6. Türchen
Heey meine Lieben, heute war ja Nikolaus und ich hoffe ich kann euch den Abend noch etwas versüßen, mit meinen 2. Part meiner Kurzgeschichte! :) Also viel Spaß beim Lesen! Lg LittleAngel97
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I know you're out there - Part 2
Wie jedes Jahr veranstaltete die Schule der Genies ein weihnachtliches Matherätseln. Ja, ich glaube ich weiß genau was ihr denkt! Ein weihnachtliches Matherätseln? Was für ein Scheiß! Das ist es auch, denn als meine Zimmermitbewohnerin durch die Tür trat und das größte Grinsen auf den Gesicht trug, dabei auf ihr T-Shirt zeigte, welches mit einer riesigen Sudoku vorne und einer mathematischen Formel hinten bedruckt war, fühlte ich mich wie in einer Anstalt für Streber. Vielleicht war ich eine von diesen Leuten hier, aber irgendwie konnte ich nicht die Leidenschaft am Rechnen, wissenschaftlichen diskutieren oder Rätseln teilen. Trotzdem zauberte ich mir ein Lächeln auf das Gesicht, was wohl nur dort erschien, weil ich gut erzogen war und Emily nicht dumm anmachen wollte. Sie war schon ganz okay, wenn man außen vor ließ, dass sie auch eine dieser gestörten Streber war, die nichts anderes machte, als sich irgendwelche Bücher durchzulesen, wo es um Krankheiten, Wissenschaftler und, was weiß ich was, ging.
„Ich hatte dir doch letztens erzählt das Jason sein Dad gefragt hat, ob der ein paar T-Shirts für unsere Naturschutz-AG drucken könnte, oder? Naja, der hat jetzt auch noch welche für unser Mathefest gedruckt. Wahnsinn, oder?“, schwärmte Emily mit leuchtenden blauen Augen, welche mich durch großen Brillengläsern anblickten. Ich dachte nur: Ja ganz toll! Wollte ich schon immer mal, so ein super tolles T-Shirt mit einem Sudoku! Ich nickte eifrig und setzte ein Grinsen auf. Hoffentlich musste ich mir nicht auch so eins anziehen, da wollte ich lieber meinen gewöhnungsbedürftigen Klamotten treu bleiben, die aus einen Top, einer Sweatshirtjacke und einer schwarzen Röhrenjeans bestanden… und das im eiskalten Winter. Mir war warm und ich stand jetzt nicht wirklich auf Rollkragenpullis oder so etwas, selbst jetzt trug ich noch kurze Söckchen und hatte nur meine dünne Jacke, mit einen Mantel und die Chucks mit Stiefeln ersetzt, dazu waren noch ein paar Handschuhe und eine Mütze gekommen und bis jetzt war ich noch nicht krank!
„Cool“, erwiderte ich noch kurz und ließ dann mein lächelndes Gesicht auf meine Modezeitschrift in meinen Händen fallen und las weiter, was nun diesen Winter In oder Out war interessierte mich zwar herzlich wenig, gerade weil ich sowieso nur das trug, was mir gefiel. Doch davon ließ sich meine Zimmerkollegin nicht ablenken, nein, wahrscheinlich ganz im Gegenteil: Sie wurde richtig angespornt. „Und weißt du was, Amélie?“, fragte sie mich in einen super nervigen Ton, der bei ihr aber so erfreut und aufgeregt klang und ich wartete gespielt gespannt auf ihre Fortsetzung. Sie war einfach so eine Person die keine Bestätigungen brauchte, sie sprach wann und was auch immer sie wollte, sie tat das was sie für richtig empfand und sie erwartete förmlich das man davon beeindruckt sein sollte. Was sie auch gleich bewies. „Ich hab dir ein Shirt reserviert, ist das nicht toll? Dann können wir zusammen in denselben Oberteilen hingehen und jeder sieht, dass wir alle eine Gruppe sind. Richtiger Teamgeist! Kannst du dich noch an dieses Zitat aus den letzten Geschichtsunterricht erinnern, wie…“, da schaltete ich ab. Immer wenn hier jemand anfing über den Unterricht zu reden und dessen Stoff zu analysieren, interpretieren und in eigenen Worten wiederzugeben, täuschte ich nur noch mein Interesse vor. Also nickte ich, gab Emily das Gefühl ihr zu folgen und war mit den Gedanken ganz woanders.
Wenn mich jemand in diesem T-Shirt sehen würde, wäre ich in einer dieser Schubladen gesteckt worden, in welcher ich gar nicht wollte. Ich konnte mich hier mit niemanden infizieren, niemand hatte genau dieselben Interessen wie ich und ich fühlte mich heimatlos, als würde ich umherstreunen und nach ein sicheren Hafen suchen, an den ich mich endlich binden konnte, um nicht wieder davonzutreiben. Doch wovon sollte ich davontreiben? Von mir selbst? Mein eigenes Ich, welches ich mit der Zeit langsam immer mehr verlor. Mit jeder Minute spürte ich, wie ich mich veränderte, die alte Lie nicht mehr in mir spürte, die doch sonst immer dagewesen war und mich nie verlassen hatte. Nein, die alte Amélie war gerade immer die gewesen, die immer da war. Die mich nie verloren hatte. Doch wenn ich in mich schaute, wo war sie? Wo war mein altes Ich? Die kleine Rothaarige welche immer offen und ehrlich war, sich nichts aus den Meinungen anderer machte, sondern immer versuchte mit sich im Reinen zu sein, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen und das mit allen Humor, den sie besaß? Es klingt vielleicht komisch, aber ja ich vermisste die alte Amélie, welche ich früher war. Mein Leben war nicht mehr bunt, es war schwarz-weiß und verlor langsam die Stärke, welches es erst hatte.
„Erde an Amélie! Hörst du mir eigentlich zu oder geht’s dir nicht gut, du siehst so blass aus? Warte ich hol mein Medizinbuch!“, labberte Emily weiter, die ich nun vollkommen ausgeblendet hatte. „Mir geht es gut, verdammt! Bleib mir ja mit deinen scheiß Büchern weg!“, das war nicht so böse gemeint, wie es klang, als ich die wohl einzige Person in dieser Anstalt die noch ganz okay war, angiftete. Denn so schnell wie sie handelte und sprach, war sie auch verletzt, denn sie nickte bedrückt und lächelte traurig. Och man, eigentlich ließ ich nie meine Wut an andere aus. „Es tut mir leid, Emily, ich hab nur keine Lust heute auf ein Matherätsel oder so…“ Und da erschien wieder ihr mitfühlendes Lächeln. „Weißt du, dass du wirklich ein außergewöhnliches Mädchen bist, Amélie? Du kriegst doch immer wieder den Bogen, bevor ich dir mein Rücken zuwende, aber heute gebe ich nicht so schnell klein bei. Du bist mir jetzt schuldig eins dieser T-Shirts anzuziehen und mitzukommen. Du warst doch noch nie dabei, vielleicht gefällt es dir!“
Na toll, jetzt hatte ich es wieder reingerissen. „Emily…“, schon unterbrach sie mich. „Nix Emily, du stehst jetzt auf, legst dein Klatschblatt weg und kommst jetzt endlich mit. Du bist zwar ein Jahr jünger wie ich, aber manchmal denk ich, du bist die Ältere von uns Beiden und hast gar kein Lebensgeist mehr!“ Wenn sie in einen Redefluss war, konnte man sie einfach nicht unterbrechen. Aber ja, sie hatte richtig festgestellt, mein Antrieb irgendwas zu unternehmen, war wirklich geschwächt. Hätte sie nicht das Argument gehabt, das ich ihr etwas schuldete, da sie öfters meine schlechte Laune abbekam, wäre ich sitzen geblieben und hätte solange gemotzt, bis ich mich durchgesetzt hätte und sie einfach wieder gegangen wäre, aber nein, so leicht konnte es nicht sein. Also schlug ich meine Zeitschrift langsam zusammen, legte sie neben meinen Beinen und öffnete mein Schneidersitz, um langsam auf den Beinen zu kommen und meiner nervigen Zimmerkollegin zu folgen, die schon total entnervt im Rahmen der Tür stand. „Komm Oma, soll ich dir helfen?“, fragte sie und stöhnte auf. Hmh, wenn die hochgebildeten Menschen hier genervt waren, dann konnten selbst diese ironisch werden und den ein oder anderen ohne wissenschaftlichen Wörtern beleidigen.
Ich setzte ein breites Grinsen auf und meinte: „Nein danke, dass schaff ich schon von alleine.“ Kennt ihr dieses unangenehme Kribbeln in den Beinen, wenn eure Beine eingeschlafen sind und man sich diese am liebsten vom Körper schlagen würde? So ging es mir gerade. Wie lange hatte ich dort gesessen und gelesen? Sicher eine dreiviertel Stunde. Oh, verdammte Beine.
Mit langsamen, und gequälten, Schritten ging ich auf meine Mitbewohnerin zu, die mein Humpeln mit einen Grinsen quittierte. Emily war wirklich keine leichte Persönlichkeit, zwar war sie gut erzogen, konnte wirklich allerliebst sein, aber wenn man sie näher kannte, fielen dann die negativen Punkte sofort auf. Sie war nervig mit der Zeit, sie redete mir zu viel, ließ die „Ich-habe-ungewöhnlich-viel-IQ!“-Masche raushängen, hatte zu viel mit Mathematik und irgendwelchen Wissenschaften zu tun und zwang mich immer wieder zu dummen Sachen, da ich ihr irgendwie immer etwas schuldig war. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob sie es absichtlich tat, um ihren Willen zu bekommen, ohne große Gegenargumente zu verursachen. Und da merkte man wieder, dass sie schlauer war, als manch andere.
„Schuhe wären vielleicht auch noch angebracht“, murmelte Emily in sich hinein und ich seufzte tief. Wie ich es doch hasste, wenn man mir tausend Tipps und Ratschläge gab, die ich eher als Aufforderung auffasste und meist in einen Ton waren, welcher mich mehr als nur aufregte. „Ja, Mom“, sagte ich genervt. Langsam bekam ich wieder ein ordentliches Gefühl in den Beinen, was diese Situation aber auch nicht mehr rettete, denn der eiserne Vorhang hatte sich bereits zwischen uns geschoben und würde sich auch nicht so schnell in Luft auflösen. Trotzdem hörte ich auf sie und zog meine braunen felligen Boots an, welche sofort warm meine Füße umhüllten und mir ein gewohntes Gefühl schenkte.
Und oh nein, ich war nicht arrogant, nur gerade etwas angepisst und sicherlich nicht gut gelaunt, weswegen ich im selben Moment davon stiefelte und meine Zimmerkollegin stehen ließ, welche hinter mir abermals aufstöhnte und ich das Schließen der Tür wahrnahm.
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Da war ich nun: In einer riesigen Sporthalle, in einen weißen T-Shirt mit einen Sudoku welches viel zu weit war und schlechter Laune. Ich hatte echt viel von dieser Gesellschaft erwartet, aber nicht das. Immerhin waren hier mindestens hunderte von Leuten, egal welche Schule oder Bildungsgang, einfach so viele Mathefreaks waren da und unterhielten sich über Sachen, die ich zwar verstand, aber die mich nicht interessierten. Also hatte ich mich abseits gesetzt, auf einer Tribüne die noch nicht mal irgendwelche Kissen besaß und total unbequem war.
Wenn ich ehrlich war, dann hatte sich meine Laune einfach nur verschlechtert. Seit ich hier war, hatte sich jeder um sich und seine Freunde gekümmert, was gar kein Problem war, wenn ich jemand gehabt hätte. Doch wie ich schon einmal sagte: Ich war allein. Ich hatte in London keine Freunde, zumindest keine die man wirklich so nennen konnte.
Wieder wanderten meine Gedanken in die Vergangenheit, welche meiner Meinung nach erst 5 Monate zurücklag. Damals hatte ich noch Menschen bei mir gehabt, die mich liebten, wie ich war. Ich konnte sein wie ich wollte, sie hatten mich geliebt und ich sie ebenso. Wenn ich könnte, würde ich nun sofort meine Klamotten packen, mir ein Flugticket kaufen und zurück nach Frankreich fliegen, um endlich wieder bei meinen Freunden zu sein, selbst wenn ich mein Ex-Freund sehen müsste. Aber alles war besser als London, auch wenn die Stadt wirklich toll war, nur ich kam hier einfach mit niemand klar. Ich fühlte mich allein, von allen verlassen, aber besonders groß waren die Gefühle der Unwichtigkeit und der Abgeschiedenheit. Selbst meine Eltern vermisste ich. Doch die Beiden würde ich so schnell nicht wieder zusammen sehen, zu groß war noch der Schmerz der Trennung. Irgendwie hatte ich mich damit abgefunden, auch wenn ich mir das wirklich schwieriger vorgestellt hatte, aber vielleicht lag das auch daran das ca. 450 Kilometer zwischen uns lagen.
Und da dachte man das es am Rande der Tribüne ruhiger war, als in der Mitte, aber nein, es war genau anders rum. Ständig kam jemand die Treppe hinaufgestiegen, wollte an mir vorbei, streifte mich mit einer Jacke oder mit einer Tasche und jedes Mal wäre ich am liebsten einfach aufgestanden und hätte mir denjenigen vorgeknöpft. Aber immer wieder sagte ich mir, dass ich hier keine Show schieben wollte und auch sicherlich niemand meine schlechte Laune an den Kopf werfen wollte. Lieber versuchte ich mich nun abzulenken und stand auf, um die Treppe hinunter zugehen und Emily zu suchen. Zwar hatten wir uns den ganzen Weg angeschwiegen, aber so wie ich sie kannte, war sie nicht mehr zulange sauer, also hoffte ich einfach mal darauf, dass ihre Zeit zum Bocken vorbei war, immerhin war selbst ich wieder normal.
Schnell ging ich durch den Gang entlang, damit ich zur Treppe kam und hielt schon die ganze Zeit Aussicht nach einem blonden Mädchen mit Brille und weißen T-Shirt Ausschau, bevor ich genau gegen jemand rannte. Und da war sie wieder: Meine schlechte Laune! Ich stöhnte auf, schloss kurz die Augen, schloss meine Hände zu Fäusten und sprach unter zusammengepressten Lippen: „Kannst du nicht aufpassen wohin du trittst?“ Langsam öffnete ich wieder meine Augen und sah in die fragenden blauen Augen von Jayden.
„Jayden!“, sprach ich mit zittriger Stimme schnell aus. Meine Mimik im Gesicht änderte sich ständig, mal von einen Lächeln, über ein überraschten Ausdruck, bis zu einen geschockten Augen aufreißen. „Was machst du denn hier!?“, fragte ich geschockt weiter, ohne auch nur darüber nachzudenken mich zu entschuldigen.
Ja genau Jayden, der Typ aus dem Park, der mir einmal in der ganzen Zeit in London begegnet war und als erster einen Draht zu mir gefunden hatte und das in nur 5 Minuten. Eigentlich hatte ich mich schon lange damit abgefunden, ihn nicht mehr wiederzusehen, doch nun stand er vor mir und grinste. Er grinste, als hätte ein Typ gerade eins ihrer Zockerspiele gewonnen! Und puff, da war meine schlechte Laune schon verschwunden und ein Grinsen erschien auf meinen Lippen. Auf einmal fühlte ich mich so, als hätte ich meinen sicheren Hafen gefunden und brauchte gar kein Frankreich oder Emily mehr.
Wie als wäre es selbstverständlich, zog er mich in seine Arme und ich legte mein Kopf gegen seine Brust. Erst da merkte ich, dass er eine Kamera in der Hand hielt, die jetzt auf mein Rücken ruhte. „Ich wusste nicht ob ich dich wieder sehe, aber wenn ich mir etwas ausgemalt hätte, dann sicher nicht das. Du auf eine Weihnachtsfeier für Mathefreaks? Tut mir leid, wenn das jetzt beleidigend klingt, soll es eigentlich gar nicht“, er sprach mit solcher Ruhe und Gelassenheit, was mich sofort entspannter werden ließ. „Ich bin auch nicht wirklich freiwillig hier, meine Freundin…“, ich hielt kurz inne und verbesserte mich sofort darauf wieder. „Meine Zimmermitbewohnerin hat mich mitgeschleppt.“ Er lachte leicht in mein Haar und ich ruhte mich aus. Ganz allgemein gesehen war der Tag nicht sehr anstrengend gewesen, doch irgendwie war ich so kaputt und wollte einfach nur noch in seinen warmen starken Armen einschlafen.
„Irgendwie haben wir Beide immer dieses Problem mitgeschleppt zu werden, oder etwa nicht?“ Da löste er die Umarmung, die leider viel zu kurz gewesen war und grinste mich frech an. Ich nickte nur und lächelte ihn glücklich an. „Und was machst du hier?“, fragte ich nun zum zweiten Mal.
Auch er lächelte mich an und zuckte mit den Schultern. „Ich bin dafür zuständig die Bilder von den Mathefreaks zu machen“, antwortete er nun grinsend und hielt überraschender Weise seine Kamera hoch und drückte auf den Auslöser. Leider viel zu spät duckte ich mich und hielt mir die Hände vor dem Gesicht. „Hey! Ich bin kein Mathefreak!“, wehrte ich mich und schlug ihm spielerisch gegen den Arm. „Aber du hängst mit welchen ab? Außerdem bist du trotzdem ein hübsches Motiv!“, meinte er schmeichelnd und rieb sich den Arm. Ich war also ein hübsches Motiv. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, doch ich schüttelte den Kopf und beantwortete seine erste Frage: „Teils, teils. Ich hänge eher unfreiwillig mit ihnen ab, weil ich auf diesem Internat wohne, für all diese Genies. Meine Eltern bestanden darauf, also bin ich hier. Und ich war Emily etwas schuldig, also musste ich wohl oder übel mitkommen, auch wenn ich nicht wirklich freiwillig in diesen Sudoku T-Shirt stecke!“ Ich konnte es gar nicht oft genug erwähnen, dass ich hier nicht freiwillig war. Aber bevor ich weiterdenken konnte, sah ich sein musternden Blick und fragte mich sogleich, ob ihm das gefiel was er sah. Sicherlich nicht, da ich mir ziemlich sicher war, dass ich ziemlich bescheuert in diesen Shirt aussah.
„Du bist also ein Genie, meine Liebe?“, er grinste mich nun wieder an und ging ein paar Schritte die Treppe hinunter. Ich folgte ihm sogleich und nickte. „Ja, überrascht?“ Jayden schüttelte den Kopf, schoss gerade ein Bild von den ganzen Menschen in der Turnhalle und erwiderte: „Ich weiß nicht so recht, also du machst kein Eindruck als wärst du total schlau und streberhaft, aber du wirkst auch nicht dumm. Ich hätte dich einfach als vollkommen normal eingeschätzt.“ Ich musste lachen. „Wenn ich mich sehen würde, dann würde ich wohl nie von mir erwarten, dass ich dort hinzugehöre!“, mein Finger zeigte auf meine Mitschüler. Auch er stimmte in mein Lachen ein und ich folgte ihm die ganze Zeit, als er Fotos machte.
„Und du machst das freiwillig? Also die ganzen Bilder schießen?“, fragte ich nach einer Weile und beobachte wie er gerade in die Knie ging und das Spektakel fotografierte. Seine Professionalität beeindruckte mich, er sah so ruhig aus, so als wüsste er ganz genau was er tun musste und war sich ganz sicher bei seiner Sache. Er nickte. „Ja, ich möchte irgendwann mal Fotograph werden, wenn ich mit der Schule fertig bin und da ist das schon mal eine gute Übung.“
„Ich denke du wirst mal ein toller Fotograph werden“, antwortete ich lächelnd und sah ihm weiter gespannt zu. Als er lächelnd aufsah, erwiderte ich es sofort und er fragte mich eine längst fällige Frage: „Wie heißt du eigentlich, rothaarige Schönheit?“ Meine Wangen färbten sich tomatenrot und ich wandte kurz den Blick ab und hoffte auf eine normale Gesichtsfarbe. „Amélie“, murmelte ich kurz und knapp, wobei ich mein Blick wieder auf ihn fallen ließ. „Amélie…“, er probierte den Name aus und sein Lächeln verstärkte sich sofort. „Schöner Name, Amélie“, grinste er. „Hm, schon ganz okay“, erwiderte ich und strich mir eine rote Haarsträhne aus den Gesicht.
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„Was ist eigentlich dein Hobby? Ich hab ja das Fotografieren.“ Wir liefen gerade durch die Turnhalle. Zum Glück war es nicht zwingend mitzumachen, denn gerade jetzt war das Quiz eröffnet worden und alle rechneten um die Wette. Mich interessierte es relativ wenig, weswegen ich lieber Jayden weiterhin beim Bilder machen zuschaute.
Ja was war mein Hobby? Gleich fiel mir mein Bücherregal ein, welches wirklich gut gefüllt war und in nächster Zeit überquollen würde. Also entweder ich überredete Emily mir ein Teil von ihren zu übernehmen oder ich fragte ob ich noch ein Regal bekam, sonst musste ich mir ein weiteren Platz aussuchen oder aussortieren, aber das letztere ganz sicher nicht. Ich liebte Bücher. Ich mochte generell jede Art von Literatur, solange sie gut geschrieben und nach meinen Geschmack war. Es war eine willkommene Abwechslung zu meinen eigenen Leben, welches ich gerne entfloh und es hinter mir ließ. Wenn ich in das Leben anderer eintauchte, konnte ich wenigstens abschalten und konzentrierte mich vollkommen darauf. Schon als damals der Streit meiner Eltern angefangen hatte, hatte ich gelesen und alles niedergeschrieben. Ich hatte all meine Probleme auf Papier gebracht, immer und immer wieder und wenn ich irgendwann fast platze, hatte ich sie zerrissen und verbrannt. Bis ich wieder neues aufgeschrieben hatte und sich immer wieder dieser Vorgang wiederholte. Irgendwann hatte ich angefangen andere Sachen zuschreiben. Da kamen dann auch erfundene Charakter vor, die ich durchaus mit Leuten verband die ich kannte, ich konnte Gefühle einbauen, Wünsche, Dinge die ich hatte und auch Sachen wovor ich Angst hatte. Es war meine eigene Freiheit die ich immer genoss, wann immer ich sie brauchte. Bis jetzt hatte ich nie jemand etwas davon gezeigt, vielleicht erwähnt, aber es hatte auch noch nie jemand etwas lesen wollen. Doch ich liebte das Schreiben, egal was andere sagten, es war meine Leidenschaft, mein Hobby.
Jayden lächelte mich an, selbst wenn ich schon eine Weile überlegte, er war höflich wie eh und je, er wartete bedacht und gab mir die Zeit über meine Tätigkeiten nachzudenken. „Naja, ich schreibe und lese gerne“, antwortete ich nun. Sein Blick ruhte auf mir und er schien nachzudenken. „Kann ich davon mal was lesen?“ Das hatte ich nicht erwartet. Er wollte von mir etwas lesen? Was wenn es ihm nicht gefiel oder besser gesagt, was wenn er dann eine falsche Vorstellung von mir hatte oder das es ihn langweilte? Ich schrieb viel über die Liebe, über Selbstzweifel oder dramatische Situationen. Sicherlich nicht das was Jayden interessierte, wie ich dachte. Ich war sehr verunsichert. „Ähm, wenn du möchtest…“, murmelte ich teilnahmslos in mich hinein und blickte ihn zweifelnd an. „Ich könnte wetten, dass es richtig gut ist!“ Aufmunternde Worte, jedoch noch nicht zu überzeugend.
„Von was schreibst du?“, fragte er weiter. Musste er das unbedingt fragen? Ich seufzte innerlich, aber äußerlich blieb ich ganz ruhig und zuckte mit den Schultern. „Von allen möglichen…“, ich wollte ihm nicht von dem ganzen schnulzigen Zeug erzählen. Wahrscheinlich verstand er und nickte. „Okay, dann such ich mir einfach mal was aus von dir?“ „Okay. Aber was bekomm ich dafür?“, erwiderte ich und zog meine Augenbrauen nach oben.
Er grinste richtig frech und stellte sich wieder ganz normal hin, nachdem er in Hocke ein Foto gemacht hatte. Die Nähe zwischen uns war mir nicht unangenehm, aber trotzdem ungewohnt, wenn man die letzten Tage sah. Nur er hatte mich in den Armen gehalten und das war vor einer Woche gewesen. Jayden kam nun immer näher und mir wurde wiedermal seine Größe bewusst, denn ich musste aufblicken mit meinen 1.60. Mit dem Fingern strich er mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich hab mich noch gar nicht für das Verhalten von Kate entschuldigt, sie war einfach… sie war einfach Kate. Halt eine kleine Schlampe. Sie hat gleich danach Schluss gemacht. Gut für mich, da muss ich das wenigstens nicht machen. Wir waren eigentlich nur zusammen, weil man uns als Vorzeigepaar sah und wir das auch geglaubt haben, aber es hat eigentlich nie so wirklich zwischen uns gefunkt“, erklärte er mir. Doch ich konnte nichts erwidern, nein, ich war zu sehr von seinen Anblick gefesselt. „Und um auf deine Frage zu antworten: Du könntest mir ein Gefallen tun, wenn du mein Fotomodel wärst. Denn ich brauche für eine Bewerbung für ein Praktikum bei einem richtigen Starfotografen in Brighton, ein selbergestaltetes Fotoshooting und du bist perfekt.“
Da spürte ich wie mir die Hitze in den Wangen stieg und ich den Blick abwenden musste, um darauf gleich wieder in seine wunderschönen blauen Augen zu sehen. Nicht ich war perfekt, sondern er. Ich geriet wirklich ins Schwärmen, besonders als er mir die Wange streichelte, ich verlor mich fast selbst. In meinen Bauch zog sich etwas zusammen und ein riesen Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Ich durfte nur nicht auf seine Lippen schauen! Ich musste mich zusammenreißen, verdammt. Mittlerweile war ich keine 10 Jahre mehr, ich war 17 und fast volljährig, also sollte ich mich nicht so anstellen!
„Und?“, fragte er nun nach und seine Mundwinkel zogen sich noch weiter nach oben. „Wenn du meinst, dass ich wirklich ein gutes, oder wie du sagtest ‚perfektes‘, Model bin, dann ist es dein Pech wenn ich deine Aussichten auf eine Fotokarriere vernichte“, brachte ich schnippisch heraus und grinste Jayden an. „Ich gehe das Risiko gerne ein“, er grinste verschämt und nahm meine Hand. Er zog mich zum Ausgang und ich konnte noch mein Mantel schleppen, oft brachte er mich noch zum Lachen und ich konnte förmlich spüren wie manche Blicke auf uns gerichtet waren.
„Jayden was hast du eigentlich für ein Image? Ich könnte wetten du bist der Grund, warum uns alle anstarren!“, murmelte ich amüsiert und er legte ein Arm um meine Schultern, zog mich im Gehen an sich und meinte verführerisch: „Das würdest gerne wissen, hm?“
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