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Noch am selben Tag raffte ich mich auf und griff nach dem Päckchen Briefe. Es hatten sich ein paar angesammelt und ich wollte sie in Sicherheit bringen. Das hörte sich zwar komisch an, aber genau so fühlte es sich an: die Briefe waren mir unglaublich wichtig und ich musste sie in Sicherheit bringen.
Also versteckte ich die Briefe unter meiner Jacke, so dass meine Mutter keinen Grund zum Aufregen hatte und ging aus dem Zimmer. Um außer Haus zu gehen, musste ich am Wohnzimmer vorbei und die Stimme meiner Mum hiel mich auf.
"Louis, was machst du?", fragte sie und ich überlegte fieberhaft, was ich sagen könnte. Die Wahrheit würde ich wohl schlecht erzählen können.
"Ich muss noch mal raus, frische Luft schnappen. Ich werde mich mit ein paar Freunden treffen.", deutete ich vage an. Meine Mutter, Jay schien nicht zu bemerken, dass ich nur halbe Wahrheiten erzählte. Ich wollte ja wirklich frische Luft schnappen und mehr oder weniger traf ich mich mit einem "Freund" - die Hütte.
Als sie ihre Zustimmung durch ein Nicken deutlich machte, verschwand ich möglichst schnell durch die Tür, um ihr keinen Grund mehr geben zu können, warum ich doch zuhause bleiben musste.
Ich eilte den bekannten Weg entlang und wurde immer schneller je näher ich meinem Ziel kam. Ich konnte es nicht erklären, aber irgendein Gefühl packte mich und zwang mich dazu, mich zu beeilen. So als ob mein Leben davon abhängen würde.
Hastig bog ich von der Straße ab, auf den kleinen Weg, der zum Rand des Waldes führte, an dem die Hütte stand. Früher hatten Harry und ich uns immer darüber lustig gemacht, dass die Hütte der perfekte Schauplatz für einen Horrorfilm sei. Das hatte öfter dazu geführt, dass entweder Harry oder ich den jeweils anderen zu erschrecken. (Oder wir versuchten es zumindest. Harry war nicht schreckhaft gewesen und deshalb war es mir nur selten gelungen ihn tatsächlich zu überraschen.)
Und dann stand ich vor der Hütte. Wieder einmal wunderte es mich, wie groß und furchterregend diese wirken konnte, wenn Harry nicht da war. (Ja, möglcherweise war ich etwas ängstlicher als er, aber bis jetzt hatte ich nie Grund zum Fürchten gehabt. Er war immer da gewesen. Nur eben jetzt nicht.)
Vorsichtig öffnete ich die Tür und ging hinein. Meine Schritte führten mich sofort ins Schlafzimmer, wo mein Blick wie immer auf die Fotowand fiel. Tief durchatmend versuchte ich die Erinnerungen zu verdrängen, doch eine blieb lir im Gedächtnis haften.
An der Wand hing ein Bild - Harry lauthals lachend, ich geschockt an ihn geklammert. Ich konnte mich nur zu gut erinnern, wie dieses Foto entstanden war - es war einer dieser Tage gewesen, an denen Harry der Meinung war, er müsste mich erschrecken. . .
Alles ist still und dunkel. Ich muss schlucken bevor ich den allzu bekannten Weg ins Schlafzimmer einschlage.
"Harry?", rufe ich, doch ich erhalte keine Antwort. Sobald ich das Zimmer erreiche, schalte ich das Licht ein und sehe mich um. Absolut gar nichts.
Langsam dämmert mir, dass das möglicherweise wieder einer von Harrys Streichen sein könnte und ich verdrehe die Augen, bevor ich alle Schränke aufreiße und unter das Bett schaue, doch auch da ist niemand. Seufzend beschließe ich, ihn einfach machen zu lassen und lasse mich aufs Bett fallen.
Da ist etwas.
Vorsichtig schlage ich die Bettdecke zurück und sehe Harry vollkommen ruhig daliegen. Ich grinse und sage laut: "Ha, heute hast du es nicht geschafft. Ich hab dich gefunden!" Er bewegt sich noch immer nicht und ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen.
"Harry?", frage ich nach. Nichts.
Besorgt beuge ich mich über ihn und schüttle ihn, doch er rührt sich nicht. Ängstlich schaue ich auf die regungslose Figur hinab - er kann nicht schlafen. Harry hat einen zu leichten Schlaf, er wäre sofort aufgewacht.
"Harry!", sage ich nun noch lauter, doch egal was ich mache, er bewegt sich kein Stück. Völlig von der Spur vergesse ich alles um mich herum und rüttle ihn verzweifelt an der Schulter. Ich kann die Tränen scjon spüren, die sich in meine Augenwinkel drängen.
"Booh", ruft eine Stimme und Harry dreht sich ruckartig auf den Rücken. Geschockt zucke ich zusammen und werfe mich dann auf meinen besten Freund. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn anschreien oder umarmen soll. Die Tränen noch immer in den Augen schlinge ich meine Arme um ihn und klammere mich an Harry. Dieser lacht und bevor ich es ändern kann, blitzt es und er hat auch schon ein Foto von uns gemacht.
Langsam komme ich wieder zu mir und ich funkle ihn sauer an.
"Wie kannst du es nur wagen, so etwas Schreckliches zu tun?", fahre ich ihn an und ich kann nicht verhindern, dass die Tränen in meinen Augen übertreten. Harry, der jetzt erst begreift, wie ernst es mir mit meiner Aussage ist, hört auf zu lachen und beißt sich kleinlich auf die Lippe.
"Es tut mir Leid, Lou!", murmelt er und in diesem Moment hasse ich mich dafür, dass ich ihm nicht böse bleiben kann. Stattdessen vergrabe ich mein Gesicht an seiner Schulter und er streicht mir immer wieder beruhigend über den Rücken.
Ich hatte nie mitbekommen, dass in diesem Moment ein zweites Bild geschossen wurde, doch jetzt konnte ich es hier hängen sehen. Eine feste Umarmung.
Kopfschüttelnd wandte ich mich von den Bildern ab und packte die Briefe, die noch immer unter meiner Jacke lagen. Nach kurzem Überlegen legte ich sie in die Lade des kleinen Tisches neben dem Bett. Hier würden sie sicher sein und ich könnte Harry ungestört alle meine Gefühle schreiben.
Ich würde es schon schaffen, und Harry musste einfach zurückkommen. Er würde zurückkommen. Ganz sicher.
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Hey (:
Danke euch allen für die lieben Kommentare beim letzten Kapitel! Es freut mich total, dass euch die Geschichte überzeugen kann.. <3
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