ein hellbrauner Trenchcoat und er ist pitschnass. Es ist kein Kleidungsstück, das Kellin jeh tragen würde und er gehört auch nicht Billy. Aus dem Trenchcoat ragt etwas schwarzes, hartes hervor. Ich betrachte es lange, bis ich begreife das ich eine Waffe anstarre. Eine Polizei Pistole!
Ich hole sie aus dem Mantel und drehe sie in meiner Hand. Das Gesicht von Klaus taucht vor meinem inneren Auge auf, wie er in mein Zimmer kommt und wie ich diese Waffe zücke und es endlich beende. In meinen Gedanken schieße ich ihm direkt in seinen Schwanz, doch das sind nur Gedanken! Ich muss sie einfach in die Realität umsetzten! Dieses mal muss ich es sein, der ihn bestraft! Ich muss nachhause und mich meinem Stiefvater gegenüber wehren! Ich weiß nicht wieso aber, ich habe das Gefühl, das würde einen großen teil meiner Angst zerstören und dann hätte ich vielleicht auch nicht mehr eine so große Angst vor meinen Gefühlen! Es ist seine Schuld weshalb ich so ängstlich bin und dafür muss er bestraft werden!
Ich stecke die Pistole in meine Hose und als ich noch einmal in den Spiegel sehe, erkenne ich ein kleines Grinsen auf meinen Lippen. "Franky? ISt alles in Ordnung?" Kellin klopft gegen die Tür. "Alles bestens!" lächle ich und öffne die Tür. Ich dränge mich an dem Jungen vorbei und verschwinde in seinem Zimmer. So schnell ich kann verstecke ich die Pistole in der Tasche, die mir meine Mutter gepackt und mit ins Krankenhaus gepackt hatte. Ich packe sie zwischen ein paar T-Shirts und verlasse dann wieder unschuldig das Zimmer. "Was hast du gemacht?" fragt Kellin und folgt mir wieder ins Wohnzimmer. "Gar nichts!" lächle ich unschuldig und Küsse ihn auf den Mund.
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Es ist Nachmittag, Sam und Tessa stehen in der Küche und Kellin, Billy und ich sitzen vor dem Fernseher im Wohnzimmer. "Das essen ist fertig, Kinder!" ruft Sam und streckt seinen Kopf aus der Küche. Wir alle nehmen in der Küche platz und fangen an zu essen. "Willst du mit mir reden?" fragt mich Sam, ich schüttle den Kopf und sehe zu Kellin. "Ich brauche noch ein bisschen Zeit!" meine ich und schiebe mir eine Gabel Nudeln in den Mund. Ich muss nicht mehr Hungern, ich muss nicht mehr der ganzen Welt ein Skelett zeigen, weil ich mich innerlich anfange lebendig zu fühlen!
"Du hast sechs Jahre lang den Mund gehalten, wozu brauchst du noch mehr Zeit?" höre ich Kellin vor sich hin murmeln. Aber er versteht das einfach nicht! Ich will es nicht sagen, weil ich mir nicht sicher bin, ob es mir jemand glaubt, oder ob man mich verurteilen wird, weil ich mich nie richtig gewehrt habe! Ich habe Angst das, wenn ich es erzähle jemand sagt, das alles meine Schuld ist!
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