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[ Point of view: Tobio Kageyama 🖤 ]
Heute war eigentlich ein guter Tag, zumindest besser, als ich am Morgen gedacht hätte. Der Unterricht war ausnahmsweise mal gut und in den Pausen gab es auch keine Konflikte mit Mishita. Das lag leider nicht daran, dass Mishita den Spaß daran verloren hatte, mir auf die Nerven zu gehen, sondern daran, dass ich jede Pause alleine in einer Klokabine verbracht hatte. Ich hatte mich nicht einmal gelangweilt, da ich mein Notizbuch mit hatte und so etwas zeichnen konnte.
Als dann meine letzten Unterrichtsstunden vorrüber waren, packte ich meine Sachen und verließ den Klassenraum, wobei ich jeglichen Blickkontakt mit anderen vermied. Was für andere so wirkte, als wäre ich ein stolzer König, wie man mich immer nannte, war es eigentlich nur mein lächerlicher Versuch, eine Wand zwischen mich und die Realität zu schieben.
Ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Ich könnte hierbleiben und heimlich das Training durch das Fenster betrachten, aber andererseits wusste meine Mutter ja Bescheid, dass ich früher kommen würde und würde sich sonst Sorgen machen. Ich sollte vermutlich einfach nach Hause gehen, auch, wenn es dort langweilig war. Aber vielleicht konnte ich mich ja mit Hinata treffen. Obwohl, er war krank. Vielleicht war das für den heutigen Tag eher etwas, was ich vermeiden sollte. Außerdem kannte ich nicht einmal seine Adresse.
Es war schon irgendwie lustig. Ich hatte jemanden, für den ich bereit war, mein Leben zu geben, jedoch war diese Person mir scheinbar so fremd, dass ich nicht einmal wusste, wohin ich die Einladungskarten zu meiner Beerdigung dann schicken sollte.
Gedankenverloren überquerte ich die Straße. Ich dachte gerade darüber nach, dass ich im Garten ja ein wenig Volleyball trainieren könnten, damit meine Gelenke und Fähigkeiten sich bis zum nächsten Montag nicht irgendwie zurück bildeten, als ich plötzlich zwei starke Hände an meinen Oberarmen spürte. Jemand hatte mich von hinten gepackt, und das nicht gerade sanft, also schloss ich sofort aus, dass ich es mit netten Personen zu tun hatte.
" Fasst mich nicht an! ", rief ich laut und versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Da sie zu zweit waren, konnte ich mich auch nicht irgendwie aus ihren Griffen befreien. Alles ging so schnell, dass ich ziemlich verwirrt war, als man mich plötzlich durch ein Gebüsch schob. Etwas fiel mir plötzlich auf die Schuhe, reflexartig wollte ich es aufheben, aber ich konnte nicht.
Sie stießen mich immer weiter in ein Waldstück, ich hatte keine Chance, meine Arme zu bewegen und ich traute mich auch nicht, auch nur einen unnötigen Muskel zu bewegen.
" Was zum Teufel wollt ihr? ", war das einzige, das ich sagen konnte in meiner Schockstarre. Endlich ließ einer der Beiden mich los und einige Augenblicke später stand die Person vor mir, die ich sowieso die ganze Zeit erwartet hatte. Wer sonst würde mir so etwas antun als Mishita?
" So, so. Ich wette, du erinnerst dich noch an unseren Streit in der Grundschule. Ich meine den, bei dem ich diese hässliche Narbe in meinem Gesicht davon getragen habe. Nicht wahr? Außerdem, wie sieht es mit der Mittelschule aus? Oh, eine wirklich schöne Zeit muss das für dich gewesen sein. Du weißt genau wovon ich rede. Und auch auf dieser Schule haben wir auf magische Weise wieder zueinander gefunden. Ich denke, dass das Schicksal es so wollte. Auf all diesen Schulen habe ich alles versucht, um dir klar zu machen, dass du weniger wert bist als ich. Und trotzdem durfte ich dann von meinem jüngeren Bruder erfahren, dass du noch ein genau so schlimmes Arschloch bist wie früher schon und das sogar außerhalb der Schule. Hiroshima hat mir das alles erzählt, weißt du? Als verantwortungsbewusster, großer Bruder wie ich es bin, fragt man sich da natürlich, wie man seinem Bruder da helfen kann. Lass mal überlegen... "
Hiroshima.
Der schwarzhaarige Junge, gegen den ich und Hinata am Montag Volleyball gespielt hatten. Also war Hiroshima sein Vorname. Ich hätte wissen müssen, dass er auch den Mishitas angehört. Wo ich genauer darüber nachdachte, sahen sie sogar genau gleich aus. Diese verdammten Familienbündnisse.
Ich wollte immer jede Erinnerung an die Mittelschule verlieren. Es tat weh, wenn schmerzhafte Errinerungen wieder aufgemischt wurden und hochkamen, so wie jetzt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich würde ihm ganz sicher auch keine Idee geben, was er jetzt mit mir anstellen würde. Natürlich erinnerte ich mich an alles, aber das musste ich ihm ja nicht unter nie Nase reiben.
Ich erinnerte mich an meine Grundschulzeit. Ich war ein wenig anders als die anderen, war von mir aus ein Einzelgänger und die anderen waren mir relativ egal. Aber Mishita war das komplette Gegenteil von mir und hatte mir schon damals immer unpassende Spitznamen gegeben und eines Tages war er an mir vorbei gelaufen und verschüttete sein gesamtes Wasser über mir. Er behauptete, es war ein Unfall, aber natürlich war es keiner. Ich verlor damals die Kontrolle und warf aus Wut einen Stein in seine Richtung. Ich konnte die Flugbahn nicht kontrollieren, da ich noch sehr klein war. So traf ich ihn versehentlich am Kopf. Die Blutung hörte nicht auf und ein Lehrer rief einen Krankenwagen. Von der einst so schlimmen Wunde blieb allerdings eine schlimme Narbe auf seiner Stirn zurück. Ich wusste, dass er deswegen immer geärgert wurde. Ein hornloses Einhorn oder Schrumpelstirnchen hatten sie ihn genannt. Deswegen hasste er mich so sehr und deswegen bestrafte er mich schon seit acht Jahren dafür.
Das ging dann in der Mittelschule weiter. Ich war der jüngste in der Klasse und alle älteren dachten sowieso, dass sie das wertvoller machte als mich. Außerdem hatte ich entdeckt, dass mir das Zeichnen half, mich zu entspannen, aber auch das machte mich in der Schule zum Opfer. Zeichnen sei ja was für Mädchen. Sie alle meinten, dass, nur weil ich etwas introvertierter war als die amderen, ich gleich schwul war. Als dieses Gerücht rumging, schubsten sie mich nach der Schule und hielten mich fest, während Mishita mir mit seinem Taschenmesser "I am gay" in meinen Rücken geritzt hatte. Es waren keine tiefen Wunden und so sah man ein paar Tage später nichts mehr davon, aber trotzdem trug ich ein Trauma davon. Aber so ängstlich ich damals war, behielt ich was passiert war für mich und das bis heute, wo ich den Mund sofort aufmachen würde. Aber vier Jahre später war es auch schon zu spät dafür.
Ein Jahr später band Mishita mich an einen Baum und nachdem er und seine Freunde einen Indianertanz um den Baum tanzten und drohten, den Baum anzuzünden, schlug er mir so oft in die Magengrube, bis ich ich übergeben musste. Auch das hatte ich nie erzählt, weil ich sonst wieder als der Schwächling dar gestellt werden würde.
In meinem letzten Jahr in der Mittelschule sprach sich dann auf magische Weise herum, dass ich Mishitas nicht einmal existierende Schwester vergewaltigt hätte. Die Lehrer, die es mitbekamen, suspendierten mich glücklicherweise nur für eine Woche und schickten eine Verwarnung an meine Mutter, die ich allerdings verbrannte, bevor sie sie je zu Gesicht bekam. Natürlich prüften die Lehrer so eine Aussage auch sofort und schalteten die Polizei ein, aber als dann klar wurde, dass Mishita gar keine Schwester hatte, wurden meine Strafen natürlich zurück gezogen. Mishita bekam natürlich keine Schuld, weil man ihm ja nicht nachweisen konnte, dass ein solches Gerücht von ihm stammte.
Dies waren die schlimmsten Dinge, die mir in meinem ganzen Leben passiert waren. Ich wollte all das immer vergessen, aber jetzt kam natürlich all der Frust, die Wut und Trauer wieder hoch. Mir wurde immer gesagt, dass es sich nicht gehörte, dass man als Junge so "schwach" war, also versuchte ich mir, ein dickes Fell anzuschaffen. Das funktionierte so gut, dass ich manchmal nicht mehr wusste, wann ich es ablegen kann, vermutlich war ich deswegen ständig so gemein zu Hinata.
Und das waren die Gründe, warum ich der Welt mein wahres Gesicht sowieso nie wieder zeigen wollte. Es war, als hätte ich der Welt bereits mein wahres Gesicht gezeigt, und sie hatte es mit Füßen getreten, es beschmutzt und aus dem einst so unschuldigen Ebenbilds meiner das erlogene Monster erschaffen, das ich jetzt war.
Ein Tritt holte mich zurück in die Realität.
" Hörst du überhaupt zu? "
" Er hat gesagt, dass wir dich nach einer bestimmten Aufgabe wieder los lassen. Die Aufgabe darfst du sogar selbst wählen, so gütig sind wir. Aber egal, was du dir aussuchst, alles wird gefilmt. Und wir versprechen, dass ich dich deine gesamte Zeit auf der Oberschule dann nicht mehr mobben werde. "
" Was für eine Aufgabe? ", fragte ich misstrauisch. So einfach würde es nicht werden, es musste eine für einen Menschen beinahe unmögliche Aufgabe sein, wenn mein Preis dafür so hoch war.
" Drei Optionen. Erstens, ich werde nochmal diese drei Wörter in deinen Rücken ritzen. Dann stellst du dich vor die Kamera und zeigst sie und gibst dann zu, dass du schwul bist. Option zwei, du bläst meinem Bruder einen. Oder letztens, du zeigst uns Zwergis Zuhause und vermöbelst ihn dann. Aber denk dran, egal, für was du dich entscheidest: Morgen wirst du es auf jeder Internetplattform finden mit Tonnen von Likes und Views. "
" Ihr seid doch beide nicht mehr ganz dicht im Kopf. ", sagte ich und versuchte, keine Kraftausdrücke darunter zu mischen. Das würde alles nur schlimmer machen.
Doch allein für diesen noch verdammt harmlosen Kommentar erntete ich einen Schlag in die Magengrube.
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