Special: Was ist denn mit Karsten los?

Nicht nur Wattpad wird überschwemmt von Badfics. Auch die Verlage wurden von grottiger Prosa geentert und setzen auf Quantität statt Qualität. Und geben wir es zu, jeder von uns hat wenigstens ein gedrucktes Exemplar an Schundliteratur im Regal stehen. Ich habe davon sogar mehrere - und sie tragen so gut wie alle die Auszeichnung "preisreduziertes Mängelexemplar".

Leider bin ich ein Mensch, der nach dem Prinzip Hoffnung lebt und die ist in diesen Fällen immer wieder, dass die Mängel rein materieller Natur und nicht im Inhalt des Buches zu finden sind. Und immer wieder falle ich darauf herein.

Eines dieser Bücher ist "Wildefire - Göttin des Vulkans" vom US-amerikanischen Autor Karsten Knight, der es anscheinend zu seiner Berufung gemacht hat Leute damit zu verwirren, dass sein Name aussieht wie eine Alliteration, aber keine ist und natürlich schlechte Urban Fantasy Romane für Jugendliche zu schreiben. Erschienen ist das Buch übrigens 2011 im Piper Verlag, um das der Vollständigkeit halber noch zu erwähnen.

Denen, die der englischen Sprache mächtig sind, ist eventuell schon aufgefallen, dass es sich beim Titel um ein gewievtes Wortspiel handeln muss, denn richtig geschrieben hieße es "wildfire". Da der Name der Protagonistin aber Ashline (das bitte deutsch aussprechen, um zu verhindern, dass sie ernstgenommen werden kann) Wilde lautet, hat sich das natürlich angeboten. Mir ist das ganze erst aufgefallen, als mir dann nach hundert Seiten oder so überhaupt aufgefallen ist, wie die gute Ascheline denn mit Nachnamen heißt.

Um einem ein Buch nahezubringen, ist das Lesen das Klappentextes meist die beste Variante, ohne zu spoilern. Der von "Wildefire" lautet folgendermaßen:

"Ash ist ein ganz normales Mädchen – bis sie erfährt, dass sie eine Vulkangöttin ist: Ihr Bett fängt Feuer, wenn sie von ihrem Freund träumt, feuerfeste Handschuhe sind plötzlich unerlässlich für wilde Knutschereien, und dann sind da auch noch die anderen Götter und Göttinnen, deren oberstes Ziel die Vernichtung ihrer Rivalin ist ..."

Blöd ist allerdings, wenn der Mensch, der für den Klappentext verantwortlich war, das Buch offensichtlich nicht gelesen hat, denn jede einzelne der getroffenen Aussagen kann ich eindeutig widerlegen. Da ich fang ich doch glatt mal an.

Der Prolog trägt den Titel "Blitzableiter" und dafür, dass er fast vierzig Seiten lang ist, passiert ausgesprochen wenig. Abgesehen davon, dass man die Protagonistin von ihrer schlechtesten Seite zu sehen bekommt (denkt man, es steigert sich leider permanent).

Denn Ascheline ist eine Ghetto-Bitch, die besser in der Bronx aufgehoben wäre, als in der netten Stadt in New York State, in der sie gerade lebt. Nun, eigentlich hat sie ja Grund wütend zu sein, denn ihr Freund hat sie nach ganzen drei Monaten (!) Beziehung mit Lizzie betrogen. Aber anstatt ihren Freund zur Rede zu stellen, wird erstmal heftig auf die Kontrahentin eingeprügelt. Die Ash ist also echt eine ganz Wilde... (Ich schäme mich ja eigentlich selten für meine Flachwitze, aber der ist echt mies.)

Leider wird Ascheline von Anfang an zu einer Mary-Sue aufgebaut und der reflektionsresistente Leser quasi gezwungen Mitleid mit ihr zu haben. Da sie als Baby mit ihrer Schwester von Polynesien aus adoptiert wurde, hat sie natürlich eine entsprechende Optik aufgrund derer sie von einer Großzahl an Mitschülern gemobbt wird. (Und war trotzdem in einer Beziehung mit dem Vize-Kapitän des Tennisteams). So auch von Lizzie, was die Situation weiter eskalieren lässt.

Irgendwann taucht dann auch Rich auf, der das eigentliche Opfer der Schläge hätte sein sollen. Übrigens denkt Ascheline keine einzige Sekunde lang von ihm als "Dick", dabei böte sich das bei seinem Namen doch so perfekt an. Die Chance haben sowohl Karsten, als auch die Übersetzerin verschenkt, also weiter im Text.
Ein weiterer Charakter scheint nämlich auf der Bildfläche, Eve, Ashs ein Jahr ältere Schwester, die ein richtiges Bad Girl ist und nichts auf Schule und dergleichen gibt. Sie taucht einfach nur auf, um zu polarisieren und dann auf ihrem Motorrad wieder abzuzischen.

Die Szene in der Schule findet durch einschreiten des Konrektors ihr Ende und das Dramalama geht zu Hause weiter, wo Ascheline ihren Eltern erklären muss, was in der Schule vorgefallen ist. Es folgt etwas Stress, ein Infodump über ihre Vergangenheit und Herkunft und sie geht auf ihr Zimmer.

Aber nein, der Prolog ist noch nicht zu Ende, denn der Blitz ist noch nicht eingeschlagen. Lizzie taucht mit einem ihrer Minions unvermittelt vor Ashs Fenster auf und sorgt für Stress. Irgendwie geraten die beiden dann aufs Dach (das können die ja in den amerikanischen Filmen ja immer; über die Veranda oder so) und bitchfighten da weiter. Der Schwanz taucht diesmal nicht auf, dafür aber wieder Eve, die mehr ist als nur das Bad Girl nach Wattpad-Klassifikation ist, denn sie nutzt ihre krassen Blitzschleuderkräfte und haut Lizzie vom Dach, die ihr Ende also als verkohlte Leiche im Vorgarten findet.

Ziemlich ungeil. Auch für Ascheline, denn Eve haut wieder ab und sie ist so einigen Leuten eine Erklärung schuldig, denn das zu erklären erfordert schon einiges an Geschick und das Minion war ja auch noch dabei. Glaub ich zumindest, denn sie wurden nach einem höhnischen Spruch nicht mehr erwähnt.

Der Prolog endet mit dem klischeehaften Herannahen der Sirenen und hat immerhin einen ganz lustigen Titel geliefert, wenn man auf äußerst flachen Galgenhumor steht.

Das erste Kapitel beginnt acht Monate später in den Redwoods, also irgendwo in Kalifornien. Dort besucht Ascheline jetzt ein Bonzeninternat mit dem supermegaspecial Namen Blackwood Academy, der nur dezent pseudo-rebellisch klingt, wenn man sich in Erinnerung ruft, wo die Schule steht. Dort ist ihr ein Level-up widerfahren, denn sie ist jetzt mit Bobby, dem Kapitän der Fußballmannschaft zusammen.

Ich würde jetzt gerne einen Kommentar à la "sie schläft sich hoch" bringen, aber genau das ist nicht der Fall, denn Ascheline hat ihren hotten Boifränd zwar auf ihr Zimmer geladen, ist aber nicht in Stimmung und schubst ihn daher wortwörtlich von der Bettkante, weil sie sich vor ihm ekelt. Und ich dachte, sie kann mir nicht mehr unsympathischer werden.

Bobby findet das natürlich eher weniger toll, denn sie macht das anscheinend ständig und "bläst die Vergewaltigungs-Pfeife", wie er das sehr passend ausdrückt. Ascheline ist das aber schnuppe und setzt ihn trotzdem vor die Tür. Stattdessen geht sie lieber mit ihren Freunden unerlaubter Weise in der Dorfkneipe saufen.

In der Bar lernen wir Ade, Rolfe, Lily (die mal mit einem und mal mit zwei L geschrieben wird), Raja und Colt kennen, der sofort zum neuen Objekt der wechselhaften Lust der Protagonistin deklariert wird. Sie legt sogar eine Pro- und Contraliste für eine mögliche Beziehung an.

Colt ist aber erstmal nicht weiter wichtig, denn nur Ascheline und die vier anderen hören einen mysteriösen, markerschütternden (das Wort kommt jetzt von mir) Schrei von draußen und gehen diesem nach.

Und sie haben sich nicht verhört, denn sie werden Zeugen der Entführung ihrer blinden Mitschülerin Serena (wer hier errät, was es mit ihr auf sich hat, erhält 3 Gummipunkte für die Analyse für Namen mit einer auffallenden Bedeutung à la JKR), die sie durch das plötzliche Auftauchen und der zweiten Prügelattacke auf 70 Seiten gerade noch verhindern können.

Die Polizei informieren sie auf Wunsch der Angegriffenen aber nicht. Die taucht aber eh schon an der Kneipe auf, denn die Direktorin hat gemerkt, dass ein Teil ihrer Schülerschaft abhanden gekommen ist. Als Strafe müssen sie von nun an dem Park-Ranger helfen, der sich passenderweise als Cole herausstellt. Auch ein Weg, um die Pflanzen im trockenen Sommer feucht zu halten. Einfach eine rallige Ascheline hinstellen.

War nur ein Witz. Es ist wahrscheinlicher, dass sie alles in Flammen setzt. Sie ist ja schließlich eine Vulkangöttin. Nur bis jetzt hat man davon noch nichts gemerkt. Und da ihr Leben vorher auch nicht normal ist, wurde Aussage eins des Klappentextes hiermit wiederlegt.

Wie auch immer. Das letzte Ereignis vor dem ewig andauernden Nichts, das die Handlung vor dem großen Showdown am Ende prägt, ist ein Zusammentreffen mit Serena und den anderen vieren von dem Vorfall bei der Bar am Strand. Das Mädchen mit der Sehbehinderung, die absolut keine Plotrelevanz aufweist, erzählt ihnen jetzt nämlich, dass sie alle Reinkarnationen von Göttern seien und sie selbst eine Sirene. Große Überraschung. Nicht.

Ade ist ein Zulu-Donnergott namens Shango, Lily ist Konohana, eine Shinto-Göttin, Rolfe ist Baldur, der Krieger der nordischen Mythologie und Raja ist Isis, die ägyptische Todesgöttin. Nur für Ash gibts noch keinen Namen, denn wir dürfen ja nicht vergessen, sie weiter auf dem Pfad der Mary-Sue-haftigkeit wandeln zu lassen.

Infos wurden platziert und die Götter verschiedenster Kulturen zusammengeführt, um sich unter den Menschen nicht mehr als Ausgegrenzte zu fühlen. Eine großartige Idee, wenn man bedenkt, was so alles im Laufe der Geschichte passiert ist, wenn verschiedene Kulturen aufeinanderprallten. Und gerade in der heutigen Zeit ist Kultur das, was uns voneinander unterscheidet. Im Kalten Krieg ging es um Ideologie, heutzutage bekämpfen wir den IS, der ein verqueres Bild seiner Kultur durchsetzen will.

Aber hier scheint das alles ganz großartig zu funktionieren und dass es noch andere überlebende Götter gibt, die nach ihrem Leben trachten, ist vollkommen nebensächlich. Interessiert doch niemanden, was da so abgeht. Wir wollen doch alle nur eine Lovestory mit dem Colt für alle Fälle sehen.

Übrigens hätte ich hier den letztgenannten Punkt auf der Liste an Aussagen aus dem Klappentext widerlegt, denn es sind nicht alle anderen Götter strikt gegen Ascheline. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber ich bin ja nur ein Mensch, der das Buch wirklich gelesen hat und niemand, der im Piper Verlag (oder womöglich bei Simon & Schuster Kids, die das Original verlegt haben) für das, was aufs Buch kommt, verantwortlich ist.

Die letzten beiden Punkte auf meiner Liste sind übrigens ganz schnell entkräftet, denn beide haben mit Cole zu tun. Erstens, ist er nicht ihr Freund, als sie von ihm träumt und ihr Bett in Flammen setzt, denn richtig mit Bobby schluss gemacht hat sie immer noch nicht. Der entschuldigt sogar noch bei ihr, aber sie lässt ihn eiskalt abblitzen, weil er sie ja angeblich behandelt hat wie der letzte Arsch vom Dienst.

Zweitens, ist ihre wilde Knutscherei mit dem schnellschießenden Revolver alles andere als wild. Ehrlich gesagt ist es auch noch gar keine Knutscherei. Sie knabbert ihm lediglich am Ohrläppchen, bevor sie sein Hemd aus der Hose holt, mit der Hand darunterfährt und ihn mit dieser verbrennt. Ergo ist auch dieser Punkt hinfällig.

Zwischendrin taucht auch Eve wieder auf, die ein bisschen herumlabert, von den "bösen" Göttern erzählt und versucht, ihre Schwester auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen. Ach ja, und Raja und Rolfe werden ein Paar. Scheiß auf Inzest mit Osiris.

Und dann kommt auch schon der große Showdown. Lily wird irgendwie böse und alle liefern sich einen krassen Fight mit Eve und Lily, bei dem Rolfe aka Baldur, der einzige, der Großen, der Ragnarök überlebte, ist tot. Eine super Entscheidung die Mythologie genau an dieser Stelle zu ändern und einen der vielversprechendsten Charaktere zu töten.

Zugegebener Maßen war er so ziemlich der einzige, dessen Geschichte richtig vorgestellt wurde. Bei den anderen, unbekannten hätte das wahrscheinlich zu viel Recherche auf Seiten abseits von Wikipedia bedeutet.

Am Ende heißt es dann "Geschwisterivalität" und Ascheline kämpft gegen Eveline, die sich des Colts ihrer Schwester bemächtigt hat und damit leider nicht auf sie zielt, was ein viel epischerer Endkampf gewesen wäre. Stattdessen ist Colt ja ein Mensch und keine Waffe, weswegen er als Druckmittel herhalten muss und an einen Felsen am Strand gekettet wurde. In einer Höhle oder so, wo er schnell ertrinken kann. Habe ich mir irgendwie vorgestellt wie in Harry Potter 6, um wenigstens etwas Atmosphäre reinzubringen, auch wenn die Nordsee eher wenig Gemeinsamkeiten mit dem Pazifik aufweist.

Am Ende heißt es dann Wetter- gegen Vulkangöttin resp. Tsunami gegen Lava. Eve geht drauf, der Love Interest, den sie seit einer Woche kennt, ist gerettet und wir begeben uns in den Epilog, in welchem einige krasse Fakten revealed werden.

Also zwei, um genau zu sein.
Erstens trägt sie den Namen Pele und outet sich somit als brasilianische Fußballlegende oder so ähnlich und zweitens... *Trommelwirbel*

... ist Colt auch ein Gott und zwar einer der Bösen. Um genau zu sein derjenige, der Eve zu dem ganzen Kram angestiftet hat.

Mit dieser krassen Erkenntnis endet Band 1 einer, wie ich leider feststellen musste, Trilogie, die ich ganz sicher nicht weiter verfolgen werden.

Asche(line) über mein Haupt, aber bei aller Liebe für Mythologie jeglicher Art kann ich diese Bücher nicht gutheißen. Ich wäge gerade sogar ab, es zu verbrennen. Hätte schon eine gewisse Ironie.

Wildefire ist ein Buch mit einer Protagonistin, die alle gängigen Klischees über eine bitchige Frau erfüllt, die anscheinend dauerhaft ihre Tage hat, so wie sie sich verhält. Das Ganze dargestellt von einem Mann kommt mir sehr sexistisch vor und ich finde es ein Unding, das so etwas Frauenverachtendes veröffentlicht wird und damit Teenie-Mädels anlocken soll. Das ist fast noch schlimmer als die Unterwerfung  gegenüber eines Badboys.

Während des Lesens hatte ich sogar fast das Gefühl, eine Trollfic vor mir zu haben, geschrieben von einem Mann, der erkannt hat, wie man mit solchem Schund Geld machen und sich gleichzeitig über die Idioten amüsieren kann, die das ganze dann abfeiern.
Ist dem nicht so muss ich mir leider zwangsläufig die Frage stellen: Was ist denn mit Karsten los?

Wildefire ist ein Buch mit 403 Seiten, die absolut keinen Spaß machen, denn die ungewollt lustigen Stellen sind rar gestreut zwischen nichtssagenden, langweiligen Passagen. Wer sich für verschiedene Götterwelten interessiert, dem kann ich nur "American Gods" von Neil Gaiman ans Herz legen.

Auf dass ich nicht noch einmal ein gedrucktes Buch auf Wattpad-Durchschnitts-Niewo lesen muss (oder es mir freiwillig antue).

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