Kapitel 15
Felix pov:
Ich hielt mir die Hand vor den Mund, als ich Yunas Gesicht erblickte. Wie von allein schielte ich zu Hyunjin, der wie angewurzelt neben mir stand und auf das Mädchen starrte. Langsam bewegte er sich auf die Wand zu, bis er vor ihrem Gesicht stand.
Zitternd strecke er die Hand aus und streichelte über das Glas, hinter dem sich das Gesicht befand. "Ich hab sie geliebt." Flüsterte er kaum hörbar. Seine Stimme klang so traurig und gebrochen, dass ich eine Gänsehaut bekam.
Es fühlte sich an, als würde die Zeit stehen bleiben. War das die Sache, die mit allen auf Level 16 passiert war? Warum sollte man soetwas grausames tun?
In der Ferne ertönten Stimmen, die mir klar machten, dass wir noch lange nicht sicher waren. Panisch sah ich mich um und entdeckte eine weitere Tür, die vermutlich in einen anderen Raum führte.
Mit zügigen Schritten ging ich auf Hyunjin zu und zog ihn grob mit mir. So schwer es auch war aber jetzt war keine Zeit für Trauer.
Mit Schwung stieß ich die Tür auf und wollte gerade den Lichtschalter betätigen, doch ein Blick in den Raum hielt mich davon ab. Das Licht des Raums, in dem wir gerade waren, erhellte den nächsten so weit, dass ich grob erkennen konnte, was sich darin befand.
Diesmal hingen keine Gesichter an den Wänden aber in vereinzelten Glaskästen befanden sich Gliedmaßen. Ich konnte Arme, Hände und Finger erkennen.
Was zur Hölle ist das hier?! Ich beschloss, das Licht aus zu lassen, um uns diesen Anblick größtenteils zu ersparen und zog Hyunjin weiter. Alle Räume waren miteinander verbunden, so mussten wir nur geradeaus rennen. Ich gab mir Mühe, mich nicht in den Räumen umzusehen, da mir immernoch kotzübel war.
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass in jedem dieser Räume sich solche Glaskästen befanden. Ich wollte gar nicht wissen, was darin alles aufbewahrt wurde.
Wo würde dieser Weg uns hinführen? Keiner von uns wusste es und dennoch blieben wir nicht stehen. Wie von der Trantel gestochen rannten wir durch die Türen.
Schließlich erreichten wir den letzten Raum, in dem keine Tür mehr zu sehen war. Doch das war garnicht das schlimmste. Ich legte eine Vollbremsung hin, als ich bemerkte, dass im Raum bereits Licht brannte.
Es sah aus, als wäre das hier eine Art Operationssaal. Ich konnte einen Jungen sehen, der auf dem Tisch in der mitte des Raums lag. Er schien in unserem Alter zu sein. Neben ihm stand ein erwachsener Mann, der wohl als Chirurge arbeitete und gerade dabei war, dem Jungen eine Spritze zu verabreichen.
Er hielt inne und drehte sich zu uns, sobald wir den Raum betraten. "Was zur Hölle habt ihr hier verloren?" Aufgebracht fuchtelte der Mann mit den Händen und machte Anstalten, nach uns greifen zu wollen.
Doch ich war schneller. Bevor er mich packen konnte, wirbelte ich herum und wich so seinem Griff aus. Hyunjin hielt ihn fest, sodass ich ihm die Spritze aus der Hand nehmen konnte.
Ich wusste nicht, wofür sie war, doch im Moment fiel mir nichts besseres ein, als sie ihm in den Hals zu stechen. Anscheinend befand sich eine Art Schlafmittel oder so in darin, da er kurz danach bewusstlos umfiel.
Für einen Moment war ich besorgt, weil ich mich mit soetwas nicht auskannte und ihm sonst was gespritzt haben könnte. Doch diese Sorge verfolg so schnell, wie sie gekommen war. Er hätte uns nur aufgehalten.
Hyunjin war inzwischen zum Operationstisch gegangen und half dem Jungen hoch. "Ich bin Hyunjin, das ist Felix." Er zeigte auf mich. Der Junge nickte leicht. "Seungmin."
Seungmin? Hat Hyunjin nicht etwas von einem Seungmon oder so erzählt? War er das?
"Was ist passiert?" Ich hörte nicht richtig zu, was Seungmin auf die Frage meines Freundes antwortete. Mein Blick lag wieder auf den Mann, der vor mir am Boden lag. Vorsichtig kniete ich mich hin, um seinen Puls zu fühlen. Er sah irgendwie tot aus, was mir doch Sorgen bereitete.
So wie es aussah, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Weder an seinem Hals, noch an seinem Handgelenk konnte ich einen Puls fühlen. Verdammt, hab ich jemanden umgebracht? Schuldgefühle machten sich in mir breit. Ich wollte ihn nur kurz aus dem Weg schaffen und ihn nicht gleich umbringen.
"Hey, Felix!" Ich blickte zu Hyunjin, der mich fragend ansah. "Er ist tot." Flüsterte ich ungläubig. "Das heißt, er wollte eigentlich Seungmin umbringen?" Mein Kumpel klang so entsetzt, dass sich meine Aufmerksamkeit auf den Jungen neben ihm richtete.
Ein Blick auf seinen Arm verriet mir, dass ich recht hatte, denn dieser war übersäht mit Narben und Kratzern. Also war es der Junge, von dem Hyunjin erzählt hat. Moment, bedeutete 'aussortieren' in dem Fall umbringen? Das war abgefuckter als ich ursprünglich dachte.
"Okay, Leute, wir müssen weg. Die finden uns hier bestimmt bald." Sprach Hyunjin gehetzt. Ohne auf unsere Reaktion zu warten, nahm er Seungmin und mich an den Armen. "Ich weiß einen Weg." Meinte der neue plötzlich. "Na dann los!" Hyunjin zog uns durch die Tür zurück durch die anderen Räume.
Woher dieser Seungmin einen Ausgang kannte, würde ich wohl noch erfahren. Zumindest nahm ich mir vor, ihn später zu fragen.
Schließlich kamen wir wieder zum Flur. Vorsichtig spähte ich in beide Richtungen, da einige Wachmänner bestimmt schon hier irgendwo waren. Seungmin ging voran, um uns den Weg zu zeigen.
Wir bewegten uns vorsichtig und dennoch schnell voran. Naja, so schnell um keinen unnötigen Krach zu machen, der Aufmerksamkeit auf uns ziehen würde.
Wir waren inzwischen so viele Gänge entlang gerannt, dass ich komplett die Orientierung verloren hab und mich allein niemals zurecht finden könnte.
Seungmin blieb an einer Tür stehen, die, wie er behauptete, nach draußen führte. "Ich brauche die ID card." Hyunjin wollte sie ihm gerade geben, als eine Stimme hinter uns ertönte.
"Ihr geht nirgendwo hin." Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, wem die Stimme gehörte. Mister Lee.
Dennoch drehte ich mich zu ihm, während Seungmin die card durch das Lesegerät schob und die Tür ein Klick-geräusch von sich gab. Hyunjin öffnete die Tür und hatte Glück, dass Mister Lee's Schuss ihn nicht getroffen hat. Der Typ schießt auf uns? Entgeistert warf ich ihm einen letzten Blick zu. Tatsächlich hat der braun haarige eine Waffe in der Hand, die er auf uns richtete.
Naja, was solls. Die Tür war offen und wir damit frei. Bevor ich diese hinter mir schloss, fühlte ich das Verlangen, ihm meinen Mittelfinger zu zeigen. Genau das tat ich auch. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich hoffte, dass ich ihn provozieren konnte.
Wir rannten über das Gelände, das überraschenderweise sehr verlassen und heruntergekommen aussah. Außerdem war es von einem großen Metallzaun umgeben. Wie sollten wir hier weg kommen?
Ich konnte die Tür hören, durch die wir vorhin ins freie gelangt waren. Vermutlich waren Lee und ein paar andere inzwischen sehr nahe also mussten wir uns beeilen. Jetzt wieder eingefangen zu werden, wäre richtig scheiße.
Ich versuchte, meine Schnappatmung, die durch unseren durchgängigen Sprint hervorgerufen wurde, zu ignorieren. Meine Lungen brannten und ich war überrascht, dass ich überhaupt so viel Ausdauer hatte, dass ich noch rennen konnte. Schließlich hatten wir in unserem 'Zuhause' nicht viel körperliches Training gehabt.
Glücklicherweise fand Hyunjin ein Loch im Zaun, durch das wir uns quetschten. Ich war so panisch, da die Stimmen und Fußschritte näher kamen, dass ich mit meinem Hals an einem der abstehenden Zaunteile hängen blieb.
Ein stechender Schmerz zog sich durch meinen Körper, als ich mir ein Stück meines Halses aufriss. Sofort konnte ich die Kälte des Windes spüren, der auf die Wunde traf.
Wir rannten weiter, bis wir in einem Wald ankamen, der sich in der Nähe befand. Eigentlich wollten wir so schnell wie möglich weiter, um viel Abstand zwischen uns und die Typen zu bringen aber unsere Körper gaben uns zu verstehen, dass wir eine Pause machen mussten.
Jetzt, da wir im Schutz der Bäume waren und es langsam dunkel wurde, konnte man uns nicht so einfach finden. Sie würden nicht aufhören nach uns zu suchen, also beschlossen wir, im Schritttempo weiter zu gehen.
Zum ersten Mal seit ich mich erinnern konnte, atmete ich die frische Luft des Waldes ein. Vögel zwitscherten liese, als wir über den mit Blättern und Laub bedeckten Boden liefen. Ich frohr wie verrückt und meine Füße waren eiskalt, doch ich konnte nicht leugnen, dass es sich verdammt gut anfühlte, fürs erste entkommen zu sein.
Bis wir wirklich in Sicherheit waren, würde es noch eine Weile dauern aber bis dahin mussten wir immer weiter. Diese Flucht durfte nicht umsonst gewesen sein, weil wir sowas nicht nochmal schaffen würden.
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