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Die Begegnung mit Harry hatte mich zu genüge von den seltsamen Briefen abgelenkt und dafür war ich ihm wirklich dankbar. In dem kurzen Gespräch hatte er mir ebenso die Angst vor meinem ersten Unitag genommen. Wenn ich jetzt schon jemanden kannte, dann würde ich nicht komplett alleine da stehen. Vielleicht würden wir ja wirklich gute Freunde werden. Ich wünschte es mir zumindest.

Erst als ich am nächsten Morgen wieder in der Bibliothek meines Onkels stand, holten mich die Gedanken an den unheimlichen Absender der Nachrichten wieder ein. Was wenn er heute wieder kam? Ich war mir plötzlich nicht mehr so sicher ob ich herausfinden wollte, wer mir die Botschaften schickte. Was wenn sich meine Theorie mit dem Stalker bestätigte? Würde es dann nicht gefährlich sein, dieser Person zu begegnen?

Jedes Mal wenn sich die Tür öffnete und ein neuer Besucher in die Bücherei eintrat, musterte ich denjenigen nachdenklich und versuchte herauszufinden, ob er etwas mit den Zitaten zu tun hatte. Doch bei niemandem konnte ich es mir wirklich vorstellen. Wahrscheinlich reagierte ich über und ich würde überhaupt keine Briefe mehr erhalten. Doch mit Sicherheit konnte ich das nicht sagen.

Meine Gedanken wurden erst auf etwas anderes gelenkt, als sich die Tür erneut öffnete und plötzlich Harrys Schwester Gemma in der Bibliothek stand. Überrascht blickte ich sie an. Ich hatte definitiv nicht damit gerechnet, sie so schnell wieder zu sehen.

Da fiel es mir auf einmal wieder ein. Deshalb war mir Harry so bekannt vorgekommen, als er mich gestern in der Uni angesprochen hatte. Die beiden waren schon öfter zusammen hierher gekommen. Sie waren diejenigen gewesen, die ich so gerne hatte ansprechen wollen, mich aber nicht getraut hatte. Welch ein Zufall, dass genau die beiden mich später angesprochen hatten.

Noch während ich überlegte, ob ich Gemma auf mich aufmerksam machen sollte, drehte sie sich in meine Richtung und kam auf mich zu. Noch war ich mir nicht sicher, ob sie mich erkannt hatte. Doch als sie direkt vor mir stand, schlich sich ein verwunderter Ausdruck auf ihr Gesicht.

„Du bist doch Louis, oder?“ fragte sie, wartete meine Antwort jedoch überhaupt nicht ab. „Eigentlich wollte ich nur das Buch hier zurückbringen, aber schön dich wiederzusehen.“ fuhr sie lächelnd fort, während sie das besagte Exemplar vor mir auf den Tresen schob.

„Hi.“ entgegnete ich nur lächelnd und tippte dabei die Rückgabe des Buches in den Computer vor mir. „Ist dein Bruder gar nicht bei dir?“ schob ich noch fragend hinterher. „Doch, aber er wartet draußen. Hätte er gewusst, dass du hier bist, dann wäre er sicher mit rein gekommen.“ meinte Gemma, während sie mir fröhlich zuzwinkerte.

Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, da schien ihr noch etwas einzufallen. „Harry und ich sind morgen Abend mit ein paar Freunden von der Uni unterwegs. Hast du vielleicht Lust mitzukommen?“ Einen Moment überlegte ich, doch dann stimmte ich zu. Das würde bestimmt lustig werden.

Gemma wirkte sehr zufrieden mit meiner Zusage, nach einem Blick auf die Uhr meinte sie allerdings „Ich muss dann mal weiter. Ich glaube Harry wird langsam ungeduldig, wenn er noch länger auf mich warten muss. Aber wir sehen uns ja morgen. Wir holen dich um acht hier ab, wenn das okay ist.“„Klar, dann bis morgen.“ verabschiedete ich mich, was Gemma mit einem Lächeln erwiderte.

Als sie die Tür öffnete, konnte ich Harry sehen, der an der Hauswand lehnte und auf sie wartete. Sein Blick traf meinen und einen kurzen Moment lächelte er mich an, bevor die Tür zu fiel und meine Sicht auf ihn verdeckte.

Das erste Mal seit ich in London war, hatte ich tatsächlich eine Verabredung. Doch am meisten freute ich mich darüber, Harry wiederzusehen. Bei diesem Gedanken breitet sich ein strahlendes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich wusste nicht was es war, doch irgendetwas an ihm war außergewöhnlich.

Doch meine gute Laune hielt nicht lange. Denn als ich Gemmas Buch auf den kleinen Wagen legte, auf dem ich alle heute zurückgebrachten Bücher sammelte, entdeckte ich ein Exemplar, das sich zuvor noch nicht dort befunden hatte. Wie ist es dort hingelangt? Außer mir und Gemma war niemand in der Bibliothek gewesen und der Wagen war auch ständig in meiner Reichweite. Langsam war es wirklich unheimlich wie die Bücher immer unentdeckt auftauchten.

Ich zögerte einen Augenblick. Sollte ich wirklich nachsehen, was sich diesmal darin befand? Doch schließlich siegte meine Neugier über meine Zweifel und ich griff nach dem glatten Einband. Sanft strich ich über die Schrift auf dem Cover „Pirates of the Caribbean“.

Ich schlug das Buch auf und blätterte durch die Seiten, bis ich wie erwartet ein kleines Stück Papier fand. „Not all treasure is silver and gold, mate.“ stand darauf geschrieben. Kein Zweifel, dass es sich um dieselbe Handschrift handelte, wie auf den Botschaften zuvor.

Gespannt ob sich erneut mehr als nur ein Zitat auf dem Zettel befinden würde, faltete ich ihn auseinander. Tatsächlich, auf der Innenseite stand noch mehr geschrieben.

„Der größte Schatz für mich ist kein Silber oder Gold. Mein größter Schatz ist die Vorstellung, du würdest mich ebenfalls bemerken. Ein Lächeln ziert deine Lippen, wenn sich unsere Blicke treffen... doch im Moment kann ich nur hoffen xH.“

Was sollte das denn bedeuten? Sollte dies erneut ein Liebesbrief sein? Ja eindeutig! Aber wenn diese Person so versessen darauf war, meine Aufmerksamkeit zu erlangen, warum redete sie dann nicht mit mir? War ein Gespräch nicht viel einfacher als anonyme Nachrichten in Büchern zu verstecken?

Obwohl ich zugeben musste, dass es abgesehen von meiner Stalker-Theorie, doch ein wenig romantisch war. Die Vorstellung, jemand würde mir wirklich ernst gemeint diese Briefe schreiben, ließ mich in einem Strudel kitschiger Tagträumereien versinken.

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