Zurück in der Höhle

Es war ein tolles Gefühl durch den Wald zu gehen, mit dem ich so manche Erinnerung verband. Hier hatte ich Nachtschweif kennengelernt. Ob das wohl Schicksal war? Ein Leben ohne ihn konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Ohne ihn hätten mich die Magnayen zerfleischt. Ohne ihn wäre ich wohl ganz allein. Nur bei ihm fühlte ich mich wirklich geborgen und glücklich. Auch wenn ich mich fragen konnte, wieso mein Leben so grausam war und mir meine Eltern genommen hatte, so war Nachtschweif die beste Antwort darauf, mit dem Leben weiterzumachen. Ich liebte ihn und war froh, dass er immer noch an meiner Seite war.

Wir bemerkten nun eine ziemlich große Pokémon-Ansammlung vor uns, die unseren Weg kreuzte. Als ich erkannte, was das für Pokémon waren, war ich erstarrt. Die anderen wussten natürlich, was mit mir los war. Unzählige Guardevoirs waren vor uns! Noch nie hatte ich ein anderes Guardevoir gesehen; selbst meine Mutter kannte ich nur aus meinen Träumen. Und jetzt sah ich so viele vor mir. "Ziemlich ungewöhnlich, so viele auf einmal zu sehen.", meinte Nachtschweif. Hellschatten sagte dazu: "Da scheint wohl was los zu sein. Seht nur, sie tragen alle Beeren!" Ich fragte mich nun selbst, was da vor sich ging. Daher ging ich auf sie zu, um sie zu fragen. Die meisten gingen einfach an mir vorbei und ignorierten mich, aber eines erklärte es mir: "Wir sammeln Beeren für das große Fest. Unser Anführer hat nämlich einen strahlend, weißen Splitter gefunden. Aus diesem Grund gibt er eine Feier." Diese Antwort überraschte mich sehr. Nicht aber weil sie ein Fest veranstalteten, sondern weil dieser weiße Splitter offensichtlich Cresselias Stein war. Das Guardevoir ging wieder weiter, fügte aber an: "Aber nur Guardevoirs unserer Gruppe sind zum Fest eingeladen. Tut mir leid." Dann verschwand es in der Masse. Meine Gruppe kam nun näher und weil sie zugehört hatte, wusste sie ebenfalls Bescheid. "Sie haben Cresselias Stein!", posaunte es aus Nachtschweif heraus. Frostine meinte: "Ja, und sie dulden keine Außenstehende bei sich. Wie sollen wir ihn also bekommen?" Das Eispokémon hatte recht. Sie würden uns den Stein niemals überlassen und ihn zu stehlen wäre wohl auch keine gute Idee, da es einfach viel zu viele Guardevoirs waren. Es war hoffnungslos; jedoch nicht für Nachtschweif: "Was seid ihr denn schon wieder für Pessimisten? Wir haben doch dich, Lia!" Erstaunt zeigte ich auf mich. "Was sollte ich ausrichten können? Es sind doch keine fremden Guardevoirs erlaubt.", erinnerte ich ihn. Aber für Nachtschweif schien das kein Hindernis zu sein, denn er sagte: "Ach was. Bei dieser Masse wird es nicht auffallen, wenn ein Guardevoir mehr als sonst anwesend ist. Und wenn du dann den Stein gefunden hast, kannst du nachts mit ihm verschwinden." Sein Plan klang zwar einfach, aber es hatte wohl einen guten Grund, wieso ich dabei meine Bedenken hatte. Sobald sie mich nämlich erkannt hatten, dass ich nicht zu ihnen gehörte, war es vorbei. Wenigstens konnte ich mich, sobald ich den Stein hatte, teleportieren, sodass ich mir keine Gedanken um die Flucht zu machen brauchte. Aber weil ich die Sache ganz alleine durchziehen musste, war mir dabei nicht ganz wohl. Das erkannten die anderen und Frostine sprach mir Mut zu: "Du schaffst das schon! Nach allem, was Nachtschweif mir über dich erzählt hat, mache ich mir da keine Sorgen." Auch der Rest glaubte an mich, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Ich war dann bereit, doch mir fiel auf, dass die Guardevoirs verschwunden waren. Wie sollten wir sie finden? Nachtschweif schien enttäuscht zu sein und zeigte in die Richtung, in die sie gegangen waren. Er sagte: "Sollte dir diese Gegend nicht äußerst bekannt vorkommen?" Ich war verwirrt; schließlich war mir der Wald gerade um die runde Wiese herum sehr vertraut. Daher sah ich nun in die von Nachtschweif angezeigte Richtung und mir fiel es sofort ein. Vor uns lag eine Vertiefung, in dieser der Eingang einer Höhle versteckt war. Es war die Höhle, die ich wohl nie mehr in meinem Leben vergessen werde. Und genau in dieser Höhle schienen sich die Guardevoirs aufzuhalten. "Wenigstens hast du den Heimvorteil.", motivierte mich Nachtschweif. Es stimmte; in dieser Höhle kannte ich jeden Gang. Schon mal gute Voraussetzungen. Bevor ich jetzt den Hang hinunterging, wünschten sie mir noch alle viel Glück. Dann verschwand ich in der Dunkelheit und ich bekam Zweifel am Plan. War es wirklich so einfach? Keiner von meiner Gruppe machte sich Sorgen um mich. Lag es daran, dass sie mir das alle zutrauten? Oder hatten sie ihre Zweifel vor mir verheimlicht, um mich nicht zu verunsichern? "Hey, mach dir keine Sorgen! Wir sind auf jeden Fall in der Nähe und greifen ein, wenn was schief läuft.", hörte ich jemanden plötzlich hinter mir sagen. Es war Nachtschweif, der mit den anderen vor der Höhle wartete. Ich nickte zuversichtlich und sagte: "Okay. Aber ich schaff das schon!" Ich betrat nun die Eingangshalle und Erinnerungen wurden in mir wach. Dass ich jemals wieder hierherkommen würde, hätte ich nie gedacht. Mit diesem Ort verband ich einfach zu viel Negatives. Zudem erinnerte sie mich an meine schmerzhafte Vergangenheit. Aber inzwischen hatte ich gelernt, mit ihr umzugehen. Ich hatte sie akzeptiert und ich hatte es soweit geschafft, dass sie mich nicht mehr negativ beeinflusste. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, diesen Ort nie wieder zu betreten. Der Raum war wie damals verlassen und daher trat ich tiefer in die Höhle hinein. So vieles war noch gleich; zum Beispiel waren die Fackeln an den Wänden immer noch da. Mit jedem weiteren Schritt wurde es lauter. Ich konnte sogar schon Stimmen hören. Sie kamen wohl aus der Trainingshalle. Daher sah ich hinein und staunte nicht schlecht. Die Guardevoirs verzierten die Wände mit Girlanden aus Blättern und sie hängten auch bunte Lichtkugeln an der Decke auf. Es sah wirklich toll aus und der Raum wirkte so viel freundlicher. Einige Guardevoirs blickten mich kurz an, beschäftigten sich aber dann wieder mit dem Schmücken. Eines rief zu mir: "Hier gibt es für dich nichts zu tun. Helfe lieber mit den Beeren!" Ich nickte und ging aus dem Raum. Wo die Beeren hingebracht wurden, wusste ich nicht, daher suchte ich danach. Im Speisesaal wurde ich dann fündig. Im Gegensatz zur Trainingshalle sah es hier noch genauso aus wie früher, was wohl daran lag, dass hier noch nicht so viel Dekoration war. Selbst die Baumstämme waren immer noch da und wurden noch immer als Tische verwendet. Auf diese stellten die Guardevoirs die Becher aus Stein, die sie offensichtlich mit Beeren füllten. Sie bemerkten mich und riefen mich dazu. Da es wohl verdächtiger wäre, allein in den Gängen umherzugehen, half ich ihnen. Dabei hatte ich allerdings auch ein mulmiges Gefühl, denn sie unterhielten sich alle miteinander und schienen sich gut zu kennen. Sie würden mir doch nicht ansehen, dass ich eigentlich gar nicht zu ihnen gehörte? Nun ja, ich versuchte einfach so zu tun, als würde ich zur Gruppe gehören und versuchte mir keine Aufregung anmerken zu lassen. Stattdessen tat ich, was alle hier machten; nämlich die Beeren auspressen und den Saft in die Stein-Becher füllen. Dies machten sie mithilfe von Psychokinese. Das konnte ich sehr gut nachmachen, also war ich schon mal sehr erleichtert, dass keiner Verdacht schöpfen konnte. Ich verfolgte ihr Gespräch: "Endlich mal wieder ne Party. Besonders jetzt in der neuen, viel größeren Höhle wird das bestimmt die Beste aller Zeiten!" Die anderen Guardevoirs stimmten ihr zu, daher tat ich dasselbe. Ein anderes meinte: "Und das alles, weil der Anführer einen Stein gefunden hat." Da rief ein Guardevoir schockiert: "Das ist nicht nur irgendein Stein! Angeblich ist das ein Splitter von einem riesigen Kristall, den eine bemerkenswerte Aura umgibt." Damit hatte sie sogar nicht ganz unrecht. Ob sie wusste, dass der Stein Cresselia mit Kraft versorgte? Die anderen Guardevoirs waren auf jeden Fall auch begeistert und hörten weiter gespannt zu. Ich natürlich ebenfalls, da ich wissen wollte, ob sie von Cresselia wusste: "Man sagt, wenn man sich in der Nähe dieser Aura aufhält, altert man weniger schnell und die Haut wird wieder jung." Ein lautes Gekreische aus Freude brach unter den Guardevoirs aus, die wohl alle glaubten, dass sie durch den Stein wieder schön und jung werden würden. Ich dagegen fand die Idee so lächerlich, dass ich drauf loslachte. Während des Lachens merkte ich nicht, wie die anderen mich anstarrten. Erst zu spät fiel mir das auf und nun musste ich nicht mehr lachen, sondern zittern. War ich aufgeflogen? Ein Guardevoir sprach mich an: "Was daran ist so lustig? Hast du etwa einen besseren Vorschlag, was das für ein Splitter sein soll?" Alle Augen waren auf mich gerichtet, was mich nur noch mehr stresste. Ich musste meine Verunsicherung abschütteln und ganz normal reden wie die anderen. Aber was sollte ich sagen? Wenn ich von Cresselia berichten würde, würden mich doch alle nur noch mehr anstarren. Also sagte ich: "Eigentlich nicht. Aber das mit der Schönheit klingt nicht wirklich realistisch. Oder wieso glaubst du, dass es so ist?" Mit der Frage versuchte ich die Aufmerksamkeit von mir wegzulenken, was erstaunlich gut funktionierte, da wieder alle auf das andere Guardevoir fokussiert waren. Ich atmete auf und war froh, dass es jetzt los ging und wir in einen anderen Raum gingen. Es war der Versammlungsraum, der als solcher nun auch verwendet wurde. Alle Guardevoirs sahen auf die Bühne und warteten darauf, bis ihr Anführer kam. Ich dagegen war von der großen Menge beeindruckt; es waren mehrere Dutzend Guardevoirs! Wo hatten sie sich nur all die Zeit versteckt? Im Wald hätte ich so eine große Anzahl doch bemerken müssen. Aber da es nichts brachte, über die Antwort nachzudenken, blickte ich lieber auf den Anführer, der die Bühne mit dem weißen Stein betrat. Als ich den Anführer sah, traute ich meinen Augen nicht. Wie sah er denn aus? Es war ganz offensichtlich ein Guardevoir, aber seine Haare waren ja blau. Wie war das möglich? Alles, was an mir grün war, war bei ihm eben blau. Weil ich darüber staunte, nahm ich seine Ansprache kaum wahr und bekam am Schluss nur noch mit, wie er ein neues Mitglied vorstellte. Dann wünschte er uns viel Spaß und ließ die Feier beginnen. Alle stürmten sofort los und liefen entweder in den Speisesaal, um ausgelassen zu trinken, oder begaben sich in die ehemalige Trainingshalle, die wohl jetzt als Tanzhalle diente. Ich jedenfalls fühlte mich schon zu Beginn fehl am Platze. Das Getanze sah für mich extrem blöd aus. Niemals konnte ich da mitmachen. Was sollte auch am Hüpfen und Hin- und Herschwingen der Arme Spaß machen? Daher ging ich in den Speisesaal. Zwar würde ich gerade an den Tischen in Gespräche geraten, aber ich sah da keine andere Lösung. Also setzte ich mich irgendwo dazu und trank, wobei ich schnell merkte, dass sie da neben den Beeren noch was anderes hineingetan hatten. Es schmeckte auf jeden Fall widerlich und ich hatte das Gefühl, meine Speiseröhre würde brennen. So schmeckte doch kein Beerensaft! Aber ich war doch dabei, als der Saft gepresst wurde. Wieso schmeckte es also nicht nach Beeren? Zwei Guardevoirs bemerkten meinen Blick und fragten mich: "Nanu, was ist denn los? Das ist doch der normale Saft wie immer, den es bei unseren Partys gibt?" Sofort bekam ich wieder Panik, da ich auffallen könnte, also antwortete ich schnell: "Ähm, klar. Ich wollte es bloß genießen." Dann rief das andere Guardevoir: "Warte mal..." Er fixierte mich mit seinen Augen. Oh nein! Ihm war es wohl aufgefallen. Ich atmete schneller, da sagte er: "Dich kennen wir doch nicht!" Dieser Moment fühlte sich einfach miserabel an. Geschockt brachte ich kein Wort heraus, um mich irgendwie zu verteidigen. Dann sagte das andere Guardevoir: "Du hast recht. Du bist wohl die Neue, stimmt's?" Mein Schock, aufgeflogen zu sein, lag immer noch schwer auf meinen Knochen, aber da ich mich anscheinend noch retten konnte, nickte ich heftig mit dem Kopf. Sie lächelten mich freundlich an und stellten sich mir vor. Puh, noch mal Glück gehabt! Sie erzählten mir nun auch, dass sie den normalen Beerensaft gerade noch verfeinert hatten und eine Geheimzutat hinzugefügt hatten. Interessiert nickte ich und meinte, dass es so viel besser schmecken würde. In Wahrheit war das natürlich gelogen, denn ich bekam das Zeug nicht runtergeschluckt. Daher tat ich nur so, als würde ich trinken, indem ich den Becher vor meinen Mund nahm, aber keinen echten Schluck nahm. Auch wenn mir das Getränk nicht schmeckte, so war das Gesprächsthema doch ganz interessant. Denn sie erzählten mir, wie sie erst vor Kurzem in diese Höhle umgezogen waren: "Du musst wissen, dass unsere Gruppe immer größer und die alte Höhle immer enger wurde. Daher machten wir uns auf die Suche nach einer neuen Höhle und durch Zufall entdeckten wir diese." Ich staunte nicht schlecht. Schließlich war es noch gar nicht so lange her, dass wir die Pokémon von der Herrschaft von Machomei befreit hatten. Die Höhle war also erst seit Kurzem leer. Das Guardevoir erzählte weiter: "Und kannst du dir vorstellen, was wir im Raum gefunden haben, wo der Anführer dich gerade uns vorgestellt hatte?" Unwissend zuckte ich mit den Schultern. "Drei tote Maschocks, die wohl einen grausamen Tod gehabt haben. Die hatten so viele Wunden, das kannst du dir nicht vorstellen." Als ich das gehört hatte, war es mir klar. Dass waren die Maschocks, die uns von den grausamen Machenschaften des Machomeis erzählt hatten. Für diese Taten hatten sie bezahlen müssen und wurden hingerichtet. Aber davon erzählte ich den Guardevoirs natürlich nichts. Mit der Zeit fiel mir auf, wie komischer die Guardevoirs um mich herum wurden. Sie lachten über Dinge, obwohl es nichts zu lachen gab, oder sie schrien sich gegenseitig an. Ich hatte fast den Eindruck, sie würden die Kontrolle über sich verlieren. Auf jeden Fall wurde es für mich seltsam. Jetzt sackte nämlich noch das Guardevoir, was mir eben von der Höhle berichtet hatte, zusammen und beklagte sich über Schwindelgefühle. Ein anderes Guardevoir sprach mich an: "Helf mir, ihn an die frische Luft zu bringen." Selbstverständlich half ich, schließlich machte ich mir ja auch Sorgen um ihn. Zusammen trugen wir ihn mir Psychokinese nach draußen und ich fragte: "Glaubst du, es ist was ernstes? Sollten wir ihm Beeren bringen?" Das Guardevoir lachte aber bloß und meinte: "Ach, Unsinn! Er hat einfach nur zu viel getrunken. An der frischen Luft wird es ihm bald besser gehen." Wir gingen dann wieder hinein und allmählich fragte ich mich, wie lange das noch gehen sollte. Inzwischen konnte ich mit Keinem mehr vernünftig reden und ich wunderte mich, dass das nur an dem Getränk lag. Zum Glück hatte ich nicht viel davon getrunken. Denn in diesem Zustand könnte ich auch den Stein heute nachts nicht stehlen. Gleichzeitig machte ich mir darüber Gedanken, wann sie hier endlich schlafen gehen würden. Hier dachte wirklich keiner daran, mit dem Feiern aufzuhören, was mich langsam frustrierte. Besonders da ich jetzt nur noch gelangweilt zusah. Ein Guardevoir sprach mich an, wobei es schon heftig auf den Beinen wackelte und ihm wohl ebenfalls schwindlig war: "Was schaust du denn so? Feier doch mit! Hier, nimm noch einen Schluck!" Er hielt mir den Becher hin, aber weil er mich so anwiderte, meinte ich: "Ich glaube, ich muss auch an die frische Luft." Noch bevor er reagieren konnte, flüchtete ich nach draußen, wo das Guardevoir immer noch lag. Ihm ging es so schlecht, dass er mich nicht einmal wahrnahm. Aber das war mir sowieso recht. Ich war einfach froh, wieder meine Ruhe zu haben. Darüber dachte ich weiter nach. War es nicht komisch, dass ich mich so sehr von den anderen Guardevoirs unterschied? Sie alle schienen sich zusammen zu amüsieren, während ich mich hier allein viel wohler fühlte. Ich wusste nicht, ob das nun normal war oder nicht, aber auf jeden Fall genoss ich diesen Moment für mich. Das Rauschen des Winds und der unendlich weite Blick auf die Sterne waren genau das, was ich im Augenblick brauchte. Das wird wohl noch eine lange Nacht werden.

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