Nachtschweif...

Für ein paar Minuten konnte ich mich in den weiten Landschaften meines Traumes, in denen ich glücklich mit Nachtschweif auf der Wiese lag, verlieren, bevor mich dann Hellschatten wieder in die Realität holte, die mit großen Schmerzen und auch Sorgen auf mich wartete. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er so schwer wie ein Wailord. Ich stöhnte und bemerkte nicht, dass Hellschatten mir eine ganze Schale an Beeren mitgebracht hatte. "Du machst mir echt Sorgen, Lia.", sagte er zu mir, als ich immer noch nicht auf die Beeren reagiert hatte und ich mich vor Schmerzen hin- und herbewegte. Dann bemerkte ich die helle Stimme von Cresselia: "Vielleicht sollten wir ihr eine größere Pause gönnen. Sie hat sich sehr verausgabt." Bei diesen Worten wurde ich traurig. Ich konnte es nur schwer ertragen, dass sie sich solche Sorgen um mich machen mussten. Aber mir blieb keine Wahl. Die Kopfschmerzen waren noch schlimmer geworden und mein ganzer Körper fühlte sich taub an. Mir ging es einfach nur erbärmlich. Dann hörte ich nach einer längeren Zeit der Ruhe ein unbekanntes Pokémon mit einer im Gegensatz zu Cresselia sehr tiefen Stimme sprechen: "Jetzt, wo ich das Guardevoir so sehe, beginne ich zu verstehen, wie schwer es gewesen sein muss, mich zu befreien. Ich bin euch unglaublich dankbar." Ich hatte mich noch nicht umgesehen, wusste aber schon anhand seiner Worte, wer er war. Neugierig blickte ich nach oben, um mich zu überzeugen. Und tatsächlich! Vor mir schwebte ein drittes Pokémon, welches einen kugelrunden, schwarzen Körper besaß. Er hatte zwei lange Arme mit jeweils fünf Finger, wobei die Ärmel mit gelben Streifen verziert waren. Sein Kopf hob sich vom Rest des Körpers farblich ab und erschien in einer grauen Färbung. Auffällig war, dass er nur ein rotleuchtendes Auge besaß, das mich in diesem Augenblick betrachte. "Zwirrfinst?", sprach ich ihn direkt an. Er nickte. Ich war in dieser Situation so von meinen Schmerzen geplagt, dass ich nicht einmal wusste, warum wir ihn befreit hatten, aber da hörte ich Hellschatten sagen: "Wir sind froh, dass sie die Gefangenschaft einigermaßen gut überstanden haben, denn wir hätten da eine dringende Frage." Mir kamen die Erinnerungen wieder und da die Antwort mich brennend interessierte, versuchte ich mich wenigstens hinzusetzen, um jedes Wort zu verstehen. Hellschatten schilderte nun die Situation mit Frostine und Dragoran. Zwirrfinst wirkte geschockt und rief: "Was? Aber wie konnten diese Verbrecher dieses Geheimnis wissen? Und wie sind sie an den Stein gekommen?" Er war aufgebracht. Aber da wir keine Zeit hatten, ihm alles zu erklären, drängten wir ihn, uns zu erzählen, wie wir Frostine retten konnten. Zwirrfinst verstand und sagte: "Ihr müsst diese Pokémon erneut mit dem Laserstrahl beschießen. Aber diesmal muss es der weiße Mondstein sein, der im Laser verbaut sein muss." Jetzt wussten wir es. Anstatt uns über diese Erkenntnis zu freuen, blieben wir aber ruhig. Hellschatten und ich dachten nämlich schon einen Schritt weiter und realisierten, wie schwierig es sein musste, Frostine und Dragoran vor den Laser zu bekommen. Man brauchte nur an Dragoran zu denken, um zu begreifen, wie aggressiv er war. Wie sollten wir ihn nur vor den Laser bringen? Niemals würden wir es schaffen, ihn in das Labor zu locken. Und selbst wenn; er würde in seiner Aggressivität den Laser kaputtschlagen, ehe wir ihn benutzen konnten. Wir mussten ihn also ruhig stellen. Wir mussten ihn besiegen! Hellschatten hatte auch schon so weit gedacht und fragte Zwirrfinst: "Wie schwer ist es, sie zu besiegen?" Zwirrfinst antwortete: "Sehr schwer. Sie sind äußerst resistent und können eine Vielzahl von Treffern einstecken. Zudem ist ihre Angriffskraft enorm." Mein Körper begann bei diesen Worten zu zittern. Was hatte ich nur getan? Warum hatte ich Nachtschweif erlaubt, bei Frostine zu bleiben? Sofort fragte ich Zwirrfinst: "Ist es möglich, dass ein einzelnes Pokémon, gegen so ein Pokémon bestehen kann?" Hellschatten wusste, an wen ich bei dieser Überlegung dachte. Was Zwirrfinst jetzt sagte, fühlte sich wie ein Dolch an, den man mir mitten ins Herz stach: "Unmöglich. Eure einzige Chance ist, so viele Pokémon wie möglich zu finden, die euch helfen, diese Pokémon zu bekämpfen. Ein "Eins gegen Eins- Kampf" ist Selbstmord." Die Kopfschmerzen traten vollständig in den Hintergrund. Stattdessen breitete sich tiefe Trauer aus, die noch unangenehmer war. Beim Gedanken, dass Nachtschweif keine Chance hatte, Frostine aufzuhalten, flossen mir die Tränen. Wieso hatte ich ihn allein gelassen? Hellschatten versuchte mich zu trösten: "Das hört sich zwar ziemlich schlimm an, aber Nachtschweif ist sehr klug. Ihm ist bestimmt etwas eingefallen. Außerdem... wir wissen ja nicht einmal, ob Frostine es geschafft hat, die Tür zu öffnen. Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben." Es war nett von ihm, das zu sagen, aber nach allem, was wir von Zwirrfinst gehört hatten, konnte ich darauf nicht wirklich hoffen. Ich musste so schnell wie möglich zu ihm, um mich selbst zu beruhigen. Daher aß ich nun die Beeren und hoffte, dass sie mir so viel Kraft gaben, dass ich mich gleich teleportieren konnte. In der Zwischenzeit übergab Hellschatten  den lila Mondstein seinem rechtmäßigen Wächter. Zwirrfinst bedankte sich und ging auf Hellschatten zu: "Es mag zwar eigenartig erscheinen, aber würdest du, Traunfugil, der neue Wächter dieses Mondsteins werden wollen?" Cresselia, Hellschatten und mir blieb die Spucke weg. Hellschatten stotterte: "I-ich? Aber... ich bin doch der Sohn von Traunmagil. Außerdem bin ich doch total schwach." Zwirrfinst grinste: "Warum denn so bescheiden? Du hast dazu beigetragen, dass ich frei bin und hast Traunmagil eingesperrt. Ohne dich wäre ich wohl immer noch gefangen im Turm. Es würde mich freuen, wenn du diese ehrenhafte Aufgabe erfüllen würdest." Hellschatten konnte immer noch nicht glauben, dass er der neue Wächter werden sollte. Ich freute mich riesig für ihn und sagte ihm mit lächelndem Gesicht: "Zwirrfinst hat recht. Du hast bewiesen, dass du für das Amt des Wächters mehr als geeignet bist. Du wärst ein toller Wächter; das weiß ich genau!" Hellschatten begann nun ebenfalls zu lächeln und sagte: "Das wäre wirklich eine große Ehre für mich und würde auch gerne annehmen, aber ich will zuerst noch Lia unterstützen. Frostine ist immerhin auch meine Freundin und ich will sie retten." Zwirrfinst überraschte das nicht und meinte: "So eine Antwort hatte ich schon erwartet. Natürlich kannst du dem Guardevoir noch helfen. Ihr werdet jede Hilfe brauchen, die ihr kriegen könnt. Das Amt des Wächters steht dir auch später noch offen." Hellschatten freute sich und fragte ihn, ob er uns auch helfen würde. Zwirrfinst schüttelte aber seinen Kopf. "Als Wächter ist man verpflichtet, den Stein zu beschützen. Tut mir leid.", erklärte er uns. Dann schweifte mein Blick zu Cresselia. Wenigstens sie konnte uns doch helfen, dachte ich mir. Sie bemerkte meinen Blick und nickte sanft. Hellschatten freute sich darüber: "Super! Zusammen werden wir es bestimmt schaffen!" Hellschatten war nun wirklich gut gelaunt, was ich auch nachvollziehen konnte. Trotzdem hatte ich große Bedenken. Nicht nur um Nachtschweif hatte ich Angst. Wie sollten wir Frostine aufhalten? Wir waren immer noch viel zu wenige. Außerdem waren Cresselia und ich immer noch geschwächt. Besonders ich. Wir brauchten dringend einen Plan. Dann kam mir es: "Hellschatten! Könntest du Frostine nicht hypnotisieren?" Cresselia funkelte mich an: "Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag!" Zwirrfinst ging dann aber dazwischen und verdarb uns die Freude: "Das wird leider nicht klappen. Sie wird gegen sämtliche Statusveränderungen immun sein." Es war zum Verrücktwerden. Wir werden Frostine wohl doch in einem Kampf schlagen müssen. Aber da ich es im Augenblick kaum mehr aushielt, zu wissen, wie es Nachtschweif ging, wollte ich keine Minute mehr warten und aufbrechen. Hellschatten sah besorgt zu mir: "Meinst du, du schaffst das?" Das konnte ich nicht wirklich beantworten, da ich mich trotz der Beeren schlapp fühlte, aber der Gedanke, dass Nachtschweif in Lebensgefahr war, war wesentlich unerträglicher als jeder Schmerz. Also verabschiedeten wir uns von Zwirrfinst und so verschwanden Cresselia, Hellschatten und ich aus der Villa.

Erschöpft legte ich mich auf den Boden. Sich zwei mal direkt hintereinander zu teleportieren, war wohl in meiner jetzigen Situation schon zu viel für mich. Aber wir hatten schließlich noch beim Mondtempel vorbeischauen müssen, um Cresselias Stein zu holen. Hellschatten übergab mir dann eine Beere, die er an seiner Kette trug. Ich aß sie sofort, aber wirklich helfen tat sie nicht. Dafür hatte ich in den letzten Stunden zu viel mitgemacht. Ein lautes Brüllen ließ mich dann aufschrecken. Ich sah in die Luft und konnte einen großen Drachen sehen, der über die hohen Gebäude von Grünstadt flog und sie mit Feuerattacken angriff. Etliche Gebäude brannten sogar. Es sah fürchterlich aus. "Sieht wohl so aus, als hätte Team Diamant Dragoran noch nicht einfangen können.", meinte Hellschatten. Dann blickte der Geist zu mir. Er schlug vor: "Wenn du dich noch ein bisschen ausruhen willst, kannst du das gerne tun. Cresselia und ich werden dann nach Nachtschweif schauen." Vermutlich wäre es sinnvoller gewesen, mich wirklich noch eine Weile zu entspannen, aber der Gedanke an Nachtschweif ließ mich nicht los. Ich konnte keine Sekunde mehr warten und musste nachsehen. Daher versuchte ich aufzustehen und meine Schmerzen, die ich einfach überall verspürte, zu ignorieren. Cresselia, Hellschatten und ich gingen zum Eingang von Team Diamants Versteck. Noch bevor wir das Gebäude betraten, sahen wir die Schäden, die Dragoran beim Hinausgehen aus dem Gebäude angerichtet hatte. Die Tür war nämlich weggesprengt worden und so gingen wir durch ein breites Loch hinein. Wir machten uns sofort auf, die Treppen hinunter zu gehen, was mir schwer fiel, da ich bei jedem Schritt glaubte, meine Beine würden einknicken. Doch mit jedem Schritt hörte ich mein Herz lauter gegen meinen Brustkorb schlagen. Was war, wenn ich Nachtschweif gleich tot im Gang liegen sah? Mein Blut gefrierte bei diesem Gedanken. Nachtschweif war mir viel zu wichtig. Ein Leben ohne ihn konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Aber die Worte von Zwirrfinst, er hätte keine Chancen gegen Frostine, bedeuteten nichts Gutes und ließen mich vom Schlimmsten ausgehen. Dann hatte ich die letzte Stufe hinter mir gelassen  und mein Blick flog durch den langen Gang. Mit dem, was ich jetzt sah, hatte ich nicht gerechnet. Der Gang war nämlich leer. Für mich bedeutete das nichts Gutes, denn Nachtschweif wollte doch Wache stehen. Ich rannte nun vor das Zimmer, in welchem Frostine eingesperrt sein sollte. Vor diesem angekommen setzte meine Atmung aus. "Nein...", murmelte ich, als ich realisiert hatte, dass meine Befürchtungen sich bestätigten. Die Tür war pulverisiert worden und an der gegenüberliegenden Wand klebte ein großer Blutfleck. Ich wusste genau, wessen Blut das war, was mir die Tränen in die Augen trieb. Mein schlimmster Albtraum schien wahr geworden zu sein, doch eine Sache gab mir noch Hoffnung. Wo war sein Körper? Wenn er wirklich tot war, müsste er doch hier irgendwo sein. Konnte es also tatsächlich sein, dass er den Kampf überlebt hatte? Für eine Sekunde hatte ich gedacht, er würde noch leben, doch dann kamen mir wieder Zwirrfinsts Worte ins Gedächtnis. Nachtschweif konnte es nicht überlebt haben. Aber wo war er dann? Dann schoss es mir durch den Kopf. Dieser Gedanke war so plausibel und beängstigend zugleich. Frostine musste ihn aufgegessen haben. Meine Hoffnung war verschwunden. Das durfte nicht wahr sein. Aber es war die wahrscheinlichste Theorie. Ich konnte nicht anders als meine Hände vor das Gesicht zu halten und zu weinen. In der Zwischenzeit waren auch Cresselia und Hellschatten angekommen. Auch sie bemerkten recht schnell, was passiert sein musste. Cresselia versuchte mich aufzumuntern: "Was ist denn los? Dein Nachtschweif scheint wohl nicht gestorben zu sein, sonst würde er doch irgendwo liegen." Cresselia wusste eben nichts von Frostines Angewohnheiten. Ich erzählte ihr also von meiner Theorie. Hellschatten sah mich irritiert an. Er meinte: "Du denkst zu negativ, Lia. Außerdem wenn dem wirklich so wäre, dann müsste am Boden ebenfalls Blut liegen. Und die Knochen auch." Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, um nochmals den Boden zu überprüfen. Es stimmte. Auf ihm war kein Blut. Das bedeutete, dass er nicht ausgeweidet worden sein kann. Und wenn er nicht verspeist worden ist, dann... konnte er noch leben. In mir breitete sich ein Funken der Hoffnung aus, der ziemlich schnell meinen ganzen Körper zum Brennen brachte. Zwar wusste ich immer noch nicht, wie gut sein Zustand war, aber wenigstens bestand die Chance, dass er noch lebte. Und mehr konnte ich in dieser Situation auch nicht wollen. Meine Trauer verschwand und da ich mich sofort auf die Suche nach ihm begeben wollte, kam natürlich die Frage, wo er hingegangen sein konnte. Er dürfte wohl kaum so naiv gewesen sein, Frostine zu verfolgen, aber wo konnte er dann hingegangen sein? Cresselia erinnerte mich nun daran, dass wir ihren Mondstein dem Professor übergeben sollten. Also gingen wir ein Zimmer weiter und klopften an der Tür. Wir erkannten die Stimme des Professors. "Wer ist da?", fragte er vorsichtig. Wir versuchten es ihm zu erklären, wussten aber, dass er uns nicht verstehen konnte. Vermutlich erkannte er uns aber anhand unserer typischen Rufe, denn er machte uns auf. Der Professor wirkte recht ängstlich und nervös. Er erzählte uns: "Ihr glaubt ja gar nicht, welche Angst ich vorhin gehabt habe. Es fing mit einem lauten Knall an. Das Glaziola muss es tatsächlich geschafft haben, zu entkommen. Und dann ist es auch nicht sofort wie Dragoran verschwunden, sondern es klang so, als würde sie den ganzen Flur kurz und klein schlagen. Zum Glück ist es dann aber doch abgehauen." Cresselia, Hellschatten und ich sahen uns in die Augen. Es musste der Kampf zwischen Nachtschweif und Frostine gewesen sein, den der Professor belauscht hatte. Dann fiel der Blick des Professors auf den weißen Mondstein. "Ist das etwa die Lösung unseres Problems?", analysierte er richtig. Wir nickten und übergaben ihm den Stein. Während er den Stein in den Laser einbaute, berichtete er uns von einer Meldung, die er gerade im Radio gehört hatte: "Es hat vor ein paar Stunden heftig zu schneien angefangen. Und zwar im Wald zwischen Grünstadt und der Siedlung am Hafen. Bestimmt hat das etwas mit dem Glaziola zu tun, denn normalerweise fällt zu dieser Zeit kein Schnee. Ihr solltet euch dort auf die Suche nach dem Glaziola machen. Um Dragoran kümmert sich Team Diamant und ich werde den Laser einsatzbereit machen. Viel Glück!"

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top