Kapitel 7
Harry POV
Gestern bin ich offensichtlich sehr schnell eingeschlafen, ich habe es gar nicht richtig bemerkt, aber viel ist eh nicht mehr passiert. Nachdem Caroline gegangen ist, hab ich mich nur noch fürs Bett fertig gemacht. Zum Glück kam meine Mutter nicht nochmal ins Zimmer, wahrscheinlich hat sie es eh schon längst vergessen. Vielleicht ist das doch ein kleiner Vorteil am Alkohol.
Heute bin ich, trotz dass Sonntag ist, sehr früh aufgestanden, denn noch gestern Abend hat Caro mir geschrieben, dass sie mich direkt mit zur Arbeit nimmt und möchte 6:50 Uhr vor der Tür im Auto warten. Ein kurzer Blick auf meinen Wecker verrät mir, dass ich noch 15 Minuten habe. Schnell stehe ich auf und überlege kurz, was ich anziehen soll. Schlussendlich ziehe ich dann doch wieder die Sachen von gestern an, putze mir schnell die Zähne und versuche meine Haare zu bändigen - was nicht so gut funktioniert, aber Zeit habe ich eh keine mehr.
Ich höre wie ein Auto vor unserem Haus stehen bleibt. Das muss dann wohl Caro sein. Schnell renne ich in mein Zimmer zurück und schnappe mir meinen Rucksack, um mir dann zügig meine Jacke und Schuhe anzuziehen. Natürlich muss ich leise sein, damit ich meine Mutter nicht aufwecke. Ich gehe also vorsichtig am Wohnzimmer vorbei und mache die Haustür auf. Sie wartet schon auf mich und winkt mir lächelnd zu.
Ich schließe langsam die Tür und laufe zum Auto. Die Kälte umhüllt meinen Körper, vielleicht hätte ich noch eine Mütze aufsetzen sollen, aber erstens sehen meine Haare nach dem abnehmen noch schlimmer aus und zweitens habe ich keine Zeit mehr, sie zu holen. Wir begrüßen uns schnell und Caro umarmt mich sogar, sofern es im Auto eben möglich ist. Ein bisschen erwärmt es schon mein Herz, denn sehr oft werde ich nicht umarmt. Nach fast drei Minuten Fahrt, kommen wir schon auf dem Parkplatz der Bibliothek an und steigen aus.
Ich lasse sie vor mir laufen und sie geht schnell zum Eingang, rennt schon fast. Ihr ist wahrscheinlich auch kalt. Ich folge ihr so gut ich kann und Caro schließt die Tür auf, um uns endlich in die Wärme zu lassen. "Es wird auch jeden Tag kälter, oder?", fragt sie mich eine eher rhetorische Frage und reibt ihre Hände aneinander, damit sie wieder wärmer werden. Ich gebe ein zustimmendes mhm von mir und zittere am ganzen Körper, obwohl man schon deutlich merkt, dass die Heizungen hier drin laufen. Die große Eingangstür hat sich mittlerweile geschlossen und wir gehen rüber zu den Personalräumen, um unsere Jacken wegzuhängen.
Gerade öffnet sie ihren Mund, um etwas zu sagen, doch da geht die, bis eben noch geschlossene, Tür ruckartig auf und auf einmal kommt ein junger Mann hinein gestürmt. Er ist ziemlich dick angezogen, geht jedoch sehr schnell an uns vorbei zu seinem Spint, weshalb ich gar keine Chance habe, ihn richtig zu erkennen. Während er sich ausführlich bei Caroline entschuldigt, dass er zu spät ist, zieht er seine Jacke, Mütze und seinen Schal aus und hängt sie in seinen zugeteilten Spint. "Oh Gott, es tut mir leid. Mein erster Tag und ich komme direkt zu spät. Das geht ja super los. Ich verspreche, es wird nicht mehr vorkommen. Es tut mir wirklich unglaublich leid!" Wir beide schauen ihn erstaunt an und Caro redet ruhig auf ihn ein, dass es vollkommen okay ist, mal fünf Minuten zu spät zu kommen und er sich nicht so einen Kopf machen soll. Er wuschelt sich noch einmal durch seine Haare und dreht sich dann endlich zu uns herum.
Oh mein Gott. Das ist Louis? Der Mann, mit dem ich erst vor zwei Tagen zusammengestoßen bin. Das ist mir wirklich unangenehm. Ich spüre wie mir die Wärme in die Wangen steigt und schaue zum Boden. Wer weiß, vielleicht erkennt er mich gar nicht wieder. Für ihn war es vermutlich nichts besonderes, doch mir hat der Moment ziemlich Angst gemacht und so schnell werde ich ihn nicht vergessen. Wie soll ich denn jemals mit ihm ein Gespräch führen können, wenn ich ihm nicht mal in die Augen sehen kann? Was ist, wenn er sich doch erinnert und jetzt ein schlechtes Bild von mir hat? Oder noch schlimmer, was wenn er sauer auf mich ist? Ich kann nicht mit ihm reden. Niemals. Ich gehe einfach unauffällig in meine Ecke, lese mein Buch und rede nie wieder mit irgendjemandem. Ich möchte im Erdboden versinken...
Ich kehre wieder in die Realität zurück, als mir jemand vor der Nase rumfuchtelt und ich meinen Namen höre. "Harry? Harry?! Hörst du mir überhaupt zu?" Ich schaue langsam in die Augen von Caroline und bemerke dann, dass ich total in Gedanken versunken war und Louis ja auch noch da ist. Peinlich berührt schau ich zu ihm und er schaut mir sanft in die Augen. Oh Gott, er schaut mich an. Ich versuche so schnell es geht zurück zu Caro zu schauen. "Huh? Oh, 'tschuldigung", gebe ich kleinlaut von mir. Warum passieren mir immer die peinlichen Momente?
"Nicht so schlimm", versichert sie mir lächelnd. "Louis, ich würde vor gehen, da jetzt die ersten Leute kommen und Harry: du weißt ja, wo du hin musst." Sie zwinkert mir zu, wissend, dass ich wieder in meiner Ecke verschwinden werde. Louis verlässt kurz nach ihr den Raum und ich stehe noch ein wenig verwundert da, setze mich jedoch anschließend in Bewegung und bahne meinen Weg durch die vielen Gänge und Regale.
Ich gehe auf das kleine Sofa zu und hole meine Kopfhörer aus meinem Rucksack. Diese lege ich mit meinem Handy ab und hole das Buch von gestern raus. Gemütlich und zufrieden, mich endlich aufgewärmt zu haben, spiele ich ruhige Musik ab und ich vertiefe mich in die Geschichte. Endlich kann ich mal wieder entspannt lesen, ohne mich nicht konzentrieren zu können. Ohne Angst zu haben, zu spät nach Hause zu kommen. Es ist ein echt schönes Gefühl, wenn man einfach mal abschalten kann und das machen kann, was einem wirklich Freude bereitet. Man möchte für immer in diesem Moment bleiben, doch auch die schönsten Dinge haben mal ein Ende und somit wurde auch ich schlussendlich von einem zaghaften Tippen auf meiner Schulter unterbrochen.
"Harry?"
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