12 Lügnerin
◇20.03.2018 Dienstag◇
Geschockt sehe ich die Beamten an, bis ich von jemandem zur Seite geschoben werde.
"Gibt es hier ein Problem?" Thomas, mein Chef. Er zieht eine Augenbraue hoch aber sein Ausdruck scheint sehr gelassen. Bestimmt hat er schon gemerkt, das sie Polizisten sind und trotzdem bleibt er ruhig. Das bewundere ich wirklich, denn ich bin nichtmal annähernd entspannt.
"Mit wem spreche ich?", fragt Mr Warden, der mir generell etwas sympathischer, als der andere vorkommt.
"Thomas Maison, der Besitzer des Bordelles."
"Gut, dann müssen wir uns mit ihnen unterhalten", meint der andere kurz angebunden. Der sieht mich ab und zu so misstrauisch an. Weiß er vielleicht schon davon? Lieber Gott im Himmel, lass es nicht so sein.
"Worum geht es überhaupt?" Thomas riskiert einen kurzen Blick zu mir aber ich lächle ihn nur leicht an. Er soll sich keine Sorgen machen. Wir haben schon oft durchgesprochen, was passiert, wenn die Polizei hier sein sollte. Wir werden es schaffen, wobei ich das nicht zu hundert Prozent glaube.
"Also, Mr. Maison. Uns wurde von einem Kunden gemeldet, das hier eventuell eine minderjährige Prostituierte arbeitet. Dem müssen wir natürlich nachgehen, das wissen Sie." Mr. Warden lächelt leicht zu Thomas und auch mir herüber. Das erwidere ich, um mich nicht verdächtig zu machen. Ein bisschen entspanne ich mich, als mich mein Chef anspricht.
"Liebes, geh doch bitte das Schild an die Tür hängen. Wir kommen gleich wieder." Aufmunternd legt er für einen Moment eine Hand auf meine Schulter. Daraufhin geht er mit den beiden Polizisten ein Stück weg von mir und Rica. Sie steht immernoch, wie angewurzelt hinter mir. Ich gehe auf sie zu und zwinge sie mich anzusehen.
"Rica, es ist alles gut. Sie werden es nicht herausfinden. Jetzt reiß dich zusammen, sonst schöpfen sie Verdacht, okay? Ich bin hier, es wird nichts geschehen." Zuerst reagiert sie nicht aber dann atmet sie tief durch. Ich gebe ihr eine schnelle Umarmung, bevor ich das Schild unter dem Tresen hole, um es an die Tür zu hängen. Es ist dieses typische Schild auf dem 'Closed' steht. Ist auch gut so, das Thomas daran gedacht hat. Ich will mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn jetzt Kunden hier rein kommen und die Polizei sehen.
Lässig gehe ich zurück zu Rica, die sich auf einen Barhocker gesetzt hat. Neben ihr angekommen, setze ich mich ebenfalls hin und beobachte sie. Sie starrt Thomas und die Beamten die ganze Zeit an. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn ich hab dieses nervöse Kribbeln im Bauch. Vorallem als ich sehe, wie sie auf uns zu kommen. Thomas stellt sich an den Tresen und sieht mich eindringlich an, während die Beamten mich ebenfalls mustern.
"Miss, ich muss mit ihnen reden." Zum Glück muss ich mit Mr. Warden reden, denn dieser sieht um einiges netter aus. Ich folge ihm zu dem Platz, an dem sie vorher mit Thomas gestanden haben.
"Also erstmal die Standardfragen. Wie heißen Sie, wie alt sind Sie und wie lange arbeiten Sie hier schon?" Mit einem leichten Lächeln sieht er mich abwartend an.
"Ich heiße Evie Patterson, bin 19 Jahre alt und ich arbeite seit fast zwei Jahren hier." Alles Lügen aber was soll's. Ich sage nur das, was wir geübt haben. Wenn ich etwas kann, dann lügen.
"Zwei Jahren?", fragt er misstrauisch nach, doch ich antworte ihm leicht lächelnd.
"Ich hab in ungefähr einer Woche Geburtstag, dann werde ich 20 Jahre alt." Es scheint, als würde ihm ein Licht aufgehen und er schreibt sich das ebenfalls auf.
"Also Miss..." Er guckt erneut auf seinen kleinen Block, bevor er weiter spricht. "... Patterson. Haben Sie den Verdacht, das jemand der Mitarbeiter hier minderjährig sein könnte?"
"Nein, das würde mir nicht in den Sinn kommen. Ich bin hier die jüngste Frau, was man auch an meinem Aussehen entnehmen kann."
"Ja, das ist kaum zu übersehen", unterbricht er mich kurz aber lächelt mir höflich zu. Der Polizist ist echt zu gutgläubig.
"Alle anderen Kolleginnen sehen um einiges älter aus. Die jüngste nach mir ist vielleicht 23 Jahre alt. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Aber wer erzählt so etwas über unseren Club? Unser Chef ist wirklich eine gute Seele." Ich könnte selbst schon kotzen, wenn ich mich so höre. Das muss leider sein, sonst könnte er Verdacht schöpfen. Diesen Typen brauchen wir auf unserer Seite sonst sind wir aufgeschmissen. Der andere ist ja komplett mürrisch.
"Das verstehe ich komplett, Miss. Nur müssen wir dem nachgehen, weil der Missbrauch von Minderjährigen nicht gerade ein leichtes Vergehen ist. Vielleicht ist der jemand auch in einem anderen Club, wir machen ja eine Konrolle. Wir haben keinen genauen Verdacht."
"Das beruhigt mich ungemein."
"Gut. Ich hätte eine letzte Frage. Wie ist Ihre Beziehung zu den anderen Kolleginnen?" Dabei zieht er seine Augenbraue hoch aber man kann ihn einfach nicht ernst nehmen.
"Die meisten kenne ich nicht. Wir haben nicht gerne miteinander zu tun, wenn sie verstehen. Nur mit Ricarda, der Frau bei ihrem Kollegen, habe ich einen guten Draht. Wir sind sowas, wie beste Freundinnen." Bei dem letzten Satz lächle ich Rica zu, die ziemlich eingeschüchtert aussieht. Sie sieht es zwar nicht aber er kauft es mir ab.
"Das ist wirklich schön, wenn Sie eine beste Freundin hier gefunden haben. Nun will ich Sie wieder in Ruhe lassen. Kommen Sie mit zu meinem Partner." Ich folge ihm zurück zur Bar, wo Thomas steht und kurz darauf auch Rica mit dem anderen Polizisten zu uns kommen. Die beiden Polizisten sehen sich an und kommunizieren anscheinend so.
"Wir werden noch ein paar andere Mitarbeiter befragen bevor wir die anderen Clubs aufsuchen." Mr. Calleham spricht dabei unseren Chef an mit seinem strengen Unterton. Da bekommt man schon Gänsehaut, obwohl nichts schlimm ist an seinen Worten.
"Tun Sie sich keinen Zwang an." Thomas sieht ihn ebenfalls mit einem strengen Blick an. Offenbar haben sich dort zwei Rivalen gefunden.
"Vielen Dank, für die gute Koorperation." Mr. Warden lächelte mich dabei an und ging dann dem anderen Beamten hinterher, der sich schon aus dem Staub gemacht hat.
"Wie geht es euch? Wie ist es gelaufen?", fragt Thomas nun Rica und mich.
"Das war so unangenehm. Ich glaube, er glaubt, das ich die minderjährige bin, obwohl ich nicht mal mehr annähernd in dem Alter bin!" Rica sitzt dort, wie ein Schluck Wasser. Wie ein verzweifeltes Schluck Wasser.
"Du musst doch nichts befürchten. Er wird nichts finden, falls er weiterhin recherchieren wird. Alles ist okay." Meine Stimme klingt sehr beruhigend und dazu lege ich einen Arm, um ihre Schulter.
"Was war bei dir, Eve?", fragt Thomas nun mich.
"Alles okay, er hat nicht die leiseste Ahnung." Thomas atmet daraufhin erleichtert auf. Es tut mir schon leid, wenn man bedenkt, das er durch mich seinen Job verlieren kann. Ich verstehe bis jetzt nicht, warum er das getan hat. Trotzdem ist er ein wundervoller Mensch.
"Ich sollte mal nachsehen, wo die sich so rumtreiben." Mit einem nervösen Lächeln verschwindet er auch schon wieder. Ich bleibe alleine neben Rica zurück, die mich die ganze Zeit beobachtet.
"Wird es wieder gut werden?" Rica sieht mich mit einem neutralen Blick an aber nur ich bemerke die Trauer in diesem Satz.
"Wie kommst du auf diese Frage, Rica? Natürlich wird alles wieder gut werden." Lügnerin. Ich glaube kein Stück an diese Worte. Leider habe ich schon dieses Gefühl, das es nicht gut wird, denn das Schicksal würgt dir immer das schlechteste rein. Es wird große Probleme geben aber denen muss ich mich stellen. Gerade jetzt kommen mir blaue Augen in den Sinn.
"Eve, wollen wir nicht lieber nach Hause gehen? Ich will nicht mehr hier sein." Ich sehe sie kurz mit geweiteten Augen an, doch ich fange mich und lächle.
"Klar, lass uns von hier verschwinden." Ich begleite sie bis zu ihrer Wohnung, die nicht so weit entfernt von meiner liegt. Davor umarmen wir uns noch ein Mal und dann gehe ich auch schon zu mir. Wir wissen beide, das Worte uns nichts gebracht hätten. Manchmal ist es besser zu schweigen.
Zuhause gehe ich sofort in mein Zimmer ohne nachzusehen, wo meine Großmutter gerade ist aber ich mache mir nicht gerade große Sorgen darum. Ein Mal kann ich auch mal nicht nach ihr sehen. Ich ziehe mich so schnell, wie möglich um, um mich in mein Bett zu werfen. Man merkt es mir nicht an, doch mich hat das alles mehr geschockt, als es vielleicht aussah.
Ich kuschle mich in die Decke ein und sehe hinauf zu meiner weißen Decke. Jedes Mal belüge ich die Menschen, um mich herum. Nur meine Großmutter, Rica und Thomas muss ich nicht belügen aber alle anderen belüge ich mit jeder weiteren Sekunde.
Ich lüge anderen Menschen dreist in ihr Gesicht.
Mir bleibt keine Wahl. Hätte ich sie, dann würde ich alles anders machen. Das Letzte, was ich will, ist andere zu belügen. Was, wenn es rauskommt? Werden sie mich hassen? Wird David mich hassen? David. Dieser Name. Warum denke ich an diesen Namen? Lass mich allein. Ich will niemanden in meinem Leben. Ich will niemanden belügen.
Ich spüre die Tränen, die sich langsam in meinen Augen ansammeln. Diese Tränen werden aber nicht an meiner Wange herunterlaufen. Mein Wille ist stark und das werden alle wissen.
Am liebsten würde ich mich von allen fernhalten. Von Jamie, Matthis, Brand, David, etc., doch es wird nicht gehen. Also meide ich sie mehr. Wer sagt, das ich niemanden ignorieren kann? Sie werden es niemals erfahren. Meine Augen werden schwerer, die Tränen bleiben dort, wo sie sind.
Du bist eine Lügnerin, Genevieve.
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Ironie des Lebens. Zu viele Gefühle von mir liegen in diesem Buch. Aber das macht es besonders. Außerdem, sorry für die Wartezeit. Genaueres steht auf meinem Profil unter 'Unterhaltungen'.
Eure Yuki🌹🎀
1610 Wörter
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