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Harry Pov
Ausgelaugt saß ich auf dem ungemütlichen Bett in dem Raum, den ich bewohnen durfte. Sie brauchten ja auch keinen Schlaf und somit auch keine bequemen Betten. Sie verlangte es nur nach Lebensenergie und für diese taten sie alles.
Den Kopf schwer in die Hände gestützt, machte ich mir zum wiederholten Mal Vorwürfe darüber, mich jemals auf sie eingelassen haben. Damals war es mir egal gewesen, ich hatte nichts zu verlieren gehabt. Doch jetzt hatte ich alles verloren - nicht nur mein Leben, sondern auch noch meinen besten Freund, der für mich so vieles bedeutete. Er war doch erst der einzige Grund dafür gewesen, dass ich mich von ihnen abgewandt hatte.
Und jetzt war er nicht mehr da, oder besser gesagt, ich war nicht mehr an seiner Seite, wie ich es ihm versprochen hatte. Auch wenn ich ihm gegenüber noch immer versuchte so hoffnungsvoll wie möglich zu wirken, hatte ich innerlich alle Hoffnung schon aufgegeben. Ich sah keine Möglichkeit von hier, von ihnen wieder wegzukommen.
Und dann war auf einmal der erste Brief aufgetaucht - eines Tages war er einfach so gelegen. Das musste doch eigentlich bedeuten, dass Louis über sie Bescheid wusste. Doch dann hatte ich die Briefe gelesen und realisiert, dass er einfach nur Glück gehabt hatte, sie an der richtigen Stelle, an einer Verbindungsstelle der Dimensionen zu lagern. Sobald ich das begriffen hatte, wurde mir klar, dass auch hier ein Portal sein musste. Dieser Platz, nachdem ich so lange gesucht hatte, stellte sich als das rechte Eck des Schreibtisches heraus.
Endlich konnte ich Louis' Briefe beantworten und musste mir nicht immer Vorwürfe machen, wie sehr mein bester Freund unter meiner Abwesenheit litt. Natürlich tat er das noch immer, aber so könnte ich wenigstens versuchen ihn zu trösten.
Ich konnte gar nicht beschreiben, wie sehr mir Louis' Briefe geholfen hatten. Allein das Wissen, dass mein bester Freund da war und mich nicht vergessen hatte, gab mir wieder Kraft. Dieser winzige Funken Hoffnung, den sie in mir entzündet hatten, war die einzige Quelle an Lebensenergie, die ich jetzt noch hatte und ich würde sie nicht gehen lassen. Und dann hatte er in einem Brief geschrieben, dass er mich liebte. Als ich diese Worte gelesen hatte, waren mit die Tränen in die Augen gestiegen - warum konnte ich nicht bei ihm sein? Warum durfte ich ihm nicht persönlich sagen, dass ich seine Gefühle erwiderte? Warum mussten sie mich hier festhalten?
Angespannt lehnte ich mich an der Wand an. Mein Körper fühlte sich so schwer an, als würde ich seit Tagen nicht mehr ordentlich geschlafen und gegessen haben. Irgendwie stimmte das ja auch - richtig gut geschlafen hatte ich seit meiner Entführung nicht mehr, außer dieses eine Mal als ich eine merkwürdige Präsenz wahrgenommen hatte, die ich nicht anders als mit "Louis" beschreiben konnte. Es wunderte mich auch nicht, dass er da gewesen sein könnte, denn mir war spätestens seit diesem einem verhängnisvollen Tag im Park, als uns der Schatten angegriffen hatte, etwas über meinen besten Freund klar geworden. Damals hatte er mir bewiesen, dass auch er ein Genträger war. Es war mir schon immer aufgefallen und ich hatte es schon bei unserem ersten Treffen vermutet, doch sicher wusste ich es erst nach diesem einen Tag, an welchem ein älterer Louis mich vor ihnen gewarnt hatte.
Dumpfes, rhythmisches Pochen drang durch die wirren Gedanken in meinen Kopf. Unendlich müde hob ich mein Gesicht an und versuchte herauszufinden, was diesen unerträglichen Lärm verursachte. Die Schläge wurden immer lauter und schmerzten in meinen empfindlichen Ohren. Es dauerte etwas bis ich realisierte, dass es sich bei dem immer wiederkehrenden Geräusch um Schritte handelte. In einem letzten Anflug von Panik riss ich meinen Kopf hoch und schleppte mich so weit wie möglich hinter die Tür, um mich vor den nahenden Personen zu verstecken. Es würde nichts nutzen - das war mir jetzt schon klar, aber ich musste es einfach versuchen. Ich musste kämpfen, ich hatte es Louis versprochen und ich konnte nun nicht einfach so aufgeben.
Die schwere Holztür wurde aufgestoßen und große, wabernde Schatten traten in den Raum. Schatten war wahrscheinlich die falsche Bezeichnung für sie, doch mir fiel nichts Anderes ein, das passen könnte. Ihre Schritte trommelten schwer auf den Boden - das war etwas, das mir aufgefallen war; sie konnten sich so lautlos wie der Wind bewegen, aber wenn sie wollten, dann klangen sie eher so als würde eine Horde Elefanten auf mich zukommen.
Einer, zwei, drei. Drei schattenhafte Schlieren kamen in das Zimmer. Sie mussten nicht lange nach mir suchen. Wahrscheinlich konnten sie mich sogar riechen, oder besser gesagt, meine Lebensenergie. Dunkle Löcher, die wohl Augen darstellen sollten, fielen auf mich und ich erstarrte, konnte mich unter ihrem leblosen Blick nicht mehr bewegen. Angst stieg in mir auf - das hatten sie so an sich. Sie verbreiteten Angst und Panik überall wo sie konnten, denn nur dann war ihnen die Energie der Menschen zugänglich und diese diente als ihre Nahrung. Und obwohl ich wusste, dass sie mir nichts tun konnten, so lange ich glücklich war und keine Furcht verspürte, packte mich die schreckliche Panik, ließ mich erstarren und auf das Unvermeidliche warten.
Die Schatten sprachen nicht - das taten sie nie. Ich wusste jedoch, dass sie es konnten. Sie hatten doch damals auch mit mir gesprochen. Damals, als ich ihnen noch geholfen hatte. Als mir das Leben der Menschen beinahe egal war und ich ihnen Personen in die Falle lockte, sodass sie sich ihrer Lebensenergie bedienen konnten. Und dann war Louis auf einmal in mein Leben geplatzt, hatte es von vorne bis hinten auf den Kopf gestellt und ich hatte mich von ihnen abgewandt. Das war jedoch nicht akzeptabel, denn ich wusste zu viel. Seitdem waren sie auf der Suche nach mir und sie hatten mich gefunden. Wandten nun ihre eigene Foltermethode an mir an. Einfach nur sterben wäre zu einfach, nein, zuerst mussten sie mich meines gesamten Glücks berauben. Und das nicht auf einmal - nein, stückchenweise war schlimmer.
Würden sie mich nicht jagen, wenn ich kein Genträger wäre? Die Frage spukte in meinem Kopf herum und das nicht zum ersten Mal. Es war wohl eine berechtigte Frage, doch ich würde keine Antwort darauf bekommen.
Mein Verstand katapultierte mich zurück in die Gegenwart und ich rutschte panisch ein Stück zurück, presste mich an die Wand. Egal wohin, einfach nur weg von ihnen. Doch sie ließen nicht locker, kamen wieder näher. Als würden sie miteinander kommunizieren, blieben zwei der Schatten stehen, sperrten mir den Fluchtweg ab, während der Dritte auf mich zu kam. Er streckte wabernde Hände nach mir aus und griff nach mir. Ich versuchte noch mich zu ducken, doch er hatte mich erwischt und auch wenn ihre Körper beinahe durchlässig wirkten, konnten sie sehr wohl fest zugreifen. Sie sahen eben nur so aus, wie wehende Schatten, doch war ihr Körper ebenso fest wie der eines Menschen.
Sein Kopf näherte sich meiner Stirn und er presste sein Gesicht an meine Haut - sie brauchten einen Berührungspunkt, um dem Opfer seine Energie besser rauben zu können. (An der Stirn, wo auch der Sitz der Persönlichkeit lag, hatten sie den besten Zugang.)
Ein eiskaltes Gefühl breitete sich in mir aus, als er begann. Es war als ob er versuchen würde, etwas aus mir herauszuziehen. Müdigkeit breitete sich in meinen Gliedern aus, als die schwarze Gestalt mich umschlang und mich ein Stück mehr meiner Freude beraubte.
Kämpf!, hörte ich schwach in meinen Gedanken. Tu es für Louis!
Und ich versuchte es. Ich atmete tief durch, ignorierte das ungute Gefühl, das mich immer schwächer werden ließ und dachte an meinen Freund. Louis, wie er den Kopf beim Lachen zurückwarf. Louis, wie er mich immer so niedlich anlächelte. Louis, wie er sich, wenn er müde war, an mich kuschelte und immer wie ein kleiner Bär zu Grummeln begann, wenn ich mich auch nur ein Stück bewegte. Louis, wie seine Augen funkelten und strahlten, wenn er mich ansah.
Langsam ließ ich die dunklen, hässlichen Gefühle hinter mir und ich füllte mich immer weiter mit einer umfassenden Freude, mir Glück und so viel Liebe und ich spürte, wie der Druck auf mir nachließ. Der Schatten begann zu flimmern und mit einem letzten Aufbäumen, löste er sich in Luft auf.
Ich hatte es geschafft!
Für jetzt.
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Hi :) Sorry, dass ihr wieder einmal länger warten musstet, aber ich hab mündliche Prüfungen (fürs Abitur) gehabt und hab statt was zu schreiben, lieber gelernt xD
Dafür gibts heute ein längeres Kapitel (das hat über 1300 Wörter und ist somit bis dato das Längste in dieser Geschichte) *-* wahrscheinlich kommt euch auch einiges verwirrend vor, aber ich bin gespannt auf eure Theorien! ;)
Hab euch alle lieb! ❤
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