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Tage verstrichen, nichts geschah. Keine neuen Briefe, keine sonstigen Auffälligkeiten. Mit der Zeit wurde ich immer ungeduldiger. Was, wenn ihm doch etwas zugestoßen war? Was war nur mit Harry los?

Was, wenn er mir doch die Wahrheit erzählte? Ich meine, angelogen hatte er mich wirklich noch nie. Es klang zwar absolut unmöglich und völlig unlogisch, aber was, wenn es tatsächlich wahr war?

Schwer fiel mein Kopf gegen die Wand, an der ich lehnte. Die raue Oberfläche fühlte sich angenehm kühl auf meiner Haut an. Helfen tat sie jedoch trotzdem nicht. Sie konnte weder meine Gedanken blockieren, noch Harry wieder zurück bringen.

Vor dem Fenster, auf dem Baum, der kaum fünf Meter entfernt stand, saßen zwei Vögel. Ich konnte ihr Zwitschern durch die Glasscheibe hören, so als säßen sie direkt neben mir. Helle Lichtstrahlen fielen auf ihre kleinen Körper, beleuchteten sie.

Schnaubend atmete ich aus. Es war, als wolle mich der Himmel verarschen, so blau wie er war. Weit und breit keine einzige Wolke. Nur Sonne. Das genaue Gegenteil meiner Stimmung. Es verhöhnte mich, lachte mich aus, ließ mich so unendlich klein und unwichtig fühlen.

"Louis," riss mich die laute Stimme meiner Mutter aus meinen trüben Gedanken, "kommst du runter, ich habe was zu essen gemacht."

Meine Mum - sie hatte es relativ gut aufgenommen, als ich ihr alles erzählt hatte. Zumindest hatte sie mich nicht sofort für verrückt erklärt und sie hatte auch nicht darauf bestanden, dass ich zu einem Psychologen gehen sollte. Stattdessen hatte sie mich zuerst nur komisch angesehen, dann leicht traurig. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie mir nicht glaubte, aber zumindest ließ sie mich zurzeit in Ruhe. Wahrscheinlich ließ sie mich jetzt einfach machen, damit ich nicht völlig zu Grunde ging. Sie hatte Angst um mich und ich konnte es verstehen. Ich hatte ihr versprechen müssen sofort zu ihr zu kommen, falls es mir schlechter gehen sollte. Ich hatte zu gestimmt, vor allem, weil ich nicht wollte, dass sie sich noch mehr Sorgen um mich machte.

"Louis?", ertönte erneut ihre Stimme und ich räusperte mich kurz, bevor ich ihr antwortete, geschickt um den Klumpen in meinem Hals herum sprechend. "Ja, ich komme schon, Mum."

Damit rappelte ich mich aus meiner angespannten, ungemütlichen Sitzposition hoch und atmete ein letztes Mal scharf durch, bevor ich mich auf den Weg nach unten, in die Küche machte, die Gedanken noch immer unweigerlich bei Harry gefangen.

Wenn er heute nicht mehr schreiben würde, dann würde ich noch einmal bei der Polizei anrufen, nahm ich mir fest vor. Vielleicht, aber nur vielleicht, könnte die mir etwas Neues sagen.

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